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Der Eingang zur ZUE

Kein Ort zum Bleiben

In der Unterkunft für Geflüchtete in der ehemaligen York-Kaserne gibt es immer wieder Ärger. Bewohner:innen berichten von Diebstählen, unangekündigten Durchsuchungen der Schlafräume und Hygieneproblemen. Und es gibt offenbar auch strukturelle Schwierigkeiten, die die psychische Gesundheit der Menschen in der Einrichtung gefährden.

von Jannik Jürgens und Pia Stendera • Redaktion: Constanze Busch • Titelfoto: Merle Trautwein

Meysam Dastamooz trägt schwarze Lederschuhe, eine grau melierte Weste und einen eleganten, dunkelblauen Mantel, als er die RUMS-Redaktion betritt. Der 38-jährige Iraner sieht aus, als käme er gerade von einer Hochzeitsfeier oder einem Modeljob. Doch er kommt aus der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete (ZUE) in der ehemaligen York-Kaserne, Backsteinhäuser in Reih und Glied, umgeben von Mauern, Bauzaun und Stacheldraht, „irgendwo im Niemandsland“, wie er selbst sagt. Dastamooz erhebt schwere Vorwürfe gegen die Einrichtung: „Ich habe dort keine Menschenrechte“.

Meysam Dastamooz
Meysam Dastamooz lebt seit über einem Jahr in der ZUE. Er hat einen Job, darf aber keine eigene Wohnung mieten.

Die ZUE in Münster ist eine von 29 Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Trägerin ist die Bezirksregierung Münster, der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) betreibt die Einrichtung in deren Auftrag. Geflüchtete leben in den ZUE, bis über ihren Asylantrag entschieden wurde. Wer lange bleibt, hat meistens eine schlechte Bleibeperspektive.

Wie lange Geflüchtete maximal in Zentralen Unterbringungen wohnen, regelt der Paragraph 47 des Asylgesetzes. Vor 2015 sah das Gesetz bis zu sechs Wochen Aufenthalt vor, ab Herbst 2015 mindestens sechs Wochen bis höchstens sechs Monate. Inzwischen haben alle Bundesländer die Möglichkeit, die Dauer auf 24 Monate auszuweiten – eine lange Zeit in einem Schwebezustand.

Schon Anfang des Jahres Beschwerden

Dastamooz ist nicht der erste Bewohner, der die Zustände in der ZUE in Münster kritisiert. Anfang des Jahres berichteten die Westfälischen Nachrichten über massive Vorwürfe: Nachdem wiederholt Feueralarm ausgelöst wurde, soll die Leiterin der Einrichtung Bewohner:innen gezwungen haben, stundenlang draußen in der Kälte auszuharren. Außerdem seien persönliche Bereiche der Bewohner:innen durchsucht worden, ohne dass diese einverstanden waren. Das Leitungspersonal habe sich rassistisch geäußert, schrieben die Westfälischen Nachrichten.

Die Bezirksregierung dementierte die Vorwürfe zunächst, führte im Frühjahr jedoch Gespräche mit Bewohner:innen, um Aufklärung zu leisten. Im September schickte sie einen Zwischenbericht an die Mitglieder des Sozialausschusses. Darin listete sie auf, was bisher verbessert worden sein soll: Eine Bewohnervertretung habe sich schon mehrere Male getroffen, der Integrationsrat habe die ZUE besucht und die Bezirksregierung habe eine Handlungsanweisung für Zimmerbegehungen geschrieben.

Wie sind die Zustände in der ZUE wirklich? Um ein Bild davon zu zeichnen, haben wir Ende September mit aktuellen und ehemaligen Bewohner:innen gesprochen, interne und externe Mitarbeiter:innen interviewt, Dokumente, Fotos und Videos ausgewertet und die Bezirksregierung mit unserer Recherche konfrontiert.

Ein Vollzeitjob, aber keine eigene Wohnung

Nicht alle Personen, die mit uns gesprochen haben, möchten mit Namen genannt werden. Meysam Dastamooz schon. Er hat eine Mappe mit Papieren zum Interview mitgebracht. Zu allem, was er erzählt, zieht er einen schriftlichen Beweis aus der Mappe hervor. Dastamooz arbeitet in Vollzeit für ein Logistikunternehmen und verkauft Kaffee auf dem Wochenmarkt. Er verdient etwa 2.000 Euro, zahlt Versicherungen und Steuern. Er möchte eine Wohnung mieten, eigenständig sein, sich integrieren. „Aber ich muss an so einem Ort leben“, sagt er.

