Die Kolumne von Michael Jung | Was kommt nach der Ouvertüre?

Müns­ter, 6. Febru­ar 2022

Guten Tag,

eigent­lich soll­te der Rat in der kom­men­den Woche erneut einen Grund­satz­be­schluss über den geplan­ten Musik-Cam­pus fas­sen, dabei war erst vor kür­ze­rer Zeit eine Vor­la­ge mit dem Titel „Ouver­tü­re“ beschlos­sen wor­den. Das wird nun erst­mal ver­scho­ben, weil den Rats­mit­glie­dern noch vie­le Fra­gen offen erschei­nen. Da kann man nur sagen: Rich­tig so. Ich möch­te Ihnen heu­te ein­mal eini­ge grund­sätz­li­che Fra­gen zu die­sem Pro­jekt anreißen.

Die zen­tra­le Rol­le für den städ­ti­schen Anteil am Musik-Cam­pus spielt die West­fä­li­sche Schu­le für Musik, die trotz ihres Namens die städ­ti­sche Musik­schu­le ist. Sie ist der­zeit im alten Natur­kun­de­mu­se­um an der Him­mel­reich­al­lee unter­ge­bracht, also einem Gebäu­de, das für einen ganz ande­ren Zweck errich­tet wur­de. Die­ses Schick­sal teilt sie mit ande­ren städ­ti­schen Wei­ter­bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen wie zum Bei­spiel der Volks­hoch­schu­le. Die Räu­me sind also nicht opti­mal, wenn auch zen­tral gelegen. 

Seit Jah­ren wird also über eine neue Unter­brin­gung dis­ku­tiert. Und so kam zum Bei­spiel auch frü­her schon der Hörs­ter-Park­platz ins Spiel. Wort­reich bekla­gen die diver­sen Musik-Cam­pus-Vor­la­gen der Stadt, auch die aktu­el­le, die Raum­si­tua­ti­on der Musik­schu­le. Schon 2019 war das Urteil der Ver­wal­tung dras­tisch, aktu­ell heißt es: „unzu­rei­chend und zum Teil dys­funk­tio­nal“. Beim Musik-Cam­pus geht es also wesent­lich um die Zukunft der städ­ti­schen Musik­schu­le – erstaun­li­cher­wei­se spielt die­ser Aspekt in der Debat­te aber nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Wer­fen wir des­we­gen zuerst einen Blick auf die­se Institution.

Gravierende strukturelle Konflikte

In Müns­ter gibt es – his­to­risch gewach­sen – meh­re­re Musik­schu­len, und fünf davon wer­den von der Stadt geför­dert. In den 1975 ein­ge­mein­de­ten Orten Wol­beck, Roxel, Nien­ber­ge und Albach­ten gibt es als Ver­ei­ne orga­ni­sier­te Musik­schu­len, die von der Stadt im Jahr 2021 knapp 814.000 Euro erhiel­ten. Die­se Musik­schu­len bie­ten das gan­ze Reper­toire von früh­kind­li­cher Musik­för­de­rung bis zum Ein­zel­un­ter­richt und zur Ensem­ble-Arbeit mit pro­fes­sio­nel­len Lehr­kräf­ten an, meis­tens in Räum­lich­kei­ten vor Ort, etwa Schu­len oder in Albach­ten im Haus der Begegnung. 

Frü­her gab es zwi­schen die­sen frei­en Trä­gern und der städ­ti­schen Musik­schu­le gra­vie­ren­de struk­tu­rel­le Kon­flik­te. Doch seit man sich auf eine Finanz­for­mel geei­nigt hat, also eine trans­pa­ren­te­re Finan­zie­rung, sind die­se Kon­flik­te weit­ge­hend befrie­det. Die „West­fä­li­sche Schu­le für Musik“ bie­tet heu­te Musik­schul­an­ge­bo­te für die übri­ge Stadt an. Die­se Ange­bo­te umfas­sen ein wei­tes Spek­trum – von den „Musik­zwer­gen“, einem Ange­bot für Kin­der ab zwei Jah­ren, über die musi­ka­li­sche Grund­aus­bil­dung bis hin zum Einzelunterricht. 

