Ruprecht Polenz‘ Kolumne | Die RUMS-Perspektive

Müns­ter, 19. Juli 2020

Guten Tag,

als ich 1975 in den Rat der Stadt Müns­ter gewählt wur­de, ord­ne­te ich mei­ne Ver­hält­nis­se: Wir hei­ra­te­ten, ich mel­de­te unse­ren Hund zur Steu­er an und ich wur­de Dop­pel­le­ser. So hie­ßen die Men­schen, die bei­de Müns­te­ra­ner Tages­zei­tun­gen abon­niert hatten.

Ich bestell­te also zu mei­nem bestehen­den Abon­ne­ment der West­fä­li­schen Nach­rich­ten auch ein Abo der Müns­ter­schen Zei­tung. Schließ­lich woll­te ich mög­lichst gut infor­miert sein für die kom­mu­nal­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen, an denen ich jetzt mit­wir­ken durfte.

Müns­ter war pres­se­mä­ßig lan­ge Zeit so gut ver­sorgt wie kaum eine ande­re Stadt die­ser Grö­ßen­ord­nung in Deutsch­land. Zwar hat­te das gro­ße Redak­ti­ons­ster­ben in den 70ern noch nicht rich­tig ange­fan­gen. Aber in den meis­ten Städ­ten gab es nur eine Zei­tung, und die Lokal­tei­le waren eher knapp gehalten.

In Müns­ter hat­ten die Lokal­tei­le von WN und MZ jeweils einen Umfang zwi­schen acht und zwölf Sei­ten. Es gab sogar Stadt­teil-Aus­ga­ben. Dazu kamen alter­na­ti­ve Zei­tungs­pro­jek­te wie „Knip­per­dol­ling“ oder das Stadt­blatt, die sich auch immer wie­der kom­mu­na­len The­men widmeten.

Es fehlt ein umfassendes Bild

Unter­schied­li­che Kom­men­ta­re, unter­schied­li­che Arti­kel, unter­schied­li­che Schwer­punk­te in MZ und WN boten unter­schied­li­che Per­spek­ti­ven auf das Stadt­ge­sche­hen. Wer bei­de Zei­tun­gen las, konn­te sich ein umfas­sen­des Urteil bil­den. Das ist heu­te anders. Die Müns­ter­sche Zei­tung gibt es zwar noch, aber sie ist nicht mehr selbst­stän­dig. Es steht im Gro­ßen und Gan­zen das­sel­be drin wie in der WN. Es lohnt sich nicht mehr, Dop­pel­le­ser zu sein.

Ich schät­ze die West­fä­li­schen Nach­rich­ten und lese sie gern. Seit ein paar Jah­ren auf mei­nem iPad, damit ich auch auf Rei­sen beim Früh­stück nicht auf mei­ne Lokal­zei­tung ver­zich­ten muss.

Seit kur­zem hat das E-Paper der WN ein neu­es Out­fit bekom­men, das ich sehr gelun­gen fin­de. Man hat zur Ori­en­tie­rung wie bis­her die ein­zel­nen Zei­tungs­sei­ten vor Augen, wie man sie auch von der gedruck­ten Aus­ga­be her kennt. Ich lese meh­re­re Zei­tun­gen digi­tal. Mit dem neu­en Out­fit braucht die WN hier kei­nen Ver­gleich zu scheuen.

Aber die Sicht­wei­se der WN auf das Stadt­ge­sche­hen ist eben nur eine der mög­li­chen, auch wenn die Redakteur:innen unter­schied­li­che Posi­tio­nen ver­tre­ten. Des­halb war ich sofort inter­es­siert, als ich von RUMS hör­te und der Absicht, Online-Lokal­jour­na­lis­mus für Müns­ter zu machen.

Ich fin­de es span­nend, ein Medi­en­pro­dukt von vorn­her­ein von den Mög­lich­kei­ten des Inter­nets her zu den­ken und zu ent­wi­ckeln. Das ist etwas ande­res als die Ver­su­che tra­di­tio­nel­ler Zei­tun­gen, ihre Leser:innen auch über das Inter­net zu errei­chen. Denn ihr Pro­dukt Zei­tung bleibt dabei weit­ge­hend unverändert.

RUMS bringt eine eigene Perspektive

Des­halb habe ich gern zuge­sagt, als ich Anfang Febru­ar von Chris­ti­an Hum­borg gefragt wur­de, ob ich bereit sei, RUMS mit regel­mä­ßi­gen Kolum­nen zu unter­stüt­zen. Das Kon­zept von RUMS, an dem stän­dig wei­ter­ge­ar­bei­tet wird, hat Ralf Heimann vor Kur­zem erläutert.

RUMS will eige­ne Per­spek­ti­ven in die lokal­po­li­ti­sche Bericht­erstat­tung ein­brin­gen, The­men fin­den, die bis­her nicht auf der Tages­ord­nung ste­hen, obwohl sie für die Stadt wich­tig sind. Anre­gun­gen und Kri­tik von den Leser:innen auf­grei­fen und die Ver­ant­wort­li­chen damit kon­fron­tie­ren. Ent­schei­dungs­pro­zes­se kri­tisch beglei­ten und dadurch trans­pa­rent machen. Poli­tik erklä­ren und ihr gleich­zei­tig auf die Fin­ger sehen.

Dabei beleuch­tet WN das Stadt­ge­sche­hen mit fest­ste­hen­den Schein­wer­fern. Aber es gibt man­ches, was die­se Schein­wer­fer nicht erfas­sen, und inter­es­san­te Ecken, die sich mit einem mobi­len Schein­wer­fer bes­ser aus­leuch­ten las­sen. So möch­te RUMS vorgehen. 