Seit 16 Monaten wohnt er in Haus 19 der ZUE, der Unterkunft für alleinstehende Männer. Aus der Summe der Berichte ergibt sich: Es ist das Problemhaus. Hier wurde immer wieder der Feueralarm ausgelöst. Hier gibt es Streit, unter den Bewohnern und zwischen Bewohnern und Personal. 125 Menschen leben auf engem Raum. Anders als in den anderen beiden Wohnhäusern, dem Familienhaus und dem Haus für vulnerable Gruppen, teilen sich hier mehrere Bewohner ein Zimmer und es gibt keine privaten Bäder.

Insgesamt wohnen Anfang Oktober 420 Menschen in der Einrichtung, die wegen Corona nur zu 60 Prozent belegt ist.

Verschimmelte Waschräume, leere Seifenspender

Der RUMS-Redaktion wurden Videos und Fotos aus dem Haus zugesendet, die verschiedene Personen unabhängig voneinander und zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen haben. Die Bilder zeigen mehrere Dusch- und Toilettenräume im Haus 19. In den Fugen eines Waschbeckens, auf Duschwänden und Duschvorhängen ist dunkler Schimmel zu sehen. Auf den Fliesen steht Wasser. Die Seifen- und Desinfektionsmittelspender sind leer oder abmontiert. Papier zum Abtrocknen der Hände fehlt. In den Pissoirs steht Urin, auf dem Porzellan hat sich ein dunkelgelber Rand abgezeichnet. Die Toiletten sind vollgekotet, Toilettenpapier gibt es nicht. Das sei seit etwa fünf Monaten so, sagt ein Bewohner.

„Fehlende Seife, Desinfektionsmittel, Papier oder auch verstopfte Toiletten können allenfalls eine Momentaufnahme darstellen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme, mit der die Bezirksregierung Münster auf unsere Fragen geantwortet hat. Die Sanitäranlagen würden mehrmals täglich gereinigt und kontrolliert. In der Corona-Zeit sei es aber häufiger vorgekommen, dass Hygienemittel entwendet wurden. „Sobald etwas fehlt, wird dies jedoch schnellstmöglich vom Reinigungsdienst wieder aufgefüllt.“

Um zu überprüfen, ob die Duschen verschimmelt seien, habe die Bezirksregierung eine Kontrolle durchgeführt. Dabei sei an „drei von insgesamt 40 Duschen im Haus 19 eine in Duschecken leicht beginnende Schimmelbildung festgestellt worden, die umgehend von der Reinigungsfirma beseitigt wird.“ Alle Toiletten seien frei von Verstopfungen.

Meysam Dastamooz hat andere Erfahrungen gemacht und kritisiert die hygienischen Zustände in den Waschräumen. „Ich habe dort nie geduscht, weil ich Angst habe, krank zu werden“, sagt er. Er fahre jeden Tag zu einem Freund nach Senden, um sich zu waschen und zu duschen. Mit seinem dunkelblauen Motorroller braucht er für die Strecke gut 40 Minuten. Auch seine Kleidung wasche er nicht in der Unterkunft, sondern in einem Waschsalon.

Es gibt noch einen anderen Grund, warum Dastamooz die ZUE verlassen will. „Ich möchte nicht auf Kosten des Staates leben“, sagt er. Viel lieber würde er seinen Lebensunterhalt und eine eigene Wohnung mit einem Einkommen selbst finanzieren. Doch solange sein Asylantrag nicht entschieden ist, sieht das Gesetz so viel Eigenständigkeit nicht vor.

„Ein dicht belegtes Haus birgt viel Konfliktpotenzial“

Dominik Hüging kennt die Berichte, und er kennt die ZUE. Er arbeitet für die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA), deren Arbeit unter anderem durch Spenden und öffentliche Zuschüsse finanziert wird. Vier Tage in der Woche berät er in einem Gebäude auf dem Gelände die Bewohner:innen zu Rechtsfragen. In die Wohnhäuser geht er nur, wenn seine Klient:innen nicht zu ihm kommen können. Obwohl es nicht in seine Zuständigkeit als Asylberater fällt, sieht er sich häufig mit Beschwerden über die Einrichtung konfrontiert. Wir treffen ihn im Büro der GGUA.

