Die Kolumne von Marion Lohoff-Börger | Kanal vs. Aasee

Porträt von Marion Lohoff-Börger
Mit Marion Lohoff-Börger

Guten Tag,

gehörst du zur „Liga Kanal“ oder bist du „Liga Aasee“? In Münster kannst du dich entscheiden, wenn es um den Freizeit-Jontev-am-Pani geht: Entweder du böscht an die Öle, also den Kanal, oder du böschst zur össeligsten Pfütze der Stadt, dem Aasee.

Ja, richtig gemuckert, das ist eine Kolumne auf Masematte, und wenn Sie etwas nicht verstehen, schauen Sie doch unten ins Glossar oder noch etwas weiter unten in die Übersetzung auf Hochdeutsch. Mein Tipp: Lesen Sie den Text laut, das erhöht den Genuss und das Verständnis enorm.

Die Öle ist für alle in Münster jovel. Deswegen ist da im Sommer, wenn der Lorenz knallert, hamel was ambach. Vor allem die jungen Seegers und Kalinen, denen dat in der Uni oder der Schule zu warm und stickig ist, peseln gerne mit der Leeze zur Öle, um ambach zu Plümpsen, eine jovle Lowine zu picheln oder was zu quarzen, was die Husche nicht zirochen sollte. Man kann da auch jovel tofte Bezinnums grillen und frengeln. Ja, an der Öle, da ist das Leben tofter als jovel. Und wenn dann die Pünten vorbeifahren und am Tuten sind, dann kommt das hamelste Kanalfeeling auf. Ihr muckert das tacko, oder? Ich bin Liga Kanal. Ömmes bekane.

Aber was nervt, sind seit Jahren die Baustellen. Da sind die Speismakeimer und Lapanenmalocher am Wullacken, weil die die Öle breiter machen wollen. Also die Kanalmalocher wollen das selbst nicht, das ist ja nur ihre Maloche, damit die was bewirchen und am Ende des Monats Lowi auf ihrem Konto hegen.

Große Wuddis auf den Strehlen

Nein, das ist die Wasser- und Schifffahrtsgesellschaft. Naja, die genaugenommen auch nicht, weil eigentlich will unser Staat, dass mehr Sachen mit größeren Pünten über den Dortmund-Ems-Kanal transportiert werden. Damit nicht so viele große Wuddis auf den Strehlen fahren und unsere Luft noch össeliger und unsere Sommer noch chammer makeimen. Das mit dem Klimawandel muss ich hier hier ömmes nicht nochmal verkasematuckeln, oder? Das haben wir ja alle inzwischen gemuckert. Aber habt ihr euch das schon mal verdollewiniert, wie lange das schon dauert? Der Ausbau des Kanals ist sooooo haaaaamel lahmsch, dass ich tofel und marole bin, bevor die das endlich fertig haben. Maschemimus maschemau.

Ach, aber, apropos Kanalmalocher, was ich euch unbedingt noch verkasematuckeln wollte, ist Folgendes: dass die holländischen Kanalmalocher damals die Masematte nach Münster gebracht hätten, ist ömmes ein hamel nerbelo Irrglaube. Der Kanal wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut, die Masematte war aber nachweislich schon 50 Jahre früher in Münster zu hören. Auch in Klein-Muffi, ömmes bekane, wo die holländischen Kanalmalocher ihre Beiskes hatten, wurde da schon Masematte rakawehlt. Beweis: Es finden sich auch in den Wörterbüchern zur Masematte keine niederländischen Begriffe.

Mit der Bezeichnung Klein-Muffi ist das ja auch – by the way – so eine hamle Sache. Weil den Dickbälgern und bürgerlichen Spießern von Münster dat Viertel nicht genehm war, nannten die das „Klein-Muffi“. Warum? Die hegten feine Zinken und schmusten, dass ziroche ambach schofel. Also das muffelte denen da zu hamel. So kamen die auf die schofle Idee, das Viertel „Klein-Muffi“ zu nennen. Die linksliberalen Germanistik- und Politikstudent:innen unter uns hätten dafür sofort ein Wort parat: „Fremdbezeichung“. Ergo: politisch unkorrekt! Das sahen auch die Bewohner von dem Viertel am Kanal zwischen Herz-Jesu-Kirche und Bennohaus (ohne studiert zu haben) genauso. Deswegen wählten sie ein besseres Wort für ihr Viertel: Mochum. Das kommt aus dem Jiddischen, bzw. aus dem Hebräischen und bedeutet „Stadt“ oder „Dorf“.

