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Alle für die Demokratie | Unbezahlte Werbung: Leckermädel
Guten Tag,
CDU, FDP, SPD, Volt, die Linke und die Grünen machen es, Vereine und Initiativen auch, genauso Stadtrat Wolfgang Heuer und Menschen in Messenger-Gruppen, in denen sie sonst über ganz andere Dinge kommunizieren: Sie rufen zur Demo gegen Rechts heute Abend auf dem Domplatz auf. Die meisten belassen es nicht dabei, sondern positionieren sich mit eigenen Worten gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie, wie etwa die Wirtschaftsinitiative Münster.
Nicht nur in Münster, sondern in ganz Deutschland gehen viele Menschen seit ein paar Tagen auf die Straße. Der Anlass: eine Recherche des Medienhauses Correctiv. Die Journalist:innen haben ein Geheimtreffen von Rechtsradikalen und Rechtsextremen am Potsdamer Lehnitzsee aufgedeckt. Also zum Beispiel AfD-Vertreter:innen und Neonazis.
Der Inhalt ist ungeheuerlich. Aber neu? Eher nicht. „Mich hat gewundert, dass diese Correctiv-Geschichte so eingeschlagen hat. Weil, wer sich länger mit der AfD beschäftigt, der weiß das ja“, sagte zum Beispiel der Soziologe Andreas Kemper, der unter anderem zur AfD forscht. Gestern war der Münsteraner zu Gast im Podcast „Jung und Naiv“ von Tilo Jung.
Viele Menschen, die die AfD vertreiben möchte, wissen das auch schon länger. Aus eigener Erfahrung. „Seid nicht überrascht. Seid nicht schockiert. Bitte. Seid ready“, schreibt die Rassismusforscherin Tupoka Ogette auf Instagram. Der Comedian Abdul Kader Chahin hat mit Galgenhumor auf das Lehnitzsee-Treffen reagiert. So wie viele andere Betroffene auch.
Warum war also gerade diese Recherche so erfolgreich?
Andreas Kemper sagt: Die Recherche ist sehr detailliert und gut belegt, gleichzeitig sind die Vertreibungspläne von Martin Sellner sehr konkret. Der rechtsextreme Aktivist ist bei dem Treffen als Redner aufgetreten. Er plant die Deportation von rund 14 Millionen Menschen aus Deutschland.
Die stellvertretende Chefredakteurin von Correctiv, Anette Dowideit, sagt im Deutschlandfunk-Podcast Mediasres: Die „demokratische Mitte“ habe nur noch einen kleinen Anstoß gebraucht, um in Aufbruchsstimmung zu geraten und für die Demokratie auf die Straße zu gehen. Außerdem frage sich Correctiv immer wieder: Wie erreicht man die Leute? Diese Recherche hat das Berliner Ensemble zum Beispiel am Mittwochabend als szenische Lesung auf die Bühne gebracht. Sie ist auch im Stream verfügbar.
Journalistin Nadine Lindner, die sich viel mit der AfD beschäftigt, sagt im Politikpodcast: Die Recherche sei für sie ein „Brennglas“ gewesen. Sie zeige die Zusammenführung von drei Ebenen: Bereitsteller:innen rechter Ideologien, Geldgeber:innen und Vertreter:innen einer Partei, die etablierte Strukturen hat. „Da fließen jetzt auf einmal Dinge zusammen.“
Ich möchte keine „Demoscham“ in Ihnen wecken, falls Sie heute nicht auf dem Domplatz stehen. Es gibt viele andere Wege, sich für Demokratie einzusetzen.
Demos und Kundgebungen sind allerdings ein guter Ort, um zu sehen: Ich bin nicht alleine. Dort können Sie Ihre Gedanken mit anderen austauschen, Beiträge hören, Ihre Position verstärken, verfeinern, ändern. In Münster sprechen etwa der Comedian Jean-Philippe Kindler, der seine Show heute Abend extra nach hinten verlegt hat. Außerdem Maria Salinas vom Integrationsrat, Antonia Miersch (SPD) und Robin Korte und Dorothea Deppermann (beide Grüne).
