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Wir müssen reden | Folge 7: Verkehrswende | Fragen und Antworten

von Fabian Schatz

Es sind noch Fragen offen geblieben in unserer Veranstaltung am 4. Juli. Wir haben Post bekommen, im Chat sind Fragen gestellt worden. Jule Heinz-Fischer (Grüne) hat viele dieser Fragen nun beantwortet. Falls Walter von Göwels (CDU) ebenfalls noch Antworten nachreicht, werden wir sie unten einfügen. 

Wenn Busspuren in Münster an allen Einfallstraßen kommen – bekommen wir dann eine neue Brücke an der Wolbecker Straße?

Jule Heinz-Fischer: Nein, vermutlich bleibt es bei der gerade neu gebauten Brücke. Die Wolbecker Straße ist ja an vielen Stellen zu schmal für eine durchgängige Busspur. An solchen Straßen kann man aber versuchen mit kurzen Busspur-Abschnitten und Ampelschaltungen die Busse zu bevorrechtigen und damit zu beschleunigen.

Weiterhin ist das Azubi-Ticket (80 Euro im Monat für die Nutzung in NRW) im Vergleich zum Semesterticket (etwa 170 Euro pro Semester für die Nutzung in NRW) benachteiligt, warum diese Ungerechtigkeit?

Jule Heinz-Fischer: Das Azubi-Ticket wurde auf politischer Ebene beschlossen. Das Semesterticket wird von den Studierendenvertretungen und den Verkehrsverbünden ausgehandelt. Wir setzen uns auf Landesebene dafür ein, dass das Azubi-Ticket, das wir grundsätzlich für eine ausgezeichnete Maßnahme halten, günstiger wird.

Brauchen die Anwohner:innen in der Innenstadt überhaupt eigene Autos und Parkplätze? Wären hier Car-Sharing Konzepte nicht viel sinnvoller, wie es auch in anderen Großstädten gemacht wird?

Jule Heinz-Fischer: Natürlich ist Car-Sharing eine ganz tolle Alternative zum eigenen Auto, besonders in der Innenstadt. Aber auch in Außenstadtteilen und im ländlichen Raum bietet Car-Sharing gute Möglichkeiten, gegebenenfalls das private Zweitauto abzuschaffen und für bestimmte Gelegenheiten, bei denen es nur sehr schwer ohne Auto geht, trotzdem eins zu Verfügung zu haben. Car-Sharing reduziert durchs Teilen der Autos den Flächenverbrauch und schafft mehr Platz für andere Nutzungen. In Münster sehen wir da mit zwei Anbietern mit stationsbasiertem System eine grundsätzlich gute Situation. Stadt und Politik müssen es den Anbietern möglich machen, mehr Parkplätze für ihre Autos zu bekommen, damit das Angebot ausgeweitet werden kann. Dazu haben wir vor kurzem einen Antrag gestellt, der das Verfahren für neue CarSharing-Stellplätze transparent und einfacher machen soll. 

Warum darf man mit einem CO2-freien Zweirad in die Stadt fahren, mit einem CO2-freien Vierrad (E-Auto) aber nicht?

Jule Heinz-Fischer: Eine ökologische Verkehrspolitik sollte sich auf Fahrrad, Bus und Bahn konzentrieren, diese fördern und dafür auch den Platz für Pkw einschränken, auch wenn die Antriebe der Pkw mehr und mehr auf Elektro umgestellt werden (was sie aktuell noch erst zu einem sehr geringen Maße sind, in Münster haben bisher nur 1,9 Prozent der Autos einen Elektroantrieb). Der hohe Flächenverbrauch der aktuellen Menge an Autos lässt sich mit genug Platz für die anderen Verkehrsträger nicht vereinbaren, egal bei welchem Antrieb. Zudem sind Elektroautos gegenüber Fuß, Fahrrad, Bus und Bahn energieineffzient. Da zur Klimaneutralität 2030 auch eine Verringerung des Endenergieverbrauchs um 50 Prozent gehört, ist es eine wichtige Aufgabe, Elektroautos sinnvoll ins Verkehrssystem einzubinden und nicht das aktuelle Verkehrssystem, nur mit anderen Antrieben, beizubehalten. 

Wer regelmäßig an der Sentruper Höhe mit dem Fahrrad den Ring überqueren möchte, wird die unverhältnismäßig langen Wartezeiten kennen. Ist es in der Überlegung, die Ampelschaltungen weniger nach dem Autoverkehr auszurichten?

Jule Heinz-Fischer: Ja, die Ausrichtung der Ampelschaltungen auf zügige Verbindungen für Rad- und Busverkehr sind für uns eine wichtige Maßnahme, die wir angehen wollen. Auch für Fußgänger:innen müssen Ampelschaltungen komfortabler werden. 

Wie hilfreich könnte eine Anpassung der kommunalen Stellplatzordnung für eine autofreie beziehungsweise „lebenswerte“ Stadt oder Innenstadt sein?

