Nächster Versuch | Das Blähparlament | Alles Käse

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Münster, 21. September 2021

mitten auf der Wolbecker Straße befindet sich seit dem Wochenende eine mit gelben Linien umrandete Verkehrsinsel. Vor der Bar Levin ein paar Meter weiter stehen Sitzgelegenheiten aus Holzpaletten und Palmen in den Parkbuchten am Straßenrand, unter der Eisenbahnbrücke hängen auf beiden Straßenseiten Plakate an der Mauer, auf der einen Seite säumen Zahlen den Weg, auf der anderen Fragen. Und was an solchen Orten normalerweise möglichst nicht passieren sollte, aber dann doch immer passiert, ist hier gewollt und sogar erwünscht: Die Leute sollen die Plakate vollkritzeln, mit Verbindungslinien, Ideen und Antworten, zum Beispiel auf die Frage: „Wie findest du das Reallabor?“ Reallabor, das wissen Sie vielleicht schon, ist der Name des Experiments, das die Stadt hier bis zum Wochenende wagt, und von dem sie sich Erkenntnisse darüber erhofft, wie eine Straße in der Innenstadt in Zukunft aussehen könnte. Die beiden Antworten, die auf dem Plakat an zweiter und dritter Stelle stehen, geben einen Eindruck davon, wie groß das Spektrum der Meinungen zu diesem Experiment ist. An zweiter Stelle steht: „Mega Idee!“ An dritter: „Bekloppte Idee!“

Das große Spektrum zeigt sich auch in den Reaktionen der Parteien auf die Verkehrsversuche generell. Die Grünen sehen „große Zustimmung“, so steht es in einer Pressemitteilung. Und damit meinen sie das Ergebnis einer Umfrage an ihrem Stand beim Parking Day auf der Warendorfer Straße am Freitag. Dort sollten die Menschen mithilfe von roten, gelben oder grünen Klebepunkten bewerten, was sie von den Verkehrsversuchen halten. Das hätte die gelbe FDP vor eine schwere Entscheidung gestellt. Sie hätten womöglich die roten Punkte wählen müssen, denn in ihrer Pressemitteilung steht unter anderem: „Die Zwischenbilanz (…) ist eher durchwachsen.“ Das liegt in diesem Fall unter anderem daran, dass die Partei es für unverhältnismäßig hält, zwei Buslinien an der Hörsterstraße umzuleiten. Dazu fahren die Autos auf den letzten Metern doch über die eigentlich autofreie Hörsterstraße, weil die Abzweigung zur Stiftsherrenstraße weiter offen ist. Auch das kritisiert die Partei. Außerdem müsse man auch an die Menschen denken, die zur Arbeit pendeln und für die das Fahrrad keine Alternative sei. Und das ist noch nicht alles. Die FDP hat Zweifel daran, ob sich die Promenadenvorfahrt auf der Kanalstraße auf die übrigen Promenadenkreuzungen übertragen lässt. Dort habe man großen Aufwand betrieben, um alles abzusichern, und dann sei doch ein Unfall passiert.

Zeigen, wie es sein könnte

Es ist alles nicht ganz eindeutig. Der Unfall an der Kanalstraße etwa passierte, weil eine Autofahrerin nicht aufpasste. Lag das wirklich an dem Verkehrsversuch? Oder war die Frau einfach unaufmerksam? Hätte sich der Zusammenstoß durch bessere Markierungen verhindern lassen? Geht es hier lediglich um ein Problem in einer Übergangsphase? Oder darf man die Verkehrsregeln an so markanten Stellen generell nicht verändern, weil die Menschen sich an sie gewöhnt haben? Und wie könnte eine Lösung aussehen, die nicht lautet: Wir machen alles wieder so wie bisher?

Direkt weiterlesen – nur 1 Euro für 6 Monate!

Lernen Sie RUMS ein halbes Jahr lang in aller Ruhe kennen. Sie zahlen dafür nur einen Euro!


  • Sie erfahren mit einem RUMS-Abo alles, was in Münster wichtig ist.
  • Sie bekommen 3x pro Woche unseren Newsletter mit Analysen, Kurzmeldungen und mehr.
  • Sie haben vollen Zugriff auf alle Reportagen und Interviews auf unserer Website.
  • Sie können jederzeit kündigen.