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von Fabian SchatzPatrik Werner kommentiert die Kolumne von Ruprecht Polenz zum Tempolimit.
Im Zeichen der Coronavirus-Infektionen beteuern die Bundesregierung und die Landesregierungen, der Schutz von Menschenleben habe absoluten Vorrang vor den Aspekten Wirtschaft, Bewegungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Diese Prioritätensetzung hat es beim Thema Verkehrssicherheit, speziell einem generellen Tempolimit für Pkw auf Autobahnen, bislang nicht gegeben.
Dabei besteht seit Jahrzehnten ein flächendeckendes Tempolimit auf deutschen Autobahnen: Tempo 80 für den Lastkraftverkehr. Niemand würde behaupten, dies habe sich nicht bewehrt und müsste gestrichen werden. Niemand würde behaupten, das gleichmäßige Tempo der LKW schläfere ein und verursache damit Verkehrsunfälle.
Sind Autobahnen ohne Tempolimit ein Wettbewerbsvorteil für deutsche Autobauer? Die schnellsten Autos – Ferrari, Lamborghini, Jaguar, Aston Martin – kommen aus Ländern mit striktem Tempolimit und finden weltweit, auch in Ländern mit generellem Tempolimit für PKW, guten Absatz.
Es gibt zwei Arten von Rechten: die Bürgerrechte und übergeordnet die Menschenrechte. Ein Bürgerrecht ist die “Mobilität”, keineswegs die Automobilität, erst recht nicht die Automobilität mit Fahren ohne Tempobegrenzung. Zu den Menschenrechten gehört das Recht auf Leben und unversehrte Gesundheit. Damit dürfte klar ein, dass eine Regierung, die den Schaden der Bürger (durch Verweigerung eines allgemeinen Tempolimits für PKW auf Autobahnen) in Kauf nimmt, gegen die Menschenrechte verstößt, Bürgerfreiheit hin oder her. Belege, dass ein allgemeines Tempolimit die Zahl der Getöteten mindert, dass nach Aufhebung oder Erhöhung des Tempolimits die Zahl der Getöteten steigt, sind vorhanden.
Zu prüfen ist deshalb, ob in dieser Frage Verfassungsklage gegen die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erhoben werden kann. Daneben dürfte eine Initiative Erfolg haben, die auf eine zumindest zweijährige Erprobung eines flächendeckenden Tempolimits für Pkw auf Autobahnen abzielt. Wer sich gegen den Erkenntniszuwachs wehrt, zeigt, dass es ihm oder ihr nicht darum geht, von Meinung zu Wissenschaft und Wissen zu kommen. Für eine promovierte Physikerin an der Spitze der Regierung ist das ein Armutszeugnis.
Nicola Siller, Geschäftsführerin des Vereins BerufsWege, schreibt uns zum RUMS-Brief vom Dienstag.
Mit Betroffenheit und Empörung haben wir Ihren Brief vom 3. August „Geschlechterklischees im Jura-Studium“ gelesen. Wir, das sind die Frauen des BerufsWege e.V., der Informations- und Beratungsstelle für die berufliche Chancengleichheit von Frauen in Münster. Seit mehr als 30 Jahren beraten und begleiten wir Frauen, Familien und Organisationen auf ihrem Weg zu echter Geschlechtergerechtigkeit – und Ihr wunderbar recherchierter Text zeigt leider auf äußerst unangenehme Weise auf, dass diese Arbeit weiterhin notwendig ist.
Aus gegebenem Anlass möchten wir an dieser Stelle auf unser Beratungsangebot hinweisen, das sich an alle richtet, die erstens von Sexismus betroffen sind oder zweitens zu einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt – also auch zu einer gendersensiblen Hochschullehre – beitragen wollen. Gerne laden wir Student:innen, Dekanat und Professor:innenschaft der rechtswissenschaftlichen Fakultät ein, mit uns dazu ins Gespräch zu kommen und gemeinsam einen Leitfaden zur gender- und diversitätssensiblen Ausbildungsgestaltung zu erarbeiten.
Thorsten Knölke vom Fachverband Fuss hat ein paar Anmerkungen zu den Verkehrsversuchen.
Die Autofahrenden, angetrieben von einer finanzstarken Lobby, nehmen sich ganz selbstverständlich überproportional viel Platz und Vorfahrt. Und weil der Platz nie reicht, wurde er für die Automobilität in den letzten 70 Jahren permanent erweitert und ausgebaut. Wo er noch immer nicht reicht, werden andere Flächen in Besitz genommen: Gehwege werden zu Parkplätzen. Es bezahlen stets alle, auch die nicht Auto fahren. Auch die Folgekosten für Gesundheit und Umwelt. Jetzt wird zaghaft versucht, die Schieflage wieder ein klein wenig ins Gleichgewicht zu bringen, und sofort hört und liest Mensch allenthalben von Ideologie (ist das Auto keine?), von Opfern (wer ist wirklich Opfer?) und von Verdrängung (wer braucht viel Platz zum fahren und parken?). Wer ist denn wirklich verdrängt? Die Stadt erstickt in Automobilität. Es ist dringend ein Zurück zur Normalität nötig. Nicht ohne Autos, aber Automobilität mit Maß und Verstand. In der Stadt ist das Automobil das schlechteste Verkehrsmittel. Und auf längeren Strecken das Klimaschädlichste. Mobilität muss neu gedacht und umweltverträglich werden. Wie das geht, wissen wir. Nur an der Umsetzung scheitert es bislang.
