Eine kleine Sommerpause | Gastbeitrag von Stefan Tigges über die S-Bahn Münsterland | Klima-Update: Münster, die Fahrradstadt mit viel Autoverkehr

Müns­ter, 25. Juli 2023

Guten Tag,

eigent­lich soll­te hier ein ganz nor­ma­ler News­let­ter begin­nen, aber heu­te Mor­gen kam lei­der eine sehr trau­ri­ge Nach­richt. Ein Todes­fall in der Fami­lie. Daher haben wir den Plan für die­se Woche geän­dert. Der RUMS-Brief fällt heu­te etwas kür­zer aus, am Frei­tag machen wir eine klei­ne Som­mer­pau­se. Aber am Sonn­tag kommt schon wie­der eine Kolum­ne, am Diens­tag ein neu­er RUMS-Brief. 

Heu­te fin­den Sie wei­ter unten einen Gast­bei­trag des Ver­kehrs­un­ter­neh­mers Ste­fan Tig­ges, der sich mit dem Plan beschäf­tigt eine S-Bahn fürs Müns­ter­land zu bau­en. Tig­ges rät dazu, einen Blick nach Mün­chen zu wer­fen, wo man mit einem gro­ßen S-Bahn-Pro­jekt schon etwas wei­ter ist. Dort haben sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren eini­ge Pro­ble­me gezeigt, die laut Tig­ges ganz typisch für sol­che Vor­ha­ben sind. Kann man in Müns­ter dar­aus ler­nen? (rhe)

Kurz und Klein

+++ Der Eichen­pro­zes­si­ons­spin­ner lässt sich in die­sem Jahr nicht so stark bli­cken im Müns­ter­land. Das hat Bio­lo­ge Ole Thei­sin­ger der deut­schen Pres­se­agen­tur gesagt, hier zitiert von der Süd­deut­schen Zei­tung. Grün­de dafür sind zum einen Schäd­lings­be­kämp­fung, die Stadt Müns­ter hat zum Bei­spiel in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Bio­zi­de auf­ge­sprüht und die Fal­ter­lar­ven abge­saugt. Zum ande­ren reg­le das aber auch die Natur: Insek­ten leg­ten ihre Eier in die Lar­ven. Die wie­der­um sind da, wo auch mög­lichst viel blüht. Also: Blüh­flä­chen hel­fen auch gegen Eichen­pro­zes­si­ons­spin­ner. War­um man denen noch ein­mal nicht begeg­nen will? Sie haben Brenn­haa­re, die star­ke all­er­gi­sche Reak­tio­nen her­vor­ru­fen kön­nen. (sst)

+++ Wovon Sie sich auch lie­ber fern­hal­ten soll­ten, sind die Blau­al­gen im Aasee, die 2018 das Fisch­ster­ben mit­ver­ur­sacht haben. Heu­te mel­det die Stadt, dass die Ver­wal­tung erneut eine hohe Blau­al­gen­kon­zen­tra­ti­on im Aasee fest­ge­stellt hat. Die Algen sind gif­tig, schon der blo­ße Haut­kon­takt kann Rei­zun­gen ver­ur­sa­chen. Kon­ta­mi­nier­tes Was­ser zu trin­ken, kann zu schwer­wie­gen­den Reak­tio­nen füh­ren wie Durch­fall, Erbre­chen und Atem­wegs­er­kran­kun­gen. In der Pres­se­mel­dung heißt es, die Stadt kon­trol­lie­re die Was­ser­qua­li­tät im Aasee gera­de eng­ma­schig. Vor allem in Berei­chen, wo viel Wind weht, wach­sen vie­le Blau­al­gen, bei­spiels­wei­se bei der Trep­pe an den Aasee-Kugeln. Seit dem ver­gan­ge­nen Jahr ver­sucht die Stadt, die Was­ser­qua­li­tät im Aasee dau­er­haft zu ver­bes­sern. (sfo)

+++ Die Schul­ein­gangs­un­ter­su­chun­gen star­ten, mel­det heu­te das Pres­se­amt. Dies­mal mit einem neu­en Kon­zept: Die Kin­der wer­den nicht mehr von Schulärzt:innen, son­dern von medi­zi­ni­schen Fach­an­ge­stell­ten unter­sucht. Die Ärzt:innen sol­len dadurch mehr Zeit für ande­re Tätig­kei­ten haben, etwa für Bera­tun­gen zu Inklu­si­on, Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­run­gen und Schul­ab­sen­tis­mus oder für Schul­sprech­stun­den, die pan­de­mie­be­dingt von Kin­dern und Jugend­li­chen mit psy­chi­schen Auf­fäl­lig­kei­ten stär­ker nach­ge­fragt wer­den. (sfo)

+++ Der Imker­ver­ein Gre­ven teilt auf Twit­ter, dass die Stadt Müns­ter ab die­sem Jahr auf eine All­ge­mein­ver­fü­gung zur Behand­lung der Var­roa­mil­be ver­zich­tet. Für alle Nicht-Imker:innen: Die Var­roa­mil­be ist ein ver­brei­te­ter Schäd­ling, der für das Ster­ben von Bie­nen­völ­kern ver­ant­wort­lich ist. Des­we­gen müs­sen Imker:innen ihre Völ­ker jedes Jahr dage­gen schüt­zen, wenn sie das ver­hin­dern wol­len. War­um man auf die Anord­nung dann ver­zich­tet? Sie bin­de vie­le Res­sour­cen und umlie­gen­de Gemein­den hät­ten kei­ne Aus­wir­kung auf die Bie­nen­völ­ker fest­ge­stellt, seit­dem sie ihre All­ge­mein­ver­fü­gung abge­schafft haben. „Ein gewis­sen­haf­ter Imker […] behan­delt sei­ne Völ­ker zuver­läs­sig selbst­stän­dig und bedarf kei­ner beson­de­ren Auf­for­de­rung“, schreibt das Vete­ri­när­amt. Und alle ande­ren wür­de man damit eh nicht errei­chen. (sst)

Wie es weiterging – mit dem Busfahrermangel

Die Recher­che über den Bus­fah­rer­man­gel hat eini­ge Reak­tio­nen her­vor­ge­ru­fen. Uwe Renn­spieß hat unter dem RUMS-Brief kom­men­tiert, die Stadt­wer­ke hät­ten zu spät eine dua­le Aus­bil­dung für Fach­kräf­te im Fahr­dienst ange­bo­ten. Tat­säch­lich exis­tiert die­ser Aus­bil­dungs­be­ruf seit 2002, also seit mehr als zwan­zig Jah­ren. War­um bie­ten die Stadt­wer­ke Müns­ter die Aus­bil­dung aber erst seit dem ver­gan­ge­nen Jahr an?

