RUMS stellt vor: Anti Rost (#3)

Her­mann Holz­ap­fel und Wal­traud Gel­be enga­gie­ren sich bei Anti Rost Müns­ter. Der gemein­nüt­zi­ge Ver­ein hilft älte­ren Men­schen bei klei­nen Repa­ra­tur­ar­bei­ten im Haus­halt. Ann-Mar­len Hoolt hat in der Rei­he „Enga­ge­ment in Müns­ter“ mit ihnen über ihre Arbeit gespro­chen – und dar­über, war­um sie wich­tig für Müns­ter ist. Das Gespräch wur­de im Rah­men unse­rer Mar­ke­ting­ak­ti­on auf dem Weih­nachts­markt 2021 geführt.

Inter­view: Ann-Mar­len Hoolt

Wann haben Sie das letz­te Mal eine Glüh­bir­ne gewech­selt, Frau Gelbe?

Gel­be: Das ist schon ewig her. Aber seit ich Anti Rost ken­ne, muss ich das ja auch nicht mehr.

Holz­ap­fel: Das ist das Schö­ne bei uns. Wir haben eini­ge Mit­glie­der, die nicht hand­werk­lich unter­wegs sind. Die wis­sen dann immer genau, wen sie fra­gen müssen.

Der Slo­gan Ihres Ver­eins lau­tet „Senio­ren hel­fen Senio­ren“. Was heißt das für Sie genau?

Gel­be: Wir machen Kleinst­re­pa­ra­tu­ren – alles, wofür jetzt nicht unbe­dingt Handwerker:innen kom­men wür­den. Die Glüh­bir­ne zum Bei­spiel. Das kos­tet auch kaum etwas. Die Helfer:innen bekom­men fünf Euro für einen Auf­trag, damit ist alles abgegolten.

Geht das Geld dann in die Vereinskasse?

Holz­ap­fel: Nein, das geht an die Helfer:innen, qua­si als Aus­gleich für Fahrt­kos­ten, Werk­zeug, Tele­fon­ge­büh­ren und so wei­ter. Aber es gibt schon Fäl­le, in denen ein Hel­fer bei­spiels­wei­se viel­leicht das Gefühl hat, dass bei der Per­son, der er hilft, das Geld knapp ist. Dann ver­zich­ten die auch schon mal dar­auf. All unse­re Helfer:innen sind finan­zi­ell unab­hän­gig. Es sind Rentner:innen.

Gel­be: Wir hat­ten auch schon mal über­legt, alle Repa­ra­tu­ren kos­ten­los zu machen. Aber vie­len Kund:innen gibt das ein bes­se­res Gefühl, ein wenig zurück­ge­ben zu können.

Gibt es dann auch einen Schnaps zum Dank?

Gel­be: Kuchen vor allen Din­gen. Kuchen, Kaf­fee und ein Schwätzchen!

Anti Rost hat auch ein Büro. Da orga­ni­sie­ren Sie die Auf­trä­ge. Wie bezah­len Sie das, wenn die Auf­trä­ge die Ver­eins­kas­se nicht füllen?

Holz­ap­fel: Büro­mie­te, Inter­net, Tele­fon, Papier, Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen und so wei­ter – da kom­men schon acht- bis neun­tau­send Euro im Jahr zusam­men. Das ist eini­ges. Dafür sam­meln wir Spen­den, neh­men an Wett­be­wer­ben teil. Bis­her kom­men wir so ganz gut zurecht.

Wie kam es eigent­lich dazu, dass Anti Rost gegrün­det wurde?

Holz­ap­fel: Ent­stan­den ist Anti Rost vor 25 Jah­ren in der katho­li­schen Pfar­rei in Sankt Mau­ritz. Und die­se Rentner:innen-Initiative ist dann immer mehr gewach­sen und inzwi­schen sind wir ein gemein­nüt­zi­ger Ver­ein. Die klei­nen Arbei­ten, die wir erle­di­gen, dafür gibt es in ganz Müns­ter Bedarf.

Was war der letz­te hand­werk­li­che Auf­trag, den Sie als Hel­fer erle­digt haben?

Holz­ap­fel: Als Vor­sit­zen­der neh­me ich mich schon ein wenig her­aus dabei (lacht). Ich mache schon was, aber meis­tens eher bei Freund:innen oder in der Nach­bar­schaft. Aber es gibt so schö­ne Din­ge, an die ich mich erin­ne­re. Im letz­ten Jahr hat­ten wir zum Bei­spiel drei Mal Anfra­gen von älte­ren Damen, denen beim Hän­de­wa­schen der Ring im Abfluss ver­schwun­den ist.

Hof­fent­lich mit freu­di­gem Ausgang?

