Loop hat ein Identitätsproblem | Unbezahlte Werbung: Copenhagen Studios

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

in Münster fahren 13 „Loop“-Taxikleinbusse der Stadtwerke, die ein bisschen Taxi und ein bisschen Bus sind. Man kann sie bestellen wie ein Taxi, aber sie sind so günstig wie ein Bus. Und genau hier liegt ein Problem, denn die Kapazitäten sind so begrenzt, dass dieses Angebot verzichtbarer wird, je mehr es sein möchte. 

Das ist nicht auf Anhieb zu verstehen. Aber der 79 Seiten lange Abschlussbericht zum Projekt, den die FH Münster geschrieben hat, arbeitet es sehr gut heraus. 

Um die Größenordnung deutlich zu machen, zunächst ein paar Zahlen. Jeden Tag kommen über 110.000 Menschen zum Arbeiten nach Münster. In einen Linienbus passen, wenn alle die Luft anhalten, ungefähr 100 Personen. Den „Loop“-Dienst nutzen laut dem Abschlussbericht im Schnitt 275 Menschen pro Tag. 

Das ist nicht viel, aber es sieht etwas anders aus, wenn man das auf ein Auto herunterrechnet. Ein „Loop“-Taxi transportiert am Tag, wenn alle 13 im Einsatz sind, im Schnitt über 20 Menschen. Im Vergleich zu einem Auto, das an einem Tag vielleicht einen Menschen transportiert, ist das eine enorme Verbesserung. 

Eine wichtige Frage ist, ob sich so ein Angebot finanziell lohnt, beziehungsweise ob die Stadt es sich dauerhaft leisten kann. In der Stadtverwaltung ist man sich da offenbar nicht ganz einig. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls ein Dokument, das die Stadt vor einer Woche erst veröffentlicht hat, kurz darauf – zum Glück, nachdem wir es gesichert hatten – aber wieder löschte. 

Es ist die Arbeitsversion eines Verwaltungspapiers mit Änderungsvorschlägen, das Stadtbaurat Robin Denstorff unterzeichnet und eine andere Person kommentiert hat – möglicherweise Frank Möller, der Leiter des Amts für Finanzen und Beteiligungen. Darauf deutet das Kürzel „FM“ des Kommentarautors hin sowie die Tatsache, dass im Dateinamen Dezernat 2 steht. 

Die Stadt schließt die Lücke

Auf Seite 7 des Dokuments hat die Person den Satz ergänzt: „Es ist (…) zu berücksichtigen, dass eine dauerhafte Finanzierung derzeit nicht sichergestellt werden kann.“

In der schließlich veröffentlichten Version steht: „Eine dauerhafte Finanzierung ist perspektivisch sicherzustellen.“

Was bedeutet das? Anfangs hatte das Land Nordrhein-Westfalen das Modellprojekt gefördert. Nach Ende dieser Förderung übernimmt der Zweckverband Mobilität Münsterland, der den öffentlichen Personennahverkehr in der Region organisiert, zwei Jahre lang 1,2 der insgesamt 2,5 Millionen Euro, die das „Loop“-Angebot kostet. 

Die Lücke (1,3 Millionen Euro im Jahr) schließt die Stadt Münster mit Geld aus dem „Stellplatzablöse“-Topf, einer Spardose, in die Menschen einzahlen, die bauen und eigentlich Parkplätze bereitstellen müssten, das aber nicht können oder wollen. 

In diesem Topf liegen knapp 20 Millionen Euro. Ab 2027 müsste die Stadt die 2,5 Millionen Euro „Loop“-Gesamtkosten, möglicherweise bis dahin noch mehr, nach jetzigem Stand alleine aufbringen. Die Frage, ob das aus der Spardose möglich wäre, beantwortet die Stadt nicht. 

Sie schreibt, bis 2026 sei die Finanzierung sichergestellt; um den Zeitraum danach gehe es in dem aktuellen Papier noch nicht. Aber die Stadt schreibt auch, dass die 20 Millionen Euro aus dem Sparschwein zu großen Teilen schon verplant sind. 

Verzichten wird man auf das Unwichtige

Über 8 Millionen Euro seien für das Quartiersparkhaus am Hansaring gedacht. 5 Millionen für Straßen, Wege und Haltestellen rund um den Ausbau des Preußen-Stadions, 3 Millionen Euro für Velorouten. 

Und dann sind da eben noch die 2,6 Millionen Euro (zwei Mal 1,3 Millionen), die man im nächsten und übernächsten Jahr ausgeben will, damit die „Loop“-Taxis weiter fahren können. Bleiben 700.000 Euro (das ist der exakte Betrag, die oben sind teilweise gerundet). Damit könnte man „Loop“ drei Monate lang betreiben. 

Eine Möglichkeit, das Angebot auch nach 2026 zu finanzieren, wäre eine Förderung. Aber gibt es die? 

Die Stadt schreibt, das hänge von der „landes- und bundesweiten Förderkulisse für derartige Projekte“ ab. Die kenne man aber heute noch nicht. 

Im Zweifel muss Münster das Geld also selbst aufbringen, wenn es „Loop“ weiter geben soll. Ist das realistisch?