Spre­cher Flo­ri­an Adler ant­wor­tet, die Stadt­wer­ke muss­ten bei den Behör­den eine Aus­nah­me­er­laub­nis erwir­ken, damit die Aus­zu­bil­den­den eine Berufs­schu­le in Osna­brück (also außer­halb von Nord­rhein-West­fa­len) besu­chen dür­fen. Adler weist außer­dem dar­auf hin, dass die Fach­kräf­te im Fahr­be­trieb spä­ter nicht unbe­dingt als Busfahrer:in arbei­ten, son­dern ver­schie­de­ne Auf­ga­ben im Bereich der Mobi­li­tät über­neh­men können.

Eine RUMS-Lese­rin wies uns in einer E-Mail außer­dem dar­auf hin, dass Fahrlehrer:innen für Busfahrer:innen fehl­ten. Das könn­te die Qua­li­fi­ka­ti­on ver­zö­gern und den Per­so­nal­man­gel im Bus­ver­kehr ver­stär­ken. Bei unse­rer Recher­che fin­den wir lei­der kei­ne genau­en Anga­ben zum Bus­fah­rer­leh­rer­man­gel in Müns­ter. Ein Gefühl für das Pro­blem ver­mit­telt aber ein Papier des euro­päi­schen Ver­kehrs­ver­bands Moving aus dem Jahr 2020: Dem­nach bie­tet ein Fünf­tel der Fahr­schu­len in Deutsch­land einen Bus­füh­rer­schein an. Das Lehr­per­so­nal sei über­al­tert und der Per­so­nal­eng­pass bereits in den Fahr­schu­len spürbar.

Trifft das auch auf die Regi­on zu? Dazu ein Anruf beim Fahr­leh­rer­ver­band West­fa­len in Reck­ling­hau­sen. Der Vor­sit­zen­de Mar­tin Fell­mer sagt am Tele­fon, man kön­ne der­zeit noch nicht von einem Bus­fahr­leh­rer­man­gel spre­chen. Das dürf­te sich aber bald ändern. Der Bund hat 2018 das Fahr­lehr­ge­setz refor­miert, seit­dem brau­chen Fahrlehrer:innen nur einen Auto­füh­rer­schein. Davor muss­ten sie auch einen Lkw- und Zwei­rad­füh­rer­schein haben, um den Beruf aus­üben zu können.

Ein Bus­füh­rer­schein ist aller­dings nie ver­pflich­tend gewe­sen. Fell­mer glaubt, dass durch die neu­en Vor­aus­set­zun­gen für den Beruf die Bereit­schaft abnimmt, auch Bus­fah­ren zu unter­rich­ten. „Wer noch kei­nen Kon­takt zum Lkw hat­te, hat mög­li­cher­wei­se Scheu vor dem Bus“, sagt er. Eine Sta­tis­tik dar­über, wie vie­le Busfahrlehrer:innen in den nächs­ten Jah­ren in Ren­te gehen, führt der Ver­band nicht.

Und was sagen die Stadt­wer­ke? Die arbei­ten schließ­lich mit einer Fahr­schu­le in Müns­ter zusam­men, um Per­so­nal in den Bus zu bekom­men. Flo­ri­an Adler schreibt uns, die Stadt­wer­ke hät­ten „nicht das Gefühl, dass dort ein Fla­schen­hals in der Aus­bil­dung ent­steht“. (sfo)

Der Gastbeitrag von Stefan Tigges – Die S-Bahn Münsterland: Das Münchner Menetekel

In Mün­chen gibt es ein S-Bahn-Netz, in Müns­ter plant man eins. Und in bei­den Städ­ten läuft eine inten­si­ve Dis­kus­si­on über die soge­nann­ten Stamm­stre­cken, die meh­re­re oder sogar alle Lini­en nut­zen. Sie sind das Fun­da­ment eines S-Bahn-Systems.

In der Münch­ner Debat­te geht es um eine zwei­te Ver­bin­dung die­ser Art, einen elf Kilo­me­ter lan­gen Tun­nel, der größ­ten­teils unter der Stadt ver­lau­fen soll, par­al­lel zur bestehen­den ers­ten Stamm­stre­cke. Die­se soll er entlasten.

Es gab und gibt vie­le Vor­schlä­ge dazu, wie das auch ohne auf­wen­di­gen Tun­nel­neu­bau hät­te gelin­gen kön­nen. Trotz­dem ent­schied man sich im Jahr 2016 für die zwei­te Tras­se. Sie soll­te nach ers­ten Schät­zun­gen 3,8 Mil­li­ar­den Euro kos­ten und 2028 fer­tig sein. Den größ­ten Teil der Kos­ten soll­te der Bund tragen.

Im Jahr 2017 began­nen die Arbei­ten. In den fol­gen­den drei Jah­ren schien alles nach Plan zu lau­fen. Dann prä­sen­tier­te die Deut­sche-Bahn-Toch­ter DB Netz AG dem baye­ri­schen Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um eine Über­sicht, die zeig­te: Es wird alles doch erheb­lich län­ger dau­ern. In Zah­len: Fer­tig­stel­lung frü­hes­tens 2034, wahr­schein­lich 2037. Die Kos­ten wer­den sich auf 7,5 bis 8,5 Mil­li­ar­den Euro belau­fen. Ten­denz stei­gend – inzwi­schen gibt es Schät­zun­gen von 12 bis 14 Mil­li­ar­den Euro.

