RUMS stellt vor: Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ (#7)

Ali­na Köl­ler hat mit Cars­ten Peters vom Bünd­nis „Kei­nen Meter den Nazis“ über die Arbeit und die Zie­le des Bünd­nis­ses in Müns­ter gespro­chen, und über die aktu­el­len Coro­na-Demons­tra­tio­nen. Das Gespräch wur­de im Rah­men unse­rer Mar­ke­ting­ak­ti­on im Dezem­ber 2021 auf dem Weih­nachts­markt geführt.

Inter­view: Ali­na Köller

Herr Peters, wer gehört zum Bünd­nis „Kei­nen Meter den Nazis“?

Wir sind ein Zusam­men­schluss von zahl­rei­chen Grup­pen, Par­tei­en und Initia­ti­ven aus dem Stadt­ge­biet. Dazu gehö­ren Par­tei­en wie die SPD, die Grü­nen und die Lin­ke, anti­fa­schis­ti­sche Initia­ti­ven wie die Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes - Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA) oder die Anti­fa­schis­ti­sche Lin­ke Müns­ter. Dar­über hin­aus sind Gewerk­schaf­ten, Kul­tur­ver­ei­ne und Frie­dens­grup­pen, aber auch Orga­ni­sa­tio­nen wie „Ende Gelän­de“ dabei. Der Name unse­res Bünd­nis­ses „Kei­nen Meter den Nazis“ darf durch­aus wört­lich und pro­gram­ma­tisch genom­men wer­den. Wir wol­len extrem rech­ten Kräf­ten hier in der Stadt kei­nen Raum las­sen. Wir sind mit Gegen­pro­tes­ten immer dann vor Ort, wenn rech­te Kräf­te – sei­en es bei­spiels­wei­se Neo­na­zi­grup­pen oder rech­te Par­tei­en wie die AfD – ver­su­chen, Ver­an­stal­tun­gen zu organisieren.

Im Ver­gleich zu ande­ren Städ­ten hat es die rech­te Sze­ne in Müns­ter ver­hält­nis­mä­ßig schwer. Wel­che ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen gibt es hier?

2012 gab es noch die Grup­pe der Natio­na­len Sozia­lis­ten Müns­ter (NASOMS), die sich dann aber rela­tiv schnell wie­der auf­ge­löst hat. Die Grup­pen, die danach hier auf­ge­taucht sind, kamen in aller Regel von aus­wärts. Die NPD hat ein­mal ver­sucht, hier Ver­an­stal­tun­gen durch­zu­füh­ren, Pro NRW eben­falls. Ab 2016 haben wir uns dann im Grun­de aber vor allem mit der AfD in Müns­ter aus­ein­an­der­ge­setzt. Die AfD ist für uns kei­ne demo­kra­ti­sche Par­tei, son­dern eine extrem rech­te Par­tei, der man ent­ge­gen­tre­ten muss. Die­ses Pro­blem haben wir immer schon auf­ge­grif­fen, the­ma­ti­siert und kri­ti­siert, denn die­ses The­ma gehört in die Öffent­lich­keit – und man soll­te sich damit auseinandersetzen.

Wie sehen kon­kre­te Aktio­nen aus, die das Bünd­nis veranstaltet?

Bei einem Nazi­auf­marsch zum Bei­spiel rufen wir ganz bewusst zu Sitz­blo­cka­den auf, um den Auf­marsch zu stop­pen. Oder wir ver­su­chen zu ver­hin­dern, dass die AfD Räum­lich­kei­ten für ihre Ver­an­stal­tun­gen bekommt. Am Anfang ihrer Akti­vi­tä­ten haben sich die Par­tei­mit­glie­der häu­fig in Gast­stät­ten getrof­fen, wir haben uns dann direkt davor ver­sam­melt. Mit sol­chen Aktio­nen konn­ten wir bewir­ken, dass die Gastronom:innen nicht mehr an die AfD ver­mie­ten woll­ten. Es stell­te sich zudem oft her­aus, dass die AfD ver­such­te, unter fal­scher Flag­ge Räu­me anzumieten.

Was pas­siert im Bünd­nis, wenn Sie zum Bei­spiel von Pro­tes­ten wie den Coro­­na-Demons­­tra­­tio­­nen erfahren?

