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Loop-Auto-Pappschild vor Steinen

Der Zwischen-den-Linien-Bus

Im Süden Münsters sollen Loop-Taxis die Lücken im ÖPNV-Netz stopfen. Funktioniert das? Martin Hogger hat es für RUMS ausprobiert.

von Martin Hogger • Lektorat: Antonia Strotmann • Fotos: Kim Oppermann

Hendrik Wüst, damals noch Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen, sagte bei der Vorstellung der Loop-Taxis im August vor zwei Jahren: „Der Loop-Bus ist flexibel, orientiert sich am Bedarf der Nutzer und er ist einfach, digital buchbar.“ Gerade im ländlichen Raum brauche man attraktive Mobilitätsangebote, damit die Menschen auf Bus und Bahn umsteigen. Loop soll so ein Angebot sein. Aber ist es das? Das wollte ich ausprobieren.

Es war Mitte Oktober, als ich die App installierte. Über 10.000 Downloads, 634 Rezensionen, im Schnitt 4,4 von 5 Sternen. Nicht schlecht, dachte ich.

Erst einmal aber brauchte ich eines: Hintergrundwissen. Ich hatte also einen Termin mit Florian Adler vereinbart, dem Pressesprecher der Stadtwerke. Er klang begeistert, als er über Loop sprach, er war von Anfang an bei der Entwicklung dabei gewesen. „Eigentlich überlegen wir seit 2017 schon an einem On-Demand-Angebot im Süden herum“, sagte er. Münster habe eine Fläche fast so groß wie München, aber nur 300.000 Einwohner. Heißt: lange Wege. Von Hiltrup bis in die Innenstadt sind es sieben Kilometer.

Florian Adler, Pressesprecher der Stadtwerke Münster
Florian Adler, Pressesprecher der Stadtwerke Münster. Foto: Kim Oppermann

Weil die meisten Passagiere in die Innenstadt wollten, ist Münsters Busnetz sternförmig um die Innenstadt angelegt. Querverbindungen sind da schwierig. „Von Mecklenbeck direkt nach Hiltrup lohnt sich ein Bus einfach nicht, auch ökologisch“, sagte Adler. Gerade müsste man für diese Strecke acht Kilometer in die Innenstadt und sechs wieder zurückfahren. Eigentlich ist es kontra intuitiv, für den Klimaschutz mehr Autos auf die Straße zu setzen. Aber die Alternative für Loop wäre ein schlecht ausgelasteter Bus – oder gar kein ÖPNV. Umgekehrt kann Loop auch Potenziale zeigen – und so Geburtshelfer für neue Buslinien sein (wenn eine Verbindung gut nachgefragt ist).

Ein soziales Projekt

Unterwegs ist Loop Münster zu den ÖPNV-Betriebszeiten, unter der Woche von 5 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts, ab freitags sogar durchgehend bis Montagmorgen. 57 Quadratkilometer deckt Loop ab, den Wohnraum für etwa 60.000 Münsteraner:innen. Alles zum Standard-ÖPNV-Preis. Der Stadtteil Davert hat nun sogar erstmals eine regelmäßige Anbindung. Am Ende ist Loop ein soziales Projekt.

„Unser Ziel ist es, die Leute aus den Autos zu bringen und Platz auf den Straßen zu schaffen“, sagte Adler. Im Schnitt würden 1,2 Menschen in einem Auto fahren, bei Loop können bis zu sechs fremde Leute zusammenfahren. Die Pooling-Rate – also die Fahrten, in denen Fremde zusammenfahren – liege bei 30 bis 40 Prozent. Dabei gehe es nicht nur um den laufenden Verkehr, auch um den ruhenden. Die Straßenränder seien voll beparkt, sagte Adler, im Schnitt ruhe ein Auto 23 von 24 Stunden am Tag. „Ein privates Fahrzeug ist eigentlich ein privates Stehzeug“, sagte Adler. Loops aber seien permanent unterwegs, innerhalb von zwei Jahren hätten die ersten schon über 200.000 Kilometer zurückgelegt.

Als ich Adler fragte, wie es denn so laufe, holte er ein Tablet hervor. Eine Weile schauen wir virtuellen Autos beim Fahren zu. In einem saß ein Armin, in einem anderen eine Birgit. Es war 10:30 Uhr morgens, acht Autos waren gebucht, zwei in Pause. „Es läuft zu gut“, sagte Adler. 500 Fahrgäste am Tag, 15.000 im Monat. „Wir haben mehr Nachfrage, als wir bedienen können.“ Vor allem während des Berufsverkehrs.