Zwei Jah­re lang schien es, als hät­te die Nach­richt weder den Vor­stand der Deut­schen Bahn noch den CSU-Ver­kehrs­mi­nis­ter erreicht. Dabei hät­te man alles noch­mal über­den­ken kön­nen. Doch im ver­gan­ge­nen Jahr ent­schied man sich trotz der neu­en Erkennt­nis­se, die Stre­cke wei­ter­zu­bau­en. Die zusätz­li­chen 4 bis 10 Mil­li­ar­den Euro, die man brau­chen wird, feh­len nun im öffent­li­chen Nah­ver­kehr in ganz Bay­ern, mög­li­cher­wei­se in ganz Deutschland.

Die zwei­te Stamm­stre­cke in Mün­chen ist ein Para­de­bei­spiel dafür, wie Groß­pro­jek­te, ins­be­son­de­re bei der Bahn, außer Kon­trol­le gera­ten kön­nen. Und das hat ver­schie­de­ne Grün­de:

  1. Nach­träg­li­che Plan­än­de­run­gen füh­ren regel­mä­ßig dazu, dass Pro­jek­te immer teu­rer wer­den. Dazu kom­men die übli­chen Kos­ten­stei­ge­rungs­ef­fek­te sowie Kom­pli­ka­tio­nen aller Art, die bei den Pla­nun­gen regel­mä­ßig unter­schätzt werden.
  2. Oft gibt es, wie auch hier, eine Viel­zahl von Betei­lig­ten: In dem Pro­jekt in Mün­chen sind vier Ver­trags­part­ner invol­viert (Bund, Land, Zweck­ver­band und die Deut­sche Bahn), dazu unzäh­li­ge Ver­wal­tun­gen sowie Bera­ter- und Inge­nieur­bü­ros. Letz­te­ren geht es vor allem um Gewinn­ma­xi­mie­rung. Jede Ände­rung im Plan bedeu­tet für sie mehr Geld. Glei­ches gilt für die DB AG. Frü­her über­nahm der Bund maxi­mal 18 Pro­zent der Bau­kos­ten für die Pla­nung. Heu­te ist das anders. Daher stö­ren die Plan­än­de­run­gen nie­man­den wirk­lich. Die Kos­ten über­nimmt der Bund voll­stän­dig – und die Gewin­ne blei­ben bei den Unternehmen.
  3. Die poli­ti­sche Begeis­te­rung ist bei sol­chen Pro­jek­ten oft groß. Eupho­ri­sche Aus­sa­gen sind gän­gig. Man spricht von „zukunfts­fä­hi­gen Pla­nun­gen“ und hält das Pro­jekt für „unver­zicht­bar für die Ver­kehrs­wen­de“. Oft heißt es, man müs­se „erst Alter­na­ti­ven schaf­fen, dann even­tu­ell den moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehr ein­schrän­ken“. Dabei ist die Kom­ple­xi­tät von Eisen­bahn­bau­vor­ha­ben für die Poli­tik nur schwer einschätzbar.
  4. Die Deut­sche Bahn gibt (unter Beru­fung auf Geschäfts­ge­heim­nis­se) Bau­zeit­ver­län­ge­run­gen und Kos­ten­stei­ge­run­gen in der Regel erst dann bekannt, wenn es teu­rer wäre, das Pro­jekt abzu­bre­chen als es fortzuführen.
  5. Die zu erwar­ten­den Vor­tei­le wie Umstiegs­zei­ten und Fahrt­zeit­ge­win­ne wer­den übli­cher­wei­se von den Pla­nen­den über­be­tont, die tech­ni­schen Risi­ken her­un­ter­ge­spielt. Zudem sind Fahr­gast­pro­gno­sen auf dem Papier oft schwie­rig zu treffen.

Detaillierte Pläne, zu den Kosten nichts

Schau­en wir nun nach Müns­ter. Hier sind die Pla­nungs­zie­le eher all­ge­mein for­mu­liert. Die zukünf­ti­ge „S-Bahn Müns­ter­land“ soll Stra­ßen und Innen­städ­te ent­las­ten, das Umland bes­ser mit der Stadt Müns­ter ver­bin­den und die CO2-Emis­sio­nen im Ver­kehr deut­lich redu­zie­ren. Die meis­ten S-Bah­nen sol­len über die ers­te Stamm­stre­cke zwi­schen Müns­ter-Hil­trup, Haupt­bahn­hof und dem Hal­te­punkt Zen­trum-Nord fahren.

Ver­ant­wort­lich für den Betrieb der S-Bahn ist der Zweck­ver­band Nah­ver­kehr West­fa­len-Lip­pe, zu dem unter ande­rem die Stadt Müns­ter und die vier Müns­ter­land­krei­se gehö­ren. Für den Bau der neu benö­tig­ten Anla­gen ist die DB AG zustän­dig, also kon­kret die neue Gesell­schaft Infra­Go. Das ist eine aben­teu­er­li­che Kon­struk­ti­on einer gemein­wohl­ori­en­tier­ten Infra­struk­tur­spar­te (also Netz und Sta­tio­nen) inner­halb des pro­fit­ori­en­tier­ten Kon­zerns DB AG. 

Die Plä­ne sind ehr­gei­zig. Man möch­te neue Hal­te­punk­te und Bahn­hö­fe errich­ten, Bahn­stre­cken elek­tri­fi­zie­ren und vor allem die Betriebs­leis­tun­gen mas­siv aus­bau­en. Und dabei geht es inzwi­schen schon um die Details. Nur: Kos­ten­schät­zun­gen und Anga­ben dazu, wo das Geld her­kom­men soll, gibt es noch nicht.

