Nach der Wahl und vor der Wahl | Ausblick | Rathaus-Reportage

Müns­ter, 14. Sep­tem­ber 2020 

Guten Tag,

kaum ist die Wahl vor­bei, befin­den wir uns schon wie­der mit­ten im Wahl­kampf zur nächs­ten. Denn noch wis­sen wir nicht, wer der nächs­te Ober­bür­ger­meis­ter von Müns­ter wird. 

Als ges­tern um 22.09 Uhr der letz­te Stimm­be­zirk aus­ge­zählt war, stand nur fest: Kei­ner der neun ange­tre­te­nen Kan­di­da­ten konn­te mehr als die Hälf­te aller Stim­men auf sich ver­ei­nen. Mit 68.817 von ins­ge­samt 154.463 gül­ti­gen Stim­men kam der amtie­ren­de Ober­bür­ger­meis­ter Mar­kus Lewe auf 44,6 Pro­zent, Peter Todes­ki­no von den Grü­nen erreich­te mit 43.978 Stim­men 28,5 Pro­zent. Das heißt: Die­se bei­den Kan­di­da­ten gehen am 27. Sep­tem­ber in die Stich­wahl. SPD-Kan­di­dat Micha­el Jung lan­de­te weit abge­schla­gen mit gut 16 Pro­zent auf Posi­ti­on drei. Er und sei­ne Par­tei (die bei der Rats­wahl 17,6 Pro­zent der Stim­men bekam) sind die Ver­lie­rer die­ser Wahl. Die CDU kam auf 32,7 Pro­zent, die Grü­nen auf 30,25 Prozent. 

Noch am Wahl­abend brach­ten sich die bei­den Spit­zen­kan­di­da­ten auf der bis dahin recht zähen Wahl­ver­an­stal­tung im Rat­haus in Posi­ti­on. Todes­ki­no gab sich selbst­be­wusst und kämp­fe­risch, stell­te sich sehr schnell und offen­siv den Fra­gen der Pres­se und zeig­te sich immer wie­der lachend im Fest­saal des Rat­hau­ses. Lewe ließ sich sehr lan­ge nicht bli­cken und gab erst spät die ers­ten Inter­views. Er blieb bei sei­ner auch schon im Wahl­kampf ein­ge­nom­me­nen Posi­tio­nie­rung, aus­glei­chend und prag­ma­tisch zu sein. Todes­ki­no presch­te vor und kri­ti­sier­te die vor weni­gen Tagen ange­kün­dig­te Lewe-Rei­se. „Wenn man nächs­te Woche mit dem Bun­des­prä­si­den­ten nach Ita­li­en fah­ren will, dann ist das für mich pflicht­ver­lo­ren.“ Lewe wie­der­hol­te indes immer wie­der den Satz: „Von neun Kan­di­da­ten sind sie­ben weg.“ 

So viel Vielfalt war noch nie

Damit hat Lewe natür­lich recht, und auch der Abstand von 16 Pro­zent­punk­ten auf sei­nen Mit­be­wer­ber ist ein gutes Ergeb­nis. Aber es ist schlech­ter als vor sechs Jah­ren, als Lewe nicht in die Stich­wahl muss­te, son­dern direkt zum Ober­bür­ger­meis­ter gewählt wurde. 

Um es mit den Wor­ten einer Müns­te­ra­ne­rin zu sagen, die die Wahl­ver­an­stal­tung als Gast besuch­te: „Die Schwar­zen müs­sen jetzt strampeln.“ 

Inter­es­sant könn­te dabei auch die neue Beset­zung des Rates wer­den. Drei neue Par­tei­en sind dabei: VOLT, Die PARTEI und MBI. So viel Par­tei­en­viel­falt gab es noch nie. Ins­ge­samt ver­tei­len sich die Sit­ze nun so auf die zehn Par­tei­en: CDU 22, Grü­ne 20, SPD 12, FDP 3, Die Lin­ke 3, Volt 1, Die PARTEI 1, ÖDP 1, MBI 1, AfD 1. 