Hüging sagt: „Als mittelalter, alleinstehender Mann hat man unter den Geflüchteten den schlechtesten Stand.“ Das zeige sich nicht nur in der Außenwahrnehmung, sondern auch in der Unterbringung: „Haus 19 ist baulich das Schlechteste und ist am dichtesten belegt. Das birgt großes Konfliktpotenzial.“ Das führe zu Problemen, woraufhin die Einrichtungsleitung eingreifen müsse. „So wird eine Spirale in Gang gesetzt“, sagt Hüging.

Handy gestohlen, Mehrfachstecker für den Laptop verboten

Meysam Dastamooz versucht, das Beste aus seiner Situation zu machen. In seinem Zimmer stehen Kerzen, Pflanzen und Bücher auf einem Fensterbrett, über dem Bett hängt ein Druck von Mark Rothko. „Das ist wahrscheinlich das schönste Zimmer auf dem ganzen Gelände“, sagt Dastamooz.

Ein sicherer Ort ist das Zimmer nicht, er darf es nicht abschließen. Anfang September wurde sein iPhone aus dem Zimmer gestohlen, mehr als 500 Euro war es wert. Er zeigte den Diebstahl bei der Polizei an, doch das Handy tauchte nicht wieder auf.

Dastamooz darf auch keinen Wasserkocher, keinen Kühlschrank und nicht einmal ein Obstmesser auf dem Zimmer haben. Diese Regel beklagen auch Bewohner:innen aus dem Familienhaus 17a. Die Bezirksregierung begründet sie mit Brandschutz, der Gefahr der Selbstverletzung oder der Verletzung anderer. Das Problem: Für die etwa 400 Bewohner:innen gibt es nur einen Wasserkocher am Info-Point, einem anderen Gebäude des Kasernenkomplexes.

Auch an anderen Stellen erschweren die Regeln der ZUE das Leben. Peyman Bahrami, der früher ebenfalls in der ZUE gelebt hat, berichtet, die ASB-Mitarbeiter:innen hätten ihm seinen Mehrfachstecker abgenommen. Den habe er eigentlich dringend gebraucht, um per Laptop an einem Deutschkurs teilzunehmen. Während Dastamooz ernst und ruhig berichtet, erzählt Bahrami anekdotisch, fast witzelnd über sein Leben in der ZUE, die er „Camp“, also Lager, nennt. Die Suche nach seinem Eigentum führte ihn ins Büro der Einrichtungsleitung. Die habe ihm vorgeschlagen, tagsüber einen Mehrfachstecker auszuleihen und diesen abends zurückzugeben. Heute kann er darüber lachen.

Peyman Bahrami
Peyman Bahrami nennt die ZUE ein „Camp“, ein Lager. Die Zimmer seien keine geschützten Räume: Die Bewohner:innen hätten keine Privatsphäre und immer wieder würden Dinge gestohlen.

Seinen Mehrfachstecker sah Bahrami nie wieder. Konfiszierte Gegenstände wie Föhne, Rasierer oder Wasserkocher sollen eigentlich sicher aufbewahrt und den Bewohner:innen beim Auszug zurückgegeben werden. Doch immer wieder würden Dinge gestohlen, berichtet eine Mitarbeiterin. Sie seien in einem Raum aufbewahrt worden, der abgeschlossen, aber ihres Wissens für sehr viele Mitarbeitende zugänglich sei. Die Bezirksregierung schreibt in ihrer Stellungnahme: „Ein späteres Fehlen solcher Gegenstände ist nicht bekannt.“

„Der Sicherheitsdienst respektiert die Privatsphäre nicht“

Auch in anderer Hinsicht seien die Zimmer keine geschützten Räume, so Bahrami: „Privatsphäre ist ein Witz im Camp.“ Der Sicherheitsdienst respektiere diese jedenfalls nicht. Das sehe man auch daran, wie Hygiene- und Sicherheitskontrollen in den Zimmern mitunter abliefen, sagt eine Mitarbeitende. „Betreuungspersonal und Sicherheitsdienst gehen in die Zimmer, ohne die Zustimmung der Bewohner abzuwarten.“

Dabei steht in der Handlungsanweisung der Bezirksregierung zu Zimmerbegehungen, dass Mitarbeiter:innen zunächst klopfen und draußen warten sollen. Wenn die Bewohner:innen sie nicht einlassen möchten, dürfen sie grundsätzlich auch nicht eintreten. Ausnahmen sind nur möglich, wenn Lebensgefahr besteht. Der Sicherheitsdienst müsse zudem immer auf dem Flur warten. Laut Bezirksregierung halte man sich daran.