Jule Heinz-Fischer: Die Stellplatzsatzung ist bereits angepasst, und ist ein gutes Instrument bei Neubauten weniger KfZ-Stellplätze für mehr autofreie Wohnungen zu ermöglichen und auch mehr gute Fahrradabstellmöglichkeiten zu bieten. Gleichzeitig ist wichtig, dass Bauherren nicht ganz ohne Stellplätze bauen und die Autos anschließend im öffentlichen Raum parken. Daher lässt die Stellplatzverordnung neue KfZ-Stellplätze trotzdem zu. 

Meine gehbehinderte Frau und ich würden so gerne mal wieder nebeneinander eingehakt die Bürgersteige des Kreuzviertels nutzen. Können Sie sagen, wann das Projekt Faires Parken erste Auswirkungen zeigen wird.

Jule Heinz-Fischer: Wir haben in Verbindung mit dem Integrierten Parkraumkonzept den Antrag gestellt, Fair Parken im Kreuzviertel und Hansaviertel zu erproben, um die Erfahrungen in das Konzept einfließen zu lassen. Das Integrierte Parkraumkonzept wurde erst jetzt ausgeschrieben. Wir wollen, dass es bald erste Schritte gibt, zum Beispiel an der Melchersstraße, um zu zeigen, wie Parkraum fairer organisiert werden kann, damit die Gehwege endlich wieder begehbar werden und nicht zugeparkt sind. Darauf drängen wir bei der Verwaltung und sind intensiv im Gespräch darüber, wie das Projekt Fair Parken im Kreuzviertel jetzt angegangen werden kann. 

Warum diskutieren wir immer noch darüber, den Parkplatz am Domplatz zu schließen, wenn sich doch hier alle Parteien einig sind? 

Jule Heinz-Fischer: Eine Umgestaltung des Parkplatzes am Domplatz ist bereits mit dem Haushalt 2021 mehrheitlich beantragt worden. Für die Umsetzung fehlt es noch an einer Beteiligung der Planungswerkstatt Innenstadt und darauffolgend einer Vorlage der Verwaltung. Einig sind sich hier alle Parteien allerdings nicht. 

Wo sind sich die Parteien so einig, dass die Menschen in Münster bald spüren werden, dass sich etwas verbessert?

Jule Heinz-Fischer: Die Einführung verschiedener Maßnahmen zur Busbeschleunigung beispielsweise sind sowohl vom schwarz-grünen Ratsbündnis als auch vom aktuellen Ratsbündnis gemeinsam mit Linke, ödp und dem Ratsherrn Georgios Tsakalidis beantragt worden. Hier fehlt es nur noch an der Umsetzung durch die Verwaltung. Auch für die Umgestaltung der bereits existierenden Fahrradstraßen gemäß der Fahrradstraßen-Standards gibt es eine breite politische Mehrheit und bereits einen Grundsatzbeschluss. 

Wenn die Parteien auf kommunaler Ebene politischen Leitbildern hinterherlaufen, führt das nicht dazu, dass die Politikverdrossenheit der Bevölkerung steigt?

Jule Heinz-Fischer: Nein, das sehen wir anders. Grundsätzliche Leitbilder, wie zum Beispiel das einer konsequent auf klimaneutrale und lebenswerte Mobilität ausgelegten Verkehrswende, machen die politischen Haltungen der Parteien deutlich und ermöglichen es, unabhängig von konkreten Einzelentscheidungen einen Eindruck der Parteien zu erhalten. Dies ist wichtig für die Entscheidung bei den Wahlen. Gleichwohl ist natürlich richtig: Weniger Hochglanzbroschüren, mehr Umsetzung der Verkehrswende auf der Straße!

Schon vor 60 Jahren wurden Debatten über die Folgen einer autofreien Innenstadt für den Einzelhandel geführt. Die Befürchtungen sind nicht eingetreten. Im Gegenteil. Warum führen wir diese Debatten immer noch?

Jule Heinz-Fischer: Gute Frage. Aus den Debatten über die Einführung der Fußgängerzone ziehen wir auch für heutige Pläne einer weiteren Verkehrsreduktion in der Innenstadt viel Bestärkung, dass sich erneut dieselben positiven Effekte wie zum Beispiel mehr Aufenthaltsqualität und eine Stärkung des Einzelhandels einstellen werden. 

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Politik, der Stadt Münster und weiteren lokalen Akteuren verbessert werden?

Jule Heinz-Fischer: Durch mehr Austausch und durch öffentliche Debatten. Wir sehen in den Rückmeldungen und Stellungnahmen der Verkehrs- und Klimaverbände sowie weiterer Organisationen und Initiativen, in der öffentlichen Debatte in den Medien und in direkten Rückmeldungen von Bürger:innen wertvolle Rückmeldungen und Hinweise für unsere Arbeit. So sehr es geht, versuchen wir selbst direkt mit Initiativen, Verbänden und Bürger:innen ins Gespräch zu kommen, schaffen dies aber zeitlich manchmal weniger als wir eigentlich möchten. Daher freuen wir uns auch über direkten Austausch beispielsweise zwischen Initiativen und der Verwaltung oder über einen Austausch aller Parteien, Initiativen und der Verwaltung anhand von konkreten Fragen oder Projekten wie zum Beispiel bei der kommenden Planungswerkstatt zur Wolbecker Straße. 

