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CDU-Plakatpanne: Wer hat denn nun Recht? | Warum ein Paar Menschen für matschige Böden begeistert | Straßennamen: Neue Runde in der Endlosschleife

Guten Tag,
wenn schlechte Presse auch gute Presse ist, dann hat der Kommunalwahlkampf für die CDU ganz gut begonnen (RUMS-Brief). Die soeben erst aufgehängten Wahlplakate liegen auf Anweisung der Stadt zwar wieder im Lager. Und wahrscheinlich wär’s der CDU lieber, wenn es endlich um die Frage auf den Plakaten gehen würde („Wer ist Georg Lunemann?“) – statt um die lästige Frage, wieso die Partei mit einem Fehlstart in den Wahlkampf gestolpert ist. Aber immerhin, man spricht über die Kampagne, und das lässt sich leider nicht vermeiden – das alte Dilemma der Berichterstattung –, denn es gibt weiterhin offene Fragen.
Eine davon beantworten heute die Westfälischen Nachrichten. Dort hat sich jemand gemeldet, der sagt: Er sei das gewesen, der die CDU verpfiffen habe. Die Stadt wiederum sagt, er habe die ganze Sache nicht ausgelöst. Es hätten sich auch andere gemeldet.
In dem Artikel steht auch die Frage, warum die immerhin von zwei Parteifreunden, Markus Lewe und Thomas Paal, geführte Stadtverwaltung, die CDU nicht gewarnt habe. Daran könnte sich die Frage anschließen: Was haben Lewe und Paal gegen Georg Lunemann?
Heute im RUMS-Brief:
- Protest am Samstag: Antifa-Bündnis kritisiert Polizei-Einsatz
- Erklärung zum Wahlkampf: Progressive Parteien grenzen sich von AfD ab
- Wohnungslosigkeit: 2.200 Menschen haben kein Zuhause
- Neue Zahlen: Bautätigkeit in Münster eingebrochen
- Pfingsten: Überraschung, die Müllabfuhr fällt aus
- Moorschutz muss nicht trocken sein
- Straßennamen in Gremmendorf: Neue Runde in der Endlos-Debatte
- Korrekturen: Wörter, die mit P beginnen
- Klima-Update: Hitzewarntag und Riesen-Bärenklau
- Ein-Satz-Zentrale: Titus jetzt offiziell Skateboard-Ikone
- Unbezahlte Werbung: Eiscafé „Fellini“
- Drinnen und Draußen: Theater über Geld, Reichtum und Erben
Eine andere Frage ist allerdings viel interessanter. Ruprecht Polenz hatte sie am Freitag schon gestellt: Darf die Stadt solche Plakate überhaupt verbieten?
Wir haben Janbernd Oebbecke gefragt. Er ist emeritierter Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Uni Münster, und er sagt, er sehe in der Innenstadt keine rechtliche Grundlage, um die Plakatwerbung zu verbieten.
Grundsätzlich könnte laut Oebbecke die Straßenverkehrsordnung so eine Grundlage sein. Sie untersagt Wahlwerbung an der Straße, wenn sie den Verkehr gefährdet – allerdings nur außerhalb geschlossener Ortschaften, und auch das nur bis drei Monate vor der Wahl. Dann gilt eine Ausnahme.
Innerhalb von geschlossenen Ortschaften sei das anders. Da habe die Stadt keine rechtliche Handhabe, um Plakatwerbung allein aufgrund ihres Inhalts zu verbieten, sagt Oebbecke – und das gelte unabhängig davon, ob es sich um Werbung für McDonald’s, Greenpeace oder eine politische Partei handle.
Die Stadt Münster sieht das etwas anders. In ihrer Antwort auf vier Fragen, die wir gestellt hatten, verweist sie auf die verschiedenen Gesetze, die hier irgendwie eine Rolle spielen: das Straßenrecht, das Straßenverkehrsrecht, das Bauordnungsrecht. Und die Stadt beruft sich auf ihre „geübte Verwaltungspraxis“.
Laut einem der Gesetze, dem über Straßen und Wege (StrWG NRW), braucht man für feste Plakate im öffentlichen Raum eine Sondergenehmigung.