Alle Ergeb­nis­se fin­den Sie übri­gens auf die­ser städ­ti­schen Sei­te. Dazu noch ein Hin­weis: Für alle dort auf­ge­lis­te­ten Ergeb­nis­se gilt: Es han­delt sich immer um das vor­läu­fi­ge End­ergeb­nis. Das end­gül­ti­ge amt­li­che End­ergeb­nis stellt der Wahl­aus­schuss in öffent­li­cher Sit­zung fest, und zwar am 15. Sep­tem­ber für die Ober­bür­ger­meis­ter-Wahl, am 17. Sep­tem­ber für die Kom­mu­nal­wahl, die Wahl der Bezirks­ver­tre­tun­gen und für den Inte­gra­ti­ons­rat. Sit­zungs­be­ginn ist in bei­den Fäl­len um 16 Uhr. 

Für die neu­en Rats­her­ren und –frau­en geht es jetzt also dar­an, Bünd­nis­se für die neue Legis­la­tur zu schlie­ßen – und es muss noch immer der Ober­bür­ger­meis­ter gewählt wer­den. Wie wer­den sich die Par­tei­en posi­tio­nie­ren? Wer­den sie sich für Lewe oder Todes­ki­no aussprechen? 

Wie wird am 27. gewählt?

Es sind natür­lich die Bürger:innen, die am Ende ent­schei­den. Genau­er: in 13 Tagen. Im städ­ti­schen Wahl­amt haben die Vor­be­rei­tun­gen für die­se Stich­wahl bereits begon­nen. Und falls Sie sich jetzt fra­gen, wie das geht, hier die wich­tigs­ten Antworten: 

  • Alle Bürger:innen, die am 13. Sep­tem­ber bei der Kom­mu­nal­wahl wahl­be­rech­tigt waren, sind auch zur Stich­wahl zugelassen. 
  • Die alten Wahl­be­nach­rich­ti­gun­gen sind wei­ter­hin gültig. 
  • Wer sei­ne Benach­rich­ti­gung nicht mehr zur Hand hat, darf trotz­dem abstim­men. Die Vor­la­ge des Per­so­nal­aus­wei­ses reicht. 
  • Geöff­net sind die Wahl­lo­ka­le am 27. Sep­tem­ber von 8 bis 18 Uhr. Zur Stimm­ab­ga­be geht es in zwei Wochen in das glei­che Wahl­lo­kal wie am Sonntag. 
  • Wer vor­sorg­lich für die Stich­wahl bereits die Brief­wahl­un­ter­la­gen bean­tragt hat, bekommt sie unauf­ge­for­dert zuge­sandt. Ab Don­ners­tag, 17. Sep­tem­ber, gibt die Stadt die Brief­wahl­un­ter­la­gen in die Post. 
  • Wahl­be­rech­tig­te, die erst­mals von der Brief­wahl Gebrauch machen möch­ten, haben zwei Optio­nen: Sie kön­nen die Unter­la­gen ent­we­der per­sön­lich in den bei­den Haupt­wahl­bü­ros im Stadt­haus 1, Kle­mens­stra­ße, oder in der VHS im Aegi­di­i­markt, ab Frei­tag, 18. Sep­tem­ber, bean­tra­gen (Öff­nungs­zei­ten: mon­tags bis frei­tags 8 bis 18 Uhr, am Sams­tag, 19. Sep­tem­ber, 8 bis 16 Uhr) oder den Wahl­schein ab Mitt­woch, 16. Sep­tem­ber, online hier anfordern. 

So viele Parteien, so viele Möglichkeiten

Doch zurück zum aktu­el­len Ergeb­nis und den mög­li­chen Fol­gen, die die Stimm­ver­tei­lung auf die künf­ti­ge Arbeit der Abge­ord­ne­ten haben wird. Im Rat gibt es 66 Sit­ze, eine wei­te­re Stim­me hat der Ober­bür­ger­meis­ter. Für eine Rats­mehr­heit ohne Ober­bür­ger­meis­ter braucht es also 34 Stim­men – 22 davon kann die CDU bei­steu­ern. Theo­re­tisch könn­te sie zusam­men mit der SPD (12 Sit­ze), eine Mehr­heit stel­len, mit den Grü­nen (20 Sit­ze) sowie­so. Klingt kom­for­ta­bel, aber – man muss es so deut­lich sagen – damit hat die CDU ihr Wahl­ziel klar verfehlt. 

