Community-Beitrag
Alina Köller hat mit Wolfgang Wittler von der Münster-Tafel gesprochen

RUMS stellt vor: Die Münster-Tafel (#2)

Alina Köller hat in der Reihe „Engagement in Münster“ mit Wolfgang Wittler von der Münster-Tafel darüber gesprochen, wo und wie die Mitarbeiter:innen Lebensmittel retten und was der Tafel fehlt, um noch mehr Hilfe leisten zu können. Das Gespräch wurde im Rahmen unserer Marketingaktion auf dem Weihnachtsmarkt 2021 geführt.

von Alina Köller
Wolfgang Wittler, Münster-Tafel e. V.

Interview mit Wolfgang Wittler

Herr Wittler, wie kann die Münster-Tafel hilfebedürftige Menschen unterstützen?

Wir wollen in erster Linie Lebensmittel erhalten und retten, die kurz vor dem Ablaufdatum sind und nicht direkt entsorgt werden sollen. Das Problem ist, dass immer noch überall viel zu viel produziert wird. Wir engagieren uns deshalb schon seit 23 Jahren. Mit den geretteten Lebensmitteln helfen wir wiederum den Menschen.

Woher kommen die Lebensmittel?

Größtenteils sind es Spenden von Lebensmittelläden und Großmärkten. Es gibt aber auch Fabriken, von denen wir direkt übrig gebliebene oder zu viel produzierte Ware abholen. Es beteiligen sich sogar fast alle Lebensmittelläden in Münster – außer den Bioläden. Manchmal haben wir auch Non-Food-Produkte aus Drogeriemärkten.

Wie werden die Spenden dann verteilt?

Es gibt keinen typischen Tafel-Laden. Wir haben ein Zentrallager, in dem wir die Lebensmittel sammeln. Wichtig ist dabei, dass viele Lebensmittel gekühlt werden müssen und diese Kühlkette auch nicht unterbrochen werden darf. Die eingesammelten Lebensmittel werden am gleichen Tag noch verteilt und durch Spenden aus dem Zentrallager ergänzt. Die Verteilstellen sind außer sonntags jeden Tag geöffnet. Dort sortieren wir alles und packen es geordnet in Körbe. Die Menschen können das, was sie gut gebrauchen können, mitnehmen. Und was sie nicht mögen, wird untereinander getauscht. Meistens können wir alle Lebensmittel noch am selben Tag verteilen, da bleibt nichts übrig.

Wo sind diese Verteilstellen?

Die Verteilstellen sind für die Kund:innen schnell und gut erreichbar, wie zum Beispiel die Verteilstelle im Begegnungszentrum Kinderhaus. Wir haben eine Tafel-Hotline, die Auskunft gibt, in welchem Stadtteil man sich melden kann. Die Kund:innen brauchen eine Sozialhilfe- oder auch Rentenbescheinigung mit Wohngeld, damit wir ihnen helfen können und dürfen.

Welche Menschen kommen zu Ihnen?

Vor allem Rentner:innen, Sozialhilfeempfänger:innen oder Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen. Wir sind zwar froh drüber, dass wir so vielen Abholer:innen mit unserem Angebot helfen können. Daran sehen wir aber auch, wie bedürftig die Bürger:innen auch in Münster sind. Eigentlich gäbe es noch viel mehr Bedarf, aber viele Menschen trauen sich nicht zum Amt zu gehen, um sich eine Bescheinigung zu holen.

Die Abholer:innen bringen alle eine eigene Geschichte mit. Können Sie sie auch über die Lebensmittelspenden hinaus unterstützen?

Wir sind teilweise automatisch Sozialarbeiter:innen, denn natürlich erzählen uns die Menschen von ihren Problemen und wir versuchen, darauf einzugehen. Aber wir dürfen diese Sorgen nicht mit nach Hause nehmen. Dafür ist in diesem Job kein Platz. Ich selbst war früher Hartz-IV-Empfänger und habe meine Lebensmittel bei der Münster-Tafel erhalten. Irgendwann wollte ich dann etwas zurückgeben und habe selbst dort angefangen. Mein Ziel ist es, dass die Menschen glücklich nach Hause gehen, dann habe ich meine Arbeit richtig gemacht.

Ist der Hilfebedarf in den vergangenen Jahren in Münster angestiegen?

Wir beobachten auf jeden Fall eine Veränderung. Es trauen sich mittlerweile auch ein paar ältere Menschen, wieder zu uns zu kommen, seit ein paar Jahren sind es auch viele ausländische Mitbürger:innen. Und im Winter steigt der Bedarf noch einmal. Wie gesagt: Am Ende des Tages bleibt nie etwas übrig und das zeigt, wie sehr wir gebraucht werden.

Die Tafel ist nicht nur auf Spenden, sondern auch auf das Ehrenamt angewiesen. Wie viele Menschen helfen Ihnen?

Insgesamt sind es weit über 200 Mitarbeiter:innen, dazu zählen auch Fahrer:innen und Lagerist:innen. Vor Ort sieht man meistens nur die Leute in den Verteilstellen. Ohne die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen würde das System nicht funktionieren. Wir haben zum Glück unglaublich viele Student:innen, die mit anpacken. Darüber hinaus sind wir natürlich auch auf finanzielle Spenden angewiesen. Alle vier bis fünf Jahre müssen wir zum Beispiel die Lieferwagen und Kühlfahrzeuge austauschen, weil wir damit große Strecken zurücklegen.

Was sind die größten Hürden, die Sie und das Team täglich zu bewältigen haben?

Ein großes Problem ist die Sprachbarriere in den Verteilstellen, da bräuchten wir eigentlich Dolmetscher:innen. Die Stadt Münster hat uns vor Jahren zugesagt, dass wir diese Hilfe bekommen, bis jetzt ist aber leider nichts passiert. Ein anderes Problem sind Lebensmittelschwankungen: Mal gibt es etwas mehr und an anderen Tagen zu wenig.

Gibt es etwas, das Sie sich von der Stadtverwaltung oder der Politik in Münster wünschen?

Es wäre hilfreich, wenn die Stadt die Lebensmittelläden aktiv dazu auffordert, übriggebliebene Lebensmittel zu spenden. Einige Firmen, von denen wir vorher Produkte erhalten haben, sind aus Münster weggezogen, da ist natürlich einiges weggefallen. Darüber hinaus könnte die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung tatsächlich besser sein. Wir bräuchten mehr Räumlichkeiten, um noch mehr Menschen helfen zu können. Außerdem schicken viele Sozialarbeiter:innen ihre Klient:innen sehr häufig einfach zu uns. Aber wir sind nur ein Verein und können das alles nicht alleine auffangen.

Sind neue Verteilstellen geplant?

Die Pläne sind da, aber die Umsetzung noch nicht, weil uns die Räumlichkeiten und Lagerflächen fehlen beziehungsweise nicht zur Verfügung gestellt werden. Uns würden wirklich schon kleine Räume helfen. Es gibt Stadtteile, in denen hätten wir gerne noch mehr Verteilstellen, und es gibt auch Bereiche, in denen es noch keine Anlaufstelle der Tafel gibt.

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