Demos sind auch ein guter Ort, um Solidarität zu bekunden. Um zum Beispiel zu zeigen: Mir ist nicht egal, dass Vertreter:innen einer in Stadträten und Parlamenten vertretenen Partei Deportationen von Menschen befürworten, auch wenn ich selbst nicht zu den 14 Millionen gehöre.
Und dann? Bilden Sie sich weiter, hinterfragen Sie sich, sprechen Sie mit anderen darüber. Interessant ist vielleicht diese Linkliste der Amadeu-Antonio-Stiftung zur Gegenrede bei diskriminierenden Aussagen. Und da nach der Demo bekanntlich vor der Demo ist: Am 16. Februar trifft sich die AfD zum Neujahrsempfang in Münster. Um 17 Uhr findet an dem Tag ein Gegenprotest auf dem Prinzipalmarkt statt. (sst)
+++ Heinrich Dütz, der langjährige Leiter des Gymnasiums Kinderhaus und Gründer des Liborius-Gymnasiums in Dessau, ist einen Monat vor seinem 96. Geburtstag verstorben. (Westfälische Nachrichten)
+++ Das Hittorf-Gymnasium baut ab Februar ein Erweiterungsgebäude, um bessere Bedingungen für den Unterricht von Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu haben. (Stadt Münster)
+++ Der Mühlenhof trauert um den Pfau Florian, der fast 20 Jahre wurde. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Gastrokette „The Ash“, die unter anderem vegane Steaks aus dem 3D-Drucker verkauft, kommt nach Münster. (Westfälische Nachrichten)
+++ Wegen der großen Unfallgefahr am Albersloher Weg soll eine der beiden Geradeausspuren zu einer Rechtsabbiegerspur werden. (Westfälische Nachrichten)
+++ Einer der Anwesenden bei dem Geheimtreffen von AfD-Politiker:innen, Neonazis und Werteunion-Mitgliedern in Potsdam war Dorian Schubert von der Identitären Bewegung, der Kontakte zur Franconia-Burschenschaft in Münster hat. (Nils Dietrich bei dem Kurznachrichtendienst, der früher „Twitter“ hieß)
+++ Das Bistum Münster strukturiert seine Verwaltung um. (Kirche und Leben)
+++ Die Schriftstellerin Anne Weber erhält den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis. (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)
++++++ Eine Ärztin aus Münster kritisiert die mangelnde Vorsorge und den laxen Infektionsschutz für Kinder und Jugendliche, besonders in Schulen und Kitas. (Westfälische Nachrichten)
+++ Der Deutsche Städtetag, dessen Präsident Oberbürgermeister Markus Lewe ist, verurteilt in einer Erklärung die Deportationspläne hochrangiger AfD-Politiker:innen, Unternehmer:innen und Werteunion-Mitglieder. (Trierer Erklärung des Deutschen Städtetags)
+++ Vor dem Landgericht Münster hat der Prozess gegen sieben Männer im Alter von 18 bis 22 Jahren begonnen, die einen jungen Mann erpresst, misshandelt und verprügelt haben sollen. (Westfälische Nachrichten)
Jede Familie hat ein Rezept, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Bei Frank Martin Mädel aus Gievenbeck ist es Käsekuchen. Den verkauft er jetzt auch auf dem Wochenmarkt. Beim „Leckermädel“-Stand gibt es nicht nur den klassischen Käsekuchen nach dem Rezept von Oma Anni, sondern auch Variationen, zum Beispiel mit Mohn oder Früchten. Nach einer längeren Pause kommt der Stand morgen wieder auf den Wochenmarkt zurück.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Heute hat Fabian Cohrs einige Veranstaltungstipps für Sie aufgeschrieben:
+++ Morgen Abend empfangen die Uni Baskets ihre Kontrahenten von den Gartenzaun 24 Baskets aus Paderborn. Los geht es um 19:30 Uhr in der Sporthalle Berg Fidel. Tickets für den Noch-nicht-ganz-Breitensport erhalten Sie hier.