Dar­über hin­aus ist die Insti­tu­ti­on auch im Rah­men von Pro­jek­ten wie „Jedem Kind sei­ne Stim­me“ oder „Jedem Kind Instru­ment, Tan­zen und Sin­gen“ auch an Grund­schu­len tätig. Auch das kos­tet Geld. Ins­ge­samt fal­len für die Stadt für alle Musik­schu­len zusam­men rund 6,4 Mil­lio­nen Euro an Kos­ten an, dem ste­hen Ein­nah­men knapp 2,7 Mil­lio­nen Euro (Teil­nah­me­ge­büh­ren und Lan­des­zu­schüs­se) gegenüber. 

Mit eini­gen Son­der­fak­to­ren ergibt sich für das lau­fen­de Haus­halts­jahr also ein Haus­halts­de­fi­zit bezie­hungs­wei­se Zuschuss­be­darf von knapp 4 Mil­lio­nen Euro für den Musik­schul­un­ter­richt in unse­rer Stadt. Davon pro­fi­tie­ren der­zeit rund 10.400 Men­schen im Jahr, rund 3.200 bei den Musik­schul-Ver­ei­nen und 7.200 bei der städ­ti­schen Musikschule. 

Rein rech­ne­risch erhal­ten also die Teil­neh­men­den bei den Musik­schul-Ver­ei­nen einen „Zuschuss“ in Höhe von 254 Euro pro Kopf von der Stadt, bei der städ­ti­schen Musik­schu­le sind es 433 Euro. Der Unter­schied kommt vor allem dadurch zustan­de, dass bei der städ­ti­schen Musik­schu­le auch Kos­ten für das Gebäu­de an der Him­mel­reich­al­lee ein­ge­rech­net sind sowie Ver­wal­tungs­kos­ten. Die Musik­schul-Ver­ei­ne stem­men die­se über­wie­gend ehrenamtlich. 

Bielefeld fördert ein Drittel weniger

Alles in allem ist das eine ordent­li­che För­de­rung von musi­ka­li­scher Bil­dung, die weni­ge ande­re Städ­te in die­ser Grö­ßen­ord­nung anbie­ten. Bie­le­feld zum Bei­spiel för­dert bei ähn­li­cher Grö­ße der Stadt die musi­ka­li­sche Bil­dung mit einem Drit­tel weni­ger. Auch in Müns­ter lohnt ein genaue­rer Blick, wohin die Zuschüs­se flie­ßen: Die Kos­ten­de­ckungs­gra­de, also das Ver­hält­nis von Erlö­sen zu Kos­ten, sind natur­ge­mäß inner­halb des Ange­bots unter­schied­lich. So arbei­ten Ange­bo­te für Grup­pen mit der höchs­ten Deckung. Hier ent­spre­chen die Erlö­se den Kos­ten also noch am ehes­ten, denn den Kos­ten für eine Lehr­kraft ste­hen meh­re­re Köp­fe gegen­über, für die jeweils ein Bei­trag hereinkommt. 

Am höchs­ten ist der Zuschuss­be­darf beim Ein­zel­un­ter­richt. Ange­bo­te an Grund­schu­len also sind fast kein Zuschuss­ge­schäft, weil es Kos­ten­bei­trä­ge und Lan­des­mit­tel gibt. Bei genau­er Betrach­tung sind es sehr weni­ge Men­schen, deren hoch­qua­li­fi­zier­te musi­ka­li­sche Fort­bil­dung sehr hoch bezu­schusst wird, wäh­rend die Ange­bo­te für brei­te­re Bevöl­ke­rungs­grup­pen (Musik­zwer­ge, Früh­erzie­hung, Schu­len) eher wenig bis kei­nen Zuschuss brau­chen. Dane­ben bie­ten die Musik­schu­len Ange­bo­te, die über Unter­richt hin­aus­ge­hen wie Ensem­ble- und Chor­ar­beit und vie­les mehr.

