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RUMS stellt vor: Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ (#7)
Alina Köller hat mit Carsten Peters vom Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ über die Arbeit und die Ziele des Bündnisses in Münster gesprochen, und über die aktuellen Corona-Demonstrationen. Das Gespräch wurde im Rahmen unserer Marketingaktion auf dem Weihnachtsmarkt 2021 geführt.
Interview mit Carsten Peters
Herr Peters, wer gehört zum Bündnis „Keinen Meter den Nazis“?
Wir sind ein Zusammenschluss von zahlreichen Gruppen, Parteien und Initiativen aus dem Stadtgebiet. Dazu gehören Parteien wie die SPD, die Grünen und die Linke, antifaschistische Initiativen wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA) oder die Antifaschistische Linke Münster. Darüber hinaus sind Gewerkschaften, Kulturvereine und Friedensgruppen, aber auch Organisationen wie „Ende Gelände“ dabei.
Der Name unseres Bündnisses „Keinen Meter den Nazis“ darf durchaus wörtlich und programmatisch genommen werden. Wir wollen extrem rechten Kräften hier in der Stadt keinen Raum lassen. Wir sind mit Gegenprotesten immer dann vor Ort, wenn rechte Kräfte – seien es beispielsweise Neonazigruppen oder rechte Parteien wie die AfD – versuchen, Veranstaltungen zu organisieren.
Im Vergleich zu anderen Städten hat es die rechte Szene in Münster verhältnismäßig schwer. Welche rassistischen und antisemitischen Organisationen gibt es hier?
2012 gab es noch die Gruppe der Nationalen Sozialisten Münster (NASOMS), die sich dann aber relativ schnell wieder aufgelöst hat. Die Gruppen, die danach hier aufgetaucht sind, kamen in aller Regel von auswärts. Die NPD hat einmal versucht, hier Veranstaltungen durchzuführen, Pro NRW ebenfalls. Ab 2016 haben wir uns dann im Grunde aber vor allem mit der AfD in Münster auseinandergesetzt. Die AfD ist für uns keine demokratische Partei, sondern eine extrem rechte Partei, der man entgegentreten muss. Dieses Problem haben wir immer schon aufgegriffen, thematisiert und kritisiert, denn dieses Thema gehört in die Öffentlichkeit – und man sollte sich damit auseinandersetzen.
Wie sehen konkrete Aktionen aus, die das Bündnis veranstaltet?
Bei einem Naziaufmarsch zum Beispiel rufen wir ganz bewusst zu Sitzblockaden auf, um den Aufmarsch zu stoppen. Oder wir versuchen zu verhindern, dass die AfD Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen bekommt. Am Anfang ihrer Aktivitäten haben sich die Parteimitglieder häufig in Gaststätten getroffen, wir haben uns dann direkt davor versammelt. Mit solchen Aktionen konnten wir bewirken, dass die Gastronom:innen nicht mehr an die AfD vermieten wollten. Es stellte sich zudem oft heraus, dass die AfD versuchte, unter falscher Flagge Räume anzumieten.
Was passiert im Bündnis, wenn Sie zum Beispiel von Protesten wie den Corona-Demonstrationen erfahren?
Wir besprechen zunächst intern, wie wir damit umgehen. In aller Regel ist klar, dass wir bei der Polizei eine eigene Versammlung anmelden. Demonstrationen müssen 48 Stunden vorher angemeldet werden. Solche organisatorischen Abläufe haben sich aber in den letzten zehn Jahren in unserem Team sehr gut eingespielt. Das Wichtigste ist dann natürlich die Öffentlichkeitsarbeit, um möglichst viele Menschen zu mobilisieren. Aber wir reagieren nicht nur auf andere Veranstaltungen, sondern planen auch unabhängig davon eigene Veranstaltungsreihen gegen Rassismus.
Warum sind die Corona-Demonstrationen, wie sie zurzeit montags abends stattfinden, aus Ihrer Sicht so gefährlich?
Man muss da ganz genau hinschauen: Wer organisiert diese Veranstaltungen und wer spricht dort? Wir haben uns seit Beginn der Pandemie mit den Protesten gegen die Coronamaßnahmen auseinandergesetzt. Zu Beginn waren diese teilweise eher esoterisch angehaucht. Inzwischen hat sich das Ganze aber etabliert und wir sehen, wer an diesen Veranstaltungen teilnimmt. Die AfD zum Beispiel hat immer zu diesen Demonstrationen aufgerufen und sich als Partei der Impfgegner:innen bezeichnet. Das Problem ist, dass auf diesen Veranstaltungen viele Menschen unterwegs sind, die möglicherweise ganz andere politische Ansichten vertreten. Das Ganze ist ein Treff- und Anlaufpunkt für die unterschiedlichsten Gruppen geworden, darunter eben auch Personen aus dem extrem rechten Spektrum.
Es verschwimmen also die Grenzen zwischen der rechten Szene und Bürger:innen, die nur gekommen sind, um gegen die Impfpicht zu demonstrieren?