Wir bespre­chen zunächst intern, wie wir damit umge­hen. In aller Regel ist klar, dass wir bei der Poli­zei eine eige­ne Ver­samm­lung anmel­den. Demons­tra­tio­nen müs­sen 48 Stun­den vor­her ange­mel­det wer­den. Sol­che orga­ni­sa­to­ri­schen Abläu­fe haben sich aber in den letz­ten zehn Jah­ren in unse­rem Team sehr gut ein­ge­spielt. Das Wich­tigs­te ist dann natür­lich die Öffent­lich­keits­ar­beit, um mög­lichst vie­le Men­schen zu mobi­li­sie­ren. Aber wir reagie­ren nicht nur auf ande­re Ver­an­stal­tun­gen, son­dern pla­nen auch unab­hän­gig davon eige­ne Ver­an­stal­tungs­rei­hen gegen Rassismus.

War­um sind die Coro­­na-Demons­­tra­­tio­­nen, wie sie zur­zeit mon­tags abends statt­fin­den, aus Ihrer Sicht so gefährlich?

Man muss da ganz genau hin­schau­en: Wer orga­ni­siert die­se Ver­an­stal­tun­gen und wer spricht dort? Wir haben uns seit Beginn der Pan­de­mie mit den Pro­tes­ten gegen die Coro­na­maß­nah­men aus­ein­an­der­ge­setzt. Zu Beginn waren die­se teil­wei­se eher eso­te­risch ange­haucht. Inzwi­schen hat sich das Gan­ze aber eta­bliert und wir sehen, wer an die­sen Ver­an­stal­tun­gen teil­nimmt. Die AfD zum Bei­spiel hat immer zu die­sen Demons­tra­tio­nen auf­ge­ru­fen und sich als Par­tei der Impfgegner:innen bezeich­net. Das Pro­blem ist, dass auf die­sen Ver­an­stal­tun­gen vie­le Men­schen unter­wegs sind, die mög­li­cher­wei­se ganz ande­re poli­ti­sche Ansich­ten ver­tre­ten. Das Gan­ze ist ein Treff- und Anlauf­punkt für die unter­schied­lichs­ten Grup­pen gewor­den, dar­un­ter eben auch Per­so­nen aus dem extrem rech­ten Spektrum.

Es ver­schwim­men also die Gren­zen zwi­schen der rech­ten Sze­ne und Bürger:innen, die nur gekom­men sind, um gegen die Impf­pflicht zu demonstrieren?

Hier tref­fen wirk­lich ganz unter­schied­li­che Sze­nen und Zie­le auf­ein­an­der. Zum Bei­spiel Men­schen mit einer grund­sätz­li­chen Hal­tung gegen die aktu­el­len Coro­na­maß­nah­men, aber auch Men­schen, die an Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien glau­ben oder sie sogar ver­brei­ten. Das Gan­ze bringt die Men­schen vor Ort dann näher zusam­men. Ich habe die­se Ver­samm­lun­gen über zwei Jah­re ganz genau beob­ach­tet. Die Men­schen dort bezeich­nen sich als freie Men­schen mit frei­em Bewusst­sein, und man­che von ihnen sind der Mei­nung, dass sie sich des­halb nicht mit Coro­na anste­cken könn­ten. Da kom­men lei­der so vie­le ver­schie­de­ne Din­ge zusam­men, die ein­fach völ­lig irra­tio­nal sind.

Wis­sen die ande­ren Teilnehmer:innen denn nicht, mit wem sie bei die­sen Ver­an­stal­tun­gen zum Teil protestieren?

Ich glau­be, dass das nicht unbe­dingt klar ist. Ich kann auch nach­voll­zie­hen, dass nicht jede:r Zeit hat, sich in spe­zi­el­le Chat-Räu­­me zu bege­ben und sich dort tat­säch­lich ein­mal tie­fer­ge­hend über die Hin­ter­grün­de zu infor­mie­ren. Trotz­dem wun­dert man sich natür­lich, wie es gewis­se Men­schen nach zwei Jah­ren Pan­de­mie immer noch schaf­fen, Halb­wahr­hei­ten, Unter­stel­lun­gen oder Ver­schwö­run­gen in die Welt zu set­zen, die dann auch geglaubt wer­den. Des­halb ist bei unse­ren Ver­samm­lun­gen eine Inten­siv­kran­ken­schwes­ter dabei, die auch in der Initia­ti­ve Müns­ter Cares aktiv ist. Sie erzählt von ihrer aktu­el­len Arbeit und klärt über die Situa­ti­on in den Kran­ken­häu­sern auf.

Ver­su­chen Sie auch, mit der Gegen­sei­te direkt zu spre­chen? Die­se Grup­pen hören sich ja nicht Ihre Anspra­chen an, das sind ja eher die Men­schen, die das Bünd­nis schon unterstützen.

