Familien in Not | Schule auf Distanz | Bio-Lieferdienst

Müns­ter, 8. Janu­ar 2021

Guten Tag,

die NRW-Schul­mi­nis­te­rin hat dem Fern­seh­sen­der Phoe­nix ges­tern ein erstaun­li­ches Inter­view gege­ben. „Wir wis­sen um das mutier­te Virus und ken­nen die Aus­wir­kun­gen der Sil­ves­ter- und Weih­nachts­fes­te noch nicht“, sag­te Yvonne Gebau­er. Des­halb wol­le man jetzt auf Num­mer sicher gehen und auf den Distanz­un­ter­richt umstei­gen. So weit, so schlüssig.

Dann ver­rät die Minis­te­rin aber, war­um sie den Heim­un­ter­richt in Wirk­lich­keit ange­ord­net hat: Die Bun­des­kanz­le­rin und die Ministerpräsident:innen haben in ihrem Beschluss zum ver­län­ger­ten und ver­schärf­ten Lock­down ein­fach kei­nen Spiel­raum gelas­sen, dar­über war sie „nicht erfreut“. Und – jetzt kommt’s – Ende Janu­ar müs­se mit dem Distanz­un­ter­richt dann aber wirk­lich wie­der Schluss sein. Die Schu­le habe dann ihren Bei­trag zur Pan­de­mie­be­kämp­fung geleis­tet, mehr sei nicht drin.

Familien stark belastet, Unternehmen sanft ermahnt

Da passt so eini­ges nicht zusam­men. Denn ent­we­der zu vie­le Men­schen sind infi­ziert und es gras­siert eine noch anste­cken­de­re Virus­va­ri­an­te – oder nicht. Lei­der stimmt „ent­we­der“, und wir wer­den die Mutan­te bis zum 31. Janu­ar nicht weg­dis­ku­tie­ren oder -wün­schen kön­nen. Mit viel Pech fan­gen die Pro­ble­me Ende des Monats erst rich­tig an, wenn sich die neue Vari­an­te wei­ter aus­ge­brei­tet hat. Es ist schlicht nicht mög­lich, Schüler:innen, Eltern und Schul­per­so­nal jetzt irgend­et­was zu ver­spre­chen. Es trotz­dem zu machen, grenzt an Rea­li­täts­ver­wei­ge­rung und hilft den Fami­li­en kein biss­chen, son­dern zer­mürbt sie nur noch weiter.

Was aber auch nicht zusam­men­passt: Die Kanz­le­rin und die Länderchef:innen haben Unter­neh­men nur drin­gend gebe­ten, Home­of­fice zu ermög­li­chen. Eine Pflicht gibt es nicht, obwohl sie eine sehr gute Mög­lich­keit wäre, sehr vie­le Kon­tak­te zu ver­mei­den. Zu dem The­ma ist in den letz­ten Tagen schon viel Klu­ges geschrie­ben wor­den, zum Bei­spiel hier.

Schon zwei Tage nach dem neu­en Lock­down-Beschluss ist das dann auch den ers­ten Poli­ti­kern auf­ge­fal­len. Der Regie­ren­de Bür­ger­meis­ter von Ber­lin rüg­te Arbeitgeber:innen dafür, dass sie ihre Ange­stell­ten zu sel­ten zuhau­se arbei­ten las­sen: „Es geht nicht, dass die Unter­neh­men wei­ter so tun, als hät­ten wir kein Pro­blem.“ Sein Amts­kol­le­ge Bodo Rame­low for­dert sogar, für vier Wochen die kom­plet­te Wirt­schaft in einen Lock­down zu schi­cken. Wahr­schein­lich kei­ne schlech­te Idee, die uns allen (und damit auch den Schu­len) Zeit und Ent­span­nung ver­schaf­fen wür­de, bis es mit dem Imp­fen schnel­ler geht. Bloß kommt sie ein paar Tage zu spät, und die Fami­li­en müs­sen sich jetzt doch erst ein­mal zwi­schen Job, Heim­un­ter­richt und Not­be­treu­ung zerreißen.

Grundschulen von Lockdown überrascht

Wir hat­ten vor Weih­nach­ten schon mit eini­gen Schulleiter:innen dar­über gespro­chen, wie es mit dem Distanz­un­ter­richt klappt (RUMS-Brief vom 18. Dezem­ber). In die­ser Woche haben wir noch ein­mal nach­ge­fragt. Wie schon im Dezem­ber war es schwie­rig, über­haupt jeman­den zu errei­chen. Auf E-Mails haben wir nur weni­ge Ant­wor­ten bekom­men, auch tele­fo­nisch war an vie­len Schu­len kaum durch­zu­kom­men. Und wo wir es geschafft haben, sag­te man uns meist schon im Sekre­ta­ri­at, dass uns nie­mand Aus­kunft geben kann. Die Schulleiter:innen und Lehrer:innen saßen in Kon­fe­ren­zen, plan­ten den Distanz­un­ter­richt und ver­such­ten gleich­zei­tig, die Not­be­treu­ung in der Schu­le zu organisieren.

