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Basketballer im Spiel in einer Halle

Hidden Champions

Münsters Basketballer sind in die Zweite Bundesliga aufgestiegen. Doch so richtig scheint das in der Stadt nicht anzukommen. Jetzt ist Deutschland auch noch Basketball-Weltmeister. Tut sich langsam etwas?

von Lisa Plank • Redaktion: Ralf Heimann • Fotos: Paul Metzdorf

Es ist Dienstagnachmittag, kurz vor 16 Uhr. Sporthalle Berg Fidel. Gleich beginnt das Training des Basketballvereins Uni Baskets. Langsam fahren die Körbe von der Decke. Zu langsam, findet Trainer Götz Rohdewald. Er ist der neue und alte Trainer des Vereins.

Vor über zehn Jahren hat er die Mannschaft schon einmal trainiert, von 2007 bis 2012. Damals führte er sie zum Aufstieg in die erste Regionalliga. Doch dann zog er sich aus dem Sport zurück. Wegen der Familie. Jetzt ist er zurück. Und der Verein ist da, wo er vorher noch nie war.

Im vergangenen Jahr sind die Uni Baskets in die Pro A aufgestiegen, die zweite Bundesliga. Sie haben sich nicht sportlich qualifiziert, sondern mit einer Wildcard – mit etwas Glück und Geld. Jetzt muss der Verein in jedem Spiel beweisen, dass er in diese Liga gehört. Aber bislang ist das ganz gut gelungen. Mitte November sind sie Tabellensechster, erst eine Niederlage vergangenen Samstag beendete die Erfolgsserie von sechs gewonnenen Spielen.

Götz Rohdewald im Trikot, winkt
Götz Rohdewald ist der neue-alte Trainer der Uni Baskets Münster. Von 2007 bis 2012 hat er die Mannschaft schon einmal trainiert. Seit 2023 ist er wieder dabei. Foto: Christina Pohler

Es ist nicht so, als hätte der Aufstieg vorher in weiter Ferne gelegen. Vor vier Jahren hätten die Baskets schon einmal aufsteigen können. Damals hatten sie sich qualifiziert, entschieden sich aber dagegen. Manche wirtschaftlichen und organisatorischen Voraussetzungen konnten nicht erfüllt werden. Für den Aufstieg braucht es nicht nur einen Platz an der Tabellenspitze, sondern auch einen Platz mit Parkettboden und fest angestellte Mitarbeiter. Seit diesem Jahr trainiert die Mannschaft in Berg Fidel. Gleich geht es los.

Die Begeisterung wächst, langsam

Götz Rohdewald hat alles vorbereitet. Jetzt wartet er auf die Spieler. Eine Seitentür öffnet sich, Cosmo Grühn kommt herein, über seiner Schulter hängt ein Rucksack, mit seinen Armen umklammert er ein großes Knäuel gewaschener Wäsche.

„Wie war die Vorlesung?“, fragt Rohdewald.

„Ich hatte Kapitänssitzung“, sagt Grühn.

„Ah, und wie war das?“, fragt Rohdewald.

„Ich war da“, sagt Grühn und grinst breit.

„Willst du dich nicht umziehen?“, fragt Rohdewald.

„Du hast doch gefragt, wie es war“, sagt Grühn und geht lachend in die Kabine.

Baskeballer Cosmo Grühn gestikuliert während Spiel in einer Halle
Cosmo Grühn spricht mit einem Mitspieler über den letzen Spielzug auf dem Spielfeld. Sporthalle der UniBaskets

Cosmo Grühn spielt seit vier Jahren für die Baskets, seit dieser Saison ist er Kapitän. Nebenbei studiert er Jura. Der Verein arbeitet mit der Uni zusammen, damit die Spieler Sport und Studium vereinbaren können. Das macht es leichter, junge Talente zu gewinnen.

Auf ein Signal von Götz Rohdewald rennen sie los und stellen sich an der Seite auf. Seitenlauf. Der linke Fuß tritt nach rechts, vorne am rechten vorbei. Der rechte Fuß folgt, dann wieder der linke. Irgendwann haben alle das Ende der Halle erreicht.

Das Training dauert zwei Stunden. Aufwärmen, Taktikbesprechung, Spiel. Es gibt nur wenige Pausen – und wenn, dann nur kurz, um zu trinken. Danach geht es gleich weiter. Cosmo Grühn wirkt nicht mehr ganz so entspannt. Was hier passiert, ist ernst. Denn auch, wenn das Training Spaß macht, ist Basketball hier Job und Lebensentwurf zugleich. Alles richtet sich nach dem Sport. Jetzt noch einmal mehr als vor dem Aufstieg.

Münster ist eigentlich keine Basketballstadt. Den Verein gibt es erst seit 1961. Die Begeisterung wächst, aber sie wächst langsam, wie überall in Deutschland.

Im Juni erschien eine Umfrage der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse. Danach interessieren sich in Deutschland 3,2 Millionen Menschen für den Sport. Beim Fußball sind es 20 Millionen. Dazwischen liegen Welten, aber im September dann passierte etwas Überraschendes. Deutschland wurde Basketball-Weltmeister. Hat sich dadurch etwas verändert?

„Ich habe gehört, die Stimmung soll richtig geil sein“

Ein Besuch auf dem Basketballplatz am Stadion von Münster 08 in Mauritz. Es ist September, ein später Mittwochnachmittag, vier Gruppen spielen an vier Körben, drei gegen drei, alle auf einen Korb. Streetball.