Wir haben eher die Erfah­rung gemacht, dass man dar­über öffent­lich auf­klä­ren muss. Der direk­te Dia­log mit sol­chen Grup­pen ist manch­mal aus­ge­spro­chen schwie­rig. Wenn die Mei­nun­gen so ver­här­tet sind, lässt sich auch irgend­wann nicht mehr mit­ein­an­der spre­chen, und genau das mer­ken wir auf der Gegen­sei­te. Unse­re Auf­ga­be ist es daher, auf­zu­klä­ren und Men­schen zu fin­den, die mit uns gemein­sam auf die Stra­ße gehen.

Gibt es kon­kre­te Erfol­ge, die das Bünd­nis nach sol­chen oder ähn­li­chen Gegen­pro­test­ak­tio­nen ver­zeich­nen kann?

Es wird öffent­lich dar­über dis­ku­tiert. Wir sor­gen dafür, dass die­se Din­ge nicht ein­fach unter den Tisch fal­len. Die Aktio­nen gegen die AfD-Neu­­jahrs­­emp­­fän­­ge zum Bei­spiel waren immer auch Stadt­ge­spräch. Wir sind dar­über hin­aus eine Anlauf­stel­le für die Men­schen gewor­den, die den Coro­­na-Demons­­tra­­tio­­nen kri­tisch gegen­über­ste­hen. So kön­nen wir spe­zi­el­len Grup­pen in der Öffent­lich­keit Gehör ver­schaf­fen. Zum Bei­spiel eben den Men­schen, die in den Kran­ken­häu­sern arbei­ten und täg­lich mit den Fol­gen der hohen Infek­ti­ons­zah­len kon­fron­tiert sind.

Sie erhal­ten sicher­lich auch viel Gegen­wind. Was sind denn die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen für Sie per­sön­lich und für das Bündnis?

Ja, natür­lich wer­den wir auch ange­fein­det, das muss man dann ver­kraf­ten kön­nen. Ich habe mir mit der Zeit ein dickes Fell zuge­legt. Unter mei­nem Namen wur­den bei­spiels­wei­se Zei­tungs­abon­ne­ments abge­schlos­sen. Ich hat­te dann auf ein­mal Zei­tun­gen in mei­nem Brief­kas­ten, die ich gar nicht bestellt hat­te. So etwas pas­siert auch ande­ren Aktivist:innen. In sol­chen Fäl­len müs­sen wir mit viel Auf­wand alles wie­der abbe­stel­len und dem Ver­lag klar­ma­chen, dass es sich um gefälsch­te Bestel­lun­gen han­delt. Wir brin­gen sol­che Sachen aber auch regel­mä­ßig zur Anzei­ge. Lei­der gibt es natür­lich auch immer gewalt­be­rei­te Demonstrant:innen aus der rech­ten Sze­ne, damit muss man immer rech­nen. Auf einer der Coro­­na-Demons­­tra­­tio­­nen wur­de auch ein­mal der Hit­ler­gruß gezeigt. Da weiß man dann, mit wel­chen Men­schen man es zu tun hat.

Was wür­den Sie sich denn für Ihr Bünd­nis von der Stadt­ver­wal­tung, aber auch von den Münsteraner:innen wünschen?

Wir set­zen sehr stark auf das Enga­ge­ment der Bürger:innen und weni­ger auf Unter­stüt­zung aus der Stadt­ver­wal­tung oder des Ober­bür­ger­meis­ters – die sind ja auch zu einer gewis­sen Neu­tra­li­tät ver­pflich­tet. Tat­säch­lich neh­men sehr vie­le Men­schen an unse­ren Aktio­nen teil. Immer mehr Bürger:innen wol­len sich posi­tio­nie­ren und zei­gen, für wel­ches Gedan­ken­gut in Müns­ter kein Platz ist. Wir wün­schen uns, dass die Stadt­ge­sell­schaft so aktiv und enga­giert bleibt.

Gespräche auf dem X-MS-Markt 2021

Im Rah­men unse­rer Wei­h­­nachts­­markt-Mar­ke­­tin­g­ak­­ti­on auf dem X-MS-Markt 2021 in Müns­ter woll­ten wir Men­schen vor­stel­len, die sich in der Stadt enga­gie­ren. Lei­der konn­ten wir wegen der Coro­­na-Beschrän­­kun­­gen die­se Gesprä­che, bei denen wir ver­schie­de­nen Ehren­amts­or­ga­ni­sa­tio­nen eine Büh­ne gebo­ten haben, nicht vor Publi­kum füh­ren. Aber wir haben sie auf­ge­nom­men und ver­öf­fent­li­chen sie nun in gekürz­ter Ver­si­on als schrift­li­che Interviews.

Die Inter­views mit den ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen, mit denen wir auf dem Weih­nachts­markt gespro­chen haben, fin­den Sie auf die­ser Sei­te.