Homeoffice-Horror | Lockdown bis 14. Februar | Flaschengeist

Müns­ter, 19. Janu­ar 2021

Guten Tag,

vor eini­gen Wochen erzähl­te mir eine Leh­re­rin aus Müns­ter, wie das mit der sub­ti­len Beein­flus­sung an ihrer Schu­le funk­tio­niert. Der Unter­richt fand damals (ja, das ist hier das rich­ti­ge Wort) noch in den Klas­sen­räu­men statt. Wer aus dem Kol­le­gi­um zur Risi­ko­grup­pe gehör­te, Älte­re oder Men­schen mit Vor­er­kran­kun­gen, erle­dig­te die Arbeit von zu Hau­se aus. Die Schul­lei­tung lob­te in E-Mails aber vor allem jene, die mor­gens anwe­send waren. Die­se Form des unter­schwel­li­gen Drucks funk­tio­niert nicht nur in Schu­len, son­dern auch in Büros. Die Arbeit im Home­of­fice mag erlaubt sein. Doch wenn sie nicht erwünscht ist, mer­ken die Leu­te das schon.

Die Grü­nen-Poli­ti­ke­rin Lau­ra Sophie Dorn­heim sam­melt seit zwei Wochen bei Twit­ter Geschich­ten von Men­schen, die wei­ter­hin täg­lich ins Büro kom­men müs­sen, obwohl das eigent­lich gar nicht nötig wäre. Über tau­send Men­schen haben geant­wor­tet. In die­sen Geschich­ten geht es um Seni­or­chefs, die Sekt­fla­schen als Dan­ke­schön an alle ver­schen­ken, die wei­ter jeden Tag da sind. Es geht um Fir­men, die deut­lich sagen: „Home­of­fice kommt nur dann, wenn es Pflicht wird.“ Vor allem aber geht es um beharr­li­che Über­zeu­gun­gen, gegen die mit Argu­men­ten nicht viel zu machen ist. Eine davon lau­tet: Men­schen arbei­ten nur dann, wenn man ihnen dabei zusieht.

Erlebnisbericht aus dem Großraumbüro

Am Mon­tag­abend habe ich bei Twit­ter gefragt, ob es auch in Müns­ter Men­schen gibt, die die­se Erfah­run­gen machen. Ich habe aller­dings nicht nur nach Nega­tiv-Bei­spie­len gefragt, son­dern auch nach Unter­neh­men, in denen die Arbeit von zu Hau­se aus gut funk­tio­niert. Der Grund ist: Wenn tau­send Men­schen aus ganz Deutsch­land sich mit ihren Hor­ror­ge­schich­ten mel­den, ent­steht ein ein­deu­ti­ges Bild, aber wahr­schein­lich kei­nes, das der Wirk­lich­keit ent­spricht. In den meis­ten Ant­wor­ten auf mei­nen Auf­ruf ging es dann auch tat­säch­lich um posi­ti­ve Erfah­run­gen. Aber nicht in allen.

Sehr aus­führ­lich schreibt jemand, nen­nen wir ihn Micha­el Schmidt, der in Müns­ter wei­ter­hin täg­lich mit 25 Men­schen „eng neben­ein­an­der in einem Groß­raum­bü­ro“ arbei­ten muss. Dabei gin­ge das auch pro­blem­los von zu Hau­se, schreibt er. Schon jetzt fin­de die Abstim­mung über sei­ne Arbeit aus­schließ­lich per Chat statt. 

„Bereits beim ers­ten Lock­down wei­ger­te sich die Büro­lei­tung, Sicher­heits­vor­keh­run­gen zu tref­fen. Man war der Auf­fas­sung, die Pha­se wer­de schnell wie­der vor­über­ge­hen“, schreibt Schmidt. Soweit mög­lich, sei man im Büro dann aus­ein­an­der­ge­rückt. Man sei gebe­ten wor­den, für Geschäfts­ter­mi­ne Video­kon­fe­ren­zen zu nut­zen. „Jedoch luden die Chefs seit die­sem Zeit­punkt wei­ter­hin Freun­de und Bekann­te bei Wein zu Busi­ness­mee­tings in gro­ßer Run­de ein.“