Das ist nicht über­ra­schend, denn die Deut­sche Bahn, der, abge­se­hen von der WLE-Stre­cke, alle zukünf­ti­gen S-Bahn-Stre­cken gehö­ren, möch­te erst ein­mal einen Pla­nungs­auf­trag, bevor sie zustimmt. Sie möch­te zudem an dem zusätz­li­chen Ver­kehr auf ihren Stre­cken mög­lichst viel verdienen.

Der Ver­band plant übri­gens nicht nur die­ses eine Pro­jekt. Er ver­sucht gleich­zei­tig, eine S-Bahn in Ost­west­fa­len zu bau­en. Aber kann ein kom­mu­na­ler Zweck­ver­band, der eigent­lich nur für den Betrieb auf den Schie­nen zustän­dig ist, die­se Pro­jek­te über­haupt stemmen?

Schon jetzt hat der Ver­band Geld­pro­ble­me. Er geht davon aus, dass die Finan­zie­rungs­lü­cke nur für den Betrieb in den nächs­ten zehn Jah­ren von 500 auf 900 Mil­lio­nen Euro stei­gen wird. Im Moment ist unklar, wie über­haupt der jet­zi­ge Betrieb wei­ter bezahlt wer­den kann. Geschwei­ge denn, wie die Leis­tung aus­ge­wei­tet wer­den soll.

Klar ist aller­dings: Die Deut­sche Bahn gehört zu den schwie­rigs­ten Pro­jekt­part­nern in Deutsch­land. Der Bun­des­rech­nungs­hof hat das kürz­lich in einem ver­nich­ten­den Urteil bestä­tigt. Das Unter­neh­men bezeich­ne­te er dort als „Fass ohne Boden“.

Wenn man die Fähig­kei­ten der Deut­schen Bahn ein­schät­zen möch­te, ist der Son­der­be­richt sehr inter­es­sant. Sei­ne Reform­for­de­run­gen fasst der Bun­des­rech­nungs­hof dort wie folgt zusam­men: „Die avi­sier­te Fokus­sie­rung in der Kon­zern­stra­te­gie ‚Star­ke Schie­ne‘ oder auch der zeit­lich aus dem Ruder lau­fen­de ‚Deutsch­land­takt‘ sind – wie vie­le ande­re ange­kün­dig­te Lösungs­an­sät­ze – nur Wort­hül­sen. Damit das Sys­tem Eisen­bahn sei­ne ver­kehrs- und kli­ma­po­li­ti­sche Rol­le erfül­len kann, bedarf es grund­le­gen­der Refor­men.“ Sol­che Refor­men sind aller­dings nicht in Sicht.

Klei­ne­re Eisen­bahn­un­ter­neh­men haben gleich­zei­tig Pro­ble­me, weil ihre Kos­ten stei­gen, ihre Ein­nah­men aber sin­ken. Und die Kos­ten für die Instand­hal­tung des der­zei­ti­gen Bahn­net­zes sind gewal­tig. Bis 2030 wer­den deutsch­land­weit rund 90 Mil­li­ar­den Euro benö­tigt, aber im Haus­halt sind erst 43 Mil­li­ar­den Euro dafür vor­ge­se­hen. Die Kos­ten für den Bau neu­er Stre­cken sind dar­in noch nicht enthalten.

Es ist klar, wo die Haken sind

Wie zeit­auf­wen­dig, teu­er und schwie­rig der Bau der S-Bahn Müns­ter­land sein wird, zeich­net sich schon jetzt an ver­schie­de­nen Stel­len ab.

1. Die Stre­cke Münster-Sendenhorst

Seit Jah­ren ist geplant, die Bahn­li­nie der West­fä­li­schen Lan­des­ei­sen­bahn (WLE) zwi­schen Müns­ter und Sen­den­horst zu reak­ti­vie­ren. Das Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren läuft seit 2020. Die Tras­se ist weit­ge­hend vor­han­den, die bau­li­chen Bedin­gun­gen sind ein­fach (kei­ne Ber­ge, kei­ne Tun­nel und die gesam­te Infra­struk­tur ist eben­erdig; es gibt kei­nen Fern-, Güter- und sons­ti­gen Nah­ver­kehr auf der Stre­cke). Ursprüng­lich soll­te der Betrieb bis Ende 2023 star­ten, doch dar­aus wird nichts. Mitt­ler­wei­le spricht man von 2026. Die bestell­ten Fahr­zeu­ge ste­hen ab Ende 2025 zur Ver­fü­gung. Die WLE hat aller­dings schon vor­sorg­lich mit­ge­teilt, dass noch nicht alle Grund­stücks­fra­gen geklärt sind und dass das Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren nicht vor Gericht enden darf. Dann wür­de es noch län­ger dau­ern. Und die Kos­ten lau­fen weiter…

2. Der Aus­bau der Stre­cke Münster-Lünen

Schon beim Bau der 46 Kilo­me­ter lan­gen Bahn­stre­cke zwi­schen Müns­ter und Lünen in den 1920er-Jah­ren dach­te man dar­an, hier noch ein zwei­tes Gleis zu ver­le­gen. Der Bahn­damm und die Brü­cken sind daher schon dafür aus­ge­legt. Man ach­te­te auch dar­auf, dass kei­ne Bahn­über­gän­ge den Betrieb stö­ren. Die Ver­bin­dung ist eine von zwei ein­glei­si­gen IC-Stre­cken in Deutsch­land. Ihr Aus­bau wäre vor allem für den Fern­ver­kehr, aber auch für den Nah­ver­kehr wich­tig. Doch er wird immer wie­der ver­scho­ben. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren sah es kurz so aus, als könn­ten die Arbei­ten bald begin­nen. Man nahm das Vor­ha­ben in den Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan auf und klas­si­fi­zier­te es als „drin­gend not­wen­dig“. Doch seit­dem geht das War­ten wei­ter. Nach den aktu­el­len Plä­nen soll bis 2070 ein klei­ner Teil der Stre­cke, ein 5,3 Kilo­me­ter lan­ges Stück zwi­schen Capel­le und Asche­berg, ein zwei­tes Gleis bekom­men. Das soll unge­fähr 300 Mil­lio­nen Euro kosten.