Die Stadt muss diese Genehmigung nicht erteilen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sie Plakatwerbung verbieten, vor allem jenseits der drei Monate. Die Grundlage dafür ist der Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen, auf den sich die Stadt beruft – und das ist auch der Erlass, über den Janbernd Oebbecke sagt: Innerhalb von geschlossenen Ortschaften ist damit nichts zu machen.
Die Stadt Münster hatte der Werbefirma die Sondergenehmigung gar nicht ausgeschlagen. Sie hatte sie schon erteilt. Laut Oebbecke deckt diese Genehmigung auch politische Werbung ab. Wenn die Stadt kommerzielle Werbung erlaube, dürfe sie politische nicht verbieten, sagt Oebbecke. Daher hält er es für naheliegend, dass die CDU die Plakate gar nicht abnehmen musste.
Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass die Stadt zwischen den verschiedenen gesetzlichen Regelungen unterscheide. Doch in ihrer Antwort handhabe sie das etwas schief.
Rückgängig machen will die Stadt ihre Entscheidung nicht. In ihrer Antwort heißt es, es sei „geübte Verwaltungspraxis“,dass Plakatwerbung nur im Zeitraum von drei Monaten vor der Wahl erlaubt sei. Diesen Standard wende man „auch innerorts seit Jahrzehnten“ an. Das stehe auch im Vertrag mit der Werbefirma.
Janbernd Oebecke sagt, die „geübte Verwaltungspraxis“, also dass die Stadt das schon immer so macht, rechtfertige kein Verbot. (rhe)
Machen Sie mit!

Im September ist Kommunalwahl. Was sind Ihre Themen und Ihre Fragen? Wir sammeln sie und sprechen darüber mit den Politiker:innen.
Das Projekt „Deine Stimme, deine Themen“ ist eine Kooperation zwischen RUMS und dem Netzwerk CORRECTIV.Lokal, das Recherchen und Dialog im Lokaljournalismus fördert.
+++ Für seine Kundgebung hatte das rechte Protestbündnis „Gemeinsam für Deutschland“ 1.000 Teilnehmende bei der Polizei angemeldet. Am Ende waren nach Polizeiangaben nur rund 100 gekommen, um am Samstag mit wehenden Deutschland- und Russland-Flaggen durch die Innenstadt von Münster zu marschieren. Bei den fünf Gegendemos machten hingegen mehr als 2.000 Personen mit. Unterm Strich verlief der Protest friedlich. Die Polizei stellte neun Strafanzeigen aus und nahm eine Person fest. Ob die Betroffenen zum rechten Deutschland-Bündnis oder zur Gegenveranstaltung zählten, schreibt die Polizei in ihrer Pressemitteilung nicht. Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf zieht insgesamt ein positives Fazit und dankt in der Mitteilung den Münsteraner:innen „für ihr Verständnis und ihr friedliches Engagement für unsere Demokratie“. Auch Carsten Peters, Sprecher des Bündnisses „Keinen Meter den Nazis“ und Ratsherr für die Grünen, freut sich über die rege Teilnahme am Gegenprotest. Das „Keinen Meter“-Bündnis übt allerdings Kritik am Polizei-Einsatz: „Es ist unverständlich, warum die Polizei versucht hat, den extrem rechten Aufmarsch noch durchzusetzen“, sagt Co-Sprecherin Lisa Schulze-Boysen dem Portal „Münster Tube“. Besser wäre es aus ihrer Sicht gewesen, die Demonstrierenden von „Gemeinsam für Deutschland“ direkt von ihrem Startpunkt am Servatiiplatz wieder zurück zum Bahnhof zu schicken. An dem Platz hatten Gegendemonstrierende eine Sitzblockade errichtet und so den rechten Aufmarsch verzögert. Laut dem „Keinen Meter“-Bündnis habe es „mehrere Verletzte gegeben, darunter auch welche, die sich ins Krankenhaus begeben mussten“. Zu der Gruppierung „Gemeinsam für Deutschland“ gehören unter anderem Reichsbürger und Neonazis. (sfo)
