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Ende eines Teufelskreises?
Das Projekt „Bunte Schule“ gibt straffällig gewordenen Menschen eine Perspektive. Ihre Strafe ist: Sie streichen Klassenräume. Ist das sinnvoll? Lara Voelter von der Reportageschule Reutlingen war zwei Tage lang mit dabei.
Degg Barkhads findet seine Zuversicht an diesem Tag in einem Putzraum. Die Arbeit dort gibt ihm das Gefühl, gebraucht zu werden. Etwas zu schaffen, Anerkennung zu bekommen. Vorsichtig klopft er einen Farbroller am Rand eines Eimers ab und hält ihn unter den Wasserstrahl im Waschbecken. Weiße Farbe rinnt in den Abfluss. Dann zieht er Kreppklebeband von einem Regalbrett, das von Zeitungspapier umhüllt ist. Fast geschafft für diesen Tag.
Vor mehr als 30 Jahren kam er von Somalia nach Deutschland, erst nach Bonn, dann nach Münster. Barkhads sagt, er sei in Deutschland immer zufrieden gewesen. Bis er verurteilt wurde: Betrug, 350 Sozialstunden. Zu Unrecht, wie er sagt, denn er habe unwissentlich gehandelt, sei selbst betrogen worden. Deswegen müsse er sich nicht schämen. Sein Name dürfe in den Medien stehen. Er reckt das Kinn ein Stück höher, sein Blick, eine halbe Stunde zuvor noch gesenkt, weicht nicht mehr aus. Sich nicht zu verstecken – das ist sein Protest im Kleinen.
Es ist Ende September, seit etwa einem Monat hilft Degg Barkhads, 56, vier Tage pro Woche an verschiedenen Schulen in Münster neu zu streichen. Diesmal an der Albert-Schweitzer-Schule, einer integrativen Förderschule. Er hat sich Arbeitsschuhe angezogen, weiße Farbkleckse zieren seine schwarze Jogginghose.
Wer in Deutschland eher leichtere Delikte begangen hat, wie etwa Schwarzfahren, Diebstahl, Betrug oder Drogenbesitz in geringerem Umfang, wird in der Regel zu einer Geldstrafe verurteilt. Kann der- oder diejenige die Strafe nicht bezahlen, ist es möglich, gemeinnützige Arbeit zu leisten. Teils auch bei Strafen, die zur Bewährung ausgesetzt sind. Verweigert jemand die Sozialstunden, greift eine Ersatzfreiheitsstrafe.
2018 hat die Fachstelle zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit Münster (FAGA) das Projekt „Bunte Schule“ aufgebaut. Es soll straffällig gewordene Menschen vor dem Gefängnis bewahren, indem sie an Schulen streichen: Klassenzimmer, Flure, Abstellkammern. Alles, was einen neuen Anstrich benötigt. Die Arbeit soll ihnen auch Struktur, Anerkennung und das Gefühl von Selbstwirksamkeit geben.
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