Wer weiß, was in drei Jahren ist. Aber nur zur Erinnerung: Die Kämmerin hat vor zwei Wochen ein externes Unternehmen damit beauftragt, sich zu überlegen, wo Münster sparen kann, um die Pleite der Stadt abzuwenden. 

Verzichten wird man zuallererst auf die Dinge, die nicht so wichtig sind. Ob „Loop“ wichtig ist – da sind wir wieder am Anfang – hängt davon ab, was es sein soll. Und dass das nicht ganz klar ist, bemängelt der Abschlussbericht (Seite 72).

„Loop“ kann nicht alles sein

Die „Loop“-Taxis haben vor allem drei Funktionen: 

Bequemlichkeitsmobilität: Sie sollen es möglich machen, sich bequem fortzubewegen – bequemer als mit dem Bus. Von jedem Ort im „Loop“-Gebiet ist eine der über 400 virtuellen Haltestellen (dort steht kein Wartehäuschen) zu Fuß in fünf Minuten zu erreichen. 

Lückenschluss: Die Taxis sollen Lücken im Busnetz schließen, sowohl räumliche als auch zeitliche. „Loop“-Taxis helfen beim Umstieg zwischen Linien, die keine Berührungspunkte haben, zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln, und man kann sie anrufen, wenn kein Bus mehr fährt. 

Daseinsvorsorge: Die „Loop“-Taxis sollen es Menschen ermöglichen, sich fortzubewegen, die das nicht ohne Weiteres können – zum Beispiel weil sie kein Auto besitzen, eine Behinderung haben oder älter sind. 

Dazu stellt der Abschlussbericht fest: „Das System ist nicht in der Lage, den Ansprüchen der Bequemlichkeitsmobilität, der Funktion des Lückenschlusses sowie der Daseinsvorsorge gleichermaßen gerecht zu werden.“

In anderen Worten: Je mehr „Loop“-Taxis alte Menschen zum Arzt bringen, desto weniger verlässlich wird das Angebot in dieser Zeit als Lückenschluss zwischen Buslinien. Und wenn man sich nicht darauf verlassen kann, wird man es möglicherweise auch gar nicht erst nutzen. Wenn „Loop“ alles sein will, kann es nichts richtig sein.

Und das ist ein politisches Problem, denn bei jeder einzelnen dieser Funktionen stellt sich die Frage: Ist es gerechtfertigt, dass der Staat hier mit Steuergeld ein Angebot schafft, das Taxis ebenfalls bieten, wenn auch für deutlich mehr Geld? Darüber wird man sprechen müssen. Immerhin steht im Abschlussbericht auch ein Hinweis auf eine mögliche Lösung. Die Taxiunternehmen, die für den Bericht ebenfalls befragt worden sind, könnten sich eine Zusammenarbeit vorstellen. (rhe)

Ein-Satz-Zentrale

+++ Das Deutschland-Semesterticket soll zum Sommersemester starten, also ab dem 1. April, und pro Semester 176 Euro pro Semester kosten. (AStA Uni Münster)

+++ Wie die Haltestellen der reaktivierten Bahnstrecke nach Sendenhorst aussehen werden, zeigt die Stadt bis zum 4. April auf ihrer Website. (Stadt Münster)

+++ Der marode Radweg zwischen Telgte und der Pleister Mühle wird Ende März saniert.  (Westfälische Nachrichten)

+++ Die FDP Münster fordert, die positiven Erfahrungen anderer Kommunen mit dem Verleih von E-Lastenrädern zu nutzen und hofft, die Verwaltung mit einem Bericht aus Bayern überzeugen zu können. (FDP Münster)

+++ Nach dem Versuch der Stadtwerke, das Windrad Loevelingloh zu verkaufen, verzögert sich alles, weil der Käufer schon zwei Termine zur Vertragsunterzeichnung hat platzen lassen.(Westfälische Nachrichten)

+++ Münsters Stadtbücherei und die Zweigstellen bleiben am 7. März vormittags geschlossen. (Stadt Münster)

+++ Weil es in Münster fast doppelt so viele Ausbildungsplätze wie Bewerbungen gibt, möchte die Industrie- und Handelskammer erreichen, dass ausländische Fachkräfte schneller in Deutschland arbeiten können. (Antenne Münster)

+++ Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist im Februar in Münster deutlich gestiegen. (Arbeitsagentur Ahlen-Münster)

+++ Die Katholische Junge Gemeinde (KJG) in Münster hat sich von ihrem Verbandspatron Thomas Morus distanziert und den „Thomas-Morus-Preis” in “Seelenbohrerpreis” umbenannt, weil Morus Anhänger der Reformation verbrennen lassen habe. (Kirche und Leben)

+++ Die neue Geflüchtete-Einrichtung am Pulverschuppen soll schöner und besser sein als die alte, allerdings auch nur Platz für 500 Menschen haben (statt 995 in der alten). (Bezirksregierung Münster)

+++ Die Entscheidung darüber, ob die leerstehende Postbank am Berliner Platz in Münster zu einer Wache von Polizei und Ordnungsamt wird, ist offenbar noch nicht gefallen. (Westfälische Nachrichten)