+++ Am Sonntagabend findet im Kreativhaus ein „Musikblinddate“ statt. Hierbei treffen vier Musiker:innen aufeinander, von denen jede:r einen vorbereiteten Song mitbringt. Der Rest entsteht unter Mitwirkung des Publikums spontan. Der Beginn ist um 20 Uhr. Karten fürs Improkonzert bekommen Sie hier.
+++ Oft hilfreich, manchmal aber auch ein wenig gruselig: Sprachassistenzen. Die Soziolinguistin Miriam Lind aus Frankfurt an der Oder forscht darüber, wie uns Sprachassistenzen im Alltag begleiten. Am Dienstag hält sie ab 18 Uhr einen Vortrag über ihr Forschungsthema beim Linguistenkongress „Linkon“ der Uni Münster. Veranstaltungsort ist der Festsaal am Schlossplatz 5. Der Eintritt ist frei.
+++ Am Sonntagnachmittag lesen Barbara und Vera Isabelle Blasum aus ihrem Buch „Sagen und Geschichten aus Münster und dem Münsterland“. Die Geschichtensammlung ist eigentlich ein Kinderbuch, aber auch Erwachsene können noch viel über Münster erfahren. Die Lesung findet im Gräftenhof im Mühlenhof-Freilichtmuseum statt. Der Eintritt ist im Museumseintritt enthalten. Beginn: 15 Uhr.
+++ Ferdinand von Schirachs „Terror“ kam erst 2015 heraus, gilt aber schon jetzt als moderner Klassiker. Das Stück handelt von einer Flugzeugentführung. Terroristen drohen, die Maschine in ein Stadion voller Menschen zu lenken. Was jetzt? Sollte man das Flugzeug abschießen oder hoffen, dass die Katastrophe ausbleibt? Um diese Frage geht es am Dienstag- und Mittwochabend im Wolfgang-Borchert-Theater. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20 Uhr. Karten bekommen Sie hier.
Was steht sonst so im RUMS-Brief?
Das Unternehmen P. Jentschura aus Münster steht seit längerem in der Kritik, wegen seiner Nähe zu Esoterik und Verschwörungsmythen. Es verkauft basische Produkte und seit letztem Jahr betreibt es eine Akademie. Das Angebot hat es nun noch einmal erweitert. Autorin Antonia Strotmann hat sich das einmal genauer angeschaut. Sie ist nicht nur auf den Begriff „Orgonenergie“ gestoßen, sondern auch auf eine zugeknöpfte Pressestelle und Online-Quellen, die irgendwann zwischen dem Beginn ihrer Recherche und der heutigen Veröffentlichung verschwunden und jetzt nur noch in archivierter Form zugänglich sind.
Klingt interessant? Dann abonnieren Sie doch RUMS. In den ersten drei Monaten zahlen Sie nur den halben Preis für die volle Ladung Recherche, Analyse und Hintergrund.
Herzliche Grüße
Svenja Stühmeier
Mitarbeit: Fabian Cohrs (fco), Sebastian Fobbe (sfo), Ralf Heimann (rhe), Antonia Strotmann (ast)
Lektorat: Maria Schubarth
PS
Ich höre sehr gerne Podcasts. Besonders die mehrteiligen, die Rechercheergebnisse mit großartigem Storytelling vermitteln, spannend und manchmal lustig sind. Wenn ich den Journalist:innen dabei zuhöre, wie sie ihre Arbeit präsentieren, bewundere ich sie häufig. Wie viel Durchhaltevermögen sie haben, wie mutig sie sind – und wie cool. Einen Podcast, der mich zuletzt sehr begeistert hat, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. In „der fall gracia“ geht es, nun ja, um den Fall Gracias. Also, Gracia Baur, 2003 Teilnehmerin der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“. Da war ja ein Loch in der Bühne und sie ist reingefallen, Sie erinnern sich sicherlich. Spannung und Storytelling stehen in der halbstündigen Folge von „too many tabs“ eher nicht im Fokus. Dafür umso mehr Humor und Coolness der Hosts Carolin Worbs und Miguel Robitzky, die sich selbst (und Recherchepodcasts) nicht allzu ernst nehmen. (sst)