​​Die Kolumne von Michael Jung | Sommerzeit am Flughafen

Porträt von Michael Jung
Mit Michael Jung

Guten Tag,

dieser Tage ist mal wieder was los am Flughafen Münster-Osnabrück (FMO). Viele Menschen fliegen von dort in die Ferien – die Sommerzeit ist für den Airport die wichtigste Phase des Jahres. Jetzt entscheidet sich, ob der Flughafen ein wirtschaftlich erfolgreiches Jahr haben wird oder nicht.

Für die Stadt ist das ebenso wie für die anderen beiden Hauptgesellschafter, den Kreis Steinfurt und die Stadt Osnabrück, nicht uninteressant: Das wirtschaftliche Ergebnis des Flughafens entscheidet auch über die Frage, ob kommunale Kassen belastet werden oder nicht.

Zuletzt lief es so gesehen gut am FMO: Mit knapp 1,3 Millionen Passagieren erreichte der FMO sein bestes Ergebnis seit 13 Jahren, und im ersten Quartal 2025 konnten die Zahlen nochmals um 12 Prozent gesteigert werden. Dieses Ergebnis steht in deutlichem Kontrast zur Entwicklung im Rest des Landes: Während am FMO die Passagierzahlen 29 Prozent höher liegen als in Vor-Corona-Zeiten, ist das an anderen deutschen Flughäfen ganz anders.

2023 lagen die Zahlen deutschlandweit noch 21 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau (anders als im Rest Europas). Ich will an dieser Stelle nicht diskutieren, wie diese Entwicklung zu bewerten ist, etwa unter klimapolitischen Gesichtspunkten. In dieser Kolumne soll es um einen Blick auf das Unternehmen FMO als solches und seine betriebswirtschaftliche Entwicklung gehen.

Diese ist für das Unternehmen erst einmal positiv und für die Stadt als wichtigsten Gesellschafter auch, denn 1 Million Fluggäste sind aus den Erfahrungswerten der letzten Jahre die eigentlich kritische Größe: Darunter läuft die Gesellschaft in der Tendenz in die roten Zahlen, darüber wird das Ergebnis wirtschaftlich. Deswegen bedeutet die aktuelle Entwicklung für den städtischen Haushalt erst einmal Entlastung, da operative Gewinne die FMO-Bilanz aus eigener Kraft stärken ohne die Hilfe der kommunalen Gesellschafter.

Das Ende der Ära Stöwer

Wie ist die wirtschaftlich positive Entwicklung zu erklären? Zum einen liegt sie in einem Trend, in dem mehr touristisch geflogen wird und weniger beruflich, vor allem seit der Corona-Pandemie. Das hat insgesamt zu einer Stärkung der eher touristisch ausgerichteten Regionalflughäfen geführt zulasten der großen Airports.

Dazu passt, dass Lufthansa die Zubringerflüge vom FMO nach Frankfurt eingestellt hat und das Wachstum am FMO sich vor allem aus den touristischen Destinationen ergibt. Zum anderen ist die Entwicklung natürlich auch ein Erfolg des Managements am FMO, das eine wirtschaftliche und operative Verbesserung erreicht hat in den letzten Jahren.

Anfang 2017 endete am FMO die Ära Stöwer. Der langjährige Geschäftsführer hatte große Visionen, etwa die einer Start- und Landebahn für Interkontinentalflüge und baute die Gesellschaftsstruktur nach dem Muster eines Konzerns auf. Operativ setzte er nach dem Boom der Dotcom-Jahre bis 2001 ganz auf Air Berlin.

Mit dem Untergang dieser Airline sah es auch am FMO düster aus, das operative Geschäft brach ein. In einem quälenden Prozess fiel dann 2014-2015 die Entscheidung, dass Stöwer gehen musste. Ein Nachfolger wurde gesucht und mit Rainer Schwarz auch gefunden.

Der Manager war, daran konnte kein Zweifel bestehen, ein erfahrener Flughafenfachmann, nach Stationen in München und Nürnberg war er 2002-2006 Chef des Düsseldorfer Flughafens, 2006 wechselte er nach Berlin und wurde Chef der dortigen Flughäfen. Das Baudesaster beim BER holte ihn dort 2013 ein, er wurde gekündigt, ohne für den Bau zuständig gewesen zu sein. Ein klassisches politisches Bauernopfer sozusagen.

Dennoch war das ein Karrierebruch. Nach einer kurzen Station beim kleinen Flughafen Rostock wechselte Schwarz Anfang 2017 zum FMO. Klar war von Anfang an: Diesen Manager hätte der FMO ohne das BER-Desaster nie bekommen können, es war gewissermaßen ein Transfer wie der eines nach schwerer Verletzung genesenen Florian Wirtz zu Preußen Münster.