+++ Die progressiven Parteien im Stadtrat haben heute eine gemeinsame Erklärung zum Umgang mit der AfD im Kommunalwahlkampf veröffentlicht. Das entscheidende Statement findet sich im letzten Satz der Erklärung: „Sofern eine Debatte unter Beteiligung der AfD stattfindet, werden wir nicht teilnehmen.“ Grüne, SPD, Linke, Volt, ÖDP und die Satirepartei beteuern in ihrem Schreiben, dass Podiumsdiskussionen, „getragen von gegenseitigem Respekt, dem Ringen um den besten Weg und mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes“, gerade in Wahlkampfzeiten unerlässlich seien. Das alles sei allerdings mit der AfD nicht möglich. Als das „Keinen Meter den Nazis“-Bündnis vor der Bundestagswahl eine ähnliche Erklärung zum Umgang mit der AfD verabschiedete, sorgte das für Diskussionen (RUMS-Brief). Ein Unterschied zur neuen Erklärung dürfte sein, dass der Verfassungsschutz die AfD mittlerweile als „gesichert rechtsextrem“ führt. Schauen wir also mal, was ob die neue Erklärung auch für Gesprächsstoff sorgen wird. (sfo)
+++ Immer mehr Menschen haben in Münster kein eigenes Zuhause. Nach neuen Zahlen der Stadt sind rund 2.200 Menschen in der Stadt wohnungslos, 100 mehr als im vergangenen Jahr. Die wenigsten hiervon sind Straßenobdachlose, sondern kommen in den städtischen Unterkünften unter, schreibt die Stadt in einer Pressemitteilung. Das Problem sei jedoch, dass immer mehr Wohnungslose langfristig in den Übergangseinrichtungen leben. Um den steigenden Bedarf zumindest teilweise zu decken, möchte die Stadt jetzt zwei Wohngebäude an der Dammstraße sanieren. Wenn alles klappt, könnten schon im Sommer die ersten Menschen dort einziehen. Die Unterkunft soll ein sogenanntes „Sprungbrett-Angebot“ werden – will sagen: In den insgesamt 13 Wohnungen sollen bis zu 57 Personen einquartiert werden, die gute Chancen auf eine Anschlusswohnung auf dem freien Markt haben. Die Instandsetzung der feuchten und schimmeligen Wohnungen an der Dammstraße soll 1,3 Millionen Euro kosten. Heute beschäftigt sich die Bezirksvertretung Mitte mit der Vorlage, Ende des Monats kommt sie in den Bau-Ausschuss. (sfo)
+++ Und als seien die Zahlen der Stadt nicht schon schlimm genug, hat das Land letzte Woche mitgeteilt, dass man auf die Lösung für die Misere mit der Wohnungslosigkeit warten muss. 2024 sind in Nordrhein-Westfalen nämlich 15 Prozent weniger Wohnungen fertiggestellt worden als im Vorjahr. Konkret heißt das: Allein letztes Jahr fehlen landesweit über 7.100 Wohnungen. In Münster ist der Einbruch der Bautätigkeit besonders deutlich zu spüren: 2023 wurden noch fast 73 Wohnungen pro 10.000 Einwohner:innen neu gebaut – vergangenes Jahr waren es nur noch rund 35, also weniger als die Hälfte. Und das, während etwa 2.100 Menschen nach Münster gezogen sind. (sfo)
+++ Wie vor jedem Feiertag kommt hier noch der obligatorische „Die Müllabfuhr kommt einen Tag später“-Hinweis. So, jetzt offiziell: Wegen Pfingstmontag verschieben sich die Abfuhrtermine einen Tag nach hinten, die Termine für Sperrgut- und Grünabfall werden ohne Ersatz gestrichen, die Recyclinghöfe bleiben geschlossen und auch das Straßenfegen fällt aus. In weiser Voraussicht speichern wir uns diese Nachricht ab und kramen die Vorlage in zwei Wochen wieder aus, damit wir rechtzeitig vor dem nächsten Feiertag „Pfingsten“ durch „Fronleichnam“ ersetzen können. (sfo)
Moorschutz muss nicht trocken sein
Ein Paar aus Osnabrück zeigt, wie Klimaaktivismus ohne Panikmache gelingt. Bald präsentieren die beiden ihren Film in Münster. Wer kommt, kann das Moor sogar hören, riechen und fühlen.