Guter Lokal­jour­na­lis­mus trägt zu einem städ­ti­schen Wir-Gefühl bei. Weil wir etwas über das Gesche­hen in der Stadt erfah­ren, in der wir leben, kön­nen wir Ein­fluss neh­men und uns enga­gie­ren, gehö­ren wir dazu. Eine akti­ve Bürger:innengesellschaft ist ohne Lokal­jour­na­lis­mus nicht denkbar.

Was unmit­tel­bar um uns her­um vor­geht, bleibt wich­tig für uns, auch wenn Ent­schei­dun­gen in Düs­sel­dorf, Ber­lin oder Brüs­sel unser Leben eben­falls beein­flus­sen. Von welt­wei­ten Ent­wick­lun­gen ganz zu schwei­gen, wie wir jetzt in der Coro­na­kri­se erle­ben. Guter Lokal­jour­na­lis­mus zeigt, wie sich welt­wei­te Ent­wick­lun­gen auf das Leben in unse­rer Stadt aus­wir­ken, wel­che Spiel­räu­me wir in Müns­ter haben, damit umzu­ge­hen und wie wir sie – Stich­wort Kli­ma­wan­del – selbst mit beein­flus­sen können.

Ein Konzept, eine Vision, kluge Autor:innen

„RUMS hat alles, was ein Lokal­jour­na­lis­mus-Pro­jekt aus­macht – jetzt braucht es Geld“, hat der Jour­na­list und Dozent Simon Hurtz vom „Social Media Watch­blog“ vor kur­zem geschrie­ben. Eigent­lich gehö­re er nicht zur Ziel­grup­pe von RUMS, weil er noch nie in Müns­ter gewe­sen sei und Müns­ter bis­her nur mit Fahr­rad­dieb­stäh­len ver­bin­de. „War­um soll­te ich mich für ‚neu­en Jour­na­lis­mus für Müns­ter‘ inter­es­sie­ren?“ fragt er und nennt als wich­tigs­ten Grund:

„Weil ich RUMS für das viel­leicht span­nends­te und ambi­tio­nier­tes­te Lokal­jour­na­lis­mus-Pro­jekt hal­te, das es der­zeit in Deutsch­land gibt (…) RUMS hat alles, was ein ambi­tio­nier­tes Lokal­jour­na­lis­mus-Pro­jekt braucht: ein Kon­zept, eine Visi­on und klu­ge Autor:innen. Nur eines fehlt: ein Geschäftsmodell.“

So der Social Media Watch­blog, der seit über acht Jah­ren wöchent­lich erscheint und es sich zur Auf­ga­be gemacht hat, die wich­tigs­ten News und Debat­ten rund um Social Media auf­zu­grei­fen und ver­ständ­lich zu erklä­ren. Die nord­rhein-west­fä­li­sche CDU/FDP-Lan­des­re­gie­rung hat 2019 einen Gesetz­ent­wurf für gemein­nüt­zi­gen Jour­na­lis­mus in den Bun­des­rat eingebracht.

Bei­trä­ge und Spen­den für sol­che Pro­jek­te könn­ten dann steu­er­lich gel­tend gemacht wer­den. Aber es ist nicht abseh­bar, ob der Antrag über­haupt von ande­ren Län­dern auf­ge­grif­fen und unter­stützt wird. Des­halb haben die Grü­nen jetzt auch eine Initia­ti­ve ergriffen.

Bis die­se Bemü­hun­gen Erfolg haben, kann RUMS nicht war­ten. Eine pro­fes­sio­nell arbei­ten­de Redak­ti­on kos­tet Geld. Inzwi­schen arbei­ten sie­ben Frau­en und acht Män­ner dar­an, RUMS wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Ab Sep­tem­ber wird RUMS Geld kos­ten. Tra­gen Sie sich in unse­re Lis­te ein. Dann infor­mie­ren wir Sie rechtzeitig. 


Ich hof­fe, Sie sind dabei, und wün­sche Ihnen eine gute Woche.

Ihr
Ruprecht Polenz


Über RUMS

Wir schrei­ben dar­über, was sich in der Stadt ver­än­dert, wo es hakt und wie es bes­ser wer­den kann. Über Zusam­men­hän­ge und Hin­ter­grün­de. In Poli­tik, Wirt­schaft, Kul­tur und Öko­lo­gie. Wie wir zusam­men­le­ben und mit­ein­an­der umge­hen wol­len. Wir recher­chie­ren, argu­men­tie­ren und ord­nen ein. Wir schät­zen Respekt und Fair­ness. RUMS ist unab­hän­gig. Und es ist wer­be­frei. Daher wird RUMS ab Sep­tem­ber Geld kosten.

  • Der Preis für das Stan­dard-Abon­ne­ment ist 7,99 Euro. 
  • Student:innen und Empfänger:innen von Arbeits­lo­sen­geld II zah­len 3,99 Euro.
  • Falls Sie RUMS so sehr schät­zen, dass Sie das Pro­jekt noch etwas mehr unter­stüt­zen möch­ten, gibt es für 39,99 Euro im Monat ein För­der­abo.

Über Ruprecht Polenz

Vie­le Jah­re lang war Ruprecht Polenz Mit­glied des Rats der Stadt Müns­ter, zuletzt als CDU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der. Im Jahr 1994 ging er als Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter nach Ber­lin. Er war unter ande­rem CDU-Gene­ral­se­kre­tär, zwi­schen 2005 und 2013 Vor­sit­zen­der des Aus­wär­ti­gen Aus­schus­ses des Bun­des­tags. Der gebür­ti­ge Bautz­e­ner lebt seit sei­nem Jura-Stu­di­um in Müns­ter. 2020 erhielt der 73-Jäh­ri­ge die Aus­zeich­nung „Gol­de­ner Blogger“.