Die Kolumne von Michael Jung | Gegangen, abgeworben, gefeuert

Müns­ter, 27. Febru­ar 2022

Guten Tag,

als Ende August der Spät­som­mer strahl­te, da berich­te­te die Stadt Müns­ter mit einer Pres­se­mit­tei­lung in blu­mi­gen Wor­ten über eine Dienst­rei­se. Die Kul­tur­de­zer­nen­tin und ein Mit­ar­bei­ter des städ­ti­schen NS-Gedenk­or­tes Vil­la ten Hom­pel waren nach Ber­lin gereist. Dort hielt an die­sem Tag näm­lich der ange­hen­de Lei­ter der Vil­la eine Rede. 

Anlass war die Ver­le­gung eines Stol­per­steins für ein NS-Opfer. Die Kul­tur­de­zer­nen­tin, gewis­ser­ma­ßen zur fei­er­li­chen Ein­ho­lung des neu­en Vil­la-Direk­tors nach Ber­lin gereist, ließ sich mit der For­de­rung nach Auf­klä­rung über das Han­deln ras­sis­ti­scher Welt­an­schau­ungs­tä­ter zitie­ren. Alles in allem also der ganz gro­ße Bahn­hof für den neu­en Vil­la-Lei­ter – und sogar der Bun­des­prä­si­dent, der bei der Gedenk­fei­er anwe­send war, durf­te als Büh­nen­de­ko­ra­ti­on in der Pres­se­mit­tei­lung nicht fehlen. 

Auch der Amts­an­tritt des neu­en Vil­la-Lei­ters wur­de dann Anfang Sep­tem­ber noch ein­mal vom Pres­se­amt gefei­ert: Die Kul­tur­de­zer­nen­tin begrüß­te ihren neu­en Amts­lei­ter per­sön­lich am Arbeits­platz, und das Pres­se­amt ver­öf­fent­lich­te auch gleich ein schö­nes Foto dazu. Danach hör­te man vom Pres­se­amt nur noch wenig zum The­ma, hin­ter den Kulis­sen dafür umso mehr, und nun, im Febru­ar, gab es dann eine weit weni­ger blu­mi­ge, dafür kur­ze und knap­pe Mel­dung der Stadt: „Mit Bedau­ern“ gebe der neue Lei­ter die Auf­ga­be schon wie­der ab, und der „in Ber­lin leben­de“ His­to­ri­ker benen­ne „fami­liä­re Grün­de“ für sei­ne Entscheidung. 

Ob die Kul­tur­de­zer­nen­tin ihn auch an sei­nem letz­ten Arbeits­tag in der Vil­la besucht hat, ist nicht über­lie­fert, aber eher unwahr­schein­lich. All­zu deut­lich waren in den letz­ten Mona­ten die Miss­tö­ne, die aus dem Gedenk­ort zu hören waren, und auch mit der Kul­tur­de­zer­nen­tin soll dem son­ni­gen Spät­som­mer zu Beginn ein stren­ger Frost im Win­ter gefolgt sein. Und so war wie­der einer weg aus der Füh­rungs­rie­ge der Stadt Müns­ter. Damit hat die Stadt inzwi­schen Rou­ti­ne. Denn die Ein­schlä­ge kom­men immer dich­ter, immer häu­fi­ger geht das Füh­rungs­per­so­nal vor­zei­tig, wird abge­wor­ben oder gefeuert. 

Glänzen durch Diskontinuität

Ich möch­te mit Ihnen ein­mal kurz die Abgän­ge der letz­ten Mona­te und Jah­re durch­ge­hen: Am schnells­ten wech­seln die Chefs beim städ­ti­schen Woh­nungs­un­ter­neh­men, der Wohn- und Stadt­bau. Seit dem alters­be­ding­ten Aus­schei­den des lang­jäh­ri­gen Lei­ters 2014 ging es Schlag auf Schlag: Die Nach­fol­ge­rin blieb, obwohl für fünf Jah­re bestellt, nur drei Jah­re und ver­ließ Müns­ter.

Ihren Nach­fol­ger wie­der­um hielt es auch nicht viel län­ger. Letz­tes Jahr kün­dig­te er sei­nen Abschied an, nun soll es ein neu­er Mann rich­ten, der schon seit 20 Jah­ren im Unter­neh­men arbei­tet. Eine inter­ne Lösung also, nach­dem zwei exter­ne Chefs zuvor schnell wie­der gin­gen, weil sie anders­wo lukra­ti­ve Ange­bo­te erhiel­ten. Das Unter­neh­men also, das wesent­li­che Tei­le der Kon­ver­si­on stem­men und eine Schlüs­sel­rol­le beim Bau bezahl­ba­rer Woh­nun­gen spie­len soll, glänz­te in den letz­ten acht Jah­ren vor allem durch Diskontinuität. 