Hier treffen wirklich ganz unterschiedliche Szenen und Ziele aufeinander. Zum Beispiel Menschen mit einer grundsätzlichen Haltung gegen die aktuellen Coronamaßnahmen, aber auch Menschen, die an Verschwörungsideologien glauben oder sie sogar verbreiten. Das Ganze bringt die Menschen vor Ort dann näher zusammen. Ich habe diese Versammlungen über zwei Jahre ganz genau beobachtet. Die Menschen dort bezeichnen sich als freie Menschen mit freiem Bewusstsein, und manche von ihnen sind der Meinung, dass sie sich deshalb nicht mit Corona anstecken könnten. Da kommen leider so viele verschiedene Dinge zusammen, die einfach völlig irrational sind.
Wissen die anderen Teilnehmer:innen denn nicht, mit wem sie bei diesen Veranstaltungen zum Teil protestieren?
Ich glaube, dass das nicht unbedingt klar ist. Ich kann auch nachvollziehen, dass nicht jede:r Zeit hat, sich in spezielle Chat-Räume zu begeben und sich dort tatsächlich einmal tiefergehend über die Hintergründe zu informieren.
Trotzdem wundert man sich natürlich, wie es gewisse Menschen nach zwei Jahren Pandemie immer noch schaffen, Halbwahrheiten, Unterstellungen oder Verschwörungen in die Welt zu setzen, die dann auch geglaubt werden. Deshalb ist bei unseren Versammlungen eine Intensivkrankenschwester dabei, die auch in der Initiative Münster Cares aktiv ist. Sie erzählt von ihrer aktuellen Arbeit und klärt über die Situation in den Krankenhäusern auf.
Versuchen Sie auch, mit der Gegenseite direkt zu sprechen? Diese Gruppen hören sich ja nicht Ihre Ansprachen an, das sind ja eher die Menschen, die das Bündnis schon unterstützen.
Wir haben eher die Erfahrung gemacht, dass man darüber öffentlich aufklären muss. Der direkte Dialog mit solchen Gruppen ist manchmal ausgesprochen schwierig. Wenn die Meinungen so verhärtet sind, lässt sich auch irgendwann nicht mehr miteinander sprechen, und genau das merken wir auf der Gegenseite. Unsere Aufgabe ist es daher, aufzuklären und Menschen zu finden, die mit uns gemeinsam auf die Straße gehen.
Gibt es konkrete Erfolge, die das Bündnis nach solchen oder ähnlichen Gegenprotestaktionen verzeichnen kann?
Es wird öffentlich darüber diskutiert. Wir sorgen dafür, dass diese Dinge nicht einfach unter den Tisch fallen. Die Aktionen gegen die AfD-Neujahrsempfänge zum Beispiel waren immer auch Stadtgespräch. Wir sind darüber hinaus eine Anlaufstelle für die Menschen geworden, die den Corona-Demonstrationen kritisch gegenüberstehen. So können wir speziellen Gruppen in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen. Zum Beispiel eben den Menschen, die in den Krankenhäusern arbeiten und täglich mit den Folgen der hohen Infektionszahlen konfrontiert sind.
Sie erhalten sicherlich auch viel Gegenwind. Was sind denn die größten Herausforderungen für Sie persönlich und für das Bündnis?
Ja, natürlich werden wir auch angefeindet, das muss man dann verkraften können. Ich habe mir mit der Zeit ein dickes Fell zugelegt. Unter meinem Namen wurden beispielsweise Zeitungsabonnements abgeschlossen. Ich hatte dann auf einmal Zeitungen in meinem Briefkasten, die ich gar nicht bestellt hatte. So etwas passiert auch anderen Aktivist:innen. In solchen Fällen müssen wir mit viel Aufwand alles wieder abbestellen und dem Verlag klarmachen, dass es sich um gefälschte Bestellungen handelt. Wir bringen solche Sachen aber auch regelmäßig zur Anzeige. Leider gibt es natürlich auch immer gewaltbereite Demonstrant:innen aus der rechten Szene, damit muss man immer rechnen. Auf einer der Corona-Demonstrationen wurde auch einmal der Hitlergruß gezeigt. Da weiß man dann, mit welchen Menschen man es zu tun hat.
Was würden Sie sich denn für Ihr Bündnis von der Stadtverwaltung, aber auch von den Münsteraner:innen wünschen?
Wir setzen sehr stark auf das Engagement der Bürger:innen und weniger auf Unterstützung aus der Stadtverwaltung oder des Oberbürgermeisters – die sind ja auch zu einer gewissen Neutralität verpichtet. Tatsächlich nehmen sehr viele Menschen an unseren Aktionen teil. Immer mehr Bürger:innen wollen sich positionieren und zeigen, für welches Gedankengut in Münster kein Platz ist. Wir wünschen uns, dass die Stadtgesellschaft so aktiv und engagiert bleibt.
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