Im Süden von Münster, den Kappenberger Damm raus und dann einmal über den Kanal, liegt das Venner Moor, ein ehemaliges Hochmoorgebiet, in dem lange Torf abgebaut wurde. Das Gebiet ist knapp 150 Hektar groß, das wären über 200 Fußballfelder. Man kann dort spazieren gehen oder die Wege mit dem Fahrrad erschließen. Dann sieht man einen Wald in einem größeren Sumpfgebiet. Doch das Wesentliche sieht man vor lauter Wald nicht.
Moore sind vor allem für das Klima enorm wichtig. Legt man sie trocken und baut den Torf ab, setzen Moore riesige Mengen CO₂ frei. Renaturiert man sie, können sie gewaltige Mengen CO₂ aufnehmen. Das macht sie für den Klimaschutz wichtig. Moore speichern weltweit sehr viel mehr Kohlenstoff als alle Wälder zusammen, obwohl sie sehr viel weniger Fläche einnehmen.
Nur, wie begeistert man Menschen für etwas, das matschig riecht, nach Verfall aussieht und das man nicht mal betreten darf?
Ann-Christin und Alexander Kornelsen aus Osnabrück beschäftigen sich seit über drei Jahren mit dieser Frage. Als die beiden sich in der Coronazeit kennenlernten, wusste Alexander Kornelsen noch nicht viel über Moore. Sie ist Moorwissenschaftlerin. Er hatte nach dem VWL-Studium in einer Innovationsagentur gearbeitet, verdiente gut, aber er war in eine Sinnkrise geraten, hatte gekündigt, in einem Van gelebt. Er war pilgern, surfen und skydiven gegangen, und er hatte ein Projekt gestartet. Er las einhundert Bücher am Stück, unter anderem Bücher über die Klimakrise. Das gab Kornelsens Leben schon eine andere Richtung.
Ein Roadmovie
Das Date mit der Moorforscherin änderte alles. Sie habe ihm für eine Beziehung drei Bedingungen gestellt, so erzählte Kornelsen es im vergangenen Jahr dem Wirtschaftsmagazin „Brandeins“. Die Bedingungen seien gewesen: Weltreise machen, Moore retten und Kinder bekommen.
Inzwischen sind die beiden zusammen über 45.000 Kilometer gereist, zu Mooren überall auf der Welt. Auf der Reise kam ihr erstes Kind zur Welt. Sie gründeten die gemeinnützige Organisation „Mission to Marsh“, Mission ins Marschland. So heißt auch der Film, den sie auf ihrer Reise gedreht haben. Es ist nicht einfach eine Dokumentation; es ist ein Roadmovie, der auch von den beiden handelt – und von den Schwierigkeiten, die sich zum Beispiel ergaben, als sie ihm während der Reise von ihrer Schwangerschaft erzählte, und er dachte – das hatte ein Arzt ihm gesagt –, er sei zeugungsunfähig.
Wenn das Cinema den Film in drei Wochen am Dienstag zeigt, wird es dazu ein Begleitprogramm geben, das drei Studierende aus dem neuen Master-Studiengang Nachhaltige Transformationsgestaltung der FH Münster sich überlegt haben.
Moritz Eisenberg, Valentina Kargol und Julia Halas planen eine kleine Ausstellung, in der man Moore hören, riechen und fühlen kann. Und sie veranstalten eine Gesprächsrunde, an der Ann-Christin und Alexander Kornelsen sowie der Moorforscher Klaus-Holger Knorr von der Uni Münster teilnehmen werden.
Knorr untersucht die mikrobiologischen und chemischen Prozesse im Moorboden. „Wir wollen verstehen, warum Moore Treibhausgase entweder freisetzen oder binden – und warum das passiert“, sagt er. Was man bereits weiß, ist: Intakte Moore emittieren kaum Treibhausgase. Problematisch sind Flächen, die aus dem Gleichgewicht geraten sind.
Und in welchem Zustand sind die Moore hier in der Region? „In einem eher schlechten“, sagt Knorr. Die Trockenlegung und der Torfabbau hätten viele Flächen zerstört. Mittlerweile versuche man, die Moore wiederherzustellen.