Wäh­rend es bei der Wohn- und Stadt­bau also Abgän­ge waren, die sich eher mit bes­se­ren beruf­li­chen Optio­nen ver­ban­den und ent­spre­chend geräusch­los ver­lie­fen, knall­te es umso lau­ter bei den Stadt­wer­ken. Nach der Nicht­ver­län­ge­rung des Ver­trags des Tech­ni­schen Geschäfts­füh­rers Ende 2013 stell­te sich auch mit des­sen Nach­fol­ger kei­ne bes­se­re Zusam­men­ar­beit in der Geschäfts­füh­rung ein. Im Ergeb­nis wur­den er und sein kauf­män­ni­scher Kol­le­ge 2018 vom Rat in einem bis dahin bei­spiel­lo­sen Vor­gang abberufen. 

Ein neu­er Mann, mit der dama­li­gen CDU-Bür­ger­meis­te­rin ver­wandt­schaft­lich ver­bun­den, durf­te als Inte­rims-Chef über­neh­men. Im Som­mer 2019 folg­ten dann die end­gül­ti­gen neu­en Chefs am Hafen­platz. Auch beim größ­ten städ­ti­schen Unter­neh­men gab es also rasche und abrup­te Füh­rungs­wech­sel, hier aller­dings ver­bun­den mit gro­ßen öffent­li­chen und per­sön­li­chen Kol­la­te­ral­schä­den und erheb­li­chen Kosten.

Skurrile Beiträge auf Social-Media

Tur­bu­lent war es auch beim Zoo. Schon die Nach­fol­ge für den lang­jäh­ri­gen Chef schei­ter­te im Rat. Der vom Auf­sichts­rat (dort hal­ten die Ver­tre­ter des Zoo-Ver­eins die Mehr­heit) vor­ge­se­he­ne Kan­di­dat erhielt im Rat der Stadt kei­ne Bestä­ti­gung. Vor­gän­ge an sei­ner vor­he­ri­gen Wir­kungs­stät­te wur­den von den bei­den Gre­mi­en unter­schied­lich bewertet. 

Also begann die Nach­fol­ge­su­che von vorn, und bald war ein neu­er Mann gefun­den. Nach­dem die­ser ein bemer­kens­wer­tes Kon­zept zur Neu­aus­rich­tung vor­ge­legt hat­te, bewarb er sich danach schon mal woan­ders wei­ter und teil­te bald mit, Müns­ter ver­las­sen zu wollen. 

Bis zum Ende sei­ner Ver­trags­lauf­zeit folg­ten dann skur­ri­le Bei­trä­ge auf Social-Media-Kanä­len, bis er an sei­nem letz­ten Arbeits­tag ein Foto pos­te­te. Unter dem Orts­aus­gangs­schild von Müns­ter äußer­te er sei­ne Freu­de, Müns­ter ver­las­sen zu kön­nen. Die drit­te Suche nach einer Lei­tung für den Zoo in sechs Jah­ren gestal­te­te sich anspruchs­voll. Im Ergeb­nis folg­te auch hier eine inter­ne Lösung. Seit­her ist es weni­ger unter­halt­sam gewor­den, aber dafür ruhiger.

Den ganz gro­ßen Knall gab es bei der Wirt­schafts­för­de­rung. Deren Chef, mehr als zwan­zig Jah­re für die Stadt und die Wirt­schafts­för­de­rung tätig, wur­de vom Rat 2020 per Dring­lich­keits­ent­schei­dung auf Ver­lan­gen des Ober­bür­ger­meis­ters abberufen. 

An einem Mon­tag­abend ende­te eine lan­ge Kar­rie­re: Wegen einer zu spät erfolg­ten Infor­ma­ti­on über eine Zeu­gen­aus­sa­ge in einem Straf­ver­fah­ren sei die Ver­trau­ens­ba­sis zer­stört, hieß es offi­zi­ell. Arbeits­ge­richt­lich ist die Sache noch nicht aus­ge­stan­den und dürf­te – ähn­lich wie bei den Stadt­wer­ken – noch sehr teu­er kommen. 