Kein selbstbestimmtes Leben, nur ein Taschengeld

Viele Probleme hängen damit zusammen, dass die Bewohner:innen in solchen Einrichtungen kein selbstbestimmtes Leben führen und ihnen so gut wie alle Alltagsaufgaben abgenommen werden. Essen, Waschen, Arbeiten, um nichts müssten sie sich kümmern. Sie bekommen ein Taschengeld, 146 Euro im Monat, und allein die Wortwahl mache deutlich, dass man die Menschen in der ZUE nicht ernst nehme, sagt Dominik Hüging von der GGUA: „Das sind keine Kinder, die zum Bonbonkaufen geschickt werden können.“ Und wie die ASB-Mitarbeiterin uns berichtet, wird in manchen Sprechstunden mit der Bezirksregierung über die Bewohner:innen gesprochen, statt mit ihnen. All das macht Menschen unzufrieden und reizbar.

Wer möchte, kann in der Einrichtung arbeiten: Wäsche waschen, Unkraut jäten, in der Fahrradwerkstatt schrauben. Die sogenannten Jobberstellen werden mit 80 Cent pro Stunde vergütet. Viele Bewohner:innen machen das, für 20, 40 oder 80 Euro mehr im Monat. Für ein bisschen mehr Selbstbestimmung. „Es ist trotzdem völlige Ausbeutung“, sagt Hüging.

Probleme werden nur verlagert, nicht gelöst

Peyman Bahrami kommt wie Dastamooz aus dem Iran. „Wenn du weit weg von zu Hause bist, kommt es auf die kleinen Dinge im Leben an“, sagt er. Etwa auf das Essen. Die Qualität der Lebensmittel sei gut, sagt Bahrami, doch die Speisen seien nicht nach seinem Geschmack. Er habe während des Aufenthalts in den Einrichtungen 15 Kilo Gewicht verloren. Er aß nur einmal am Tag, nur so viel wie nötig. Selbst kochen darf er nicht. „Die Bewohner schmuggeln immer wieder Essen rein, das sie lieber mögen“, sagt Bahrami. Weil sie es in ihren Zimmern zubereiten und kochen, komme es zu Konflikten mit dem Sicherheitsdienst, die nie grundlegend gelöst würden.

„Ich nenne es den Problemerhaltungssatz“, sagt Bahrami. Er funktioniere wie der Energieerhaltungssatz in der Physik: Die Probleme lösten sich nie auf, sie würden verlagert.

Was Bahrami, Dastamooz und andere Bewohner:innen unabhängig voneinander betonen: Nicht für alle Schwierigkeiten und Konflikte sei die Einrichtungsleitung verantwortlich. Auch die Bewohner:innen trügen ihren Teil dazu bei. „Viele halten sich nicht an die Regeln“, sagt Dastamooz. Auf den Zimmern werde geraucht, bis tief in die Nacht getrunken und Musik gehört. Ihm selbst, der morgens um 6:30 Uhr in einem Lager arbeitet, rauben sie dadurch den Schlaf.

Dastamooz versteht nicht, dass die Leitung der ZUE bei der Organisation ihrer Angebote keine Rücksicht nimmt auf die Bewohner:innen, die einen Job haben. Um mit einem Berater der ZUE über sein Asylverfahren zu sprechen, müsse er Urlaub nehmen, denn die Sprechzeiten lägen innerhalb seiner Arbeitszeiten. Die warme Mittagsmahlzeit verpasse er ebenfalls.

„Permanent wie eine Gefahrenquelle behandelt“

„Die festen Sprechzeiten der ZUE Münster liegen mit vier Stunden in der Woche im Durchschnitt“, sagt die Bezirksregierung. Sie verweist auf eine Sprechstunde am Donnerstagnachmittag, die für Berufstätige gedacht ist.