Klimaschutz, Wasserschutz, Artenschutz
Ein Problem ist: 80 bis 90 Prozent der früheren Feuchtgebiete sind heute Acker- oder Grünland und als Moore gar nicht mehr zu erkennen. Wenn es intakte Moore sind, darf man sie nicht betreten. Das ist gut für die Natur, führt aber dazu, dass viele Menschen nicht wissen, wie Moore aussehen. Und das ist schlecht, denn Menschen interessieren sich nicht für das, was sie nicht kennen.
Menschen interessieren sich für Menschen. Das weiß Alexander Kornelsen aus seinem früheren Leben im Marketing. Und über Menschen lassen sich Geschichten transportieren. „Beim Moorschutz geht es um die großen Probleme unserer Zeit“, sagt Alexander Kornelsen am Telefon – um den Klimaschutz, den Wasserschutz, den Artenschutz; Moore wirken wie Schwämme. Sie speichern Wasser und helfen so bei Dürre und bei Hochwasser. Sie reinigen Gewässer. „Die Seen kippen, die Flüsse werden krank und unsere ganze Nahrungskette bricht so zusammen“, sagt Kornelsen. Und: Im Moor findet man Tierarten, die es anderswo nicht mehr gibt.
Im Venner Moor im Süden von Münster lebt zum Beispiel die Maulwurfsgrille, die man in Nordrhein-Westfalen so gut wie nirgendwo anders findet. Auch andere seltene Arten haben hier ihren Lebensraum: die Krickente, der Baumfalke oder die Kreuzotter.
Mit Unterstützung großer Partner wie Greenpeace und der Bekleidungsmarke Patagonia haben Ann-Christin und Alexander Kornelsen, so schreiben sie es auf ihrer Website, über eine halbe Million Euro gesammelt und mehr als 13 Hektar Moor renaturiert. Im vergangenen Jahr ist auch ein Buch erschienen: Abenteuer Moorschutz.
Das zweite Kind
„Ich bin losgezogen, um die Moore zu retten – und habe gemerkt, sie retten mich“, hat Alexander Kornelsen im vergangenen Jahr im „Brandeins“-Interview gesagt.
Wenn alles so weitergeht, wird das Moor in seinem Leben bald eine noch größere Rolle spielen. Am Telefon erzählt er, sie hätten gerade ihr zweites Kind bekommen. Wenn nichts mehr schiefgehe, würden sie von Osnabrück bald nach Celle ziehen, in die Lüneburger Heide. Das sei der Traum seiner Frau gewesen – an oder beinahe in einem Moor zu leben. Diesen Traum könnten sie sich jetzt erfüllen. Also sozusagen: ein Haus am Moor. (rhe)
Umstrittene Straßennamen: Nächste Runde in der Endlos-Schleife
Die Bezirksvertretung in Gremmendorf sollte heute über die Umbenennung von Straßen abstimmen. Der Oberbürgermeister hat das verhindert. Aber warum? Sebastian Fobbe hat versucht, es herauszufinden.
Eigentlich wollte die Bezirksvertretung Südost heute darüber entscheiden, ob zwei Straßen ihre Namen behalten oder bald anders heißen werden (RUMS-Brief). Dann stoppte Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) vergangenen Montag die Abstimmung.
Die beiden Straßen, um die es geht, sind der Lüderitz- und der Woermannweg. Zwei kurze Straßen in Gremmendorf mit wenigen Hausnummern. Ihre Namensgeber sind Kaufleute, die von der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia profitierten. Adolph Woermann etwa setzte Kriegsgefangene aus den deutschen Konzentrationslagern als Zwangsarbeiter ein und beteiligte sich am Völkermord an den Herero und Nama.
Die Gremmendorfer Straßen erhielten ihre Namen am 2. März 1939 auf Initiative des damaligen NSDAP-Oberbürgermeisters Albert Anton Hillebrand. Obwohl es sich aus den verfügbaren historischen Quellen nicht mehr genau rekonstruieren lässt, liegt es nahe, dass die Nazis mit der Straßenbenennung die Kolonialverbrecher Lüderitz und Woermann ehren wollten.
Das sind, in aller Kürze, die Historie und die Brisanz des Lüderitz- und des Woermannwegs.