Immer­hin, ein Nach­fol­ger war rasch gefun­den. Und da es beim Zoo jetzt kei­ne skur­ri­len State­ments mehr gibt, über­nimmt das seit­her die Wirt­schafts­för­de­rung: Im ers­ten gro­ßen Inter­view ließ der neue Chef wis­sen, er wer­de gele­gent­lich sicher mit sei­ner Gat­tin ein­mal eini­ge Urlaubs­ta­ge in Müns­ter ver­brin­gen. Und leg­te spä­ter an ande­rer Stel­le nach: Er woh­ne in Gre­ven, Müns­ter bie­te für einen Nor­mal­ver­die­ner kaum bezahl­ba­re Wohnungen. 

Ein krasser Kontrollverlust

Geräusch­lo­ser gestal­te­te sich da schon der Abgang des lang­jäh­ri­gen Spar­kas­sen-Chefs. Im Som­mer 2021 bat der um Auf­he­bung sei­nes Ver­trags. Das geschah eben­so rasch wie die Bestel­lung sei­nes bis­he­ri­gen Stell­ver­tre­ters zum Nach­fol­ger. Auch hier also die inter­ne Lösung als Antwort. 

Der lang­jäh­ri­ge Chef hat­te sich zuvor schon mal, im Ver­ein mit dem Waren­dor­fer Land­rat und Müns­ters Ober­bür­ger­meis­ter, gewal­tig ver­ho­ben beim Ver­such, an die Spit­ze des Spar­kas­sen­ver­bands West­fa­len-Lip­pe zu gelan­gen.

Das erfolg­reich geführ­te Haus genießt im Übri­gen manch­mal zu Unrecht den Ruf, dort wür­de viel­leicht nur Geld gezählt. Es wird unter­schätzt, wie ziel­si­cher bis­wei­len auch in die­sem sach­li­chen Ambi­en­te Amors Pfei­le fliegen.

Spek­ta­ku­lä­rer war da der Abgang des Geschäfts­füh­rers bei den Kla­ra­stift-Gesell­schaf­ten 2018. Denn im Novem­ber 2021, inzwi­schen war die drit­te Nach­fol­ge bin­nen drei Jah­ren im Amt, erziel­te die Stadt einen Ver­gleich vor Gericht. Sie erhielt von der Mana­ger-Haft­pflicht­ver­si­che­rung des ehe­ma­li­gen Geschäfts­füh­rers eine Zah­lung in Höhe von 500.000 Euro. 

Allein die Sum­me zeigt, was beim Kla­ra­stift pas­siert war – ein kras­ser Kon­troll­ver­lust auf meh­re­ren Ebe­nen, der Stoff für ein gan­zes Buch böte. In der Kon­se­quenz will sich die Stadt Müns­ter von den Kla­ra­stift-Gesell­schaf­ten tren­nen. Auch hier also ein rascher Per­so­nal­wech­sel als Aus­druck einer ver­fah­re­nen Lage.

Als Erstes riss der Geduldsfaden

So war es auch beim Flug­ha­fen. Nach­dem der dor­ti­ge Geschäfts­füh­rer über Jah­re die Poli­tik in Müns­ter, Stein­furt und Osna­brück mit rosa­ro­ten Zukunfts­vi­sio­nen (Start- und Lan­des­bahn für Inter­kon­ti­nen­tal­flü­ge) ver­zückt hat­te, konn­te er zuletzt immer nur mit dem Ver­spre­chen punk­ten, dass hin­ter der über­nächs­ten Kur­ve sicher das Licht am Ende des Tun­nels zu sehen sei. 

Als Ers­tes riss der Gedulds­fa­den in Stein­furt, dann in Osna­brück und Gre­ven, schließ­lich auch in Müns­ter. Der Ver­trag wur­de nicht ver­län­gert, der Nach­fol­ger ging auf Sanie­rungs­kurs. Seit­her gibt es kei­ne Inter­kon­ti­nen­tal­vi­sio­nen mehr, son­dern den Umbau zu einem mit­tel­stän­di­schen Betrieb eines Regionalflughafens. 

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Bevor Sie jetzt den­ken, bei städ­ti­schen Gesell­schaf­ten wür­den die Chefs über­all abge­wor­ben, such­ten selbst um Abschied nach oder wür­den gefeu­ert, kann ich Sie beru­hi­gen. Es gibt auch Oasen der Kon­ti­nui­tät an der Spit­ze, wo statt­des­sen die Mit­ar­bei­ten­den Reiß­aus neh­men. Aber das wäre ein eige­nes Thema.