„Gerade die Leute, die täglich arbeiten gehen, sind schlichtweg genervt“, sagt Hüging. Das liege an den Verboten und an den Kontrollen, um diese Verbote durchzusetzen. Wer auf das Gelände der ZUE wolle, müsse Bewohner:innenausweis, Lichtbildausweis und Tascheninhalt vorzeigen. Die Geflüchteten würden wie permanente Gefahrenquellen behandelt. Nicht ein oder zwei Wochen, sondern ein oder zwei Jahre lang. Täglich. „Da schaukeln sich Konflikte schnell hoch“, sagt Berater Hüging.

Er hält es für erstaunlich, dass so wenig passiere, obwohl Menschen mit ganz unterschiedlichen Vorgeschichten und teils traumatischen Erfahrungen in Mehrbettzimmern leben. Sie hätten verschiedene Tagesabläufe und wenig familiäre oder freundschaftliche Bindungen. Und manchmal kämen Zimmernachbar:innen sogar aus demselben Bürgerkriegsland, gehörten aber unterschiedlichen Konfliktparteien an.

Keine gesellschaftlichen Kontakte, Integration kaum möglich

Eine Frau, die in der Einrichtung lebt, nennt noch einen anderen Grund dafür, dass es hier Schwierigkeiten gibt: „Die Regeln müssen besser erklärt werden.“ Viele neue Bewohner:innen bekämen die Hausordnung lediglich in Papierform in die Hand gedrückt, nur wenige würden sie lesen. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie seit 15 Monaten im Haus für Familien. Die beiden haben ein Privatzimmer mit Badezimmer. Es gebe Deutschkurse, Sportangebote und eine Bibliothek. Kinder können an einem schulähnlichen Angebot teilnehmen. Die Mitarbeiter:innen der Einrichtung seien nett und das Essen sei in Ordnung. „Die Hauptsache ist, dass wir leben“, sagt die Frau.

Doch was ist es für ein Leben? Dass es so gut wie keine Anknüpfungspunkte zur deutschen Gesellschaft bietet, scheint in Kauf genommen zu werden. Nicht nur Dastamooz und Bahrami betonen das. Sogar der Sprecher der Bezirksregierung gibt zu, dass die ZUE den Bewohner:innen eine „ungute“ Situation biete. „Integration ist erst in der Kommune möglich“, sagt er.

Der lange Aufenthalt in der ZUE soll dazu führen, die Städte und Gemeinden zu entlasten. „Dieser Schuss geht nach hinten los: Die Kommunen kriegen völlig zermürbte Menschen mit schlechteren Voraussetzungen als bei ihrer Ankunft in Deutschland“, sagt Geflüchtetenberater Dominik Hüging. Er spricht von Schäden, die später nicht zu reparieren seien.

Ein langer Aufenthalt in der ZUE führe, so fasst Hüging zusammen, nicht nur zu völliger Desintegration, sondern er schädige auch die Psyche der Bewohner:innen. „Wir sehen mit zunehmender Wohndauer auch eine Steigerung der Einweisungen in psychiatrische Kliniken“, sagt Hüging. Die Unterkünfte seien keine Orte, an denen Menschen Monate oder Jahre verbringen könnten.

Eine neue Beschwerdestelle

Der dreimalige Feueralarm im vergangenen Herbst war wohl ein verzweifelter Akt der Selbstermächtigung, ausgelöst von Bewohnern des Hauses 19. Unter ihnen ging das Gerücht um, dass jeder Feuerwehreinsatz die Einrichtungsleitung ein paar Tausend Euro koste. Wer den Alarm drückte, rächte sich für fehlende Privatsphäre und gefühlte Schikane. Die Feuerwehr stellte der ZUE den Alarm nicht in Rechnung. Doch das Beispiel zeigt, wie groß das Misstrauen ist, das zwischen Bewohner:innen und Bezirksregierung herrscht. Dass Dastamooz, Bahrami, weitere Bewohner:innen und Mitarbeitende das Gespräch suchen, zeigt, wie machtlos sie sich in der Situation fühlen.

Zum Abschluss der Recherche wurde die unabhängige Beschwerdestelle der ZUE neu besetzt. Vielleicht kann sie dafür sorgen, dass das Misstrauen in Zukunft etwas kleiner wird.

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