3. Die Elektrifizierung

Vie­le Men­schen fah­ren ger­ne mit der Bahn zwi­schen Müns­ter und Ensche­de. Der­zeit mit Zügen, die mit Die­sel­mo­to­ren ange­trie­ben wer­den. Um schnel­ler und mit höhe­rer Sitz­platz­zahl fah­ren zu kön­nen, soll die Stre­cke elek­tri­fi­ziert wer­den. Nach ers­ten Plä­nen soll das etwa 100 Mil­lio­nen Euro kos­ten und schnell umge­setzt wer­den. Um abzu­schät­zen, wie rea­lis­tisch das ist, lohnt ein Blick auf die Stre­cke zwi­schen Olden­burg und Wil­helms­ha­ven. Auch dort hat man Ober­lei­tun­gen gebaut und klei­ne­re Aus­bau­maß­nah­men vor­ge­nom­men. 2008 ging es los, 2010 soll­te alles fer­tig sein. Doch das gelang nicht. Tat­säch­lich ende­ten die Arbei­ten erst vor etwas mehr als einem hal­ben Jahr, im Dezem­ber 2022. Und es wur­de auch alles etwas teu­rer, als man gedacht hat­te. Die ursprüng­li­chen Pla­nun­gen hat­ten Kos­ten von etwa 20 Mil­lio­nen Euro vor­ge­se­hen, am Ende stan­den unter dem Strich Kos­ten in Höhe von einer Mil­li­ar­de Euro.

4. Neue Haltepunkte

Der neue Hal­te­punkt Müns­ter-Meck­len­beck ist eines der weni­gen Infra­struk­tur­pro­jek­te, die die Deut­sche Bahn in den ver­gan­ge­nen Jah­ren erfolg­reich umset­zen konn­te. Nach einer Bau­zeit von nur andert­halb Jah­ren und mehr­mo­na­ti­ger Stre­cken­sper­rung, nahm man den Hal­te­punkt 2018 in Betrieb. Hier ist aller­dings kein Umstieg in ande­re Züge mög­lich, nur Ein- und Aus­stie­ge in die Züge von und nach Coes­feld sind mach­bar. Im Netz der S-Bahn Müns­ter­land sind vie­le neue Hal­te­punk­te auch an Haupt­stre­cken geplant. Sie ein­zu­rich­ten, ist erheb­lich auf­wen­di­ger, als einen eben­erdi­gen Bahn­steig auf einer ein­glei­si­gen Neben­stre­cke zu bau­en, vor allem auf zwei­glei­si­gen, elek­tri­fi­zier­ten Stre­cken, die auch vom Fern- und Güter­ver­kehr genutzt werden.

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Das Kreuz mit den neuen Kreuzen

Die neu­en Ideen, etwa die Ein­rich­tung der Stamm­stre­cken-Hal­te­punk­te Süd­kreuz (zwei­ein­halb Kilo­me­ter vom Haupt­bahn­hof ent­fernt) und Nord­kreuz (gut ein­ein­halb Kilo­me­ter vom Haupt­bahn­hof ent­fernt) als „Vor­ver­tei­ler­sta­tio­nen“ für den Haupt­bahn­hof, klin­gen auf den ers­ten Blick inter­es­sant, in der Rea­li­tät brin­gen sich jedoch vie­le Schwie­rig­kei­ten mit sich.

  • Wäh­rend der Bau­zeit ist damit zu rech­nen, dass der Ver­kehr beein­träch­tigt wird, Stre­cken gesperrt oder auch ganz still­ge­legt wer­den müssen.
  • Das Süd­kreuz erstreckt sich über eine außer­or­dent­lich gro­ße Flä­che. Das bedeu­tet: lan­ge Wege für Men­schen, die umstei­gen möch­ten. Dadurch gehen Fahr­zeit­ge­win­ne verloren.
  • Beim Nord­kreuz lie­gen alle Stre­cken bereits erhöht. Der Neu­bau der Hal­te­punk­te muss hier also voll­stän­dig auf einer höhe­ren Ebe­ne gesche­hen. Das ist auf­wen­dig und extrem teuer.
  • An bei­den Sta­tio­nen exis­tiert kaum nen­nens­wer­te Infra­struk­tur für den öffent­li­chen Ver­kehr. Wür­de man sie her­stel­len, müss­te die Stadt Müns­ter das zahlen.
  • Attrak­ti­ve Umstei­ge­punk­te brau­chen Infra­struk­tur: Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten, Infor­ma­tio­nen, Toi­let­ten, Auf­ent­halts­mög­lich­kei­ten, wei­te­re Ange­bo­te für den öffent­li­chen Ver­kehr und so wei­ter. All das kann an Süd- und Nord­kreuz ver­mut­lich nicht rea­li­siert wer­den. Das zei­gen die Erfah­run­gen am Bahn­hof Hiltrup.

Schaut man sich die Ent­wür­fe für das Süd­kreuz an, wer­den die Her­aus­for­de­run­gen deut­lich: Es sind drei Hal­te­punk­te auf zwei Ebe­nen geplant. Sie lie­gen alle­samt in Kur­ven. Um sie zu bau­en, sind auf­wen­di­ge Arbei­ten nötig. Aber selbst wenn das gelingt, kön­nen Men­schen, die den Bahn­steig aus dem Nor­den oder Wes­ten errei­chen wol­len, dies nur über die Ham­mer Stra­ße tun. Das Indus­trie­ge­biet im Osten des Hal­te­punkts ist vor allem für den Auto­ver­kehr aus­ge­legt, ent­spre­chend wenig Nach­fra­ge ist hier zu erwarten.

