Community-Beitrag
Alina Köller hat mit Jennifer Heyer vom Pflegeheim „Haus Thomas“ gesprochen

RUMS stellt vor: Das Haus Thomas (#4)

Alina Köller hat in der Reihe „Engagement in Münster“ mit Jennifer Heyer vom Pflegeheim „Haus Thomas“ darüber gesprochen, wie die Einrichtung älteren Menschen mit körperlicher oder psychischer Erkrankung helfen kann. Das Gespräch wurde im Rahmen unserer Marketingaktion auf dem Weihnachtsmarkt 2021 geführt.

von Alina Köller
Jennifer Heyer, Das Haus Thomas, Alexianer Münster GmbH

Interview mit Jennifer Heyer

Frau Heyer, wen unterstützt das Haus Thomas?

Wir sind eine Pflegeeinrichtung für 54 Menschen mit einer geistigen Behinderung, einer psychischen Erkrankung oder einer anderen Besonderheit. Das sind Menschen, die nicht in üblichen Pflegeeinrichtungen oder Altenpflegeeinrichtungen unterkommen können. In erster Linie ist das Haus Thomas für die Menschen da, die bereits auf dem Alexianer-Campus in einer anderen Einrichtung gelebt haben, dann aber pflegebedürftig geworden sind. Es gibt aber auch Bewohner:innen mit einer psychischen Erkrankung, denen andere Einrichtungen zuvor nicht gerecht werden konnten, weil sie mehr Betreuung und geordnete Strukturen brauchten. Oder es sind Bewohner:innen, denen der Vertrag in einer Heimeinrichtung gekündigt wurde. Die Menschen hier sind sehr unterschiedlich, finden aber im Haus Thomas alle ein Zuhause.

Viele ältere Menschen außerhalb von Einrichtungen wohnen alleine und haben keinen Kontakt mehr zu ihren Familien. Wie finden diese Menschen zu Ihnen?

Auf unterschiedlichsten Wegen. Es gibt entweder schon noch Angehörige, die sich Hilfe suchend an uns wenden, aber auch viele gesetzliche Betreuer:innen. Einige Bewohner:innen werden auch durch das Sozialamt an uns vermittelt, wenn die Person keine Pflegeeinrichtung findet.

Das klingt nach einer intensiven Betreuung. Wie gewährleisten Sie diese?

Wir haben ein sehr großes Team und einen besseren Personalschlüssel, als er in vielen Pflegeeinrichtungen üblich ist, um den besonderen Bedürfnissen unserer Bewohner:innen gerecht zu werden. Bei uns arbeiten Altenpfleger:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, Heilerziehungspfleger:innen, aber auch Mitarbeiter:innen, die keine besondere Ausbildung haben, sich aber fachlich weitergebildet haben. Daneben beschäftigt die Einrichtung auch Pädagog:innen und Sozialarbeiter:innen. Wir sind also ein sehr breit gefächertes und buntes Team.

Was sind Besonderheiten in dem typischen Tagesablauf der Bewohner:innen?

Sie brauchen in erster Linie bei der Pflege Hilfe. Manche können zum Beispiel aus eigenem Antrieb nicht das Bett verlassen, wir müssen sie motivieren und anleiten. Wer kann und möchte, kann einem ganz normalen Tagesablauf folgen, also gemeinsam mit den anderen Bewohner:innen frühstücken und anschließend in der Werkstatt auf dem Gelände arbeiten oder die Angebote der sozialen Betreuung nutzen. Im Haus Thomas darf man aber auch Langschläfer:in sein. Eigentlich ist alles wie Zuhause und genau das ist unser Ziel.

Welche Angebote machen Sie den Bewohner:innen?

Ein schönes Beispiel ist die morgendliche Zeitungsrunde der sozialen Betreuung. Unsere Bewohner:innen möchten auch darüber informiert sein, was auf der Welt so los ist. Über den Tag verteilt finden verschiedene Betreuungsangebote statt, von kreativem Schaffen bis zu Gesellschaftsspielen. Es gibt auch einen Schönheitssalon bei uns im Haus. Und die Bewohner:innen können selbst entscheiden, an welchen Tätigkeiten sie teilnehmen möchten oder ob keine Betreuung gewünscht wird. Jede:r hat mal einen Tag, an dem er oder sie am liebsten nichts machen möchte außer auf dem Sofa liegen und fernsehen.