Holz­ap­fel: Zum Glück. Das sind ja nicht irgend­wel­che Rin­ge aus dem Kau­gum­mi­au­to­ma­ten. Das ist ein rich­ti­ger Not­ein­satz. Dann muss sofort jemand kom­men, mit Stirn­lam­pe, Draht und so wei­ter, viel­leicht auch mit Demon­ta­ge des Syphons.

Gel­be: In der letz­ten Woche hat­te ich Büro­dienst und eine Dame über 80 rief an, deren Wäsche­lei­ne ver­kno­tet war. Sie hat­te noch dazu den Arm gebro­chen und war voll­kom­men hilf­los und tod­un­glück­lich. Die nas­se Wäsche lag da und sie bekam die Lei­ne nicht aus­ein­an­der. Wir haben dann inner­halb von einer Stun­de orga­ni­siert, dass sofort jemand vor­bei­kommt. Sie war schnell wie­der hap­py und alles war gut.

Holz­ap­fel: Vie­le Anru­fe, bei denen wir schmun­zeln müs­sen, haben oft einen erns­ten Hin­ter­grund. Vie­le alte Leu­te, oft alte Damen, sind ein­sam. Die Ver­wand­ten woh­nen nicht um die Ecke, viel­leicht ist auch schon der Part­ner gestor­ben. Das ist dann ein rich­ti­ges Pro­blem, wenn die Decken­leuch­te im Bad gewech­selt oder das Flu­sen­sieb in der Wasch­ma­schi­ne gesäu­bert wer­den muss. Da ist es schon wich­tig, dass wir auch Ein­füh­lungs­ver­mö­gen zei­gen. Wer bei uns anruft, braucht viel­leicht auch ein­fach mal jeman­den zum Reden.

Ist das auch etwas, wofür ihr Ver­ein steht? Auf­trag aus­füh­ren und dann Kaf­fee, Kek­se und Gesellschaft? 

Gel­be: Natür­lich nur, wenn das gewollt ist. Und bei man­chen Anlie­gen kön­nen wir auch nicht hel­fen. Schrei­ben vom Gericht zum Bei­spiel, die leh­nen wir immer ab.

Holz­ap­fel: Da erge­ben sich vie­le gute Gesprä­che, die auch sehr berüh­ren. Und wir erfah­ren auch viel Dank­bar­keit. Das gibt natür­lich auch ein gutes Gefühl. Ich gehe dann zufrie­den und fröh­lich nach Hau­se. Das ist das, was Anti Rost ausmacht.

Gibt es denn auch Berufs­tä­ti­ge bei Ihnen? 

Gel­be: Wir sind alle aus dem akti­ven Berufs­le­ben aus­ge­schie­den. Aber wir haben alle Pro­fes­sio­nen dabei. Fliesenleger:innen, Physikprofessor:innen, Ärzt:innen.

Holz­ap­fel: Jurist:innen, Lehrer:innen – es gibt eigent­lich nichts, wofür wir kei­ne Spezialist:innen haben. Wir haben eine Frau, die gibt nur Hil­fe­stel­lung bei Apple-Han­­dys und -Com­pu­tern, und das macht sie in ganz Müns­ter. Die erle­digt das alles mit dem Fahr­rad. Meis­tens haben die Helfer:innen aber nur Auf­trä­ge in ihrem Stadtteil.

Wie kam es denn, dass sie bei­de beschlos­sen haben, sich bei Anti Rost zu engagieren? 

Holz­ap­fel: Für mich war eigent­lich immer klar, dass ich mei­ne Pen­sio­nie­rung nicht nur damit ver­brin­gen möch­te, mit Freund:innen zu früh­stü­cken oder Motor­rad zu fah­ren. Vor­her war ich bei einem ande­ren Ver­ein, da fehl­te mir der Humor und es war mir zu hier­ar­chisch. Aber inzwi­schen bin ich schon seit sechs oder sie­ben Jah­ren mit viel Freu­de bei Anti Rost.

Gel­be: Ich bin zu Anti Rost gekom­men, als ich Hil­fe am Com­pu­ter brauch­te. Es kam dann eine heu­ti­ge Kol­le­gin vor­bei und hat das Pro­blem ganz schnell gelöst. Wir haben uns gut unter­hal­ten und als sie mir erzählt hat, was Anti Rost alles macht, dach­te ich: Das ist ja genau das, was ich machen möch­te. Das kann ich. Und ich bin heu­te noch mit Begeis­te­rung dabei. Gera­de habe ich eine schwie­ri­ge Lebens­pha­se hin­ter mir. Da war Anti Rost auch so etwas wie Lebens­hil­fe oder The­ra­pie für mich. So ein Enga­ge­ment struk­tu­riert ja auch den All­tag. Das hilft mir sehr.

