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„Es fasziniert mich, wie Jugendliche bei unseren Projekten ihre Persönlichkeit entwickeln“
Mit Kontaktverbot Kontakte knüpfen – noch nie war das Bedürfnis nach Gemeinschaftsleben größer und gleichzeitig schwieriger zu organisieren. Besonders für Jugendliche und Kinder. Die Studentin Jana Winkeljann ist Vorsitzende der Sportjugend in Münster. Loris Hoffmann hat mir ihr darüber gesprochen, wie es ist, mitten in der Coronapandemie ein neues Amt anzutreten, und warum es in den Sportvereinen nicht nur um Sport geht.

Interview mit Jana Winkeljann
Frau Winkeljann, Sie haben mitten in der ersten Coronawelle den Vorsitz der Sportjugend angetreten. Nicht unbedingt der ideale Zeitpunkt für einen Amtsantritt.
Das kann man so sagen. Aber ich habe versucht, die neue Aufgabe so anzunehmen, wie sie ist.
Ist der Start geglückt?
Ich denke schon. Vor allem, weil ich zu Beginn der Coronazeit noch mein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Sportjugend absolviert habe. Im August wurde ich dann zur Vorsitzenden gewählt. Dadurch habe ich bereits zu Beginn der Pandemie wichtige Einblicke aus verschiedenen Perspektiven bekommen.
Hat Ihnen das geholfen, die neu entstandenen Probleme zu meistern?
Ja, weil ich innerhalb der Sportjugend schon sehr gut vernetzt war. Wir haben schnell reagiert und natürlich viele Angebote in die digitale Welt verlagert, um den Kontakt zu den Kindern nicht zu verlieren. Aber klar, insgesamt war und ist es natürlich dennoch auch für uns keine einfache Zeit.
Sie studieren Erziehungswissenschaften und arbeiten ehrenamtlich für die Sportjugend. Das nimmt bestimmt viel Zeit in Anspruch.
Stimmt, vor allem, seit ich den Vorsitz habe. Ich arbeite mindestens zehn Stunden in der Woche für die Sportjugend.
Hat das Auswirkungen auf die Leistungen im Studium?
Bisher zum Glück noch nicht.
Warum investieren Sie so viel Zeit in ein Ehrenamt?
Jeden Tag zu erleben, wie Jugendliche durch unsere Angebote ihre Persönlichkeit entwickeln, fasziniert mich. Ich habe selbst durch die Sportjugend viel gelernt und erlebt. Und das möchte ich gerne an die Kinder weitergeben. Durch die Arbeit als Vorsitzende bin ich außerdem immer wieder gezwungen, meine Komfortzone zu verlassen und Neues zu lernen und umzusetzen. Mich dieser Herausforderung zu stellen, finde ich toll.
Könnten Sie kurz erklären, welche Aufgaben die Sportjugend hat?
Grob gesagt fördern wir die außersportliche Jugendarbeit – also alles, was an Veranstaltungen und Ausflügen neben dem Training stattfindet, um Kinder und Jugendliche zusammenzubringen und zu unterstützen. Wir sind außerdem ein Bindeglied zwischen den Vereinen und der Stadt. Die Kinder und Jugendlichen in den Vereinen wählen Jugendvertreter, die wiederum uns wählen. So vertreten wir gegenüber der Stadt die Interessen der Kinder und Jugendlichen, die Mitglieder in den Jugendabteilungen der Sportvereine in Münster sind. Das sind knapp 27.000 junge Menschen.
Ohne einen direkten Draht zu den Kindern klingt das nach einer großen Herausforderung.
Wir haben eigene Leitlinien und einen engen Kontakt zu den Jugendvertretern in den Vereinen. Dadurch haben wir zwar nicht unbedingt einen direkten Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen, aber wir bekommen diesen Draht über Projekte oder Veranstaltungen. Inwieweit unsere Anliegen und Ideen durch konkrete Vereinsangebote an die Kinder weitergegeben werden, kommt allerdings auf die Paten an. Das macht es manchmal schwierig.
Können Sie als Vorsitzende keinen Einfluss darauf nehmen?