Zum Schluss fragte ich, ob er noch irgendwelche Tipps habe, wie man die App besser benutze. Er sagte: „Nö. Alles ist eigentlich selbsterklärend.“ Ich interpretierte das so: „Die ist idiotensicher.“

Donnerstagmittag. Ich will von der RUMS-Redaktion am Theater starten und dann in die Marktallee nach Hiltrup. Dort will ich zum Frisör. Denn wer ist näher am Stadtgespräch?

Das Loop-Taxi kann man nicht von überall in der Stadt bestellen, nur aus dem Abdeckungsgebiet. Ich wähle die Bushaltestelle Inselbogen/Sparkassenzentrale als Startpunkt für meine Reise in die Hiltruper Marktallee aus.

Die Fahrt ist gecancelt

Es ist 14:15 Uhr. Das nächste Fahrzeug ist erst in zwei Stunden frei. Ich buche es, ein Fenster ploppt auf, um mich zu fragen, ob ich schon ein Ticket habe. Habe ich nicht. Dafür muss ich mir die münster:app herunterladen (Florian Adler sagt, sie arbeiteten gerade einer gemeinsamen App). Ich tippe meine Paypal-Log-in-Daten ein und suche mir eine Busverbindung zum Inselbogen (auch das Verbinden von Loop mit dem restlichen ÖPNV soll einfacher werden).

Als ich an der Bushaltestelle ankomme, ist es 16 Uhr. Die Loop-App zählt die Ankunft des Autos herunter. Abholung in sechs Minuten. Abholung in zwei Minuten. Ich wippe auf meinen Fußballen auf und ab. Als die Abholzeit erreicht ist steht dort: Abholung bald. Aber kein Auto kommt. Als ich ein paar Minuten später auf mein Handy schaue, steht auf dem Sperrbildschirm, dass ich nicht angetroffen wurde. Meine Fahrt ist gecancelt. Warum, erfahre ich nicht. Ich tippe meinen Entsperrcode ein, die App öffnet sich kurz. Dann stürzt mein Telefon ab.

Zehn Minuten später sitze ich in der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite. Ich warte jetzt auf die Buslinie 4. Natürlich hatte ich nach dem gescheiterten Versuch sofort versucht, ein zweites Loop zu bestellen. Aber: alle ausgebucht. Für Stunden. Ich beschloss also, mit dem Bus zur Marktallee zu fahren. Erst die Linie 4, dann die 9, zeigte mir die Loop-App an. Die gefürchteten Querverbindungen.

Nach 20 Minuten Busfahrt soll ich am Alten Schützenhof umsteigen. Dort steht schon die Linie 9. Im Bus schaue ich noch einmal auf die App. Erst jetzt fallen mir die Buchstaben neben den Namen der Bushaltestellen auf. „Inselbogen/Sparkassenzentrale C“, „Alter Schützenhof A“.

Habe ich an der falschen Haltestelle auf mein Loop gewartet? Ich fluche in meine Maske, meine Sitznachbarin schaut mich verwirrt von der Seite an. An uns zieht ein Fußballstadion vorbei, dann endlich das Ortsschild, auf das ich inzwischen zwei Stunden gewartet habe. Hiltrup.

“Es passen ja viele rein. Es ist Platz.”

Es ist 17:45 Uhr. Ich öffne die Loop-App. Das nächste Auto, das zurück zum Inselbogen fährt, ist um 19 Uhr frei. Ich buche es. Einige hundert Meter weiter hat sogar noch ein Friseur geöffnet. Zwei Frauen stehen darin, eine davon – sie spricht schnell und mit starkem Akzent – weist mir einen Stuhl am Fenster zu. Draußen sehe ich Autolichter vorbeiziehen.

Ich: „Ich hab’ versucht, heute mit einem dieser Loops zu fahren. Das hat nicht so funktioniert. Haben Sie das schon mal ausprobiert?“

Sie: „Loop? Taxi?“

Ich: „Ja, genau!“

Sie: „Ist schon sehr praktisch manchmal. Ich nutze es auch.“

Ich: „Ja?“

Sie: „Du kannst es mit der Buskarte verwenden. Super einfach. Günstig.“

Ich: „Wo fahren Sie damit immer hin?“

Sie: „Zu Bekannten. Manchmal muss man drei Tage vorher buchen. Weil: Spontan kann es sein, dass kein Auto frei ist. Deshalb buche früh. Auch für meinen Mann gleich mit. Es passen ja viele rein. Es ist Platz.“

Ich bezahle, draußen ist es stockdunkel geworden – auch in den Läden. Dabei ist es erst 18:30 Uhr. Ich setze mich auf eine Bank neben eine alte Oma und warte auf mein Loop.