Kurante ticknoe Segelpünten

Für die gutbürgerlichen Dickbälger ist in Münster sowieso der Aasee passender. Meine Meinung. Ich schmus ja immer, dass das die össeligste Pfütze der Stadt ist, aber das findet meine liebe Freundin Annemarie nicht so jovel, weil sie (und hamel viele Seegers und Kalinen mit ihr) den Aasee ehrlich und wahrhaftig lieben.

Maschemau, ich gebe es zu: Was kann man da sonntags tofte drumherrum böschen und die kuranten ticknoen Segelpünten bekneistern. Aber da hört es auch sofort auf! An den Aaseekugeln joveln abends und an den Feiertagen die jungen Seegers und Kalinen: die grillen, hören hamel laute Mukke und hegen hamel Fez (und quarzen das, was die Husche nicht zirochen sollte). Das kneistert das spießige Bürgertum in Münster nun auch wieder nicht so gerne. Dafür gibt es in Münster doch die Öle. Modewehl. Und dann der ganz Müll am nächsten Morgen. Was bringen die Schallers den Koten eigentlich in der Schule bei? Naja, egal, ein anderes Thema.

Aber eins kann und sollte (!) man im Aasee nicht: Plümpsen. Im Aasee gehen die Fische mulo, weil die das ambach nicht aushalten können. Also das Pani das ist hamel schofel im Aasee. Wenn du das aus Versehen pichelst, dann können sie dich tacko in die Teewinde bringen oder sofort auf den Machullenkamp. Der Aasee ist leider eben doch nur eine schofle Pfütze (sorry, Annemarie, ich bin eben Liga Kanal). Fakt ist: Der Aasee ist die kuranteste, aber össeligste Pfütze von Münster. Sieht kurant aus, ist aber schofel.-

Maschemau, wenn ich mir das so verdollewinieren tue, dann ist das in Münster ömmes öfters mal so. Also, was ich euch heute schmusen will: Immer hamel mucker bleiben in Münster, denn nichts ist ömmes so kurant, wie man es kneistern tut.

Herzliche Grüße
Ihre Marion Lohoff-Börger

PS

Kleine Wortkunde: Es gibt zwei Wörter in der Masematte, die das Erstaunen oder ausdrücken. Einmal maschemau und einmal modewehl. Maschemau kommt etymologisch aus dem Jiddischen und bedeutet „Fluch“ oder „Erstaunen“. Modewehl kommt aus dem Romanes oder Romani und ist auch ein Ausruf des Erstauens. In diesem Fall ist die etymologische Bedeutung aber: „mein Gott“, mo dewel. Hier sieht man wieder schön, dass die Masematte verschiedene Spendersprachen hat. Deswegen gibt es für ein Ding oft zwei Wörter, obwohl der Wortschatz mit 600 Wörtern eher klein ist.

