Post von Leser:innen

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von Ralf Heimann

In der Debatte um den Musik-Campus hat uns Hans Gummersbach geschrieben. Er hat früher das Schulamt und die Volkshochschule der Stadt Münster geleitet und lehnt die Musik-Campus-Idee ab. Gummersbach befürwortet einen anderen Vorschlag. Und er stellt zum aktuellen Verwaltungspapier drei Fragen:

Das gigantische, rein monothematische Konzept eines Musik-Eldorados mit dem Namen „Musik-Campus“ war der große Traum von Oberbürgeremeister und Uni-Rektor. Dieser Traum, seit über sieben Jahren mit enormem Aufwand als großartiges und herausragendes Zukunftsprojekt mit angeblich bundes- ja europaweiter Ausstrahlung propagiert, ist inzwischen zerplatzt. Die zu erwartenden Kosten von weit über 400 Millionen Euro, also primär finanzpolitische Argumente, werden abschließend den Ausschlag geben. Kulturpolitisch ist mangels Fachkompetenz in Rat und Verwaltung dabei leider kaum diskutiert worden. Das war ein großer kommunalpolitischer Fehler!

„Kultur ist nicht die Sahne auf dem Kuchen, sondern die Hefe im Teig. Wer das nicht versteht, bekommt am Ende die falschen Backwaren!“ Der kluge Hinweis vom seinerzeitigen Bundespräsidenten Johannes Rau hat an Bedeutung nicht einen Deut verloren. Jeder Kommunalpolitiker, der diesen Satz nicht versteht, gehört nicht in den Rat der Stadt.

Es geht – besonders in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Verunsicherung – darum, die Bedeutung und den Stellenwert von Kultur und Bildung in der Kommune zu stärken! Kultur und Bildung waren, sind und werden auch zukünftig wesentliche Impulsgeber zur Revitalisierung von Gemeinschaft und Demokratie sein.

Dafür werden vielfältige, kreative kulturelle Angebote gebraucht. Angebote aus allen Kultursparten, aus der Bildender Kunst, aus der Musik, aus dem Theater, aus Literatur und Tanz, aus demokratischen Debatten, aus kultureller und interkultureller, aus historischer und politischer Bildung.

Dafür wir brauchen wir aber auch einen neuen, modernen, öffentlichen und niederschwelligen Ort, wo Kultur, Bildung und Begegnung zum echten Magneten für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt wird. Zum offenen Treffpunkt für alle sozialen Milieus, für Alt und Jung, für Arm und Reich, für Freunde der Musik, Freunde der Literatur, der bildenden Kunst, für Menschen aus anderen Kulturkreisen, für Menschen aus Münster und aus der Region. Münster als junge und wachsende Stadt, hat für einen solchen multifunktionalen modernen Begegnungsort ein enormes Potential.

Das multifunktionale Kulturorte Konzepte für die Zukunft sind, zeigen uns viele mutige Projekte zum Beispiel in Skandinavien oder in den benachbarten Niederlanden. Ein Ausflug zum Beispiel zum „Het Forum“ nach Groningen hätte Münsters Kommunalpolitikern sicher die Augen geöffnet. Ein lebendiges multifunktionales Kulturzentrum mit 17.000 Quadratmetern Nutzfläche und im Jahr 2019 für 76 Millionen Euro realisiert. Aber man verließ sich lieber im Blindflug und ohne links und rechts zu schauen auf die selbstbezogenen Richtungsempfehlungen der Musik-Lobby. Nun mit der zu erwartenden Bruchlandung.

Die drei Fragezeichen

Im Blick auf die aktuelle Beschlusslage zum Musik-Campus der „Koalition plus“ stellen sich noch viele Fragen. Drei seien hier genannt:

  1. Warum hat es eigentlich in den zurückliegenden sieben Jahren zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte fachlich und kulturpolitisch kompetente Prüfung und Debatte über alternative inhaltliche Konzepte und Standorte gegeben? Warum hat man dazu nicht Kultur- und Stadtentwicklungs-Experten aus ganz Europa zur Beratung und Diskussion mit Politikern und Bürgerinnen und Bürgern nach Münster eingeladen? Stattdessen nur bunte Broschüren, einstimmige laute Lobgesänge, eingeschworene geschlossene Fronten der Stadtverwaltung, der Lokalpresse und der Befürworter eines „Musik-Campus“.
  2. Sind zum Beispiel die geplanten, enormen Raumbedarfe für eine Städtische Musikschule, die kindgerecht und auftragsgemäß vor allem dezentral in den Stadtteilen ihr Angebot machen soll, wirklich gerechtfertigt? Sind dafür über 70 Millionen Euro Investitionen für eine freiwillige Leistung der Stadt tatsächlich angemessen, oder wäre nicht eine kleinere Lösung verantwortungsvoller?
  3. Im offenen Brief an Ruprecht Polenz sprechen die Unterzeichner, ganz im Tenor vom Oberbürgermeister, über die Zusage von 20 Millionen aus Berlin, ohne mit einem Wort die dafür zu erfüllenden Konditionen zu erwähnen. Die vom Bund geforderten Voraussetzungen für die Mittelvergabe werden nämlich bei der bevorstehenden Prüfung nicht erfüllbar sein. Und dann ist wieder eine bunte Blase geplatzt.

Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht? Das darf doch nicht weiter die Devise in dieser Frage sein! Die Politik sollte jetzt endlich mutig den Reset-Knopf für den alten „Musik-Campus“ drücken!

Die Uni baut ohnehin völlig unabhängig davon endlich ihre Musikhochschule. Wo auch immer, und in welcher Dimension angesichts der Haushaltssituation des Landes verantwortbar. In dieser Standortfrage sollte meiner Ansicht nach der Leonardo-Campus dafür noch mal in den Fokus kommen sollte. Und die Stadt Münster macht einen seriösen Neuanfang für die Musikschule, das Orchester, die Freunde von Musik und für vieles, vieles mehr.

Mit guter externer Beratung und Unterstützung durch internationale Fachleute für zukunftsweisende kommunale Kulturpolitik. Mit transparenten Antworten auf anstehende Fragen: nach dem grundlegenden Konzept, den inhaltlichen Angeboten, den dafür notwendigen tatsächlichen Raumbedarfen, der realistischen Größe eines Konzertsaals, der Dimension und Form der Architektur, dem wirklich geeigneten Standort für einen neuen Kulturort, der notwendigen personellen Ausstattung, den Folgekosten für die kommenden Jahrzehnte. Jetzt wird es Zeit, die Hefe an den Teig zu bringen.