Als der zwei­te Lock­down kam, habe man sich dar­auf geei­nigt, im Büro Mas­ken zu tra­gen. Eini­ge hät­ten von zu Hau­se arbei­ten müs­sen, weil es mit den Kin­dern nicht anders ging. Als es dann Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me gab, sei das als Beleg dafür genom­men wor­den, dass das Arbei­ten von zu Hau­se eben nicht funk­tio­niert. „Zudem bräuch­ten die Mit­ar­bei­ter auch die Kon­trol­le und den Druck, um gute Arbeit abzu­lie­fern“, so habe es gehei­ßen, schreibt Schmidt in sei­ner Mail. 

Inzwi­schen habe die Situa­ti­on sich immer­hin ein biss­chen ver­bes­sert, aller­dings auch wirk­lich nur ein biss­chen. Die Chefs hät­ten Mas­ken­spen­der auf­ge­stellt, „jedoch ver­ges­sen sie selbst, wel­che zu tra­gen“, so Schmidt. Zuletzt sei ver­kün­det wor­den: „Wir besor­gen Schnell­tests für alle.“ Die bie­ten zwar kei­nen siche­ren Schutz gegen Coro­na. Aber unter Umstän­den hel­fen sie gegen den Wunsch nach einem Arbeits­platz zu Hause. 

Die Zeit hat in der ver­gan­ge­nen Woche 50 Erfah­rungs­be­rich­te von Men­schen doku­men­tiert, die ins Büro müs­sen, aber nicht müss­ten. Und wenn Sie sich fra­gen, war­um wir das Unter­neh­men hier so beschrei­ben, dass es nicht zu erken­nen ist: zum einen natür­lich, um Micha­el Schmidt zu schüt­zen. Wich­tig ist aber auch: Hier geschieht nichts Ille­ga­les. Das alles klingt zwar weder rück­sichts­voll noch sym­pa­thisch. Aber bis­lang war es erlaubt. Fir­men waren ange­hal­ten, aufs Home­of­fice umzu­stel­len, wo es mög­lich ist. Doch sie waren dazu nicht verpflichtet.

Das wird sich nun ändern. Bun­des­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) will Unter­neh­men dazu zwin­gen, das Home­of­fice mög­lich zu machen, wenn die Sie­ben-Tage-Inzi­denz (Zahl der Neu­in­fek­tio­nen pro 100.000 Men­schen in einer Woche) bei über 50 liegt. 

Bund und Län­der haben sich dazu auf eine For­mu­lie­rung ver­stän­digt, schreibt das Han­dels­blatt in sei­nem Coro­na-Ticker. Es wer­de eine Ver­ord­nung geben, nach der Fir­men „über­all dort, wo es mög­lich ist, den Beschäf­tig­ten das Arbei­ten im Home­of­fice ermög­li­chen müs­sen, sofern die Tätig­kei­ten es zulas­sen“, heißt es. 

Wo es nicht mög­lich ist, wird Unter­neh­men den Berich­ten nach noch eine ande­re Mög­lich­keit blei­ben: Sie müs­sen an ihre Beleg­schaft Mas­ken ver­tei­len. Das gilt min­des­tens bis zum 15. März. 

Kinderbetreuung per Video

Vie­le Unter­neh­men brau­chen kei­nen Zwang. Als wir im RUMS-Brief vor andert­halb Wochen über das Home­of­fice-Pro­blem schrie­ben, mel­de­te sich Dani­el Meye­ring, der Spre­cher der LVM-Ver­si­che­rung am Kol­de-Ring. Dort arbei­ten nor­ma­ler­wei­se 3.400 Men­schen. Im Moment sei­en es an nor­ma­len Tagen 600, sagt Meye­ring. Der All­tag sehe dann so aus: Lee­re Flu­re, nur eine Per­son im Büro, und mit­tags ruft manch­mal jemand aus dem Home­of­fice an, um mit Blick auf die Tief­kühl­piz­za im Ofen zu Hau­se mit­zu­tei­len, dass er das Kan­ti­nen­es­sen ver­mis­se (was anders­wo mög­li­cher­wei­se gera­de ein Argu­ment fürs Home­of­fice ist). Das Essen in der Kan­ti­ne gibt es im Moment aller­dings nur zum Mitnehmen. 

