Die Kolumne von Ruprecht Polenz | Der FMO und der Kirchturm


Münster, 14. Februar 2021
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.
Als Kirchturmpolitik bezeichnet man in der Politikwissenschaft politische Entscheidungen, die engstirnig ausschließlich die Interessen der eigenen Kommune im Blick haben, „ohne die Umstände von Nachbargemeinden in Entscheidungen einzubeziehen“.
Legt man diese Definition zu Grunde, dann hat die neue Rathauskoalition aus GAL/Grünen, SPD und Volt gleich bei ihrem Start ein Beispiel für Kirchturmpolitik abgeliefert. Per Zeitung hat sie der Stadt Osnabrück, der Stadt Greven, den Landkreisen Steinfurt, Warendorf, Coesfeld, Borken, Grafschaft Bentheim, Emsland und Osnabrück sowie den anderen Mitgesellschaftern des Flughafens Münster/Osnabrück (FMO) mitgeteilt, dass Münster aus der gemeinsamen Trägerschaft des Flughafens aussteigen wird.
„Einstieg in den Ausstieg“ war der Artikel in den Westfälischen Nachrichten überschrieben, der den Kommunalpolitiker:innen in der Region am Donnerstag zum Frühstück serviert wurde. Dabei sollte es in der Sitzung des Hauptausschusses am Mittwochabend nur um die Fortzahlung der Coronahilfen für den Flughafen bis 2022 gehen. Eine Grundsatzdebatte über dessen Zukunft stand nicht auf der Tagesordnung.
Per Tischvorlage beantragten GAL/Grüne, SPD und Volt trotzdem, dass die Stadt Münster ab 2024 keine Zuschüsse für den Flughafen mehr zahlen dürfe. Außerdem soll ein Gutachten prüfen, ob das Flughafengelände künftig auch ohne Flughafen auskommen könne. Den Antrag setzten sie nach heftiger Diskussion mit ihrer knappen Mehrheit durch. Da Münster mit 35 Prozent der größte Anteilseigner des Flughafens ist, bedeutet die Umsetzung des Beschlusses spätestens 2024 das Aus für den FMO.
Koalition stößt Partner vor den Kopf
So kann man mit kommunalen Nachbarn nicht umgehen, mit denen man gemeinsam in den letzten Jahrzehnten über 100 Millionen Euro in den Flughafen investiert hat. Nicht nur wegen des Corona-bedingten Rückgangs des Flugverkehrs macht man sich auch bei den anderen Anteilseignern Gedanken darüber, wie es mit dem Flughafen weitergehen soll. Die klimaschädlichen Auswirkungen des Flugverkehrs werden auch in Osnabrück und Warendorf diskutiert.
Der innerdeutsche Flugverkehr macht 0,31 Prozent an den deutschen CO2-Emmissionen aus. Als Antwort hat der FMO als bisher einziger deutscher Flughafen das Ziel formuliert, bis 2030 klimaneutral zu werden.
Statt die eigenen Ideen im Aufsichtsrat des FMO zur Diskussion zu stellen, haben GAL/Grüne, SPD und Volt die Partner der Stadt Münster kräftig vor den Kopf gestoßen. Natürlich muss über die Zukunft des FMO diskutiert werden. Aber doch bitte gemeinsam mit allen, die diese Infrastruktureinrichtung geschaffen haben und bisher davon profitieren.
„Die regionale Wirtschaft misst dem Flughafen Münster-Osnabrück (FMO) eine hohe Bedeutung zu. Dieses insbesondere mit Blick auf eine unmittelbare Anbindung an verschiedene nationale wie internationale Ziele für den Geschäftsverkehr, auch in Zeiten fortschreitender Digitalisierung der Arbeitswelt.“
Das haben nicht die Industrie- und Handelskammern Nord-Westfalen und Osnabrück gesagt. Das steht so wörtlich im Koalitionsvertrag von GAL/Grüne, SPD und Volt. Im Spannungsfeld zwischen den Interessen der Wirtschaft und dem Klimaschutz „muss die Stadt Münster als größte Anteilseignerin des FMO im Schulterschluss mit den weiteren Gesellschaftern ein Zukunftskonzept entwickeln, das zum einen die Bedeutung des Flughafens für die lokale Wirtschaft, zum anderen die klimapolitischen Herausforderungen berücksichtigt“, heißt es im Koalitionsvertrag weiter.
