Pandemie im Rückspiegel: Was haben wir aus Corona gelernt? | Politik-Paradoxon: Warum muss immer erst etwas passieren? | RUMS beim Kreuzviertelfest

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

in den letzten Jahren fingen wir um diese Jahreszeit herum langsam an, uns mit der Frage zu beschäftigen: Kommt denn jetzt bald die nächste Corona-Herbstwelle? Und wenn ja: Was wird das für uns bedeuten? In diesem Jahr stellt sich die Frage zwar immer noch, aber die Beschäftigung mit ihr hat doch nachgelassen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitierte am Montag einen Hausarzt mit der Aussage: „Corona gehört nun zum normalen Lebensrisiko.“

Im Rückblick stellen sich allerdings schon ein paar Fragen. Zum Beispiel: „Was haben wir aus der Pandemie gelernt?“ Das ist der Titel einer Umfrage, deren Ergebnis man sich seit Donnerstag auf den Seiten der Stadt in Form einer 50-seitigen PDF-Datei herunterladen kann. Unglücklicherweise steht im zentralen Satz der Zusammenfassung, „dass es in keinem der untersuchten Themenbereiche zu einem eindeutigen Stimmungsbild kam“.

Es ist also nichts so schlecht gelaufen, dass alle Befragten sagen: Das war wirklich schlecht. Aber es ist auch nichts so gut gelaufen, dass im Ergebnis steht: Das hat wirklich fantastisch geklappt.

Antworten gegeben haben 266 Menschen, die in Münster im Gesundheitswesen arbeiten, also zum Beispiel bei Pflegediensten, in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, ärztlichen Praxen oder Apotheken. 80 Prozent von ihnen stehen an der Spitze einer Institution oder sind mindestens im Leitungsteam. Natürlich kann auch das die Ergebnisse beeinflusst haben. Unzufrieden sind ja oft eher jene, die Arbeitsaufträge entgegennehmen. Es haben allerdings auch Menschen aus den Hierarchieebenen darunter teilgenommen, wenn auch nur 47. Ihre Perspektive ist also enthalten.

Einige der dokumentierten Aussagen sind sehr klar. Sie sind in der Auswertung am Ende von Abschnitten als O-Töne hervorgehoben. Dort steht zum Beispiel: „Die Krankmeldungen sind weit über dem Durchschnitt. Mitarbeitende/Leitende Mitarbeitende verlassen das Gesundheitswesen.“

Das ist eines der nicht so sehr überraschenden Ergebnisse: Personal fehlt, Menschen sind überlastet, die Frustration ist groß. Mit der materiellen Ausstattung dagegen sind die meisten ganz glücklich. Eher unzufrieden ist die Mehrheit damit, dass sie von geänderten Gesetzen oder neuen Verordnungen sehr kurzfristig erfuhren.

Die Kommunikation zwischen den Behörden hat laut den Ergebnissen vor allem dann gut geklappt, wenn sie auf einer Ebene stattfand und man auch vorher schon miteinander zu tun hatte. Knapp zwei Drittel aller Befragten wünschen sich, dass Behörden besser erreichbar sind. Und das gilt für alle Ebenen.

Insgesamt zieht der überwiegende Teil der Befragten unter dem Strich ein „positives Resümee aus der Pandemie“. Das klingt etwas seltsam, aber gemeint ist der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung, die viele offenbar erlebt haben.

Für uns sehr erfreulich ist, dass in der Kommunikation vor allem Newsletter und Rundmails als „besonders gut funktionierende“ Informationskanäle bewertet werden, allerdings ist hier vermutlich vor allem von denen der Landesregierung und anderen Institutionen die Rede.

In einem O-Ton steht: „Die Presse hat zum Teil falsche Informationen verbreitet.“ Das ist sicherlich richtig, wie es auch für Behörden stimmt, denn abzuschätzen, was wirklich wahr und verlässlich ist, war in dieser unübersichtlichen Lage wohl mit das größte Problem.