Mit die­sem Wis­sen soll­te man sich jetzt die Vor­la­ge zum Musik-Cam­pus noch ein­mal genau­er anse­hen. Laut dem Papier sol­len knapp 60 Pro­zent des städ­ti­schen Anteils der Räu­me der West­fä­li­schen Schu­le für Musik zur Ver­fü­gung ste­hen. Also soll­te man ihr auch 60 Pro­zent der jähr­li­chen Kos­ten zuord­nen, die der Stadt für den Musik-Cam­pus ent­ste­hen. Das wären bei 4,4 Mil­lio­nen Euro Gesamt­kos­ten min­des­tens 2,6 Millionen. 

Dem ste­hen im Sta­tus quo, also mit dem Gebäu­de an der Him­mel­reich­al­lee, Kos­ten von 0,9 Mil­lio­nen gegen­über. Mit ande­ren Wor­ten: Das Defi­zit der Musik­schu­le wür­de mit den neu­en Räu­men um 1,7 Mil­lio­nen Euro stei­gen – und anders als die Ver­wal­tung glau­be ich nicht, dass es dann bei iden­ti­schen Per­so­nal­kos­ten für das Pro­gramm blei­ben wür­de, denn irgend­wer müss­te die neu­en zusätz­li­chen Räu­me auch bespielen. 

Man kann sich gut dar­über strei­ten, ob der Musik-Cam­pus jetzt teu­er oder güns­tig ist. Fakt ist jeden­falls: Nimmt man nur die lau­fen­den Gebäu­de­kos­ten, die der Musik-Cam­pus ver­ur­sacht, kos­tet er für die Musik­schu­le etwa so viel, wie die benach­bar­te Stadt Bie­le­feld ins­ge­samt für ihre Schu­le für Musik und Kunst aus­gibt – und zwar mit Per­so­nal- und Sach­kos­ten. Der Zuschuss­be­darf der Musik­schu­le wür­de um rund 50 Pro­zent stei­gen – und das nur für die neu­en Räu­me, ohne dass sich dar­aus bereits neue Ange­bo­te erge­ben wür­den. Die wür­den extra kosten. 

Mehr Zentralität, mehr Repräsentativität

Die Gegen­rech­nung der Ver­wal­tung sieht so aus: Wenn die Stadt Gebäu­de und Grund­stück an der Him­mel­reich­al­lee nicht mehr nutzt, spart sie Geld. Das wür­de den Haus­halt ent­las­ten. Den Wert des Grund­stücks schätzt die Ver­wal­tung auf 6 Mil­lio­nen Euro. Die Stadt möch­te es nicht ver­kau­fen, son­dern ein Erb­bau­recht ver­ge­ben. Das bedeu­tet: Sie bleibt Eigen­tü­me­rin, bekommt aber Jahr für Jahr eine Art Mie­te, einen Erb­bau­zins. Die Ver­wal­tung rech­net mit 300.000 Euro pro Jahr. Fünf Pro­zent des Wer­tes. Das ist ein sport­li­cher Zins­satz. Es dürf­te inter­es­sant wer­den, wer sol­che Erb­bau­zin­sen zah­len will. In der Rea­li­tät dürf­ten die Ein­nah­men deut­lich gerin­ger lie­gen und damit auch die Haushaltsentlastung. 

Dar­über hin­aus hät­te ein Musik-Cam­pus auch erheb­li­che Fol­gen für die inhalt­li­che Aus­rich­tung des Pro­gramms: Er wür­de mehr Zen­tra­li­tät und mehr Reprä­sen­ta­ti­vi­tät bedeu­ten. Zen­tra­li­tät hat aber Aus­wir­kun­gen, denn sie bedeu­tet auch: Mehr Raum für Ein­zel- und Ensem­b­le­un­ter­richt, mehr Spit­zen­för­de­rung als Breitenförderung. 

Für schul­be­zo­ge­ne Ange­bo­te oder die Musik­zwer­ge und die musi­ka­li­sche Grund­bil­dung braucht man kei­ne neu­en Räu­me. Die­se Ange­bo­te kön­nen dezen­tral und wohn­ort­nah statt­fin­den. Inso­fern hät­te ein Musik-Cam­pus klar und ein­deu­tig zur Fol­ge: Die städ­ti­sche Musik­schul­ar­beit fokus­siert sich noch stär­ker auf die Spitze. 