Inter­es­sant ist vor allem: Die LVM hat nicht erst im ver­gan­ge­nen März damit ange­fan­gen, das Home­of­fice zu eta­blie­ren, son­dern Mit­te der 90er-Jah­re. Und das zahlt sich jetzt aus (Gruß ans Schul­mi­nis­te­ri­um). Damit ist gar nicht so sehr die Tech­nik gemeint, eher das Ver­trau­en in die Men­schen und die­se Art zu arbei­ten. „Wir wis­sen aus Erfah­rung, dass die Pro­duk­ti­vi­tät nicht in den Kel­ler geht, wenn die Leu­te zum Arbei­ten nicht ins Büro kom­men“, sagt Meyering. 

Laut Stu­di­en gilt das aller­dings nicht unein­ge­schränkt. Die Zeit zitier­te dazu vor knapp zwei Wochen Micha­el Hüt­her, den Direk­tor des Insti­tuts der Deut­schen Wirt­schaft: „Stu­di­en von Stan­ford-Kol­le­gen bele­gen, dass frei­wil­li­ges Home­of­fice die Pro­duk­ti­vi­tät zwar erhöht, ver­pflich­ten­des (und vor allem dau­er­haf­tes) aber nicht. Es wirkt sogar gegen­tei­lig.“ Das spricht gegen eine Pflicht zum Home­of­fice, aber für die Möglichkeit. 

Bei der LVM gibt es unter­schied­li­che Arbeits­zeit­mo­del­le – je nach­dem, wie oft Men­schen zu Hau­se arbei­ten möch­ten. Er selbst gehö­re zu denen, die mor­gens gern mit dem Fahr­rad ins Büro fah­ren, sagt Dani­el Meye­ring, auch um Frei­zeit und Arbeit zu tren­nen. Es gäbe noch ande­re Mög­lich­kei­ten. Er könn­te ein Sab­bat­jahr machen und die Anspar­pha­se, die nor­ma­ler­wei­se zuerst kommt, spä­ter nach­ho­len. Das gehe auch mit Minus­stun­den, also dem Gegen­teil von Über­stun­den. Im Moment expe­ri­men­tie­re die LVM auch mit etwas, das zumin­dest für eine Sekun­de nach der per­fek­ten Lösung klingt: Kin­der­be­treu­ung per Video­kon­fe­renz. Es funk­tio­niert dann aller­dings doch etwas anders, als man viel­leicht im ers­ten Moment denkt. Die Kin­der blei­ben nicht allein zu Hau­se und müs­sen via Anlei­tung kochen. Päd­ago­gi­sche Fach­kräf­te betreu­en die Kin­der per Bild­schirm, wäh­rend Eltern zu Hau­se in einem ande­ren Raum arbei­ten. Der Anbie­ter heißt Voiio. Ob die Bild­schirm­be­treu­ung gut funk­tio­nie­re, kön­ne er im Moment aber noch nicht sagen. Man pro­bie­re das gera­de erst aus, sagt Meyering.

Müllabfuhr per Homeoffice?

Das sind zwei Bei­spie­le aus Müns­ter. Wie aber sieht das Gesamt­bild aus? Wir haben die Gewerk­schaft Ver­di gefragt, ob im Moment vie­le Beschwer­den ein­ge­hen. Dort sag­te man uns, die Rück­mel­dun­gen sei­en „weder posi­tiv noch nega­tiv“. Es sei alles rela­tiv ruhig zur­zeit. Und das lie­ge wahr­schein­lich auch dar­an – da haben wir doch schon die Ant­wort –, dass vie­le Mit­glie­der im Home­of­fice seien. 

Auch die Bezirks­re­gie­rung schreibt: aktu­ell kei­ne Beschwerden.