Lewes Kehrtwende überrascht
Schon vor einigen Jahren gründeten Anwohner:innen in Gremmendorf eine Bürgerinitiative, die sich für die Umbenennung beider Straßen einsetzt. Im März veranstaltete die Stadt eine Bürgerversammlung, um mit den Menschen im Stadtteil zu sprechen und die wichtigsten Argumente in der Debatte auszutauschen (RUMS-Brief). Die Info-Veranstaltung sei, sagen uns Bezirksvertreter:innen, sehr gut angekommen.
Man kann also nur schwer sagen: Über die Hintergründe der beiden Straßen ist in Gremmendorf nur wenig bekannt und bisher habe man kaum über die Namensgeber diskutiert. Im Gegenteil scheinen sich alle Beteiligten ernsthaft mit der Debatte auseinanderzusetzen.
Wie wir aus der Bezirksvertretung Südost erfahren, hat Lewes Schreiben deshalb viele überrascht. Der Oberbürgermeister schrieb vergangenen Montag einen Brief, in dem er die Bezirksvertreter:innen mit „Blick auf die bevorstehende Kommunalwahl und in Anbetracht der auch in Münster emotional geführten Diskussion“ um Verständnis bat, dass die Entscheidung im Moment „von Seiten der Verwaltung aktuell nicht opportun“ sei.
Rechtfertigen Gefühle einen Eingriff in demokratische Entscheidungen?
Lewes Argumente haben uns aufhorchen lassen. Denn normalerweise sind Emotionen, Verwaltungsaufwand oder anstehende Wahlen keine Gründe, kurzfristig demokratische Abstimmungen abzusagen.
Wir haben deshalb drei Nachfragen an die Stadt gestellt. Wir wollten wissen, ob die Verwaltung schon eine Beschlussvorlage für die Umbenennung verfasst hat und nun zurückhält, was genau unter „aktuell nicht opportun“ zu verstehen ist und ob die letzte Abstimmung in Münster-Mitte einen Einfluss auf den Entscheidungsstopp im Südosten hatte. Die Bezirksvertretung Mitte hatte Anfang Mai trotz einigem Widerstand beschlossen, sechs Straßen umzubenennen (RUMS-Brief). Seitdem sammelt eine Initiative Unterschriften für ein Bürgerbegehren, um die Entscheidung rückgängig zu machen.
Am Mittwoch haben wir dem städtischen Amt für Kommunikation eine Presseanfrage gestellt, nachdem wir Lewes Brief an die Bezirksvertretung erhalten haben. Heute kam die Antwort vom Oberbürgermeister.
Lewes Antworten
Unseren ersten beiden Fragen weicht Markus Lewe aus. Er schreibt: „Den Grund, warum ich die von der Verwaltung vorgelegten Vorlagen nicht mitzeichne, habe ich in meinem Schreiben an die Bezirksvertretung genannt: Die allgemein emotional geführte Diskussion sowie die bevorstehende Kommunalwahl.“
Immerhin verstehen wir Lewes Antwort so, dass die Verwaltung die Entscheidungspapiere bereits erstellt hat und sich der Oberbürgermeister nur weigert, sie zu unterschreiben und damit für die Bezirksvertretung freizugeben.
Die Nachfrage, ob die Abstimmung in Mitte Einfluss auf den Abstimmungsstopp hatte, beantwortet Lewe mit „Nein!“ (auch im Original mit Ausrufezeichen).
Genauso überraschend wie das Schreiben an die Bezirksvertretung Südost sind auch Lewes Antworten auf unsere Nachfragen. Es bleibt schlichtweg nebulös, warum der Oberbürgermeister sich gezwungen sah, in den demokratischen Entscheidungsprozess einzugreifen.
Hätte die CDU mitgestimmt?
In der achtzehnköpfigen Bezirksvertretung stellen die Grünen und die SPD zusammen acht Vertreter:innen. Sie befürworten neue Namen für den Lüderitz- und den Woermannweg.
Schwieriger abzuschätzen ist, wie sich die CDU- und die FDP-Fraktion sowie der AfD-Vertreter und das fraktionslose Mitglied verhalten würden. Die mit sieben Mitgliedern größte Fraktion der CDU hatte sich noch nicht abschließend positioniert, sagt man uns. Heißt also: Prinzipiell wäre die CDU offen für eine Umbenennung. Möglicherweise aber auch nicht.