Das kann man wol­len, dann man soll­te es aber auch ehr­lich sagen. Erstaun­li­cher­wei­se wird aller­dings in der bis­he­ri­gen Debat­te immer so getan, als gehe es hier nur um Raum­be­dar­fe. Dabei lau­tet die Fra­ge: Was für eine Musik­schu­le wol­len wir in Müns­ter? Eine, die dezen­tral auch zum Bei­spiel in Coer­de und Kin­der­haus und Berg Fidel Kin­dern und Jugend­li­chen musi­ka­li­sche Ange­bo­te macht? Oder wol­len wir schwer­punkt­mä­ßig Spit­zen­ta­len­te fördern? 

Bei­des ist legi­tim und in der Sache eine Dis­kus­si­on wert, aber man soll­te die Ziel­dif­fe­renz poli­tisch klar­ma­chen. In die­sem Zusam­men­hang ist auf­fäl­lig, dass die „Raum­be­dar­fe“ der Musik­schu­le stets als gesetzt gel­ten. Weder die aktu­el­le noch die älte­ren Vor­la­gen zum Musik-Cam­pus geben irgend­ei­nen Hin­weis dazu, wie sich die­se Bedar­fe errechnen. 

Breitenförderung oder Spitze?

Statt­des­sen lie­fert die aktu­el­le Vor­la­ge eine irre Rech­nung, die dar­le­gen soll, wie man das Kunst­stück voll­bracht habe, 18,5 Pro­zent Flä­che ein­zu­spa­ren – 18,5 Pro­zent gegen­über einer frü­he­ren fik­ti­ven Blau­pau­se. An kei­ner Stel­le aber legt die Ver­wal­tung offen, für wel­che inhalt­li­chen Ange­bo­te die Musik­schu­le eigent­lich wie viel Platz braucht. 

Die Lei­te­rin fällt seit Amts­an­tritt im Jahr 2018 zwar durch extrem ein­sei­ti­ge und wenig dis­kur­si­ve öffent­li­che Auf­trit­te zuguns­ten des Pro­jekts auf, aber wenig durch Fak­ten. Dabei wäre eine inter­es­san­te Fra­ge: Wel­che Musik­schu­le brau­chen wir? Eine für die Brei­ten­för­de­rung oder eine für die Spitze? 

Und ist es ange­mes­sen, einen ohne­hin im Ver­gleich zwi­schen den Kom­mu­nen schon sehr hohen Musik­schul-Etat noch ein­mal um fast die Hälf­te zu erhö­hen? Wel­che Bevöl­ke­rungs­grup­pen pro­fi­tie­ren davon und wel­che nicht? Wel­chen Stel­len­wert hat musi­ka­li­sche Bil­dung, auch im Ver­gleich zum Bei­spiel zu digi­ta­ler Bil­dung oder historisch-politischer? 

Die Bud­gets dafür unter­schei­den sich schon jetzt deutlich. 

Nun geht es beim Musik-Cam­pus auf der städ­ti­schen Sei­te nicht allein um die Musik­schu­le, son­dern auch um ange­mes­se­ne Pro­be­räu­me für das Sin­fo­nie­or­ches­ter. Des­sen bis­her genutz­te Räum­lich­kei­ten ent­spre­chen weder den arbeits­recht­li­chen Anfor­de­run­gen, noch sind sie über­haupt geeig­net. Des­we­gen gab es auch in der Ver­gan­gen­heit schon ande­re Ideen für eine Neu­re­ge­lung, die auch in der aktu­el­len Vor­la­ge eine Rol­le spielen. 

Wer spricht eigentlich von Anbau?

Wer­fen wir einen Blick auf die Zah­len­spie­le der Ver­wal­tung. Die Ver­wal­tung rech­net für den Fall, dass der Musik-Cam­pus nicht gebaut wird, mit Inves­ti­ti­ons­kos­ten von rund 40 Mil­lio­nen Euro für Musik­schu­le und Sin­fo­nie­or­ches­ter an ande­rer Stel­le. Sie ste­hen den 100 Mil­lio­nen für den städ­ti­schen Anteil am Cam­pus gegenüber. 