Auch das ist eine Erkenntnis, die jedoch nicht in der Auswertung steht: Oft muss man sich der Wahrheit schrittweise nähern, weil Informationen fehlen. Und das bedeutet: Man muss aus falschen Erkenntnissen und Fehlern, die man gemacht hat, lernen. In der Frage, ob das in den Behörden wirklich geklappt hat, bleibt am Ende ein leichter Zweifel.

Dort, wo es um die Vorbereitung auf eine eventuelle weitere Pandemie geht, ist das Ergebnis: Nur eine von fünf Institutionen hat in großem oder sehr großem Umfang Vorkehrungen getroffen. (rhe)

Kurz und Klein

+++ Das SZ-Magazin hat vorgestern eine Infografik auf Instagram veröffentlicht, die alle erforderlichen Dokumente für eine Kitaplatz-Bewerbung in der Großstadt aufzählt. Das sind ein Motivationsschreiben, ein Lebenslauf, ein Stammbaum, ein polizeiliches Führungszeugnis, ein Familienalbum und eine eidesstattliche Erklärung, bei jedem Kitafest acht Stunden mithelfen zu können. Dieser Aufwand hätte bei der diesjährigen Kitaplatzvergabe in Münster aber auch nichts gebracht. Wir erinnern uns kurz: Der Kitanavigator hatte die Orientierung über die Platzvergabe verloren, weshalb rund 1.700 Kinder zum Schluss in die Röhre gucken durften. Gestern meldete die Stadt, mehr als 3.000 Kinder haben für dieses Kitajahr einen Betreuungsplatz bekommen, 718 von ihnen über ein Nachrückverfahren. In der Pressemitteilung heißt es allerdings auch, dass der Ausbau der Kitaplätze weiterhin am Fachkräftemangel scheitert. Um dieses Problem anzugehen, möchte die Stadt ab diesem Schuljahr im Anne-Frank-Berufskolleg zwei Klassen für angehende Kinderpfleger:innen einrichten und außerdem Erzieher:innen aus Spanien abwerben. (sfo)

+++ 2.802 Kinder in Münster sind gestern in die erste Klasse eingeschult worden. Im vergangenen Jahr waren es laut Bezirksregierung 65 weniger Einschulungen. Nach der vierten Klasse wechseln die Kinder außerdem in der Hälfte der Fälle ans Gymnasium, berichten die Westfälischen Nachrichten. Aber haben wir denn auch genug Lehrer:innen in der Stadt? Die Bezirksregierung meldet, dass in diesem Jahr 67 neue Lehrer:innen eingestellt wurden. 22 von ihnen arbeiten an Grundschulen. Insgesamt sind elf Stellen für Lehrer:innen in Münster frei. Um diese Lücke zu schließen, möchte die Bezirksregierung Seiteneinsteiger:innen und pensionierten Lehrkräften den Einstieg in den Job erleichtern. Außerdem praktiziert die Bezirksregierung das sogenannte „Münsteraner Modell“, um Lehrpersonal zu gewinnen (RUMS-Brief). Das funktioniert so: Zuerst arbeiten die Lehrer:innen zwei Jahre dort, wo Personal besonders knapp ist. Das ist zum Beispiel an vielen Grundschulen in Gelsenkirchen der Fall. Nach dieser Frist können die Lehrer:innen dann an ihre Wunschschule wechseln. (sfo)

+++ Um nochmal auf das Thema Corona zurückzukommen: Haben Sie mitbekommen, dass sich seit Anfang des Jahres eine neue Virusvariante in Deutschland verbreitet? Die Krakenvariante XBB.1.5 gilt als die bisher ansteckendste Coronamutation, soll aber keine schwereren Krankheitsverläufe verursachen. Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech arbeitet bereits an einem Impfstoff, der im Herbst ausgeliefert werden könnte. In Münster liegt die Wocheninzidenz übrigens gerade bei zwei positiven PCR-Tests pro 100.000 Einwohner:innen. Im Krankenhaus werden zurzeit keine Coronapatient:innen auf der Intensivstation behandelt. (sfo)