Schürt der Begriff „Wende“ nicht viel zu viel Ängste in der Bevölkerung? Vielen können sich nur von alten Gewohnheiten lösen.

Jule Heinz-Fischer: Möglicherweise ja, dennoch glauben wir, dass bereits jetzt und zunehmend durch viel Kommunikation und öffentliche Debatte der Begriff Verkehrswende für mehr und mehr Menschen positiv besetzt ist. Die Verkehrswende wird notwendigerweise mit der Veränderung vieler Gewohnheiten einhergehen. Das wichtige Ziel einer Verkehrswende ist es aber, dass trotz anderer Verkehrsmittel und Arten, Wege zurück zu legen, alle mobil bleiben oder sogar noch mobiler werden, Münster klimaneutral wird und gleichzeitig in unseren Städten und Gemeinden mehr Lebensqualität entsteht. 

Wir diskutieren über eine Verkehrswende. In den letzten zehn Jahren ist die Pkw-Dichte in der „Fahrradstadt Münster“ überdurchschnittlich gestiegen. Ist diese Entwicklung der Politik bekannt?

Jule Heinz-Fischer: Ja, diese Entwicklung ist uns Grünen bekannt. Wir beobachten das mit großer Sorge und ziehen daraus einen klaren politischen Auftrag, dass in der Verkehrspolitik mehr passieren muss. 

Seit 44 Jahren bin ich in Münster beheimatet. Durchaus sehr viele Radwege sind exakt so geblieben, wie sie schon damals waren, nur eben älter geworden. Wann kommt die verkehrliche Inklusion?

Jule Heinz-Fischer: Das Radwegenetz in Münster ist an vielen Stellen veraltet und der aktuellen Anzahl der Radfahrenden nicht mehr angemessen. Zur Zeit laufen einige Maßnahmen, um es wieder auf den Stand der Zeit zu bringen. Bei einem aktuellen Beschluss zur Instandhaltung zahlreicher Straßen, Geh- und Radwege haben wir beantragt, dass ein Sanierungsplan für alle Radwege im Stadtgebiet entwickelt werden soll, der zum Ziel haben soll alle Radwege zu sanieren und auf eine angemessene Breite zu erweitern. Gleichzeitig sehen wir, dass an einigen Stellen auch sehr breite Radwege zu wenig Platz bieten und engagieren uns für mehr Fahrradstraßen. Zudem wird ein sogenanntes Fahrradnetz 2.0. geplant, in dem die Stadtverwaltung gemeinsam mit einem Planungsbüro ein sogenanntes hierarchisches Radverkehrsnetz für Münster entwickelt, also ein stadtweites Netz aus Radwegen und Fahrradstraßen, die ähnlich wie das Netz aus Wohn-, Neben- und Hauptstraßen für Autos aufgebaut sein soll. 

Unsere Radwege treiben E-Räder systematisch auf die Straße. Sogar die Promenade wird zu klein für den mehrfach geschichteten Radverkehr. Wann kommt endlich eine systematische Gleichstellung auf allen Straßen?

Jule Heinz-Fischer: Wir haben im letzten Rat beantragt, dass die Radwegebenutzungspflicht auf möglichst vielen Straßen aufgehoben wird, sodass schnelle Radfahrende mit und ohne Elektromotor sowie Lastenräder legal auf der Straße fahren dürfen. Dies soll kurzfristig die Situation auf den zu engen Radwegen entzerren, während wir gleichzeitig, wie bei der vorherigen Frage beschrieben, daran arbeiten die Radinfrastruktur stadtweit angemessen auszubauen. Wichtig ist zu betonen, dass die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht niemand verpflichtet, auf der Straße zu fahren. Wer nicht auf der Straße fahren möchte, darf weiterhin auf dem Radweg fahren. 

Auf vielen Radwegen finden sich Baumwurzeln, auf den Straßen ist alles glatt. Wer sorgt dafür, dass Radwege so in Ordnung sind wie Straßen?

Jule Heinz-Fischer: Die Radwege werden ebenso wie die Straßen von der Verwaltung instand gehalten. Dabei haben Radwege manchmal gegenüber Straßen das Nachsehen, weil unter den Straßen viele Leitungen und Kabel verlegt sind, und hier einerseits häufig für Kabel- und Rohrarbeiten die Straße geöffnet und dann anschließend glatt wieder hergestellt wird, andererseits müssen die Straßen saniert werden, um Kabel- und Rohre vor Schäden zu schützen. Dennoch finden wir es sehr problematisch, dass die Radwege häufig in einem so schlechten Zustand sind und versuchen den Radwegen (und Gehwegen) bei der Sanierung eine Priorität einzuräumen. Gleichzeitig ist ein Problem, dass viele Radwege zu schmal sind. Die Verwaltung steht hier vor dem Dilemma, den Radweg auf der alten Breite zu sanieren oder eine Überplanung der Straße vorzunehmen, wofür nicht immer Kapazitäten da sind. Dieses Problem versuchen wir mit einem strukturierten Radwege-Sanierungsprogramm zu lösen. 

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