Glossar: Freizeit-Jontev-am-Pani: Freizeitspaß am Wasser / böschen: gehen / Öle: Kanal / össelig: schmutzig / muckern: merken, aufmerksam sein / jovel: gut, schön / Lorenz: Sonne / hamel was ambach: schwer was los / Seegers: Männer / Kalinen: Frauen / peseln: fahren / Leeze: Fahrrad / ambach: dort, da / Plümpsen: schwimmen, baden / Lowine: Bier / picheln: trinken / quarzen: rauchen / Husche: Polizei / zirochen: riechen / tofte: gut, schön / Bezinnum: Wurst / frengeln: essen / Pünte: Boot / hamel: sehr, viel / tacko: schnell / ömmes bekane: klarer Fall / speismakeimer: Maurer / Lapanenmalocher: Bauarbeiter (Tiefbau) / wullacken: schwer arbeiten / Kanalmalocher: Kanalarbeiter / Maloche: Arbeit / bewirchen: verdienen / Lowi: Geld / hegen: haben / Wuddi: Wagen, Auto / Strehle: Straße / chammer: wärmer, heißer / makeimen: machen / ömmes: wirklich / verkasematuckeln: erklären / gemuckert: gelernt / verdollewinieren: nachdenken / lahmsch: langsam / tofel: alt / marole: müde / mascheminus maschemau: ach je, oh ja, oh nein / nerbelo: verrückt / Beiskes: Häuschen / rakawehlen: erzählen, sagen, sprechen / Klein-Muffi: Viertel an der Wolbecker-Straße, zwischen Herz-Jesu-Kirche und Kanal / Dickbälger: Reiche / Zinken: Nasen / schmusen: sagen / schofel: übel, schlecht / muffeln: stinken / Mochum: Stadt, Dorf / maschemau: ach ja, oh je … / kurant: hübsch / tickno: klein / kneistern: sehen / joveln: feiern / Fez: Spaß / modelwehl: ach ja, oh nein, oh je … / Schaller: Lehrer / Koten: Kind / mulo: tot / tacko: schnell / Teewinde: Krankenhaus / Machullenkamp: Friedhof / mucker: aufmerksam


Guten Tag,

gehörst du zur „Liga Kanal“ oder bist du „Liga Aasee“? In Münster kannst du dich entscheiden, wenn es um den Freizeitspaß am Wasser geht: Entweder du gehst an den Kanal oder zum schmutzigsten Teich der Stadt, dem Aasee.

Der Kanal ist für alle in Münster schön. Deswegen ist im Sommer, wenn die Sonne scheint, viel los. Vor allem die jungen Männer und Frauen, denen es in der Universität oder der Schule zu warm und zu stickig ist, fahren gerne mit dem Fahrrad zum Kanal, um dort zu schwimmen, ein kühles Bier zu trinken oder etwas zu rauchen, was die Polizei nicht riechen sollte. Man kann dort auch gut Würstchen grillen und essen. Ja, am Kanal ist das Leben besser als schön. Und wenn die Boote vorbeifahren und hupen, dann kommt das tollste Kanalfeeling auf. Ihr versteht das sofort, oder? Ich bin Liga Kanal. Klarer Fall.

Aber was nervt, sind seit Jahren die Baustellen. Da sind die Maurer und Tiefbauarbeiter am Schuften, weil sie den Kanal breiter machen wollen. Also die Kanalarbeiter wollen das selbst nicht, das ist ja nur ihre Arbeit, damit sie etwas verdienen und am Ende des Monats Geld auf ihrem Konto haben.

Große Veranstaltungen auf den Straßen

Nein, das ist die Wasser- und Schifffahrtsgesellschaft. Naja, die genaugenommen auch nicht, weil eigentlich will unser Staat, dass mehr Sachen mit größeren Booten über den Dortmund-Ems-Kanal transportiert werden. Damit nicht so viele große Autos auf den Straßen fahren und unsere Luft noch schmutziger und unsere Sommer noch heißer machen. Das mit dem Klimawandel muss ich hier hier wirklich nicht noch mal erklären, oder? Das haben wir ja alle inzwischen gelernt. Aber habt ihr euch das schon mal überlegt, wie lange das schon dauert? Der Ausbau des Kanals ist sooooo sehr langsam, dass ich alt und müde bin, bevor die das endlich fertig haben. Ach je, oh ja, oh nein.

Ach, aber, apropos Kanalarbeiter, was ich euch unbedingt noch erklären wollte, ist Folgendes: Dass die holländischen Kanalarbeiter damals die Masematte nach Münster gebracht hätten, ist wirklich ein sehr verrückter Irrglaube. Der Kanal wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut, die Masematte war aber nachweislich schon 50 Jahre früher in Münster zu hören. Auch in Klein-Muffi, klarer Fall, wo die holländischen Kanalarbeiter ihre Häuschen hatten, wurde da schon Masematte gesprochen. Beweis: Es finden sich auch in den Wörterbüchern zur Masematte keine niederländischen Begriffe.

