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Protest gegen das Bauvorhaben am Kanal

Die Entfremdung

Die SPD wollte etwas schaffen, das in Münster so dringend gebraucht wird wie kaum etwas anderes: Wohnraum. Doch auf dem Gebiet am Kanal, das man dafür vorgesehen hatte, liegen mehrere Kleingärten und der Sportverein TuS Saxonia. Die Vereine protestierten gemeinsam gegen die Pläne. Am Ende erreichten sie, dass der Rat der Stadt die Idee einstimmig verwarf. Die Geschichte zeigt, wie viel Macht Vereine haben und wie Wahlkampf funktioniert. Chronologie einer gescheiterten Idee.

von Torben Becker • Redaktion: Ralf Heimann • Fotos: Nikolaus Urban und Laura Schenk

Halle Münsterland, Foyer, kurz nach 23 Uhr. Ralf Feldhaus, Vorsitzender des Sportvereins TuS Saxonia, steht neben den beiden Kleingärtnerinnen Manuela Loddenkämper und Christiane König. In den letzten Monaten sind sie Verbündete geworden, Freunde vielleicht. Feldhaus schwingt seine rechte Faust wie ein jubelnder Torschütze: „Wir haben es geschafft!“, ruft er ins Nichts. Das Foyer ist fast menschenleer, seine Stimme hallt durch den kahlen Raum. Hinter den dreien schlurfen die letzten Zuschauer:innen aus der Halle. Sechs Stunden lang hat hier heute der Rat der Stadt Münster getagt, die letzte Sitzung vor der Wahl. Im kühlen Licht der Deckenscheinwerfer sieht Feldhaus müde aus, aber egal, es hat sich gelohnt. Denn er, die beiden Kleingärtnerinnen, rund 400 Demonstrant:innen, die am Nachmittag vor der Halle protestierten, und viele Unterstützer:innen haben gewonnen. Gegen die SPD.

Die letzte Augustwoche ist angebrochen, der Countdown zur Kommunalwahl hat begonnen, der Sommer ist vorbei, kühl ist es plötzlich, regnerisch, einmal zieht ein Unwetter durch. Und abgekühlt ist auch der Wahlkampf in diesem Jahr. Politik funktioniert in Zeiten von Corona nur auf Abstand. Großveranstaltungen, Bierzeltreden, Hausbesuche? Müssen ausfallen.

Doch in dieser letzten Augustwoche geht die Wahlkampftemperatur noch einmal hoch.

Als sich die Kleingärtner:innen und Saxonia-Sportler:innen gegen die Pläne der SPD stemmten, auf ihrem Grund einen neuen Stadtteil zu bauen. Als CDU und Grüne alles daran setzten, aus dem Lapsus der Genoss:innen eigenes Kapital zu schlagen. Als es wieder einmal um das Dauerthema ging: Wo bauen? Wie wachsen? Wie den Anstieg der Mieten bremsen, umweltverträglich und sozial?

In elf Jahren ist Münster um 40.000 Menschen gewachsen. Bis 2030 werden je nach Rechnung weitere 20.000 prognostiziert. Der Wohnraum ist knapp. Rund 160.000 Wohnungen gibt es für aktuell 315.000 Münsteraner:innen. Zudem teilt sich Münster mit Düsseldorf, Bonn und Köln die Spitze bei hohen Grundstückspreisen. Der Quadratmetermietpreis liegt im Stadtzentrum längst deutlich über der Zehn-Euro-Marke. Was also tun?

Mittwoch, 10. Juni 2020

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