Des­we­gen kom­men wir zur Ursa­chen­ana­ly­se. Ange­sichts der Häu­fung der Fäl­le wird man von Zufäl­len nicht mehr spre­chen kön­nen. Wäh­rend in frü­he­ren Zei­ten Füh­rungs­per­so­nal lan­ge blieb (Stadt­wer­ke, Wohn.- und Stadt­bau, Zoo), galt das für deren Nach­fol­ge nicht mehr. Und das hat Grün­de. Ich sehe folgende:

I. Münster geizt an den falschen Stellen

Man mag es für sym­pa­thisch hal­ten, dass in Müns­ter kei­ne Top­ge­häl­ter gezahlt wer­den für die Lei­tung städ­ti­scher Gesell­schaf­ten. Woan­ders gibt es deut­lich mehr. Es ist aber typisch für eine über­wie­gend dem öffent­li­chen Dienst ver­bun­de­ne und die­sem ent­stam­men­de Füh­rungs­eli­te in der Stadt, dass des­sen Gehalts­maß­stä­be ange­legt wer­den. Und das führt zu Unbe­ha­gen, wenn ein­zel­ne Geschäfts­füh­rer deut­lich mehr ver­die­nen als der Oberbürgermeister. 

Auf der ande­ren Sei­te haben sich Gehäl­ter im öffent­li­chen Dienst und in der frei­en Wirt­schaft deut­lich aus­ein­an­der­ent­wi­ckelt. Anders als frü­her wer­den bei städ­ti­schen Gesell­schaf­ten auch kei­ne qua­si beam­ten­ähn­li­chen Ver­sor­gun­gen mehr gezahlt. Höhe­ren Bezü­gen steht also auch die Ver­pflich­tung gegen­über, sei­ne Alters­ver­sor­gung aus den eige­nen Bezü­gen selbst ohne städ­ti­sche Mit­wir­kung selbst regeln zu müssen. 

Des­we­gen aber fühlt sich auch nie­mand mehr mit ver­sor­gungs­recht­li­chen Bin­dun­gen an die Stadt und ihre Gesell­schaf­ten gefes­selt, höhe­re Fluk­tua­ti­on ergibt sich eben auch aus den Ver­gü­tungs­struk­tu­ren, die man anbietet. 

Kurz und gut: Man kann die Ver­gü­tung des Füh­rungs­per­so­nals nicht mit der im öffent­li­chen Dienst ver­glei­chen, son­dern man kon­kur­riert in eini­gen Berei­chen um die bes­ten Köp­fe, eben zum Teil auch mit der Pri­vat­wirt­schaft. Wer ver­gleichs­wei­se zurück­hal­tend in der Ver­gü­tung ist, muss damit rech­nen, dass gute Leu­te abge­wor­ben werden. 

Eine Moder­ni­sie­rung der Gesell­schafts­struk­tu­ren erfor­dert auch ein moder­nes Ver­gü­tungs­sys­tem. Das heißt nicht, dass Gehalts­exzes­se das Ziel sind – aber wenn man anders als in ande­ren Kom­mu­nen Geschäfts­füh­rungs­po­si­tio­nen zu Recht nicht als poli­ti­sche Ver­sor­gungs­jobs betrach­tet (Aus­nah­me: die Grü­nen und die städ­ti­sche Park­haus­ge­sell­schaft WBI), son­dern als Manage­ment­auf­ga­be für klu­ge Köp­fe, dann muss man auch ent­spre­chen­de Struk­tu­ren anbieten. 

Müns­ter geizt also oft an der fal­schen Stel­le. Ein guter neu­er Geschäfts­füh­rer kann mit klu­gem Manage­ment ein Viel­fa­ches sei­ner Ver­gü­tung durch Struk­tur­re­for­men erwirt­schaf­ten. Ein Blick zum Flug­ha­fen zeigt das deutlich. 

Höhe­re Ver­gü­tun­gen sind im Übri­gen nur da dis­kus­si­ons­wür­dig, wo tat­säch­lich eine Kon­kur­renz­si­tua­ti­on zur Pri­vat­wirt­schaft besteht. In Müns­ter gab es in der Ära des frü­he­ren Ober­bür­ger­meis­ters Bert­hold Till­mann das absur­de Phä­no­men, aus­ge­rech­net dort bei den Ver­gü­tun­gen über die Ban­de zu schla­gen, wo genau die­se Kon­kur­renz nicht bestand. Des­we­gen blieb manch einer dann auch lang.

II. Mia san mia: Münster ist immer was Besonderes

Sie haben es bemerkt – der Trend zur inter­nen Nach­be­set­zung ist unver­kenn­bar. Dafür gibt es Grün­de. Natür­lich ist es auch mit dem schöns­ten Per­so­nal­be­ra­tungs­un­ter­neh­men an der Sei­te ein anspruchs­vol­les Unter­fan­gen, drei­mal in sechs oder sie­ben Jah­ren die­sel­be Posi­ti­on mit einer exzel­len­ten Bewer­bung von außen zu beset­zen (Wohn- und Stadt­bau, Zoo). 