Mit der Bezeichnung Klein-Muffi ist das übrigens auch so eine Sache. Weil das Viertel den reichen und bürgerlichen Spießern von Münster nicht genehm war, nannten sie es „Klein-Muffi“. Warum? Sie hatten empfindliche Nasen und meinten, dass es dort unangenehm riecht. Deshalb kamen sie auf die schlechte Idee, das Viertel „Klein-Muffi“ zu nennen.

Die linksliberalen Germanistik- und Politikstudent:innen unter uns hätten dafür sofort ein Wort parat: „Fremdbezeichnung“. Ergo: politisch unkorrekt! Das sahen auch die Bewohner des Viertels am Kanal zwischen Herz-Jesu-Kirche und Bennohaus (ohne studiert zu haben) genauso. Deswegen wählten sie ein besseres Wort für ihr Viertel: Mochum. Das kommt aus dem Jiddischen, bzw. aus dem Hebräischen und bedeutet „Stadt“ oder „Dorf“.

Hübsche kleine Segelboote

Für die gutbürgerlichen Menschen ist in Münster sowieso der Aasee passender. Meiner Meinung nach sage ich immer, dass dies der schmutzigste Tümpel der Stadt ist, aber das findet meine liebe Freundin Annemarie nicht so gut, weil sie (und viele Männer und Frauen mit ihr) den Aasee ehrlich und aufrichtig lieben.

Zugegeben, was kann man dort sonntags schön spazieren gehen und die hübschen kleinen Segelboote beobachten. Aber dann hört es auch sofort auf. An den Aaseekugeln feiern abends und an Feiertagen die jungen Männer und Frauen: Sie grillen, hören sehr laute Musik und haben viel Spaß (und rauchen das, was die Polizei nicht riechen sollte). Das mögen die spießigen Bürger in Münster nun auch wieder nicht so gerne. Dafür gibt es in Münster doch den Kanal. Na ja, und dann der ganze Müll am nächsten Morgen. Was bringen die Lehrer den Kindern eigentlich in der Schule bei? Naja, egal, ein anderes Thema.

Aber eines kann und sollte (!) man im Aasee nicht: Schwimmen. Im Aasee sterben die Fische, weil sie das dort nicht aushalten können. Das Wasser ist nämlich sehr schlecht im Aasee. Wenn du das aus Versehen trinkst, dann können sie dich schnell ins Krankenhaus bringen oder sofort auf den Friedhof. Der Aasee ist leider eben doch nur ein schlechter Tümpel (Entschuldigung, Annemarie, ich bin eben für den Kanal). Fakt ist: Der Aasee ist der hübscheste, aber schmutzigste Tümpel von Münster. Sieht hübsch aus, ist aber schlecht.

Wenn ich darüber nachdenke, dann ist das in Münster oft so. Also, was ich euch heute sagen will: Immer sehr aufmerksam bleiben in Münster, denn nichts ist wirklich so hübsch, wie man es sieht.

Herzliche Grüße

Ihre Marion Lohoff-Börger

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Porträt von Marion Lohoff-Börger

Marion Lohoff-Börger

… ist die Frau mit der Masematte und den alten Schreibmaschinen. Auf letzteren schreibt sie Gedichte und verkauft diese in ihrem Atelier an der Wolbecker Straße 105 als Postkarten. Die Masematte möchte die freie Autorin in Münster zu einem lebendigen Sprachdenkmal machen und versucht, dieses mit Kursen, Vorträgen, Lesungen, Büchern und Artikeln für Zeitungen und Onlinemagazine umzusetzen. 2021 stellte sie beim Land Nordrhein-Westfalen den Antrag „Masematte als Immaterielles Kulturerbe“, der abgelehnt wurde mit dem Hinweis, die Stadtgesellschaft Münster müsse sich noch mehr für dieses Kulturgut engagieren.

Die Kolumne

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