Ein wei­te­res rie­si­ges Pro­blem ist zudem, dass die Ein­rich­tung und der Betrieb der Kreu­ze die Fern- und Güter­ver­bin­dun­gen Rich­tung Nord- und Ost­see erheb­lich beein­träch­ti­gen wer­den. Der gesam­te Güter­ver­kehr Rich­tung Rheine/Emden/Nordsee fährt zur­zeit über die Stamm­stre­cke. Züge im Per­so­nen­fern­ver­kehr müs­sen aber zwin­gend den Haupt­bahn­hof errei­chen. Es besteht des­halb das erheb­li­che Risi­ko, dass die Kreu­ze Müns­ters Anbin­dung an den Fern­ver­kehr und den nord­deut­schen Güter­ver­kehr erheb­lich gefährden.

Verkehrlich ein Provinzprojekt

Und nun wie­der ein Blick nach Mün­chen. Für die S-Bahn Müns­ter­land gibt es vie­le Plä­ne. Sie sind bemer­kens­wert ambi­tio­niert, detail­liert und aufs Jahr genau fest­ge­legt. Aber es ist über­haupt nicht klar, wer das alles bezah­len soll. Hier begin­nen die Pro­ble­me, die auch den Men­schen in Müns­ter und dem Müns­ter­land ange­sichts der zwei­ten Mün­che­ner Stamm­stre­cke Sor­gen berei­ten sollten.

  1. In Mün­chen muss­te man sich ent­schei­den: Neh­men wir eine teu­re gro­ße Lösung oder vie­le klei­ne­re Ver­bes­se­run­gen (wie Stra­ßen­bahn-, U-Bahn-Aus­bau, Aus­bau ande­rer Bahn­stre­cken)? Man hat sich für die luxu­riö­se Groß­lö­sung ent­schie­den. Das wird nun für alle Betei­lig­ten zum Pro­blem. Bis zur Inbe­trieb­nah­me der zwei­ten Stamm­stre­cke im Jahr 2038 ist dem Münch­ner S-Bahn-Ver­kehr in kei­ner Wei­se gehol­fen. Der baye­ri­sche Ver­kehrs­mi­nis­ter hat soeben Maß­nah­men vor­ge­stellt, die das Mün­che­ner S-Bahn-Netz kurz­fris­tig ver­bes­sern könn­ten, doch für sie fehlt nun das Geld.
  2. Ande­re Vor­ha­ben im regio­na­len Schie­nen- und im öffent­li­chen Bus- und Bahn­ver­kehr hat man schon zurück­ge­stellt, weil sie nicht mehr finan­zier­bar sind. Sie haben viel­leicht nicht den Vor­zei­ge­cha­rak­ter des Groß­pro­jekts, aber wenn es dar­um geht, die Ver­kehrs­pro­ble­me zu lösen, hät­ten sie wahr­schein­lich eine grö­ße­re Wir­kung gehabt.
  3. Die unter­schied­li­chen Inter­es­sen der Ver­ant­wort­li­chen (auf­trag­ge­ben­de Zweck­ver­bän­de), der Zuschuss­emp­fän­ger (Unter­neh­men der DB AG) und der mög­li­chen oder vor­ge­se­he­nen Zuschuss­ge­ber (Bund und Land) sind extrem kom­plex. Bei der zwei­ten Stamm­stre­cke in Mün­chen ist zum Bei­spiel aktu­ell unklar, wer die zusätz­li­chen Kos­ten tra­gen soll. Das ist bezeich­nend für die (gewoll­te?) Blau­äu­gig­keit, mit der die Betei­lig­ten mit dem Pro­jekt gestar­tet sind.
  4. Es ist naiv, zu glau­ben, dass die Deut­sche Bahn mit ihren unter­schied­li­chen Inter­es­sen (Güter­ver­kehr, Fern­ver­kehr, Erhalt aller Pla­nungs­kos­ten, Gleich­be­hand­lung aller Bun­des­län­der) und einer unkla­ren Unter­neh­mens­aus­rich­tung das S-Bahn-Pro­jekt Müns­ter­land beson­ders attrak­tiv fin­den könn­te und dafür ande­re Vor­ha­ben auf Eis legt.

Alles in allem lässt sich sagen: Groß­stadt-Begrif­fe wie „Nord­kreuz“ und „Süd­kreuz“ täu­schen nicht dar­über hin­weg, dass die S-Bahn Müns­ter­land, selbst wenn sie wie geplant kom­men soll­te, ver­kehr­lich eher ein Pro­vinz­pro­jekt ist.

Hin­zu kommt: Müns­ters kurz­fris­ti­ge Kli­ma­zie­le sind mit der umfang­rei­chen Groß­bau­maß­nah­me der S-Bahn Müns­ter­land schlicht nicht zu errei­chen. Um die pro­gnos­ti­zier­ten lang­fris­ti­gen Effek­te zu erzie­len, müss­te zudem der moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehr (MIV) teu­rer wer­den. Aktu­ell stellt der Bund jedoch stän­dig neue kon­kre­te För­der­pro­gram­me für den MIV vor, wäh­rend die ent­spre­chen­den Aus­bau­maß­nah­men im bun­des­wei­ten Bahn­ver­kehr völ­lig unkon­kret blei­ben. Die geplan­te Umset­zung des Deutsch­land­tak­tes bis 2070 spricht hier Bände.

Die Vorteile der kleinen Lösungen

Aber was braucht das Müns­ter­land wirk­lich? Es gibt meh­re­re Pro­jek­te, die nahe­zu alle Betei­lig­ten im Ver­kehrs­sek­tor als wich­tig einstufen.