Ein Ergeb­nis von Lau­ra-Sophie Dorn­heims Twit­ter-Befra­gung war: Die öffent­li­chen Ver­wal­tun­gen hin­ken beim The­ma Home­of­fice ein biss­chen hin­ter­her. Daher haben wir auch die Stadt Müns­ter gefragt, wie es dort im Moment aus­sieht. Eine Spre­che­rin schreibt: „Aktu­ell wer­den 1.300 Heim­ar­beits­plät­ze genutzt.“ Die Zahl sei deut­lich gestie­gen. Ob das bei knapp 5.000 Men­schen in der Stadt­ver­wal­tung viel oder wenig ist, kann ich lei­der nicht sagen (wenn Sie es kön­nen, schrei­ben Sie uns). Es hängt davon ab, wie vie­le Men­schen zu Hau­se arbei­ten könn­ten. Eine all­zu gro­ße Home­of­fice-Quo­te bei der Müll­ab­fuhr oder der Feu­er­wehr zum Bei­spiel wür­den wir uns wahr­schein­lich nicht wünschen.

Die Stadt­ver­wal­tung sieht sich in einem Dilem­ma. Auf der einen Sei­te trü­gen vie­le Ämter „maß­geb­li­che Ver­ant­wor­tung bei der Pan­de­mie­be­kämp­fung“, schreibt die Spre­che­rin. Gleich­zei­tig müs­se man die Gesund­heit des eige­nen Per­so­nals schüt­zen. Das pas­sie­re unter ande­rem, indem Bespre­chun­gen zu gro­ßen Tei­len digi­tal statt­fän­den, Arbeits­plät­ze auf meh­re­re Räu­me ver­teilt wür­den. Und was Sie selbst viel­leicht schon bemerkt haben: Wenn Sie etwas beim Bür­ger­amt erle­di­gen möch­ten, geht das nur noch mit Termin.

Wir haben die Stadt auch gefragt, ob sich dort schon vie­le Men­schen wegen ihrer Arbeits­be­din­gun­gen beschwert haben. In der ver­gan­ge­nen Woche hieß es, vor allem Fir­men hät­ten sich gemel­det – um zu erfra­gen, wie sie die Coro­na-Kon­zep­te rich­tig umset­zen kön­nen. Spä­ter kam noch ein Nach­trag: Beim Ord­nungs­amt sei eine Beschwer­de ein­ge­gan­gen, aber tat­säch­lich nur eine. Eine Kas­sie­re­rin aus einem Super­markt habe sich gemel­det, weil sie der Mei­nung war, ihr Arbeits­platz sei nicht aus­rei­chend abge­si­chert. Das Ord­nungs­amt hat das über­prüft, kam aber zu einem ande­ren Schluss.

Es geht nicht nur um Sicherheit im Büro

Ein Grund dafür, dass Men­schen sich nicht bei der Gewerk­schaft, der Stadt oder der Bezirks­re­gie­rung mel­den, könn­te sein, dass sie nicht wis­sen, wer zustän­dig ist. Lau­ra-Sophie Dorn­heim schreibt noch heu­te Mor­gen bei Twit­ter, es gebe wei­ter kei­ne Stel­le, an die Men­schen sich wen­den kön­nen, wenn sie gern mehr Sicher­heit bei der Arbeit hät­ten, aber in ihrem Unter­neh­men dafür nie­mand Ver­ständ­nis hat.

In ande­ren Län­dern ist das Home­of­fice schon Pflicht, in der Schweiz zum Bei­spiel seit die­ser Woche, in Bel­gi­en seit Herbst. Das klingt nach einer ein­fa­chen Lösung, doch so leicht ist es dann wie­der doch nicht. Wer ent­schei­det zum Bei­spiel dar­über, wel­che Arbeits­plät­ze sich nach Hau­se ver­la­gern las­sen? In wel­chen Fäl­len ist es mög­lich? Wann lässt die Tätig­keit es zu? Am Ende ist es auch ein enor­mer büro­kra­ti­scher Auf­wand, bei dem sich die Fra­ge stellt: Lohnt sich das über­haupt? Wenn die Men­schen sich im Büro an bestimm­te Regeln hal­ten, geht es doch viel­leicht auch so.