Ein glänzender Management-Erfolg

Für den FMO ging es um das Überleben, für Schwarz um Rehabilitierung. Das war ein – so muss man die letzten Jahre bilanzieren – überaus vorteilhafter Deal für beide Seiten. Der neue Geschäftsführer legte rasch los. Ziemlich entschlossen schrumpfte er den FMO-„Konzern“ in seinen Strukturen auf ein mittelständisches Unternehmen zurück und warf organisatorischen Ballast ab. Die teuren Interkontinentalflugpläne seines Vorgängers erledigte er mit einer Bilanzbereinigung: Die teuer eingekauften Ausbauflächen wurden auf den Wert landwirtschaftlich genutzter Flächen abgeschrieben.

Die Planungen für eine Umnutzung des völlig überdimensionierten Terminals wurden begonnen. Mit der Neuorganisation der Flugzeugbetankung wurden operativ hohe Beträge bilanzwirksam generiert. Ein Kundenbeirat wurde eingerichtet. Die Neukonzeption des Caterings und des Duty-Free-Bereichs war ein weiterer Beitrag zur wirtschaftlichen Verbesserung.

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Der Corona-Einbruch traf den FMO extrem hart mitten in der Konsolidierung, aber die Zahlen der letzten Jahre zeigen es: Wirtschaftlich steht der FMO heute besser da als vor Corona, und als beim Start von Schwarz 2017 sowieso. Die fast neunjährige Amtszeit des Managers endet mit dem Jahreswechsel, und man kann sagen: Selten hat bei einer kommunalen Gesellschaft ein Personalwechsel an der Spitze so durchgreifend eingeschlagen wie beim FMO.

Dass Schwarz der Turnaround noch dazu in engem Einvernehmen und ohne Konfrontation mit der Belegschaft gelang, spricht alles in allem für einen glänzenden Management-Erfolg. Durch das absehbare altersbedingte Ausscheiden des Managers bestand die Möglichkeit, die Nachfolge frühzeitig zu regeln.

Die Aufgabe des Aufsichtsrats und der Gesellschafter lag jetzt darin, mit einer klugen Nachfolgeregelung dafür zu sorgen, dass auf den wirtschaftlich erfolgreichen Sommer noch weitere folgen würden. s zeigte sich, der Sommer ist am FMO in jeder Hinsicht wichtig, nicht nur als Hauptreisezeit, sondern auch im Aufsichtsrat, wo der Steinfurter Landrat gleichen Namens turnusmäßig gerade den Vorsitz innehat.

In der Karriere des Steinfurter Landrats lief es nur am Anfang ganz glatt: Nach einer kurzen Station auch im Rat der Stadt Münster 1999/2000 stieg Martin Sommer in der Steinfurter Kreisverwaltung auf, unter zwei Landräten fungierte er als zweiter Mann, als Kreisdirektor.

Bei der Nachfolge geht es um viel

Als es um die Nachfolge des etwas plötzlich in die Kommunalversicherungswirtschaft gewechselten Vorgängers ging, kam es zum Bruch mit seiner Partei, der CDU. Sommer trat 2020 ohne und gegen seine alte Partei an, und er gewann den Landratsposten in der Wahl dennoch.

Daraus erhellt schon, dass Sommer weiß, was er will, und dass er eine Konfrontation nicht scheut, so kann man es positiv formulieren. Nicht immer geht sein ausgeprägter Gestaltungswille positiv aus, zuletzt scheiterte eine Großfusion von Sparkassen. Schon als Steinfurter Kreisdirektor hatte Sommer größtes Interesse am FMO.

Aus Steinfurter Sicht wäre es natürlich am schönsten, wenn dort ein Geschäftsführer amtieren würde, der vom Steinfurter Kreishaus an der kurzen Leine geführt werden könnte. Nachdem 2017 mit Rainer Schwarz ein Manager zum Zuge kam, der in diese Kategorie eher nicht passte, hätten die Akteure aus Münster und Osnabrück auf der Hut sein müssen.

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Dass Sommer als turnusmäßig amtierender Aufsichtsratsvorsitzender (der Posten wechselt zwischen den Stadtoberhäuptern von Münster, Osnabrück und dem Landrat aus Steinfurt als den größten Gesellschaftern) dazu auch seine Gestaltungsspielräume nutzen würde, war zu erwarten.

Insofern ging es bei der Schwarz-Nachfolge um sehr viel – nämlich um die Frage, ob ein kompetenter Manager vom Format des Scheidenden gefunden werden kann, der nachgewiesene Management-Erfahrung an Flughäfen und vor allem das nötige berufliche Netzwerk mit den alles entscheidenden Airline-Kontakten hat, oder ob es jemand würde, der sich gut mit dem Steinfurter Landrat versteht.

Für die Städte Münster und Osnabrück war das von zentraler Bedeutung – am Ende entscheidet der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg des FMO auch über das Eintreten oder Ausbleiben siebenstelliger Belastungen im Haushalt. Daher war es im hohen Interesse Münsters und Osnabrücks, eine Top-Lösung für das FMO-Management zu finden, so wie das 2017 gelungen war.

Ist das im Interesse von Münster?