  • Vor­ran­gig ist der Aus­bau der vor­han­de­nen Stär­ken. Neben dem Rad­ver­kehr ist dies das vor­han­de­ne Schnell­bus­sys­tem sowie die grund­sätz­lich sehr gute Anbin­dung an den Fernverkehr. 
  • Dabei ist es wich­tig, die Kapa­zi­tät des Haupt­bahn­hofs zu ver­bes­sern und die Ver­knüp­fung Schie­ne-Bus an zen­tra­ler Stel­le neu zu gestalten.
  • Die Wie­der­an­la­ge frü­her geschlos­se­ner Hal­te­punk­te, etwa in Mau­ritz-Mit­te oder in Müns­ter-Kin­der­haus, bie­tet vie­le Chan­cen für neue Ein- und Umstiege.
  • Es ist eine gute Idee, auf der Bahn­ver­bin­dung zwi­schen Müns­ter und Dort­mund ein zwei­tes Gleis zu verlegen.
  • Eini­ges wäre erreicht, wenn schnel­le Bus­se, soge­nann­te Metro­bus­se, zwi­schen dem Haupt­bahn­hof und den Außen­be­zir­ken fah­ren wür­den, vor allem in die Stadt­tei­le, die auch mit der S-Bahn schlecht erreich­bar blei­ben wer­den. Das beträ­fe Gie­ven­beck, Nien­ber­ge, Kin­der­haus, Han­dorf und Coerde.
  • Gut wäre, wenn es mehr Mobil­sta­tio­nen und Mög­lich­kei­ten gäbe, Fahr­rä­der mit­zu­neh­men oder abzustellen. 

Die Vor­stel­lung eines gro­ßen S-Bahn-Sys­tems mit Süd- und Nord­kreuz, das sich in Pla­nung und Benen­nung an den gro­ßen S-Bahn-Pro­jek­ten in Deutsch­land ori­en­tiert, ist nicht nur über­zo­gen und rea­li­täts­fern, es löst auch die Pro­ble­me nicht, die in Müns­ter und der Regi­on existieren.

Es sind kei­ne wei­te­ren „Vor­ver­tei­ler“- Umstei­ge­sta­tio­nen erfor­der­lich, um den Haupt­bahn­hof zu ent­las­ten. Statt­des­sen soll­te die Stadt­ver­wal­tung end­lich den bereits beschlos­se­nen Pla­nungs­auf­trag ange­hen, in dem die Poli­tik zurecht einen Ent­wurf for­dert, wie die Kapa­zi­tät des Haupt­bahn­hofs als zen­tra­le Umstei­ge­sta­ti­on erwei­tert wer­den kann.

Wich­tig sind kon­kre­te und gut geplan­te Ein­zel­maß­nah­men, die sich mög­lichst leicht umset­zen las­sen. Die Aus­sicht dar­auf, im Jahr 2040 mehr Men­schen trans­por­tie­ren zu kön­nen, darf nicht dazu füh­ren, dass alle ande­ren Maß­nah­men auf­ge­scho­ben wer­den. Schon der Kli­ma­schutz macht es nötig, dass es hier schnel­ler geht.

Wer soll­te den drin­gend benö­tig­ten neu­en Bus­bahn­hof am Haupt­bahn­hof för­dern, wenn die Stadt gleich­zei­tig neue Ver­teil­sta­tio­nen mit Bus- und Bahn-Anbin­dung weni­ge Kilo­me­ter wei­ter plant?

Die drin­gend benö­tig­ten Hal­te­punk­te auf den Stre­cken nach Waren­dorf, Gro­nau oder Osna­brück sind zur­zeit für die Jah­re 2040 und dar­über hin­aus geplant. Es wäre sicher sinn­vol­ler, die­se vor­zu­zie­hen und mit viel weni­ger Auf­wand und in kür­ze­rer Zeit mehr Fahr­gäs­te zu errei­chen als mit den gro­ßen und teu­ren Kreuz-Lösungen.

Man kann das alles in einem Bild gut ver­deut­li­chen. Wenn das Bahn­sys­tem im Müns­ter­land ein altes Miets­haus wäre, dann wür­den die Men­schen, die hier leben, fest­stel­len, dass eini­ges aus­ge­bes­sert und saniert wer­den müss­te. Das könn­ten sie nicht selbst bezah­len, aber sie wür­den es for­dern – von einer Immo­bi­li­en­ge­sell­schaft, die selbst hoch­ver­schul­det ist. Doch eben lei­der nicht mit effi­zi­en­ten und preis­wer­ten Lösungs­vor­schlä­gen. Statt­des­sen wür­den sie mit Hin­weis auf grö­ße­re und viel bes­ser aus­ge­stat­te­te Häu­ser für das eige­ne Haus einen Swim­ming­pool (Süd­kreuz) und Ten­nis­plät­ze (Nord­kreuz) for­dern. Errei­chen wür­den sie damit aller­dings ver­mut­lich nicht, dass ihr Haus die not­wen­di­ge Sanie­rung bekommt. Denn solan­ge über Luxus­sa­nie­rung gespro­chen wird, kön­nen die Ent­schei­dun­gen für klei­ne, sinn­vol­le und bezahl­ba­re Ver­bes­se­run­gen nicht erfolgen.

(Kor­rek­tur­hin­weis: In einer ers­ten Ver­si­on hieß es, um die Kli­ma­zie­le zu errei­chen, müss­ten Alter­na­ti­ven zum MIV teu­rer wer­den. Das ist falsch. Der MIV muss teu­rer werden.)


Über den Autor

Ste­fan Tig­ges, Jahr­gang 1966, wohnt in Müns­ter und hat Volks­wirt­schafts­leh­re mit Schwer­punkt Ver­kehrs­wis­sen­schaf­ten stu­diert. Nach ver­schie­de­nen Tätig­kei­ten bei Auf­ga­ben­trä­gern, öffent­li­chen und pri­va­ten Ver­kehrs­un­ter­neh­men (unter ande­rem bei der Deut­schen Bahn) grün­de­te er 2005 ein eige­nes Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men und war hier 13 Jah­re als Geschäfts­füh­rer tätig. Seit 2007 führt er ein eige­nes Busunternehmen.