Doch das ist ein Denk­feh­ler, denn wie so oft ist das Pro­blem, dass alles irgend­wie mit­ein­an­der zusam­men­hängt. Es geht nicht nur dar­um, die Men­schen in den Büros zu schüt­zen. Ein wich­ti­ges Ziel ist, die öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel zu ent­las­ten, damit Men­schen, die auf sie ange­wie­sen sind, sie mög­lichst gefahr­los nut­zen kön­nen. Die Phy­si­ke­rin Vio­la Prie­se­mann erklärt das bei Twit­ter. Sie wur­de übri­gens beim letz­ten Tref­fen der Kanz­le­rin mit den Lan­des­re­gie­run­gen als Exper­tin gehört, die­ses Mal aber nicht mehr ein­ge­la­den – weil sie zu forsch gewe­sen sei, hat Lorenz Maroldt vom Tages­spie­gel erfah­ren.

Homeoffice-Pflicht: Studien belegen die Wirkung

Unter dem Strich trägt eine Home­of­fice-Pflicht dazu bei, die Infek­ti­ons­zah­len zu sen­ken. Das bele­gen Stu­di­en recht ein­deu­tig. Die Zeit schreibt in ihrer aktu­el­len Aus­ga­be: Ein Pro­zent mehr Home­of­fice senkt die Infek­ti­ons­zah­len um vier bis acht Pro­zent. Das ist das Ergeb­nis einer Stu­die des Mann­hei­mer Öko­no­men Harald Fadin­ger. Und weil des­sen Zah­len so unwahr­schein­lich hoch klin­gen, hat eine ande­re For­schungs­grup­pe um den Öko­no­men Hans-Mar­tin von Gau­de­cker sie noch ein­mal über­prüft – mit dem glei­chen Ergebnis. 

Die Ver­hand­lun­gen über die Coro­na-Regeln ende­ten nach elf Stun­den am Abend. Hier ein Über­blick über die wich­tigs­ten übri­gen Beschlüsse: 

  • Der Lock­down wird bis zum 14. Febru­ar verlängert. 
  • Schu­len blei­ben bis dahin geschlos­sen. Oder es gibt kei­ne Präsenzpflicht. 
  • Kitas blei­ben eben­falls bis zum 14. Febru­ar geschlossen. 
  • Bei Tref­fen zu Hau­se gilt: Es darf wei­ter eine Per­son dazukommen. 
  • In öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln und Geschäf­ten sind FFP2-Mas­ken oder ver­gleich­ba­re Model­le Pflicht. 
  • Bei Got­tes­diens­ten gel­ten stren­ge­re Regeln. Mas­ken sind Pflicht. Ver­an­stal­tun­gen mit mehr als zehn Per­so­nen müs­sen zwei Tage vor­her beim Ord­nungs­amt gemel­det wer­den. Außer­dem gilt ein Min­dest­ab­stand. Sin­gen ist verboten. 

Das klingt alles nicht so gut. Gegen 22.20 Uhr sag­te Ange­la Mer­kel dann aber doch etwas Hoff­nungs­vol­les. Es sei nun zu erken­nen, dass Weih­nach­ten und Sil­ves­ter uns nicht zurück­ge­wor­fen hät­ten. Wir sei­en auf einem guten Weg. 


In aller Kürze

+++ Müns­ters Stadt­käm­me­rin Chris­ti­ne Zel­ler (Grü­ne) wäre offen­bar gern Stadt­di­rek­to­rin gewor­den und damit Nach­fol­ge­rin von Tho­mas Paal (CDU). Aber dar­aus wird nun wohl nichts, berich­ten die West­fä­li­schen Nach­rich­ten. Über den Pos­ten des Stadt­di­rek­tors ent­schei­det der Rat. In den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen fand sich für den Vor­schlag offen­bar kei­ne Mehr­heit. Die Grü­nen hät­ten mit die­sem Schritt ihren Ein­fluss auf die Stadt­spit­ze ver­grö­ßert. Wenn die Koali­ti­on der Grü­nen mit SPD und Volt zustan­de kommt, wonach es im Moment aus­sieht (vor­aus­sicht­lich Ende des Monats), haben die­se Par­tei­en im Rat zwar zusam­men das Sagen. Aber an der Spit­ze der Stadt­ver­wal­tung ste­hen mit Ober­bür­ger­meis­ter Mar­kus Lewe und sei­nem Stell­ver­tre­ter Tho­mas Paal zwei CDU-Män­ner – aus Per­spek­ti­ve der Grü­nen müss­te man viel­leicht sagen: im Weg.