Poten­zi­el­le Füh­rungs­kräf­te wer­den sich über­le­gen, inwie­weit sie sich auf das Müns­te­ra­ner Spiel ein­las­sen. Zu die­sem Spiel gehört näm­lich auch das aus­ge­präg­te Gefühl, etwas ganz Beson­de­res zu sein. Da ist es doch für alle Betei­lig­ten viel ange­neh­mer, intern nachzubesetzen. 

Das sind dann Leu­te, die das Unter­neh­men ken­nen und die ihren Auf­stieg kon­kre­ten Per­so­nen aus der Kom­mu­nal­po­li­tik und der Ver­wal­tung ver­dan­ken, sich ent­spre­chend dank­bar zei­gen, wenn poli­ti­sche Anfor­de­run­gen for­mu­liert wer­den und sich auch über einen klei­nen Gehalts­zu­wachs oder auch nur den Pres­ti­ge­ge­winn freu­en. Auch ist sicher­ge­stellt, dass nicht etwa neue Ideen oder Kon­zep­te die Stadt oder die Rat­haus­po­li­tik erschüt­tern. Und das ist doch sehr beru­hi­gend, denn nichts fürch­ten wir in Müns­ter mehr. 

III. Aufsichts- und Kontrollversagen

Dazu kommt das noto­ri­sche Füh­rungs­de­fi­zit an der Spit­ze der Stadt, das eben auch das Betei­li­gungs­ma­nage­ment umfasst. Die inter­nen Beset­zun­gen aber trü­ben auch nicht das inni­ge Ein­ver­neh­men, das all­zu oft zwi­schen Geschäfts­füh­rung und Mit­glie­dern der Auf­sichts­gre­mi­en herrscht. Bei man­chen hat man bis­wei­len eher den Ein­druck, die Mit­glie­der über­wach­ten ihre Frak­tio­nen im Auf­trag der Geschäfts­füh­rung als im Auf­trag der Stadt die Gesellschaften. 

Bei der Beset­zung von Auf­sichts­gre­mi­en geht es oft gut, manch­mal aber eben auch nicht. Am schlimms­ten kam es beim Kla­ra­stift. Dort hat­te man offen­bar über Jah­re viel schwa­dro­niert über Pfle­ge im All­ge­mei­nen und in Müns­ter im Beson­de­ren („ambu­lant vor sta­tio­när“ – immer eine Wort­mel­dung wert), nur bei den Bilan­zen und dem Gesche­hen in der ver­schach­tel­ten Gesell­schafts­struk­tur hat­te man mög­li­cher­wei­se etwas weni­ger genau hin­ge­se­hen. Jeden­falls brauch­te es am Ende städ­ti­sche Finanz­sprit­zen, um die Insol­venz abzuwenden. 

Auch die Kri­se bei den Stadt­wer­ken hat­te etwas mit den Auf­sichts­gre­mi­en zu tun, dar­über hat­te ich Ihnen schon ein­mal geschrie­ben. Alles in allem kann man sagen: Es fehlt bis­wei­len Cou­ra­ge und Kom­pe­tenz, eine Geschäfts­füh­rung kon­struk­tiv, aber kri­tisch zu beglei­ten und zu hin­ter­fra­gen. Die Dau­er­du­ze­rei zwi­schen Gre­mi­en­mit­glie­dern und Geschäfts­füh­run­gen ist bei­spiels­wei­se schon Sym­ptom einer fal­schen Ver­brü­de­rung und Ver­trau­lich­keit, wo kon­struk­tiv-pro­fes­sio­nel­le Distanz bes­ser wäre. 

Herz­li­che Grüße

Ihr Micha­el Jung


Über den Autor

Micha­el Jung lebt schon immer in Müns­ter. Er wur­de 1976 hier gebo­ren. Er hat an der Uni Müns­ter Latein und Geschich­te stu­diert und in Geschich­te pro­mo­viert. Heu­te ist er Leh­rer am Annet­te-Gym­na­si­um in Müns­ter. Micha­el Jung war vie­le Jah­re in der Poli­tik: Von 2013 bis 2020 war er Frak­ti­ons­chef der SPD im Rat der Stadt, im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kom­mu­nal­wah­len als Ober­bür­ger­meis­ter­kan­di­dat an. 

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