Wolfgang Wiemers vom Mobilitätsverband VCD kommentiert ebenfalls die Verkehrsversuche.
Natürlich sind Verkehrsversuche gut, wenn sie gut gemacht sind und belastbare Erkenntnisse und Fortschritt bringen. Und so fand ich auch zuerst Klaus Baumeisters Kommentar in den WN (“Falscher Zeitpunkt”), über den auch RUMS berichtet, zutreffend: “Muss das denn gerade jetzt sein?” Als ich das meinem Enkel sagte, fragte der zurück: “Aber wann ist denn dann der richtige Zeitpunkt?”
Wo er Recht hat, hat er Recht. Seit Jahrzehnten fordern die Umweltverbände eine autofreie oder autoarme Innenstadt, eine Beschleunigung und Verdichtung des Öffentlichen Nahverkehrs, um die Autolawine, vor allem im Berufspendlerverkehr, aus der Stadt zu bekommen, und um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Die Antwort der “Verkehrsexperten” in der Verwaltung wie auch der meisten Mehrheiten im Rat: “Wir brauchen erst noch andere Voraussetzungen, um den Verkehr (sprich Pkw-Verkehr) flüssig zu halten.
Beispiel Busverkehr am Hauptbahnhof: 1997 veranstaltete die Rot-Grüne Koalition einen Wettbewerb zur Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes. Sechs renommierte Planungsbüros erarbeiteten Vorschläge, im Preisgericht saßen Fachleute, Ratsmitglieder und Vertreter der Anlieger. Alle waren sich einig: Um einem zukunftsfähigen Busverkehr gerecht zu werden, muss die Durchfahrt für den allgemeinen Verkehr gesperrt werden. Das Totschlagargument der “Verkehrsfachleute” damals: “Das geht erst, wenn die Umgehungsstraße vierspurig ausgebaut ist!” Vorschläge, den Verkehr zu reduzieren, das Einbahnstraßensystem aufzugeben und den Restverkehr über die überdimensionierte Von-Vincke-Straße abzuwickeln, wurden nicht weiter diskutiert und verschwanden nach 1999 in der Versenkung. Oberste Maxime blieb: (Auto-)Verkehr muss fließen (auch wenn er sich selbst sowie Bus, Rad- und Fußverkehr weiter behindert oder verdrängt.
Wir sind jetzt bald ein Vierteljahrhundert weiter. Alles, was der Club of Rome (Grenzen des Wachstums 1972) und die Klimaforscher seit gut 30 Jahren angekündigt haben, ist grausame Wirklichkeit. In Kanada, Kalifornien, im Mittelmeerraum brennen Wälder und Siedlungen, in Eifel und Bergischem Land entwickelt das Wasser eine unerwartete Zerstörungskraft. Wer ist schuld daran? Zu einem erheblichen Teil unser CO2-Ausstoß durch Verbrennung fossiler Energieträger, zu fast einem Viertel in den Motoren unserer Autos.
Wann, wenn nicht jetzt, 2021, hat jeder und jede von uns die Gelegenheit zu überlegen, ob sie nicht vom Auto auf Rad oder Bus umsteigen könnten. Der Stau gibt dazu noch einen zusätzlichen Kick: Es geht jetzt vielleicht doch schneller als mit dem Auto: “Stolz am Stau vorbei!” Und auf den Straßen bleibt genug Platz für die, die wirklich aufs Auto angewiesen sind.
Auch Johannes Koch schreibt uns zu den Verkehrsversuchen.
Also ich als ausschließlicher Radfahrer und Berufs-Pessimist finde ich natürlich – wenig überraschend –, dass das alles überhaupt nicht weit genug geht, dass bloß einige wenige semi-kritische Stellen angetastet wurden und man die richtig dicken Probleme schön außen vor gelassen hat, dass das alles viel zu spät kommt, und natürlich auch viel zu unverbindlich ist („Versuch“).
Eine klitzekleine Randnotiz möchte ich aber gerne anbringen und damit auch mal was Konkretes sagen, und zwar schreibt die Stadt in ihrer Pressemitteilung, dass durch den Verkehrsversuch Neubrückentor es möglich sei, “von der Salzstraße bis zum Kreuztor ohne Halt auf der Promenade zu fahren“. Alle Medien zitieren das und keiner merkt, dass das Blödsinn ist, denn die Ampel an der Hörsterstraße ist natürlich nach wie vor aktiv und zeigt nach wie vor meistens Rot. Diese Ampel ist übrigens ein Beispiel für eins der oben genannten „dicken Probleme“, finde ich.