+++ Preu­ßen-Sta­di­on-Neu­bau, Fol­ge 438. Offen­bar soll jetzt doch ein schon exis­tie­ren­des städ­ti­sches Unter­neh­men das neue Sta­di­on bau­en, näm­lich die Park­haus-Gesell­schaft WBI, an deren Spit­ze der Ex-Grü­nen-Ober­bür­ger­meis­ter-Kan­di­dat Peter Todes­ki­no steht. Das ist der Inhalt einer Vor­la­ge, über die der Rat in sei­ner Sit­zung am 10. Febru­ar abstim­men soll. Der Vor­schlag kommt etwas über­ra­schend. Bei der letz­ten Rats­sit­zung hat­te es noch gehei­ßen, die städ­ti­schen Gesell­schaf­ten sei­en aus­ge­las­tet. Außer­dem feh­le dort das Know-how für so ein Spe­zi­al­pro­jekt. Wie es zu der Fehl­in­for­ma­ti­on kam, ist nicht bekannt. Wie es gewe­sen sein könn­te: Als es um die Fra­ge ging, wer den Sta­di­on­bau über­neh­men könn­te, hob Peter Todes­ki­no nicht recht­zei­tig die Hand. Er war aus Lan­ge­wei­le an sei­nem Arbeits­platz eingenickt.

+++ Müns­ter bekommt mal wie­der kein neu­es Hoch­haus, berich­ten die West­fä­li­schen Nach­rich­ten. Dies­mal wirft die Stadt dem Inves­tor gera­de noch recht­zei­tig ein neu­es Bebau­ungs­recht zwi­schen die Bei­ne, so dass aus dem 60 Meter und 17 Eta­gen hohen Gebäu­de am Bahn­hof nichts wer­den kann. Es hät­te gegen­über vom Metro­po­lis-Hoch­haus ste­hen sol­len, wo im Moment noch eine Post­bank­fi­lia­le bei lau­fen­dem Betrieb ver­wit­tert. Nach neu­em Recht wer­den hier nur noch Gebäu­de ste­hen dür­fen, die maxi­mal 27 Meter hoch sind. Zum Ver­gleich: Das Metro­po­lis-Hoch­haus misst 40 Meter. 

+++ Im Miss­brauchs­kom­plex Müns­ter gibt es eine wei­te­re Ankla­ge. Ein 35-jäh­ri­ger Mann aus Hei­li­gen­haus im Kreis Mett­mann soll den heu­te elf­jäh­ri­gen Stief­sohn des Haupt­an­ge­klag­ten in drei Fäl­len schwer miss­braucht haben, mel­det die Staats­an­walt­schaft. Auf die Hin­wei­se stie­ßen die Ermit­teln­den offen­bar bei der Aus­wer­tung von Chat­ver­läu­fen. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft. 