Dabei geht die Stadt ohne Wei­te­res davon aus, dass für die Musik­schu­le ein Anbau an der Him­mel­reich­al­lee nötig wäre, und rhe­to­risch legt man die Stirn sofort in Fal­ten: Ob der Denk­mal­schutz das wohl zulas­sen würde? 

Die eigent­li­che Fra­ge wird aber gar nicht auf­ge­wor­fen: Wer spricht eigent­lich von Anbau? In Müns­ter wer­den immer­hin 3.200 Schüler:innen in Musik­schul-Ver­ei­nen unter­rich­tet – zum Teil von den­sel­ben Lehr­kräf­ten auf dem­sel­ben Niveau –, ohne dass auch nur ein Raum dafür gebaut wor­den wäre. Auch vie­le Teilnehmer:innen der Ange­bo­te der West­fä­li­schen Schu­le für Musik sehen das Gebäu­de an der Him­mel­reich­al­lee nie, weil der Unter­richt woan­ders stattfindet. 

So ste­hen Raum­be­dar­fe unhin­ter­fragt in der Dis­kus­si­on, die an kei­ner Stel­le bezif­fert, begrün­det oder plau­si­bi­li­siert wer­den. Es bleibt also eine geeig­ne­te Pro­be­büh­ne für das Sin­fo­nie­or­ches­ter übrig. 

Hier ist dar­an zu erin­nern, dass in der ursprüng­li­chen Debat­te auch der Hörs­ter-Park­platz eine Rol­le spiel­te. Einer frü­he­ren Vor­la­ge der Ver­wal­tung aus dem Jahr 2014 zufol­ge – also bevor zwei Jah­re spä­ter die Musik-Cam­pus-Idee auf­kam – hielt man den Stand­ort für geeig­net, wegen sei­ner Nähe zum Thea­ter und sei­ner stadt­zen­tra­len Lage. Das sprach stark dafür, hier auch das Sin­fo­nie­or­ches­ter mit Räum­lich­kei­ten zu ver­sor­gen, die zugleich auch Musik­schu­le und Volks­hoch­schu­le als Ver­an­stal­tungs­räu­me hät­ten nut­zen können. 

Damals erschien es der Ver­wal­tung plau­si­bel, hier gemein­sa­me Unter­richts­räu­me für Volks­hoch­schu­le und Musik­schu­le zu errich­ten, weil es Syn­er­gie­ef­fek­te gebe. Syn­er­gie­ef­fek­te wer­den jetzt auch für den Musik-Cam­pus betont. Aller­dings erge­ben sie sich nun aus dem Zusam­men­wir­ken von Stadt und Uni­ver­si­tät, nicht mehr aus der Koope­ra­ti­on von städ­ti­schen Institutionen. 

Den Haus­halt ent­las­ten die­se Plä­ne daher nicht. Im Gegen­teil, die Kos­ten sind jetzt fast vier Mal so hoch wie die für das Pro­jekt am Hörs­ter-Park­platz, die die Ver­wal­tung 2014 ermit­telt hat­te. Und ganz neben­bei ist aus der abge­bro­che­nen Dis­kus­si­on der Alter­na­ti­ve auch eine Insti­tu­ti­on ganz aus der Debat­te her­aus­ge­fal­len, näm­lich die Volkshochschule.

Weiterbildung steht hintenan

Auch die Volks­hoch­schu­le ist in Räu­men unter­ge­bracht, die für ande­re Zwe­cke gebaut wur­den (als Büros), und noch dazu hat sie durch den Bau der Gesamt­schu­le Müns­ter-Mit­te zum Bei­spiel Vor­trags- und Ver­an­stal­tungs­räu­me verloren. 

Schon früh wur­de klar: Anders als die Musik hat die Wei­ter­bil­dung kei­ne Lob­by in Müns­ter, obwohl an der Volks­hoch­schu­le mehr als dop­pelt so vie­le Men­schen Ange­bo­te bele­gen wie bei den Musik­schu­len zusammengenommen. 