Es ist ein Rie­sen­her­aus­for­de­rung. Wohl auch des­halb, weil man an vie­len Schu­len nicht mit dem Beschluss gerech­net hat­te. Das sag­te uns jeden­falls Mela­nie Hug, die Kon­rek­to­rin der Drei­fal­tig­keits­schu­le: „Die Ent­schei­dung hat uns stark getrof­fen. Kei­ner hat nach den frü­he­ren Aus­sa­gen des Minis­te­ri­ums erwar­tet, dass Distanz­un­ter­richt in den Grund­schu­len ange­bo­ten wer­den soll.“ So viel zum The­ma unrea­lis­ti­sche Versprechen.

Wie vie­le Eltern ihre Kin­der in die Not­be­treu­ung geben wer­den, weiß Mela­nie Hug noch nicht. Im ers­ten Lock­down sei­en die Not­grup­pen aber von Tag zu Tag grö­ßer gewor­den. Und noch eine Erkennt­nis aus dem Früh­jahr: In der Grund­schu­le ist der Distanz­un­ter­richt eigent­lich nicht mög­lich, so die Kon­rek­to­rin. Neu­es Wis­sen sei auf dem Weg nicht zu ver­mit­teln, und die Moti­va­ti­on der Schüler:innen sei im ers­ten Lock­down immer klei­ner gewor­den, „auch bei den Kin­dern, deren Fami­li­en sehr gut auf­ge­stellt waren“. Die Lehrer:innen der Drei­fal­tig­keits­schu­le wol­len jetzt mit allen Kin­dern min­des­tens ein­mal pro Woche tele­fo­nie­ren oder in einer Video­kon­fe­renz spre­chen, um im Kon­takt zu blei­ben und zu fra­gen, ob sie mit ihren Haus­auf­ga­ben zurecht­kom­men. Gera­de Grundschüler:innen bräuch­ten aber eigent­lich min­des­tens drei Prä­senz­ta­ge pro Woche.

Digitale Tafel und Gruppenarbeit

Die Rück­mel­dun­gen von den wei­ter­füh­ren­den Schu­len klin­gen opti­mis­ti­scher. Wir wis­sen aller­dings nicht, ob es über­all (den Umstän­den ent­spre­chend) gut läuft – oder ob sich vor allem die Schu­len gemel­det haben, bei denen es klappt.

Je län­ger der Distanz­un­ter­richt dau­ert, des­to drän­gen­der ist natür­lich die Fra­ge: Lässt sich auf dem digi­ta­len Weg über­haupt Neu­es ler­nen? Ja, sag­te uns Tobi­as Regen­brecht, Kon­rek­tor der Geschwis­ter-Scholl-Real­schu­le. Die Lehrer:innen hal­ten Unter­richt nach dem regu­lä­ren Stun­den­plan: mit einer digi­ta­len Tafel, Video­kon­fe­ren­zen und einer Mel­de­funk­ti­on auf der digi­ta­len Schul­platt­form IServ. Auch Grup­pen­ar­beit ist mög­lich, dazu kön­nen die Schüler:innen gemein­sam an Doku­men­ten arbei­ten. Ähn­li­ches berich­ten auch Bir­git Wen­ning­hof von der Mat­hil­de-Anne­ke-Gesamt­schu­le und Hen­drik Sneth­kamp vom Ratsgymnasium.

Die Schulen helfen sich selbst

Was auf­fällt: Alle Schu­len, die uns geant­wor­tet haben, haben sich bei der digi­ta­len Aus­stat­tung (auch) selbst gehol­fen. An der Geschwis­ter-Scholl-Real­schu­le wur­den nach dem ers­ten Lock­down mit Hil­fe von Spen­den 113 PCs oder Lap­tops beschafft und an Schüler:innen ver­teilt. An der vom Bis­tum getra­ge­nen Frie­dens­schu­le hat der För­der­ver­ein 240 iPads angeschafft.