Corona-Update

Die neue Initia­ti­ve „Zero Covid“ for­dert einen radi­ka­len Stra­te­gie­wech­sel in der Coro­na-Bekämp­fung. Das wür­de bedeu­ten: sehr viel strik­te­re Maß­nah­men mit dem Ziel, das Virus kom­plett zu erle­di­gen. „Das Ziel sind nicht 200, 50 oder 25 Neu­in­fek­tio­nen, son­dern Null“, schreibt die Initia­ti­ve auf ihrer Web­site. An dem Auf­ruf betei­ligt sind Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Politiker:innen. Der Vor­schlag ist nicht ganz neu: Schon im Dezem­ber hat­ten mehr als 300 Wissenschaftler:innen in einer gemein­sa­men Stel­lung­nah­me einen sehr viel stren­ge­ren Lock­down gefor­dert, unter ande­rem der Viro­lo­ge Chris­ti­an Dros­ten und Lothar Wie­ler, der Chef des Robert-Koch-Insti­tuts. Eini­ge Wissenschaftler:innen hal­ten das Ziel jedoch nicht für rea­lis­tisch. Wür­de man nur auf Müns­ter schau­en, wäre es wohl nicht in so wei­ter Fer­ne: Die Stadt mel­det seit ges­tern 14 Neu­in­fek­tio­nen. Aktu­ell gel­ten 505 Men­schen als infi­ziert. Die Sie­ben-Tage-Inzi­denz sinkt damit auf einen Wert von 51,4 und liegt nur noch knapp über der Gren­ze von 50, ab der eine Kom­mu­ne als Hot­spot gilt. Auch mit dem Imp­fen geht es nach Anga­ben der Stadt gut vor­an. Über 5.000 Men­schen hät­ten bereits eine Sprit­ze bekom­men. Die ers­ten Men­schen, bei denen das schon vor drei Wochen pas­siert war, beka­men heu­te schon ihre zweite. 


Unbezahlte Werbung

Kochen ist ja zur­zeit sozu­sa­gen das Spa­zie­ren­ge­hen für zuhau­se: Die meis­ten Men­schen haben es irgend­wie immer schon gemacht, aber seit einem knap­pen Jahr ist es bei erstaun­lich vie­len zum Hob­by gewor­den. Wenn Sie dazu­ge­hö­ren, ist unser Tipp heu­te per­fekt für Sie. Kei­ne Sor­ge: wenn nicht, auch. Sie soll­ten nur ger­ne essen oder trin­ken. Bei Fla­schen­geist bekom­men Sie näm­lich nicht nur aus­ge­fal­le­ne Öle und Essig-Sor­ten, mit denen Sie in Ihrer Küche tol­le Sachen machen kön­nen. Es gibt auch fer­tig gemix­te Dres­sings und Gewürz­mi­schun­gen für gro­ßen Erfolg bei wenig Auf­wand. Dazu Wei­ne, Schaum­wei­ne, Whis­ky, Likö­re und mehr Hoch­pro­zen­ti­ges. All das kön­nen Sie online bestel­len und sich direkt nach Hau­se lie­fern lassen.


Drinnen und Draußen

+++ Nor­ma­ler­wei­se ist ein Muse­ums­be­such ja eine etwas ein­sei­ti­ge Ange­le­gen­heit: Man geht hin und schaut sich an, was sehr begab­te Men­schen so auf die Lein­wand gebracht haben. So etwas kön­nen Sie auch beim digi­ta­len Besuch des Picas­so-Muse­ums erle­ben, es gibt Bil­der aus der aktu­el­len Aus­stel­lung „Picasso/Miró - Eine Künst­ler­freund­schaft“ zu sehen. Danach geht es aber noch wei­ter, Sie kön­nen die frisch gewon­ne­ne Inspi­ra­ti­on gleich für ein eige­nes Werk nut­zen. Das Muse­um schickt Ihnen nach Anmel­dung Mate­ri­al zum Krea­tiv­wer­den zu, und Sie bekom­men wäh­rend des Work­shops natür­lich fach­kun­di­ge Unter­stüt­zung. Der nächs­te Ter­min ist am 31. Janu­ar, hier fin­den Sie alle Infos und kön­nen sich anmel­den. Für Kin­der gibt es übri­gens auch ein tol­les Pro­gramm, die nächs­ten The­men hei­ßen „Kri­ckel­krack und Krit­ze­lei“ (Don­ners­tag, 21. Janu­ar) und „Picas­sos Tie­re“ (Don­ners­tag, 28. Januar).