Die Bezirksvertreter:innen, mit denen wir gesprochen haben, sagen uns: Bis der Oberbürgermeister einschritt, sprach nichts dafür, die Entscheidung zu verschieben. Man hätte problemlos heute abstimmen können.
Für die nächste Sitzung steht schon fest: Auch dann wird keine Entscheidung fallen. Denn am 2. September, also wenige Tage vor der Kommunalwahl, wird die Bezirksvertretung Südost tagen. Lewe hat bereits klar gemacht: Vor der Wahl wird es keine Entscheidung über den Woermann- und den Lüderitzweg geben. Und nach der Wahl ist Markus Lewe kein Oberbürgermeister mehr. (sfo)
Übrigens: Stadtarchivar Philipp Erdmann hat im November 2024 zusammen mit der Historikerin Felicity Jensz ein Buch über „Koloniale Spuren in Münster und im Münsterland“ herausgebracht. Der Debatte um den Woermann- und den Lüderitzweg widmen die Wissenschaftler:innen ein eigenes Kapitel.

Anonymer Briefkasten
Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.
+++ Morgen findet deutschlandweit ein Hitzewarntag statt, an dem sich auch die Stadt Münster beteiligt: Wer mitmachen möchte, kann sich im Haus der Nachhaltigkeit an der Hammer Straße 1 einen Hitzewarner besorgen. Das ist ein schwarzer Aufkleber, der seine Farbe ändert, je heißer es wird. Wenn die Raumtemperatur mehr als 28 Grad erreicht hat, wird auf dem Sticker ein QR-Code sichtbar, der einen Verhaltenstipps an besonders heißen Tagen verrät. Neben den Aufklebern (die natürlich auch noch nach dem Hitzeaktionstag erhältlich sind) gibt es morgen auch noch anderes Infomaterial im Haus der Nachhaltigkeit und eine kostenlose Beratung von der Verbraucherzentrale. (sfo)
+++ Haben Sie diese Pflanze schon einmal gesehen? Das ist der Riesen-Bärenklau. Die Pflanze verdrängt einheimische Gewächse und kann bei Hautkontakt undwenn die Sonne scheint, Blasen und Schwellungen auf der Haut verursachen (so kann das aussehen. Warnung: kein Bild für schwache Gemüter). Die Stadt bittet jetzt um Ihre Mithilfe: Wenn Sie einen Riesen-Bärenklau sehen, melden Sie sich bei der Stadt, damit die Pflanze fachgerecht entfernt werden kann. Tipp für alle Spürnasen: Riesen-Bärenklau wächst gerne an Ufern und am Wegrand. (sfo)
+++ In unserem Gastbeitrag am Sonntag stand fälschlicherweise, dass die Zahl der Autorinnen und Autoren, die eine Million Euro oder mehr im Jahr verdienen, „von 30 auf 40 Prozent“ gewachsen sei. Das wäre schön. Richtig ist: Die Zahl ist von 30 auf 40 Personen gestiegen. Wir haben den Fehler korrigiert.