40 Pro­zent und mehr, das war die voll­mun­di­ge Ankün­di­gung des CDU-Kreis­vor­sit­zen­den Hen­drik Grau in den WN, es soll­te kei­ne Rats­mehr­heit ohne die CDU mög­lich sein. Und nun gibt es gleich meh­re­re mög­li­che und denk­ba­re Kon­stel­la­tio­nen, die ohne die CDU auskommen. 

SPD (12 Sit­ze) und Grü­ne (20 Sit­ze) kom­men zusam­men zwar nur auf 32 Sit­ze. Doch die zwei zur Mehr­heit feh­len­den Stim­men könn­ten jeweils die Lin­ke (3 Sit­ze), die FDP (3 Sit­ze) oder VOLT (2 Sit­ze) bei­steu­ern. Und dann sind da noch die Par­tei­en, die im Rat jeweils eine Sitz haben: Die PARTEI, ÖDP und MBI (und ja, auch die AfD hat einen Sitz, aber sie wird für die Mehr­heits­bil­dung kei­ne Rol­le spielen). 

Damit ist auch klar: Mit Blick auf die Stich­wahl wird es in den nächs­ten Tagen vor allem auf den Wahl­ver­lie­rer SPD ankom­men. Ober­bür­ger­meis­ter­kan­di­dat Micha­el Jung sprach zwar von einer „Ent­täu­schung“ auf gan­zer Linie. Und doch hat die Par­tei nun Hand­lungs­mög­lich­kei­ten. Spre­chen die Sozialdemokrat:innen sich für Lewe oder Todes­ki­no aus? Und was machen sie, wenn es dann doch der jeweils ande­re Kan­di­dat wird? Heu­te Abend tagen die Par­tei­gre­mi­en. Viel­leicht wis­sen wir am Frei­tag schon mehr. 

Wählen während der Pandemie – eine Echtzeitreportage

Der Wahl­tag in Müns­ter war in vie­ler­lei Hin­sicht beson­ders. Nicht nur, weil er zum Ergeb­nis hat­te, dass es am 27. Sep­tem­ber eine Stich­wahl zwi­schen dem amtie­ren­den Ober­bür­ger­meis­ter Mar­kus Lewe geben wird. Er war auch des­halb beson­ders, weil die Wahl unter Coro­na-Bedin­gun­gen statt­fand. Weder die Organisator:innen und Politiker:innen noch die Reporter:innen wuss­ten, wie es sein wür­de, wenn im Rat­haus die Gäs­te­zah­len beschränkt wer­den, wenn Inter­views mit Abstand oder Mas­ken gege­ben wer­den müs­sen und wenn sich die Sie­ger nicht unbe­fan­gen umar­men dür­fen. Für uns Journalist:innen bestand die Schwie­rig­keit vor allem dar­in, an vie­len ver­schie­de­nen Orten Stim­men und Stim­mun­gen ein­zu­fan­gen, denn es gab meh­re­re Räu­me, in denen Bürger:innen, Pres­se und Par­tei­en live die Ergeb­nis­se mit­ver­fol­gen konn­ten. Wir schwärm­ten also aus und pro­to­kol­lier­ten den Wahl­abend qua­si in Echt­zeit. Es ging uns dabei nicht nur um die Ergeb­nis­se. Es ging uns dabei um die Dra­ma­tur­gie eines ganz beson­de­ren Abends. Für uns begann er um 17.37 Uhr. Und er ende­te genau fünf Stun­den spä­ter. Hier fin­den Sie unse­ren Bei­trag.

Am Frei­tag schrei­ben wir Ihnen wieder. 

Herz­li­che Grüße 

Kat­rin Jäger 

Mit­ar­beit: Sebas­ti­an Stachorra 

PS

Falls Sie eine wirk­lich inter­es­san­te Poli­tik­se­rie sehen wol­len, in der es auch um das Schlie­ßen von Bünd­nis­sen geht, kann ich Ihnen Bor­gen emp­feh­len. Allein die Haupt­dar­stel­le­rin Sid­se Babett Knud­sen ist das Anschau­en die­ser däni­schen Serie wert, die bald in die nächs­te Staf­fel geht.