+++ Sich künst­le­risch aus­zu­pro­bie­ren, kann ja auch gegen den Coro­na-Blues hel­fen. So machen es auch Mat­thi­as und Den­nis Fort­haus aus Müns­ter: Sie bau­en Modell­ei­sen­bahn-Land­schaf­ten auf und wer­keln mit viel Lei­den­schaft an neu­en Details. Vater und Sohn stel­len näm­lich nicht irgend­wel­che Bäu­me und Häu­ser neben die Schie­nen. Sie haben sich dar­auf spe­zia­li­siert, klei­ne Städ­te im Stil der 1950er- und 1960er-Jah­re nach­zu­bau­en. Wie die beson­de­ren Modell­land­schaf­ten aus­se­hen, kön­nen Sie sich in der 15-minü­ti­gen ZDF-Doku „Glück­lich in der Kri­se?“ anschau­en. In dem Film erzäh­len außer­dem eine auf­trags­lo­se Stadt­füh­re­rin, eine Musi­ke­rin und ein Glücks­for­scher, wie man gut durch die­se Zeit kommt.

+++ Wenn Sie sich für Musik inter­es­sie­ren, dann kön­nen Sie sich in den nächs­ten Tagen auf die Kon­zert­rei­he „Ultra­schall Ber­lin. Fes­ti­val für neue Musik“ der Radio­sen­der Deutsch­land­funk Kul­tur und rbbKul­tur freu­en. Von Mitt­woch bis Sonn­tag gibt es Live-Radio­kon­zer­te und Stu­dio­pro­duk­tio­nen, hier fin­den Sie das gesam­te Programm.

Am Frei­tag schreibt Ihnen wie­der Con­stan­ze Busch. Haben Sie bis dahin eine gute Woche. Und blei­ben Sie gesund.

Herz­li­che Grüße

Ralf Heimann

Mit­ar­beit: Johan­ne Burk­hardt, Con­stan­ze Busch


PS

Wenn mor­gen Joe Biden als neu­er US-Prä­si­dent ver­ei­digt wird, dann wird ein Absol­vent der Uni Müns­ter die Anspra­che hal­ten. Leo O’Do­no­van hat im Jahr 1971 in Müns­ter bei Karl Rah­ner pro­mo­viert. Er leb­te drei Jah­re lang im Pfarr­haus von St. Anto­ni­us (Ecke Wese­ler Straße/Moltkestraße). Spä­ter wur­de er Rek­tor der George­town-Uni­ver­si­tät in Washing­ton und Mit­glied des Auf­sichts­rats von Walt Dis­ney. Leo O’Do­no­van ist ein Ver­trau­ter von Joe Biden. Als vor fünf Jah­ren Bidens Sohn Beau im Alter von 46 Jah­ren starb, hielt O’Do­no­van die Trau­er­fei­er. Im Jahr dar­auf kam er noch ein­mal nach Müns­ter. In einem Inter­view für die Uni-Zei­tung “wissen|leben” sprach er damals über sei­nen Ein­druck von Müns­ter. In ihren Grund­zü­gen habe die Stadt sich nicht ver­än­dert, sag­te er. Das neue Lan­des­mu­se­um nann­te Leo O’Do­no­van „ein archi­tek­to­ni­sches Glanz­stück“. Und er erzähl­te, damals habe man gesagt, Müns­ter habe für jeden der 365 Tage im Jahr eine eige­ne Knei­pe. „Unser nicht ganz ernst gemein­ter Ehr­geiz bestand sei­ner­zeit dar­in, all die­se Knei­pen ken­nen­zu­ler­nen“, sag­te er. Eines Abends hät­ten sie mit meh­re­ren Stu­die­ren­den so lan­ge über Karl Rah­ner und Ber­nard Lon­er­gan dis­ku­tiert, „bis wir am Ende nur noch von Lah­ner und Ron­er­gan spra­chen“. Wo das pas­sie­re, sag­te er nicht. Aber er ver­riet eine sei­ner Lieb­lings­knei­pen. Sie liegt direkt am Rosen­platz, auch heu­te. An die­sem Abend vor über 50 Jah­ren hät­ten sie wahr­schein­lich gesagt: „Auf ein letz­tes Bier noch bei Min­kus Püller.“