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Korrekturen

Am Frei­tag schrie­ben wir im Kli­ma-Update über eine Green­peace-Stu­die. In unse­rer Mel­dung hieß es, auf vie­len Urlaubs­rou­ten sei Bahn­fah­ren teu­rer als Zug­fah­ren. Rich­tig ist, Bahn­fahr­ten sind oft teu­rer als Flug­rei­sen. Die­sen Feh­ler haben wir rich­tig­ge­stellt. (sfo)

Klima-Update

+++ Dass sich Müns­ter ger­ne als Fahr­rad­stadt dar­stellt, aber in Wahr­heit nur eine Stadt mit vie­len Fahr­rä­dern ist, scheint sich all­mäh­lich auch außer­halb der Stadt­gren­zen her­um­zu­spre­chen. Der Jour­na­list Paul Meer­kamp hat für „Zeit Online“ die Goog­le-Umwelt­da­ten meh­re­rer Städ­te mit­ein­an­der ver­gli­chen. Sei­ne Aus­wer­tung zeigt, dass Men­schen in Müns­ter zwar viel Fahr­rad fah­ren, aber sel­ten zu Fuß gehen oder Bus fah­ren. Das nützt dem Kli­ma­schutz letzt­lich wenig. Denn unterm Strich ist der Anteil des Umwelt­ver­bun­des (also alle kli­ma­scho­nen­den Ver­kehrs­mit­tel) gerin­ger als in ande­ren Städ­ten mit einer schlech­te­ren Fahr­rad­ver­kehrs­quo­te. So kommt der Umwelt­ver­bund in Müns­ter bei­spiels­wei­se auf 56 Pro­zent, in Stutt­gart aller­dings 63 Pro­zent und in Ber­lin auf 71 Pro­zent. (sfo)

+++ Blei­ben wir noch kurz beim Ver­kehr: Was bringt eigent­lich das Deutsch­land­ti­cket? Eine Aus­wer­tung von Han­dy­da­ten zeigt laut deut­scher Pres­se­agen­tur (hier: Tages­schau), dass mehr Men­schen Zug fah­ren als vor der Ein­füh­rung des 49 Euro teu­ren Bahn­abos. Im Juni soll die Zahl der Pen­del­fahr­ten etwa ein Vier­tel über dem Anteil im April gele­gen haben. Ob aber auch Auto­fahr­ten ersetzt wer­den, geht aus der Mel­dung nicht her­vor. Das 9-Euro-Ticket hat jeden­falls kaum Auto­fahr­ten ersetzt, wie eine Mobil­funk­da­ten­ana­ly­se des sta­tis­ti­schen Bun­des­amts zeigt: Der Schie­nen­ver­kehr stieg zwar sprung­haft an, gleich­zei­tig nahm der Stra­ßen­ver­kehr aber nur gering­fü­gig ab. Heißt also, die Züge haben Autos nicht ersetzt, sie wur­den nur zusätz­lich genutzt. Ob sich die­ses Schick­sal beim Deutsch­land­ti­cket wie­der­holt, wer­den wir sehen. Der Unter­schied zwi­schen den bei­den Tickets besteht schließ­lich dar­in, dass das 9-Euro-Ticket befris­tet war und sich Schnäppchenjäger:innen die­ses Son­der­an­ge­bot zunut­ze machen woll­ten. (sfo)

Ein-Satz-Zentrale

+++ Seit ges­tern kön­nen Schulanfänger:innen aus Müns­ter mit ihren Eltern ihren neu­en Schul­weg kos­ten­los ein­mal mit Bus und Bahn abfah­ren. (Anten­ne Müns­ter)

+++ Der Lee­zen­flow an der Pro­me­na­de hin­ter der Unter­füh­rung Mau­ritz­tor in Rich­tung Hörs­t­ertor ist außer Betrieb, da das Soft­ware-Update Pro­ble­me berei­tet, wenn das beho­ben ist, sol­len aber drei neue Lee­zen­flows ein­ge­weiht wer­den. (West­fä­li­sche Nach­rich­ten)

+++ Mit Hil­fe von künst­li­cher Intel­li­genz hat der Ent­sor­ger Remon­dis her­aus­ge­fun­den, dass in Müns­ter jedes vier­te Schild ent­we­der zuge­wu­chert, beklebt oder dre­ckig sei. (Anten­ne Müns­ter)

+++ Die Grü­nen, die Lin­ke und die SPD in Müns­ter kri­ti­sie­ren, dass der CDU-Bun­des­vor­sit­zen­de Fried­rich Merz die Zusam­men­ar­beit von CDU und AfD auf kom­mu­na­ler Ebe­ne in einem Inter­view in Betracht gezo­gen hat­te, was er mitt­ler­wei­le rela­ti­viert hat. (Grü­ne Müns­ter, Die Lin­ke Müns­ter, Mel­dung der SPD Müns­ter nicht online)

+++ Johan­nes Schul­te-Fran­ken­feld nimmt mit sei­nem Holz­au­to an einem Wett­be­werb für kli­ma­freund­li­che Nach­bar­schafts­ak­tio­nen teil. (Anten­ne Müns­ter)

+++ 44 Kin­der aus Win­nyz­ja sind zur Erho­lungs­frei­zeit im Rah­men der Städ­te­part­ner­schaft eine Woche lang in Müns­ter zu Gast. (Stadt Müns­ter)

Am Frei­tag erscheint kein News­let­ter, aber am nächs­ten Diens­tag schrei­be ich Ihnen wieder. 

Herz­li­che Grü­ße
Ralf Heimann

Mit­ar­beit: Sebas­ti­an Fob­be (sfo), Jan Gro­ße Nobis (jgn), Sven­ja Stüh­mei­er (sst), Ste­fan Tig­ges (sti)
Lek­to­rat: Lisa Mensing

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