Des­we­gen hat die Stadt die Ideen für den Hörs­ter-Park­platz nie zu Ende geprüft. Man saniert die vor­han­de­nen Räu­me der Volks­hoch­schu­le. Kos­ten­punkt: 10 Mil­lio­nen Euro. Die­se Kos­ten müss­ten dem Musik-Cam­pus noch auf­ad­diert wer­den, weil sie bei einem ande­ren Pro­jekt­zu­schnitt eben auch nicht ange­fal­len wären. Die Haupt­leh­re für die Bil­dungs­po­li­tik in unse­rer Stadt aus die­ser abge­bro­che­nen Debat­te aber ist: Wei­ter­bil­dung, gera­de nicht-aka­de­mi­sche, steht hintenan.

Und damit sind wir bei der all­ge­mei­nen Fra­ge der Finan­zier­bar­keit. Ich habe Ihnen vor einem Jahr an die­ser Stel­le schon ein­mal eine Ana­ly­se des städ­ti­schen Haus­halts geschickt. Eines der Ergeb­nis­se war: Die Stadt weist im Haus­halt Inves­ti­ti­ons­vor­ha­ben in einer finan­zi­el­len Grö­ßen­ord­nung aus, die weit jen­seits des­sen sind, was fis­kal­po­li­tisch dar­stell­bar und ope­ra­tiv umsetz­bar ist.

Inzwi­schen belau­fen sich die im Haus­halt ver­an­ker­ten Absichts­er­klä­run­gen („Ver­pflich­tungs­er­mäch­ti­gun­gen“) auf fast eine Mil­li­ar­de Euro. Schaut man in den Jah­res­ab­schluss der Stadt für 2020, ergibt sich dort ein kla­res Bild: Gegen­über dem Haus­halts­plan­an­satz für das Jahr wur­den am Ende nur etwa 50 Pro­zent der vor­ge­se­he­nen Inves­ti­tio­nen auch umgesetzt. 

Könnte die Stadt sich verheben?

Bevor Sie jetzt ein­wen­den, das sei wegen Coro­na so gekom­men – im Jahr 2019 waren es auch weni­ger als zwei Drit­tel der vor­ge­se­he­nen Mit­tel, die abflos­sen. In Müns­ter wird eben mehr gere­det als gebaut. Oder anders for­mu­liert: Die Kapa­zi­tä­ten der Stadt Müns­ter reich­ten in den letz­ten Jah­ren für die Umset­zung eines Inves­ti­ti­ons­bud­gets von 60 bis 70 Mil­lio­nen Euro pro Jahr. 

Das gibt einen Ein­druck davon, wie lan­ge es dau­ert, eine Mil­li­ar­de Euro Pla­nungs­kos­ten Rea­li­tät wer­den zu las­sen, und wie rea­lis­tisch das ist. Und es gibt auch einen Ein­druck davon, wie sich das Volu­men des städ­ti­schen Anteils am Musik-Cam­pus zu den übri­gen Vor­ha­ben der Stadt ver­hält. Es ent­spricht der kom­plet­ten Inves­ti­ti­ons­tä­tig­keit der Stadt in knapp zwei Haus­halts­jah­ren (gemes­sen am Jah­res­ab­schluss, nicht an den Haus­halts­plan­an­sät­zen, die meist höher lie­gen). Eine Rea­li­sie­rung wird also erheb­li­che Fol­gen haben für ande­re Vor­ha­ben. Man kann auch fra­gen, ob sich die Stadt an dem Pro­jekt nicht ver­he­ben könnte.

Auch die­se ande­ren Vor­ha­ben sind poli­tisch von hohem Gewicht und nicht ein­fach zu ver­schie­ben oder zu strei­chen: Es geht um Pro­jek­te wie das Preu­ßen­sta­di­on (letz­te Schät­zung: 48 Mil­lio­nen Euro) oder den bis 2026 fäl­li­gen Aus­bau von sechs Gym­na­si­en für die neun­jäh­ri­ge Schul­zeit, kurz: G9 (aktu­el­le Schät­zung: 65 Mil­lio­nen). Von einer drit­ten Gesamt­schu­le war auch schon mal die Rede. Inves­ti­ti­ons­sum­men dafür sind noch gar in die Mil­li­ar­de eingerechnet.

