Die Kolumne von Juliane Ritter | Erst die Pflegeausbildung – und was dann?

Müns­ter, 5. März 2023

Guten Tag,

die Aus­bil­dung zur pro­fes­sio­nel­len Pfle­ge­kraft dau­ert drei Jah­re. In die­ser Zeit erler­nen die ange­hen­den Fach­kräf­te die Grund­la­gen ihres Berufs. Dazu gehört zum Bei­spiel, Men­schen bei der Kör­per­pfle­ge oder beim Essen zu unter­stüt­zen und dabei ihre Selbst­stän­dig­keit zu för­dern. Die Aus­zu­bil­den­den ler­nen, wie Orga­ne nor­ma­ler­wei­se funk­tio­nie­ren und bekom­men einen Über­blick über die dazu­ge­hö­ri­gen Krank­heits­bil­der. Sie beschäf­ti­gen sich mit Pfle­ge­theo­rien und Pfle­ge­be­dar­fen, damit sie sie erken­nen und ein­schät­zen kön­nen. Dabei eva­lu­ie­ren sie regel­mä­ßig den gesam­ten Pfle­ge­pro­zess und pas­sen ihn an. In den prak­ti­schen Ein­sät­zen geht es um die Arbeit im Team und wie man die eige­nen Arbeits­ab­läu­fe gut struk­tu­riert und organisiert.

Das dua­le Stu­di­um dau­ert ins­ge­samt vier Jah­re. Die Stu­die­ren­den ler­nen dort zusätz­lich zum Aus­bil­dungs­in­halt das wis­sen­schaft­li­che Arbei­ten ken­nen. Sie erhe­ben die aktu­el­le Evi­denz­la­ge, schät­zen sie ein und über­set­zen sie in pfle­ge­ri­sches Han­deln. Am Ende des Stu­di­ums haben sie einen Bache­lor in Pfle­ge und Pfle­ge­wis­sen­schaft. Aber zum Berufs­ein­stieg hören sie dann: „Wir bezah­len kei­nen Abschluss.“

Für exami­nier­te Pfle­ge­kräf­te gibt es diver­se Fort- und Wei­ter­bil­dungs­mög­lich­kei­ten. Praxisanleiter:innen zum Bei­spiel betreu­en Ler­nen­de in der Pra­xis, nach­dem sie sich die zusätz­li­chen Kom­pe­ten­zen ange­eig­net haben. Im Berufs­all­tag erhält man dafür im Ide­al­fall geson­dert Arbeits­zeit. Die Ver­gü­tung stellt mit 70 Euro mehr im Monat aller­dings kei­nen Anreiz dar. Zu Schmerz- oder Wundexpert:innen aus­ge­bil­de­te Kolleg:innen kön­nen von zusätz­li­chem Ent­gelt, das ihre wei­ter­füh­ren­den Kennt­nis­se hono­riert, nur träumen.

Weiterbildung ja, angemessene Vergütung nein

Ent­schei­det man sich als exami­nier­te Pfle­ge­fach­kraft mit etwas Berufs­er­fah­rung für eine Fach­wei­ter­bil­dung, liegt die Moti­va­ti­on eben­falls eher im indi­vi­du­el­len Inter­es­se. Eine sol­che Fach­wei­ter­bil­dung, etwa zur Fach­pfle­ge­kraft für Anäs­the­sie- und Inten­siv­pfle­ge, dau­ert cir­ca zwei Jah­re und umfasst neben aus­führ­li­chem Theo­rie­un­ter­richt auch Hos­pi­ta­tio­nen in Teil­be­rei­chen des Fach­ge­biets. Am Ende bleibt ledig­lich der Bil­dungs­nach­weis auf dem Papier. In der Pra­xis bedeu­tet der Abschluss weder einen erwei­ter­ten oder spe­zia­li­sier­ten Auf­ga­ben­be­reich, noch eine dem Bil­dungs­ni­veau ange­mes­se­ne Vergütung.

Wer einen haus­in­ter­nen Lei­tungs­kurs absol­viert oder einen Bache­lor im Pfle­ge­ma­nage­ment hat, kann Sta­ti­ons­lei­tung wer­den. Damit ver­bun­den ist zwar eine Umgrup­pie­rung der Ent­gelt­grup­pe. Der Schicht­dienst mit Wochen­end­diens­ten geht aber über in einen Tag­dienst an den übli­chen Werk­ta­gen von Mon­tag bis Frei­tag. Das bedeu­tet: Die Zuschlä­ge für die­se Schich­ten fal­len weg. Sta­ti­ons­lei­tun­gen mit ent­spre­chen­dem Bil­dungs­ab­schluss ver­die­nen also weni­ger Geld als die Pfle­ge­kräf­te in ihrem Team. Gleich­zei­tig kommt die Erwar­tung hin­zu, auch außer­halb der Dienst­zeit erreich­bar zu sein und bei Bedarf in der direk­ten Pati­en­ten­ver­sor­gung zu unter­stüt­zen. Wie der Berufs­all­tag in Zei­ten des Pfle­ge­per­so­nal­man­gels aus­sieht, erklärt sich von selbst. Kein Wun­der also, dass Lei­tungs­po­si­tio­nen schwer nach­zu­be­set­zen sind.

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Arran­giert man sich damit, sei­ne fach­li­chen Kom­pe­ten­zen erwei­tert zu haben, im Berufs­all­tag aber im glei­chen Tätig­keits­be­reich zu arbei­ten, bleibt trotz­dem noch die feh­len­de oder lächer­lich gerin­ge Ver­gü­tung der erwor­be­nen Berufs­bil­dung. Im Lau­fe der Berufs­jah­re klet­tert man auto­ma­tisch von Stu­fe zu Stu­fe, aber nach 20 Jah­ren im Beruf und jeder Wei­ter­bil­dung ist bei knapp 4.000 Euro brut­to Schluss.

Das sind unat­trak­ti­ve Aus­sich­ten für über 40 Jah­re Berufs­le­ben mit unzäh­li­gen Weiterbildungsmöglichkeiten.

Herz­li­che Grü­ße
Ihre Julia­ne Ritter

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Über die Autorin

Unse­re Kolum­nis­tin arbei­tet als Pfle­ge­kraft in einem Kran­ken­haus in Müns­ter. Sie schreibt in die­ser Kolum­ne dar­über, war­um sie ihren Beruf liebt. Und dar­über, wo es hakt und was in der Pfle­ge bes­ser lau­fen müss­te – grund­sätz­lich und in Müns­ter. Julia­ne Rit­ter ist nicht ihr rich­ti­ger Name. Sie schreibt unter einem Pseud­onym, damit sie frei über Schwie­rig­kei­ten und Miss­stän­de erzäh­len kann.

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