+++ Liebe I: Im vergangenen Jahr haben in Münster 1.280 Paare geheiratet – so wenige wie seit 2012 nicht mehr. (Landesbetrieb IT.NRW)
+++ Liebe II: Dafür sind 2024 insgesamt 2.580 Babys in Münster geboren worden – ein paar mehr als im Vorjahr. (Landesbetrieb IT.NRW)
+++ Für den Brückenbau an der „Spinne“ (dem Verkehrsknoten zwischen A43, B51 und Weseler Straße) wird der Verkehr in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni umgeleitet. (Westfälische Nachrichten)
+++ An der Manfred-von-Richthofen-Straße steht ein altes Bushaltehäuschen und 100 Meter weiter ein neues, was für ganz schön viel Verwirrung sorgt. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Uni Baskets verlängern den Vertrag mit Cheftrainer Götz Rohdewald bis 2027. (Uni Baskets Münster)
+++ Bis 2027 will das Bistum mehrere Kitas an einen neuen Träger übergeben. (Bistum Münster)
+++ Die Staatsanwaltschaft Münster hat Anklage gegen den früheren Vorsitzenden des Heinrich-Piepmeyer-Hauses erhoben, der rund 700.000 Euro aus der Vereinskasse veruntreut und gegenüber der Beihilfestelle der Bezirksregierung weitere 11.200 Euro erschlichen haben soll. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Polizei ermittelt gegen einen inzwischen freigestellten Kirchenmusiker der St. Liudger-Gemeinde, bei dem Filme von Kindesmissbrauch gefunden wurde. (Kirche und Leben)
+++ In Münster leben fast 200 Einkommensmillionär:innen. (Landesbetrieb IT NRW)
+++ Titus Dittmann wurde in Kalifornien in die „Skateboarding Hall of Fame“ aufgenommen. (Tagesschau auf Youtube)
Mitten in der Innenstadt, genauer gesagt: im Anbau des Galeria-Gebäudes an der Clemenskirche in Richtung Loerstraße, gibt es mit dem „Fellini“ seit einigen Monaten ein neues Eiscafé in typisch italienischem Stil. Typisch für ein typisch italienisches Eiscafé ist auch das, was auf der Karte steht: Eis und Kaffee natürlich, aber auch Crêpes, Waffeln, Tiramisu und Kuchen. Also kurzum: ein schöner Ort, um nach dem Shoppen ein bisschen zu entspannen. Geöffnet hat das „Fellini“ montags bis samstags von zehn bis 20 Uhr.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Heute hat Katja Angenent in den Veranstaltungskalender geschaut und kann Ihnen das hier empfehlen:
+++ Morgen und übermorgen organisiert das Künsterinnenkollektiv „Rue Obscure“ einen „Spaziergang für Ermüdete“ im Wienburgpark, an dem Sie natürlich auch teilnehmen können, wenn Sie zu den Glücklichen zählen, die sich nicht gestresst oder erschöpft fühlen. Worum geht’s? Sie lernen, die eigene Wahrnehmen zu stärken und wieder in den Austausch mit den Mitmenschen zu kommen, was in der gerade sehr anstrengenden Zeit ja nicht das Schlechteste ist. Beginn ist jeweils um 19 Uhr. Eine Karte kostet 18 Euro.
+++ Am Donnerstag liest der Schriftsteller John von Düffel im Zeitungslesesaal der Stadtbücherei um 19 Uhr aus seinem neuesten Buch „Ich möchte lieber nichts – eine Geschichte vom Konsumverzicht“. Los geht es um 19 Uhr. Eine Karte bekommen Sie nur in der Stadtbücherei. Kostet: 10 Euro.
+++ Noch ein Tipp für Donnerstagabend: In der Studiobühne der Uni findet eine Podiumsdiskussion über historische und aktuelle Perspektiven in Ostmitteleuropa statt – das ist die vielfältige Region um Tschechien, die Slowakei, Polen, die Ukraine, Litauen, Ungarn und (West-)Rumänien. Der Eintritt ist frei.
+++ „Geld ist klasse“ – so lautet der Titel eines Stücks, das Sie Ende der Woche im Pumpenhaus sehen können. Darin geht es um die Gefahren von Überreichtum. Zu dem dreiköpfigen Ensemble gehört auch jemand, der sich mit dem Thema aus eigener Erfahrung auskennt: die Millionenerbin Marlene Engelhorn, die sich für eine höhere Besteuerung von Reichen einsetzt. Eine Karte für Freitag gibt es hier, eine für Samstag hier. Der Preis liegt jeweils bei 18 Euro.
Am Freitag schreibt Ihnen Anna Niere. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Katja Angenent (kan) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Susanne Bauer
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PS
Ende Juni schreibt Christian Vechtel wieder eine Kolumne über die Geschichten hinter Antiquitäten oder Fundstücken vom Dachboden oder aus dem Keller. Ist Ihnen in den vergangenen Wochen irgendetwas zu Hause in die Finger gekommen, von dem Sie sich fragen: Was ist das eigentlich? Wozu ist das da? Oder ist das vielleicht wertvoll? Dann schicken Sie uns doch ein Foto, am besten mehrere aus verschiedenen Perspektiven. Und wir kümmern uns dann um die Geschichte. E-Mail: redaktion@rums.ms.
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