Bei ehren­amt­li­chen Ver­ei­nen ist es oft so, dass es viel zu vie­le Auf­ga­ben gibt, aber viel zu wenig Leu­te. Da pas­siert es leicht, dass das Ehren­amt die Men­schen auffrisst. 

Holz­ap­fel: Zum Glück ist das bei uns nicht so. Es mel­den sich so vie­le Frei­wil­li­ge, dass wir schon immer auf unse­re War­te­lis­te ver­wei­sen müs­sen. Im letz­ten Jahr haben wir trotz Coro­na gut tau­send Auf­trä­ge bear­bei­tet, und dazu kom­men dann min­des­tens 500 Anru­fe, bei denen wir lei­der absa­gen müs­sen. Wir wol­len schon noch garan­tie­ren, dass all unse­re Helfer:innen auch etwas zu tun haben. Wenn es nur einen Auf­trag im Monat gäbe pro Helfer:in, dann wäre das zu wenig.

Gel­be: Eini­ge Helfer:innen, die schon etwas län­ger dabei sind, haben inzwi­schen auch schon ihre Stammkund:innen. Da ver­su­chen wir ein wenig dar­auf zu ach­ten, dass die nicht alle Auf­trä­ge einheimsen.

Holz­ap­fel: Ich erin­ne­re mich an eine Dame, die immer mal wie­der anrief, weil sie woll­te, dass ihre Bil­der umge­hängt wer­den. Vom Flur ins Wohn­zim­mer oder so. Und die hat immer den­sel­ben Hel­fer ver­langt. Das war ihre Art, unter Leu­te zu kommen.

Vie­le Men­schen, gera­de älte­re, sind ein­sam. Ist Anti Rost denn so bekannt, dass alle, die Bedarf haben, davon pro­fi­tie­ren können? 

Gel­be: Vie­le ken­nen uns. Aber es gibt doch eine Hemm­schwel­le, auch wirk­lich bei uns anzu­ru­fen. Vie­le trau­en sich nicht, um Hil­fe zu bit­ten. Ich sage dann: Nur Mut, ein­fach anru­fen. Wir machen alles, was wir kön­nen. Inzwi­schen gibt es vie­le Anfra­gen im IT-Bereich. Com­pu­ter, Smart­phone, Fern­se­her – das machen wir auch. Ich selbst habe davon auch pro­fi­tiert. Ich wäre hilf­los gewe­sen, wenn ich Anti Rost nicht ken­nen wür­de. Wenn es das nicht gäbe, müss­te es schnell erfun­den werden.

War­um ist das, was Sie machen, wich­tig für Münster? 

Holz­ap­fel: Wir decken einen Bereich ab, um den sich vor­her nie­mand geküm­mert hat. Und in letz­ter Zeit bekom­men wir vie­le Anfra­gen von Städ­ten und Gemein­den, die ähn­li­che Ver­ei­ne grün­den wol­len. Die schau­en sich dann an, wie wir arbei­ten. Len­ge­rich ist da ein Bei­spiel. Da mer­ken wir, dass wir etwas rich­tig machen.

Gel­be: In vie­len Orten ist die Nach­bar­schafts­hil­fe ja lei­der nicht mehr so intakt. Die Kin­der oder Ver­wand­ten woh­nen in ande­ren Orten. Der Pfle­ge­dienst macht bestimm­te Din­ge, die Hausärzt:innen auch – und wir fül­len mit unse­ren Kleinst­re­pa­ra­tu­ren eben die Lücke. Eine Geschich­te, die mir gera­de ein­fällt: Wir haben ein­mal den Kana­ri­en­vo­gel einer alten Dame geret­tet, der hin­ter den Schrank gefal­len war. Das berührt mich bis heu­te. Das war das ein­zi­ge leben­de Wesen, das die­se Dame um sich hat­te. Und da hel­fen zu kön­nen, da ist wirk­lich schön.

Gespräche auf dem X-MS-Markt 2021

Im Rah­men unse­rer Wei­h­­nachts­­markt-Mar­ke­­tin­g­ak­­ti­on auf dem X-MS-Markt 2021 in Müns­ter woll­ten wir Men­schen vor­stel­len, die sich in der Stadt enga­gie­ren. Lei­der konn­ten wir wegen der Coro­­na-Beschrän­­kun­­gen die­se Gesprä­che, bei denen wir ver­schie­de­nen Ehren­amts­or­ga­ni­sa­tio­nen eine Büh­ne gebo­ten haben, nicht vor Publi­kum füh­ren. Aber wir haben sie auf­ge­nom­men und ver­öf­fent­li­chen sie nun in gekürz­ter Ver­si­on als schrift­li­che Interviews.

Die Inter­views mit den ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen, mit denen wir auf dem Weih­nachts­markt gespro­chen haben, fin­den Sie auf die­ser Sei­te.