Ich entdecke, dass man mit einem Klick auf das Pop-up-Fenster in der App sehen kann, wo sich das Auto gerade befindet. Ich beobachte, wie das kleine Auto auf meinem Bildschirm langsam näherkommt. Um 19 Uhr ist das kleine Auto auf dem Bildschirm angekommen. Ich schaue hoch, schon hält vor mir ein weißes Taxi, wie man es aus britischen Filmen kennt. Ich stehe auf, trete zur Tür.

Draußen riecht die Luft nach frisch gefallenem Laub, drinnen: Neuwagen.

Roland Böhm an seinem Schreibtisch in der TaxiZentrale Münster
Roland Böhm an seinem Schreibtisch in der TaxiZentrale Münster. Foto: Kim Oppermann

„Das Loop ist sehr geräumig. Für die Strecke, die ich mit dem Bus eine Stunde gebraucht hatte, brauchte ich Dank Loop nur zehn Minuten. Ein anderer Mitfahrer sitzt im Auto, das Pooling funktioniert also auch. Die Fahrt ist super angenehm, der Fahrer auch. Es war aber ein langer, langer Weg bis zu meiner ersten Loop-Fahrt.“

Aber was sagen eigentlich die Taxizentralen zu diesem Dienst? Ein Anruf bei Roland Böhm. Er ist Geschäftsführer der Taxizentrale Münster, im Vorstand des Bundesverbands Taxi und Mietwagen und dort zuständig für Bestelldienste, wie Loop einer ist – oder wie Böhm sagt: „On-Demand-Angebote“.

Böhm sagt: „On-Demand kann eine Lösung der Verkehrsprobleme sein.“ Deswegen habe die Taxizentrale bereits vor vier Jahren gemeinsam mit den Stadtwerken ein fertiges Konzept erarbeitet, den Vorläufer von Loop quasi, nur mit Taxis.“ Dann seien neue Geschäftsführer gekommen, das Konzept sei in der Schublade verschwunden. „Und plötzlich war da Loop. Wir waren schon vor den Kopf gestoßen“, sagt Böhm.

Er sei auch selbst schon mit den Loops gefahren, man müsse sich die Konkurrenz ja ansehen. Die Loops seien schon schick und komfortabel und günstig, sagt Böhm. Aber er hat zwei Kritikpunkte.

Erstens: Die einzige Abgrenzung zu Taxis sei, dass Taxis vor die Haustür fahren und die Loops eben an eine virtuelle Haltestelle, die auch 200 Meter von der Haustür entfernt sein kann.

Zweitens: So richtig werde Loop nicht dazu beitragen, dass weniger Autos fahren. „Es ist ein Leuchtturmprojekt für die Stadtwerke, aber eigentlich haben wir ja schon eine On-Demand-Flotte auf den Straßen – die unsere“, sagt Böhm.

Kleine Taxis in der Taxizentrale
Kleine Taxis in der Taxizentrale. Foto: Kim Oppermann

Er hätte es sinnvoller gefunden, beide Flotten zusammenzulegen, auch betriebswirtschaftlich. Böhm rechnet vor: Bei etwa drei Millionen Euro Förderbudget pro Jahr auf 185.000 Gäste würde eine Fahrt pro Beförderten 16 Euro kosten. Das sei nicht günstiger als Taxis. Böhm sagt: „Es zahlt der Bürger, entweder über Steuern oder aus den Einnahmen des Energieverkaufes der Stadtwerke.“

Das Verkehrsministerium in Düsseldorf fördert Loop drei Jahre lang mit insgesamt fünf Millionen Euro. Drei Millionen Euro kommen von der Stadt. Bald läuft das Projekt aus. Wie es dann weitergeht?

Florian Adler von den Stadtwerken sagt, es werde gerade untersucht, ob man Loop mit dem schon vorhandenen Fördergeldern für ein Jahr verlängern könnte, also bis ins Jahr 2024 hinein. Was Adler sich vorstellen könnte, wäre, dass andere Vororte in Münster zu Loop-Gebieten werden. Und ganz Münster ein Loop-Gebiet? Adler: „Das wird wohl nicht passieren.“