Die Menschen verbringen viel Zeit bei Ihnen. Wie schaffen Sie es, dass sie nicht von der Außenwelt und der Gesellschaft abgeschottet werden? 

Durch die Angliederung an den Alexianer-Campus herrscht hier eigentlich immer reges Treiben. Natürlich ist der Campus am Rande von Münster nicht ganz zentral gelegen, aber dafür findet hier selbst sehr viel Leben statt. Durch die unterschiedlichen Wohngruppen, Werkstätten, das Café und das Hotel ist es fast eine eigene kleine Stadt. Vor Corona waren hier auch sehr viele Gäste und Besucher:innen unterwegs. Besonders beliebt sind besondere Anlässe im Haus Thomas: Vom Oktoberfest bis Karneval wird hier alles gefeiert. Manchmal verwandeln wir das Haus für einen Abend in ein Restaurant mit Drei-Gänge-Menü, veranstalten eine Mottoparty oder funktionieren den Entspannungsraum mit einer Leinwand zum Kino um. Wir geben uns sehr viel Mühe, dass die Bewohner:innen sich wie Zuhause fühlen. Was uns dabei am meisten hilft ist Humor, denn wir lachen alle gerne gemeinsam.

Was sind die größten Herausforderungen und Hürden für Sie? 

Natürlich waren die letzten zwei Corona-Jahre wirklich eine große Herausforderung für uns, denn uns geht es immer darum, die Bewohner:innen zu schützen. Diese verstehen unter Umständen gar nicht, was gerade los ist. Ich kann mich ganz gut an einen Bewohner erinnern, der, als wir die ersten Tage Masken getragen haben, immer sagte: „Ich will auch so was, ich will auch so was.“ Es gibt aber auch viele Bewohner:innen, die das Tragen einer Maske und die Maßnahmen nicht verstehen und dies auch nicht können. Gerade Menschen in besonderer Betreuung brauchen Strukturen. Wenn dann jede Woche ein neues Hygienekonzept und veränderte Regeln kommen, ist das eine große Herausforderung. Wie sollen wir zum Beispiel erklären, dass sie nicht mehr von Freund:innen oder der Familie besucht werden dürfen?

Sie sprechen die Familien an: Wie können Angehörige ältere Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung unterstützen? 

Auch wenn es schwierig ist, ist es besonders wichtig, die Krankheit oder Veränderung des Menschen zu akzeptieren. Psychische Erkrankungen und die damit verbundenen Schmerzen sind nicht wie ein gebrochenes Bein auf den ersten Blick zu erkennen. Um die jeweilige Erkrankung zu verstehen, sollte man sich darüber informieren und versuchen, die Bedürfnisse der betroffenen Person zu erkennen. Manchmal hilft es auch, einfach da zu sein oder gemeinsam etwas zu unternehmen.

Gibt es etwas, das Sie sich von der Stadtverwaltung oder der Politik in Münster wünschen? 

Das Kopfsteinpflaster rund um den Prinzipalmarkt zum Beispiel ist nicht unbedingt barrierefreundlich, das fällt den meisten Menschen im Alltag gar nicht auf. Aber für Menschen mit Einschränkungen wäre es hilfreich, wenn die Stadt noch mehr auf Barrierefreiheit achten würde. Eine andere Sache ist die Lage des Alexianer-Campus, die für die Mitarbeiter:innen nicht so attraktiv ist. Hinzu kommt erschwerend eine nicht ausreichende Busanbindung, sodass wir einige Dienste sogar an den Busplan anpassen müssen. Mit einer besseren Anbindung könnte der Alexianer-Campus als Arbeitgeber viel attraktiver werden. So hätten es die Mitarbeiter:innen und Besucher:innen viel leichter.

Ein anderer Punkt ist das Ehrenamt. Wir setzen sehr stark darauf, aber viele Menschen schreckt das Engagement ab, weil sie mit einem sehr hohen Zeitaufwand rechnen. Aber es reicht ja schon ab und zu ein kurzer Besuch im Haus Thomas oder auch eine Brieffreundschaft. Die Bewohner:innen freuen sich sehr über persönliche Post, da viele keine Angehörigen mehr haben. In unserer Schreibwerkstatt antworten wir dann gemeinsam auf diese Post, das macht den Bewohner:innen unglaublich Spaß und hält die Verbindung zur Gesellschaft.

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