Ich arbeite bei den Projekten mit und bin dadurch auch in Kontakt mit Kindern. Die Arbeit in den Vereinen kann ich aber nicht steuern. Und insgesamt haben sich meine Perspektive und damit meine Aufgaben geändert. Mittlerweile führe ich auch viele Gespräche mit der Politik und unseren Kooperationspartnern. Dadurch erkenne ich Schwierigkeiten und versuche, Lösungen zu finden.
Welche Schwierigkeiten?
Wir haben ganz verschiedene Angebote. Zum Beispiel Qualifikationen für Jugendliche, die Betreuung von Kindern in den Sommerferien und jugendpolitische Projekte. Wir versuchen, die Jugendlichen schon bei der Planung einzubeziehen und unsere Veranstaltungen und Kurse partizipativ zu gestalten. Das ist sehr spannend, aber auch eine große Herausforderung.
Können Sie das an einem Beispiel erklären?
Für unsere Ferienbetreuung „Bewegte Kids“ planen und organisieren wir das Programm gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen. Dafür nehmen wir uns immer sehr viel Zeit, denn der partizipative Ansatz bedeutet uns viel. Wir geraten oft in Diskussionen, weil die vielen verschiedenen Meinungen natürlich viel Zeit kosten, aber für uns zählt vor allem das Ergebnis.
Worum geht es bei den jugendpolitischen Projekten, die Sie erwähnt haben?
Wir planen zu jeder Wahl ein Projekt gemeinsam mit unseren Jugendlichen. Dabei besprechen wir Fragen, die uns bei der anstehenden Wahl wichtig sind, und bringen Jugendliche und Politiker:innen miteinander ins Gespräch.
Sie betreuen auch viele geflüchtete Kinder und Kinder mit Behinderung. Wie fördern Sie die Inklusion dieser Kinder?
Bei unserem Dachverband, dem Stadtsportbund Münster, gibt es eine Fachkraft, die ausschließlich für Integration und Inklusion verantwortlich ist. Mit ihr arbeiten wir natürlich zusammen. Und wir bieten zum Beispiel Übungsleiterausbildungen für geflüchtete Frauen und Männer an, damit diese eine bessere Chance haben, sich in Sportvereine zu integrieren.
Würden Sie sagen, mit nur einer Fachkraft ist der Bedarf an Angeboten für diese Kinder gedeckt?
Diese Fachkraft ist nicht die einzige Person im Stadtsportbund, die sich für das Thema engagiert. Es gibt auch noch eine Fachkraft für Jugendarbeit und einen Freiwilligendienst, die voll und ganz für uns da sind. Um in Zukunft noch mehr Projekte auf die Beine stellen zu können, wäre es schon wichtig für uns, noch mehr Hauptämter zu haben. Dann könnten wir noch mehr unserer Ideen verwirklichen. Grundsätzlich leben wir aber Vielfalt, ohne besondere Angebote für bestimmte Menschen oder Gruppen – etwa für Menschen mit Behinderung oder Migrationsgeschichte – zu schaffen. Bei uns ist jeder und jede immer willkommen.
In Ihrer Rolle als Vorsitzende sind Sie in ständigem Kontakt mit der Stadt und der Politik. Wie empfinden Sie diesen Austausch?
Ich habe das Gefühl, dass uns zugehört wird. Die Sportjugend sitzt aber auch im Ausschuss für Kinder, Jugendliche und Familien. Das macht für uns vieles einfacher und wir können die Themen, die uns wichtig sind, direkt in die Debatten einbringen.
Kooperation mit der Hochschule der Medien
Dieser Text ist im Rahmen eines Ausbildungsprojektes in Kooperation mit der Hochschule der Medien in Stuttgart entstanden. Studierende eines internationalen Kurses zum konstruktiven und dialogorientierten Journalismus haben für RUMS Interviews geführt und geschrieben. Die Redaktion hat zusammen mit den Dozent:innen die Studierenden bei der Themenfindung, Interviewvorbereitung und Textbearbeitung unterstützt. Die Interviews veröffentlichen wir nun in unregelmäßigen Abständen hier auf unserer Website.
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