Hinten rechts spielen sechs Männer, einige sind sehr jung, Teenager, andere sind älter. Auch sie machen kaum Pausen. Sie spielen dynamisch, alle sind hochkonzentriert. Wirft jemand einen Korb, wird kurz geklatscht, mindestens einer sagt: „Schön!“ Und dann geht es gleich weiter.

Einer der Spieler fällt auf. Seine Arme sind sehnig, er hat einen athletischen Körper und graue Haare. Er bewegt sich schnell, mit den Jüngeren hält er gut mit. Die erste Runde ist vorbei, kurze Trinkpause. Rainer Feldbrügge, 58 Jahre alt, legt sich am Spielfeldrand auf den Rücken. Er hebt die Beine, streckt sie nach oben und lässt sie langsam hinter seinen Kopf sinken. Rainer Feldbrügge spielt seit vielen Jahren Basketball, früher im Verein, jetzt nur noch privat, aber mindestens zwei Mal die Woche. Er muss doch wissen, was sich in Münster im Basketball bewegt.

Basketballer Rainer und Julius stehen sich auf einem Feld draußen gegenüber
Rainer Feldbrügge beginnt einen Angriff, Julius Pohlmann wird sich ihm in den Weg stellen. Basketball auf dem Gelände von SC MÜNSTER 08

„Als wir Weltmeister wurden, war der Platz zwei Tage komplett voll“, sagt Feldbrügge. Doch das habe sich schnell wieder gelegt.

Feldbrügges Zeit im Verein ist vorbei. Aber hat er noch Interesse am Vereinssport?

„Ich verfolge die Bundesliga, NBA würde ich gerne schauen, aber das klappt zeitlich nicht“, sagt er. Und die Uni Baskets?

„Den lokalen Basketball schaue ich mir eigentlich nicht an“, sagt er. Jedes Mal, wenn er Zeit hätte, ins Stadion zu gehen, sei ein Auswärtsspiel. Dann joggt Rainer Feldbrügge zurück auf den Platz, zum Korb hinten rechts. Ein neues Spiel beginnt.

Einer der anderen Spieler ist Julius Pohlmann. Er hat schon früh angefangen, allerdings erst mit der falschen Sportart. Er war im Fußballverein, doch das machte ihm keinen Spaß. „Ich war in der Abwehr, aber ich stand nur auf der Stelle. Alles war so langsam, da habe ich mich gelangweilt“, sagt er. So kam er zum Basketball. Da stand er weniger rum. Dieser Weg ist nicht ungewöhnlich. Fußball bieten in Deutschland 24.316 Vereine an, Basketball nur 2.200.

Gruppe von Hobby-Basketballern im Spiel
Eine Gruppe Hobby Basketballer spielt gegeneinander. Rainer Feldbrügge und Julius Pohlmann im Zweikampf. Basketball auf dem Gelände von SC MÜNSTER 08 . 20.09.23

Julius Pohlmann spielt nicht nur, er ist auch Fan. Er verfolgt die amerikanische NBA, aber auch die deutsche Bundesliga. „Die WM hat ja gerade gezeigt, wie viel der europäische Basketball zu bieten hat“, sagt er. Das Finale hat er sich voller Begeisterung angesehen. Aber als er nach dem Spiel aus der Bar kam, da sei er enttäuscht gewesen. Es feierte niemand.

In einigen Tagen will er zum ersten Mal zu den Baskets. „Ich habe gehört, die Stimmung soll richtig geil sein“, sagt er. Auch das sportliche Niveau sei jetzt krass, nach dem Aufstieg. Vielleicht entwickelt sich da ja was – zwischen Julius Pohlmann und den Baskets.

„Es liegt am Fernsehen“

Am Dienstagabend beim Training in Berg Fidel, sagt Jasper Günther: „Der Aufstieg hat auch für die Fans vieles verändert.“ Günther ist bei den Baskets der sogenannte Point Guard, der Spielmacher. „In der Saison vor dem Aufstieg haben wir 21 von 22 Spielen gewonnen, das ist jetzt natürlich etwas anderes“, sagt er. Trotzdem hätten die Leute die Veränderung gut angenommen. Das Team spiele auf einem deutlich höheren Niveau. „Und wenn man spielt, um in der Liga zu bleiben, ist jeder Sieg etwas ganz Besonderes“, sagt er.

Aber wie sieht die Perspektive aus? Gelingt dem Sport in Deutschland der Schritt aus der Nische?

„Den Fußball werden wir nicht ablösen können, da mache ich mir keine Illusionen“, sagt Götz Rohdewald. Als Deutschland vor Jahren Europameister wurde, da hätten auch alle gesagt: Jetzt geht’s richtig los. „Aber ich habe nicht gesehen, dass das passiert ist“, sagt er. Und woran hakt es? „Es liegt am Fernsehen“, sagt Rohdewald. Es bräuchte mehr Übertragungen, mehr Berichterstattung. Im Moment sei der Kreis der Menschen, die sich mit Basketball befassen, eher klein und geschlossen, sagt Rohdewald.

Aber vielleicht ist das gar nicht so schlimm. Vielleicht macht das den Zauber auch gerade aus. Zumindest Julius Pohlmann, der, der im Fußballverein angefangen hatte, sieht es so. Er hatte im Stadion gesagt: „Ich finde Basketball auch cool, weil es ein bisschen nischig ist.“

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