+++ Im vergangenen Jahr sind beim Amtsgericht Münster 5.812 Menschen aus der Kirche ausgetreten. (Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Landtagsfraktion)

+++ Die Aktion „Sauberes Münster“ der Abfallwirtschaftsbetriebe hat mit fast 15.000 Menschen, die sich beteiligt haben, einen neuen Rekord aufgestellt. (Stadt Münster)

+++ Die Stadtwerke spenden drei Busse an Münsters ukrainische Partnerstadt Winnyzja. (Stadtwerke, hier: Alles Münster)

+++ Der Osterhase im Bistum Münster hat in der Bauerschaft Osterhausen bei Cloppenburg eine neue Adresse, an die die Kinder ihre Briefe schicken können. (Kirche und Leben)

Unbezahlte Werbung

Den Laden an der Salzstraße gestaltet Copenhagen Studios wie seine Schuhe: minimalistisch und modern. Knallige Farben und wilde Muster suchen Sie vergebens, stattdessen gibt‘s Schuhe in neutralen Tönen gehalten, mal hell, mal dunkel. Die Gründer Johannes und Julian Rellecke kommen aus einer Schuhmacherfamilie und legen Wert auf nachhaltige Materialien. Auch bei der Produktion bleibt’s minimalistisch: Ihre Schuhe fertigt Copenhagen Studios vollständig in Europa. Im April eröffnen zieht das Schuhgeschäft übrigens an den Prinzipalmarkt um.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Heute hat Raphael Balke in den Veranstaltungskalender geschaut. Das sind seine Empfehlungen:

+++ Am Samstag beginnt der Frühjahrssend auf dem Schlossplatz. Mit dabei sind knapp 200 Schausteller:innen, die Attraktionen wie Riesenrad, Autoscooter oder Achterbahnen anbieten. Am Donnerstag ist Familientag mit günstigeren Preisen. Wie immer findet am Send-Freitag (diesmal: 8. März) ein Feuerwerk statt. Wenn Sie es nicht erwarten können, können Sie hier den Countdown bis zum ersten Knall verfolgen.

+++ Beim Benefizkonzert des Bandprojekts „All of Us“  der Kinderkrebshilfe singen ehemalige Patient:innen der Kinderonkologie der Uniklinik gemeinsam. Die Jugendlichen, aber auch ihre Freund:innen und Geschwister treten am Samstag im Café Bistro „21 Ost“ auf. Sie singen über das Leben, Ängste und wertvolle Erfahrungen. Der Eintritt ist frei.

+++ Die Himmelsleiter an der Lambertikirche leuchtet heute Abend ein (vorerst?) letztes Mal. Morgen wird das Licht abgeschaltet und die Leiter abgebaut, schreibt Antenne Münster. Danach kommt die Leiter der Wiener Künstlerin Billi Thanner nach Paris, extra für die Olympischen Spiele. Die Himmelsleiter bleibt nicht ihr letztes Werk in Münster. Ab morgen zeigt das Stadtmuseum zwei weitere Arbeiten von Billi Thanner im Friedrich-Hundt-Studio.

+++ Das Atheater spielt morgen das Stück „Insomnia“. Es handelt von einem Jungen, der zu lebenslanger Haft verurteilt wird und von einem Psychiater, der beurteilen soll, ob der Junge gesund ist. Das Drama behandelt Themen wie Glaube, Sexualität und Trauma. Beginn: 20 Uhr. Eine Karte kostet 15 Euro.

Und sonst?

IT-Fachkräfte müssen sich um Jobs keine Sorgen machen. Firmen um IT-Kräfte schon. Eine Ursache des Problems könnte im Schulsystem liegen. Unglücklicherweise ist es auch noch ein Teufelskreis. Darüber habe ich im RUMS-Interview mit Thomas Bartoschek und Verena Witte gesprochen, die sich an der Uni Münster mit der Informatik-Ausbildung beschäftigen.

Möchten Sie mehr erfahren? Dann testen Sie RUMS drei Monate lang zum halben Preis.

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Raphael Balke (rba), Jan Große Nobis (jgn), Sebastian Fobbe (sfo) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Susanne Bauer

PS

Bei RUMS geht es um das, was in Münster passiert, und um Lokaljournalismus. Hä? Ist das nicht das Gleiche? Im Prinzip schon. Aber wir beschäftigen uns auch mit Lokaljournalismus generell, mit den Bedingungen, unter denen er stattfinden kann, und die Probleme sind in vielen Ländern ganz ähnlich. Das europäische Zentrum für Medien, Pluralismus und Medienfreiheit hat in dieser Woche eine Studie veröffentlicht, in der es der Frage nachgegangen ist, wie es um lokale Medien in 27 europäischen Ländern steht. Die Untersuchung für Deutschland hat Jan Kalbhenn von der Uni Münster gemacht (der inzwischen eine Professur in Darmstadt vertritt). Wenn Sie reinschauen möchten, die Studie finden Sie hier. Und wenn Sie sich schwertun mit langen englischen Texten, ich habe gestern für den MDR über die Ergebnisse geschrieben. (rhe)

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