Dieser Vorsatz war in der Sitzung des Hauptausschusses völlig vergessen. Von den Interessen der Wirtschaft war keine Rede mehr. Die neue Koalition wollte schnell ein Zeichen für ihre Anhänger:innen setzen und den anderen zeigen, wo es jetzt langgehen soll.
Wer so Politik betreibt, hat nicht verstanden, wie sehr Münster auf ein gutes Verhältnis zu den Städten und Gemeinden im Münsterland angewiesen ist. Das gilt vor allem, wenn man Münsters Verkehrsprobleme lösen will. Die 100.000 Berufspendler:innen, die täglich zu ihren Arbeitsplätzen in Münster fahren, kommen hauptsächlich aus dem Münsterland. Die meisten der 40.000 Münsteraner:innen, die außerhalb arbeiten, fahren täglich ins Münsterland.
Ohne Abstimmung wird es nicht klappen
Es ist ein richtiges Ziel, den öffentlichen Personennahverkehr so leistungsfähig machen zu wollen, dass möglichst viele dieser Pendler:innen ihr Auto in der Garage lassen, weil sie gut mit Bus und Bahn zur Arbeit kommen können.
Deshalb verfolgt die Stadt seit längerem gemeinsam mit den Münsterlandkreisen das Projekt einer Münsterland-S-Bahn. Die Koalition möchte es beschleunigen. Aber ohne eine enge und vertrauensvolle Abstimmung mit den Kommunalpolitiker:innen der Region wird das nicht klappen.
Über leistungsfähigere Busverbindungen – und wer sie bezahlt – muss im Verkehrsverbund Münsterland gesprochen und entschieden werden. Dabei sind die Interessen durchaus auch unterschiedlich. Es ist vor allem die Stadt Münster, die unter den vielen Autos leidet. Es sind vor allem die Städte und Gemeinden im Münsterland, von denen erwartet wird, dass sie in Mitfahrer-Parkplätze, Busse und S-Bahn investieren. Da empfiehlt es sich für Kommunalpolitiker:innen aus Münster, die Kolleg:innen in Coesfeld, Warendorf oder Steinfurt nicht vor den Kopf zu stoßen.
Nachsatz: Auch ein anderer Vorsatz aus dem Koalitionsvertrag wurde gleich in der ersten Sitzung über den Haufen geworfen:
„Unser Anspruch ist es, im Umgang mit allen Fraktionen und politischen Gruppen des Rates, der Verwaltung sowie gemeinsam mit den Münsteraner:innen offen, transparent und fair politisch zu agieren. Wir sind überzeugt, dass wir unsere Ziele gemeinsam umsetzen können und laden alle demokratischen Fraktionen und Gruppen des Rates ein, daran mitzuarbeiten.“
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche und geräumte Geh- und Radwege.
Bleiben Sie gesund.
Ihr
Ruprecht Polenz
Über den Autor
Viele Jahre lang war Ruprecht Polenz Mitglied des Rats der Stadt Münster, zuletzt als CDU-Fraktionsvorsitzender. Im Jahr 1994 ging er als Bundestagsabgeordneter nach Berlin. Er war unter anderem CDU-Generalsekretär, zwischen 2005 und 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Von 2000 bis 2016 war Ruprecht Polenz Mitglied des ZDF-Fernsehrats, ab 2002 hatte er den Vorsitz. Der gebürtige Bautzener lebt seit seinem Jura-Studium in Münster. 2020 erhielt Polenz die Auszeichnung „Goldener Blogger“.
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