Dann gab es im Frühjahr eine erstaunliche Meldung: Der FMO-Aufsichtsrat habe sich entschieden, die Stelle des Geschäftsführers nur intern auszuschreiben. Eine kurze öffentliche Presseaufregung folgte, danach ruhte der See wieder still. Was war passiert?

Dem Steinfurter Landrat und Aufsichtsratsvorsitzenden war es per Beschluss gelungen, die Nachfolgefrage als Inhouse-Geschäft zu regeln. Das war bemerkenswert, denn der FMO ist ein ziemlich kleines Unternehmen mit gut 400 Beschäftigten. Da nicht anzunehmen war, dass das Personal von der Sicherheitskontrolle oder auf dem Vorfeld jetzt ins Schwarz-Büro wechseln sollte, war klar, dass mit dieser Einschränkung der Suche sich der Personenkreis für die Nachfolge auf weniger als eine Handvoll Menschen einschränken würde.

Da das Feld von Bewerbern für Flughafenleitungen wegen der insgesamt doch eher geringen Zahl von Flughäfen im Land ohnehin schon nicht groß ist, schränkte der FMO die Nachfolgesuche noch weiter ein. Damit war auch klar: Die Schwarz-Nachfolge würde jemand antreten, der keine Erfahrung von anderen Airports mitbringen würde und der bisher nicht an anderen Stationen ein Netzwerk von Airline-Kontakten aufbauen konnte.

Da muss die Frage erlaubt sein: In wessen Interesse ist eine solche Beschränkung der Ausschreibung der Stelle? Im Interesse der Stadt Münster jedenfalls nicht, die der größte Gesellschafter des Flughafens ist. Trotzdem ging der Beschluss im Aufsichtsrat durch, und das ist eine Folge der glänzenden Besetzung des Gremiums: Ein Oberbürgermeister, der andere schöne Termine hat und sich deswegen im Aufsichtsrat vertreten lässt – glaubt man dem Pressebericht, war das in der entscheidenden Personalsitzung so.

Dann sitzt dort für Münsters Stadtverwaltung der Stadtdirektor (der Mann, der gerade nachforscht, warum er 800 Kita-Plätze zu viel hat, aber für Schulsanierungen kein Geld und bei dem es auch mit den Bädern mal wieder nicht so gut läuft). Die Rathauskoalition entsendet auch eher zweifelhafte Experten für den regionalpolitischen Showdown mit dem Steinfurter Landrat ins Entscheidungsgremium, und schon ist der Beschluss gefasst, der Sommer freie Hand gibt.

Der Segen des Landrats

So kam es dann in diesem Sommer zum Durchmarsch Sommers: Als Nachfolger für Schwarz wurde Andrés Heinemann präsentiert, der bisher oft als Pressesprecher des Flughafens betitelt wurde, von dem es aber nun heißt, er sei „Leiter Marketing und Kommunikation“. Die Mitteilung des Flughafens lobt außerdem seine „umfassende Erfahrung in der Luftverkehrsbranche“, die der 53-Jährige allerdings seit nunmehr 28 Jahren (!) am FMO sammelt.

So sei er verantwortlich für die positive Verkehrsentwicklung in den letzten Jahren, und man fragt sich: War er das für die Verkehrszahlen davor auch? Man weiß nicht, ob man es beruhigend finden soll, dass eine Findungskommission unter dem Vorsitz Sommers diese Personalie einstimmig empfohlen hat.

Denn eins ist klar: Erfahrungen außerhalb des FMO hat der 25-jährig dorthin gewechselte Heinemann nicht nennenswert gesammelt. Aber vielleicht sorgt ja der Segen des Steinfurter Landrats, der auf ihm liegt, für die entsprechenden Netzwerke zu Airlines und in die Branche. Vielleicht hat Heinemann aus den fast zwanzig Stöwer-Jahren und dem Kontrast der neun Schwarz-Jahre etwas gelernt. Nah genug dran war er sicher.

Wenn er es nicht getan hat, wird die Stadt Münster es bald merken im Haushalt. Und vielleicht wenden der neue Oberbürgermeister und eine neue Ratsmehrheit den FMO-Gremien mal wieder mehr Aufmerksamkeit zu. Es könnte durchaus im Interesse der Stadt sein.

Herzliche Grüße

Ihr Michael Jung

Offenlegung: Der Autor war von 2014 bis 2020 Mitglied des Aufsichtsrats des Flughafens Münster/Osnabrück.

Porträt von Michael Jung

Michael Jung

… lebt schon immer in Münster. Er wurde 1976 hier geboren. Er hat an der Uni Münster Latein und Geschichte studiert und in Geschichte promoviert. Heute ist er Lehrer am Annette-Gymnasium in Münster. Michael Jung war viele Jahre in der Politik: Von 2013 bis 2020 war er Fraktionschef der SPD im Rat der Stadt. Im Jahr 2020 trat er für die SPD bei den Kommunalwahlen als Oberbürgermeisterkandidat an.

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