Auch das Rats­gym­na­si­um hat von pri­va­ten Unterstützer:innen und Unter­neh­men Gerä­te bekom­men und an die Kin­der und Jugend­li­chen wei­ter­ge­reicht, eben­so die Mat­hil­de-Anne­ke-Gesamt­schu­le. Schul­lei­te­rin Bir­git Wen­ning­hof sag­te uns, dass die Leih­ge­rä­te nicht nur für Fami­li­en wich­tig sei­en, die sich gar kei­ne Lap­tops oder Tablets leis­ten kön­nen. Son­dern auch für die, die nicht fünf Gerä­te für zwei Eltern­tei­le im Home­of­fice und drei Kin­der im Heim­un­ter­richt anschaf­fen kön­nen. Inzwi­schen sind außer­dem 4.000 der 4.500 von der Stadt bestell­ten iPads an die Schu­len gelie­fert wor­den. Die übri­gen muss Apple erst noch pro­du­zie­ren, sie wer­den im ers­ten Quar­tal erwartet.

Und jetzt? Spä­tes­tens nächs­ten Mitt­woch soll es los­ge­hen mit dem Fern­un­ter­richt. Viel­leicht wird es aber doch spä­ter, wenn wie im Dezem­ber IServ erst ein­mal unter der Last Tau­sen­der Zugrif­fe ein­knickt. Für Video­kon­fe­ren­zen wer­den vie­le Klas­sen sowie­so auf die Anbie­ter Zoom oder Micro­soft Teams zurück­grei­fen, weil das ent­spre­chen­de Modul bei IServ sich bis­lang als wenig sta­bil erwie­sen hat. Nach­fra­ge bei der Stadt: Gibt es Über­le­gun­gen, wegen die­ser Schwie­rig­kei­ten von IServ auf einen ande­ren Anbie­ter umzu­stei­gen? Nein, aus­drück­lich nicht, so die Ant­wort. Das Video­kon­fe­renz­mo­dul ist nur eine von vie­len Funk­tio­nen, dar­un­ter „Auf­ga­ben“ und „Kalen­der“, IServ bleibt. Für den Daten­schutz sind die Schu­len übri­gens selbst ver­ant­wort­lich, auch wenn sie Zoom, Teams oder ande­re Anbie­ter nutzen.

Dilemma Kinderbetreuung

Min­des­tens so schwer wie Schul­kin­der-Eltern haben es die, die eigent­lich auf eine Kita ange­wie­sen sind. Die Ein­rich­tun­gen blei­ben zwar offen, jedes Kind wird aber zehn Wochen­stun­den weni­ger betreut als sonst, und am bes­ten sol­len die Klei­nen gar nicht kom­men. Dafür hat die Poli­tik den Eltern zusätz­li­che Kin­der­kran­ken­ta­ge ver­spro­chen, aber noch nicht gesetz­lich gere­gelt. Und je nach Job und Hal­tung der Arbeitgeber:in wer­den Väter und Müt­ter mög­li­cher­wei­se schnell unter Druck gera­ten, doch bit­te zur Arbeit zu kom­men und die wei­ter­hin geöff­ne­te Kita in Anspruch zu nehmen.

Wie geht es Ihnen und Ihrer Fami­lie mit der Situa­ti­on? Wel­che Lösun­gen haben Sie für sich gefun­den, wie geht Ihr:e Arbeitgeber:in damit um? Schrei­ben Sie es uns. Wir erzäh­len es nächs­te Woche in unse­rem Brief, auf Wunsch natür­lich ohne Ihren Namen zu nennen.


In aller Kürze

+++ Die Poli­zei hat ges­tern Abend einen 17-Jäh­ri­gen wegen ver­such­ten Tot­schlags und gefähr­li­cher Kör­per­ver­let­zung fest­ge­nom­men. Der jun­ge Mann soll am Sams­tag in einem Park an der Enge­len­schan­ze einen 26-Jäh­ri­gen mit meh­re­ren Mes­ser­sti­chen schwer ver­letzt haben. Die Hin­ter­grün­de sei­en bis­her unklar, teilt die Poli­zei mit. Mög­li­cher­wei­se habe es einen Streit um Betäu­bungs­mit­tel gege­ben. Der 17-jäh­ri­ge Beschul­dig­te hat noch nicht aus­ge­sagt und ist nun in Untersuchungshaft.


Corona-Update

Zuerst die guten Nach­rich­ten: Beim Imp­fen läuft in Müns­ter alles nach Plan, schreibt uns die Stadt. Bis zum Ende der Woche wer­den 3.500 Men­schen in den Pfle­ge­ein­rich­tun­gen die ers­te von zwei Sprit­zen bekom­men haben, dar­un­ter auch 75 Beschäf­tig­te. Man sei zuver­sicht­lich, in den Pfle­ge­ein­rich­tun­gen eine „Her­den-Immu­ni­sie­rung“ zu erreichen.