Aus­weis­lich der Vor­la­ge zum Musik-Cam­pus ist die grü­ne Käm­me­rin der Stadt der Mei­nung, dass der Cam­pus mit sei­nen 100 Mil­lio­nen Inves­ti­ti­ons­kos­ten und min­des­tens 4,4 Mil­lio­nen jähr­li­chen Betriebs­kos­ten im Haus­halt zusätz­lich zu alle­dem dar­stell­bar ist. 

Interessant wird es nach der Wahl

Als es aber letz­tes Jahr um Hono­rar­kos­ten für Musik­schul­lehr­kräf­te ging, da klang es noch ganz anders: Die Anhe­bung um 2 Pro­zent sei eine „für den Haus­halt rele­van­te Grö­ßen­ord­nung“ – es waren 0,3 Mil­lio­nen Euro in der mit­tel­fris­ti­gen Pla­nung und nicht ein­mal pro Jahr. Gro­ße Sor­gen klan­gen damals durch. Offen­bar müs­sen die Sum­men nur rich­tig groß sein und erst hin­ter vie­len poli­ti­schen Kur­ven lie­gen, dann wer­den die Sor­gen kleiner.

War­um kommt also nun der Ober­bür­ger­meis­ter über­haupt auf den Rat zu mit einer neu­en Vor­la­ge für einen Grund­satz­be­schluss zum Musik­cam­pus? Die Vor­la­ge mit dem Titel „Ouver­tü­re“ ist doch erst vor Kur­zem beschlos­sen worden? 

Auf die­ser Grund­la­ge wol­le man nun 31,6 Mil­lio­nen För­der­mit­tel akqui­rie­ren, heißt es nun. Man denkt offen­sicht­lich vor allem an Geld vom Land. Da aber ste­hen im Mai Land­tags­wah­len an – und nie­mand kann dort der­zeit Zusa­gen für künf­ti­ge Haus­halts­be­schlüs­se geben, weil nie­mand künf­ti­ge Haus­halts­mehr­hei­ten im Land­tag kennt. 

Nur die bis­he­ri­ge wird es wohl nicht mehr sein. Seit Mona­ten sieht kei­ne Umfra­ge eine Mehr­heit für eine schwarz-gel­be Zwei­er­kon­stel­la­ti­on. Was bringt ein Gespräch und eine Zusa­ge der Lan­des­re­gie­rung jetzt für einen Teil der benö­tig­ten Summe? 

Nichts, außer ein schö­nes Wahl­kampf­the­ma für die ansons­ten inhalt­lich aus­ge­brann­te CDU. Inter­es­sant wird es des­halb erst nach der Land­tags­wahl. Erst dann wird klar, ob der Ouver­tü­re über­haupt noch ein ers­ter Akt folgt. 

Der Bund hat sich ja schon nach der Bun­des­tags­wahl in Per­son der schei­den­den Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Moni­ka Grüt­ters (CDU) mit einem prä­gnan­ten Tschüss aus der Musik-Cam­pus-Debat­te ver­ab­schie­det. Allen­falls regio­na­le Bedeu­tung habe das Pro­jekt, hieß da zum Abschied von Grüt­ters. Nach der Wahl sieht man man­ches nüch­ter­ner, als wenn der Wahl­kampf erst noch ins Haus steht. Der Rat der Stadt soll­te das beden­ken, wenn er über Lewes Vor­la­ge berät.

Herz­li­che Grüße

Ihr Micha­el Jung

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Über den Autor

Micha­el Jung lebt schon immer in Müns­ter. Er wur­de 1976 hier gebo­ren. Er hat an der Uni Müns­ter Latein und Geschich­te stu­diert und in Geschich­te pro­mo­viert. Heu­te ist er Leh­rer am Annet­te-Gym­na­si­um in Müns­ter. Micha­el Jung war vie­le Jah­re in der Poli­tik: Von 2013 bis 2020 war er Frak­ti­ons­chef der SPD im Rat der Stadt, im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kom­mu­nal­wah­len als Ober­bür­ger­meis­ter­kan­di­dat an. 

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