Nächs­te Woche wird es hof­fent­lich nach Plan wei­ter­ge­hen, das Land hat heu­te jeden­falls 175.500 neue Impf­do­sen bekom­men. Und viel­leicht geht es bald auch schnel­ler: Die EU hat am Mitt­woch den Impf­stoff des Unter­neh­mens Moder­na zugelassen.

Lei­der gibt es aber auch heu­te wie­der trau­ri­ge Nach­rich­ten: Seit Mitt­woch mel­det die Stadt elf wei­te­re Todes­fäl­le im Zusam­men­hang mit dem Coro­na­vi­rus. Sechs Frau­en im Alter von 53, 65, 87, 88, 89 und 94 Jah­ren und fünf Män­ner im Alter von 81, 85, 87, 93 und 97 Jah­ren star­ben an oder nach einer Covid-19-Erkran­kung. Die Zahl der Coro­na-Todes­fäl­le in Müns­ter steigt damit auf 65. Ober­bür­ger­meis­ter Mar­kus Lewe hat heu­te ange­kün­digt, es wer­de eine öffent­li­che Gedenk­ver­an­stal­tung geben, sobald das Infek­ti­ons­ge­sche­hen es zulässt.

Aktu­ell gel­ten 646 Men­schen aus Müns­ter als infi­ziert. 108 von ihnen wer­den im Kran­ken­haus behan­delt, davon 22 auf der Inten­siv­sta­ti­on. 13 Men­schen wer­den beatmet.


Unbezahlte Werbung

Wenn Sie sich Ihre Vor­rä­te im Moment lie­ber lie­fern las­sen, aber nicht bei den gro­ßen Super­markt­ket­ten bestel­len möch­ten, dann schau­en Sie sich doch mal den Lie­fer­dienst von Slicker­t­ann an. Der Bio­la­den bringt Ihnen Obst und Gemü­se, Brot und Kuchen und ande­re Lebens­mit­tel vom Müs­li bis zur Erb­sen­sup­pe aus der Dose. In der Haus­halts­ab­tei­lung gibt’s Wasch- und Spül­mit­tel, Kos­me­tik und – natür­lich – Toi­let­ten­pa­pier. Und wenn Sie doch ger­ne mal raus­ge­hen: Es gibt auch zwei Laden­lo­ka­le, an der Waren­dor­fer Stra­ße und an der Gasselstiege.


Drinnen und Draußen

Es sind düs­te­re Zei­ten, des­halb möch­te ich Ihnen heu­te was zum Lachen empfehlen:

+++ Schnit­zel­jagd mit Schnit­zel: Für jede Fol­ge sei­ner WDR-Show baut der Come­di­an Bas­ti­an Bie­len­dor­fer sei­nen Wohn­wa­gen in einer ande­ren Stadt auf und trifft dar­in eine:n Prominente:n aus die­sem Ort. Hier geht es zur Müns­ter-Fol­ge mit der Schau­spie­le­rin Lisa Fel­ler, einer Rik­scha und einer Schnit­zel­jagd durch die Stadt.

+++ Sal­sa mit Ilka Bes­sin: Auch der sehr lus­ti­ge Tors­ten Strä­ter war schon mal bei „Bie­len­dor­fer!“ zu Gast. Umge­kehrt lädt er selbst auch ger­ne wit­zi­ge Men­schen in sei­ne eige­ne Sen­dung ein. Im Novem­ber war Ilka Bes­sin zu Besuch (auf­ge­zeich­net wur­de das Gan­ze wahr­schein­lich schon frü­her, es gibt näm­lich auch ein Publi­kum). Die Komi­ke­rin (frü­her bekannt als „Cin­dy aus Mar­zahn“) hat über ihre Zeit bei „Let’s Dance“ geplau­dert und ihrem Gast­ge­ber den Sal­sa-Grund­schritt bei­gebracht. Gön­nen Sie sich das mal. Man kann übri­gens auch gut mittanzen.

Am Diens­tag schreibt Ihnen Ralf Heimann wie­der. Ich wün­sche Ihnen ein schö­nes Wochen­en­de, blei­ben Sie tapfer.

Herz­li­che Grüße

Con­stan­ze Busch


PS

Wir haben uns über­legt, ob wir es schon ver­ra­ten, aber dann haben wir uns gesagt: War­um nicht mal eine Über­ra­schung? Was wir schon sagen kön­nen: Wir haben einen neu­en Kolum­nis­ten. Alles Wei­te­re am Sonn­tag­nach­mit­tag. Wir freu­en uns sehr – und Sie sich dann hof­fent­lich auch.