+++ Sage und schreibe 98,5 Prozent der Menschen in Münster wohnen 600 Meter von einer Bushaltestelle oder 1.200 Meter von einem Bahnhof mit mindestens 28 Abfahrten pro Tag entfernt. Das hat die Bahnverkehrslobby „Allianz pro Schiene“ ausgerechnet. Für einen vorderen Platz in dem Ranking reicht es trotzdem nicht. Das dichteste öffentliche Nahverkehrsnetz hat die Stadt Bonn, in der 99,95 Prozent der Einwohner:innen mehr oder weniger direkt an einem Bus- oder Bahnhaltepunkt wohnen. Alle Städte auf den ersten zehn Plätzen haben eine Dichte von mehr als 99,8 Prozent. So gesehen schneidet Münster gar nicht schlecht ab. Alles schön und gut. Nur bedeutet die hohe Erreichbarkeit nicht unbedingt, dass immer ein Bus fährt. Über dieses Problem hatten wir kürzlich im RUMS-Brief berichtet. (sfo)

+++ Ob Wacken oder Hammer-Straßen-Fest, gefühlt fällt diesen Sommer alles ins Wasser, was Spaß macht. Für Menschen, die jede Nacht im Freien campieren, ist das Wetter aber im Moment ein ernstes Problem. Falls Sie helfen möchten, melden Sie sich beim Straßenmagazin „draußen!“. Die Kolleg:innen sammeln gerade für Obdachlose heiles und trockenes Campingmaterial wie Zelte, Schlafsäcke, Heringe und Stangen. (sfo)

+++ Am Samstag hatte Preußen Münster das erste Drittligaspiel der Saison gegen Borussia Dortmund II. Und wie ging das aus? Sie haben es wahrscheinlich gehört: leider torlos. Was Sie wahrscheinlich nur dann gehört haben, wenn Sie im Stadion waren oder die Übertragung am Bildschirm verfolgt haben, war der Fangesang von der Gästetribüne, als nach 84 Minuten die Nummer 29 der Dortmunder eingewechselt wurde. Für den 20-Jährigen war es der erste Einsatz im schwarz-gelben Trikot, und dieses Trikot könnte bald im Fanshop zu den Artikeln gehören, die sich am besten verkaufen. Es geht um Jermain Nischalke. Und falls Sie noch rätseln, wie der Fangesang klingen könnte, hier können Sie ihn sich anhören. (sfo, rhe)

Logo in blauer Schrift für die ehrenamtliche Organisation Kulturliste Münster
Kulturelle Teilhabe für alle in Münster

Die Kulturliste Münster ist ein neu gegründeter, gemeinnütziger Verein. Wir vermitteln kostenlos Tickets für Kultur- und Sportveranstaltungen an Menschen, für die solche Karten nicht erschwinglich sind. Sie kennen jemanden, den wir unterstützen können, oder möchten selbst Kulturgast werden? Oder helfen Sie uns mit einer Spende!

Weitere Infos zu unserem Verein finden Sie hier!

Wie es weiterging – mit dem Zimmermannschen Wäldchen

Was sagt Stroetmann eigentlich zum Zimmermannschen Wäldchen? Das fragen wir uns seit fast einem halben Jahr. Ende März hatten wir erstmals im RUMS-Brief über den kleinen Wald in Kinderhaus berichtet, den die Stroetmann-Gruppe abholzen will, um darauf einen Supermarkt zu bauen. Doch dagegen wehrt sich der Stadtteil. Für unsere Recherche haben wir Stroetmann mehrmals angefragt – und nie eine Antwort erhalten.

Bis jetzt. Gestern haben wir eine Antwort auf unsere dritte Presseanfrage erhalten. Und das steht in der E-Mail:

  • Bei unserer letzten Recherche Ende Juni wurde uns mitgeteilt, Stroetmann plane, das Bauprojekt in der zweiten Jahreshälfte fortzuführen. Stimmt das? Der Unternehmenssprecher antwortet ausweichend. Er schreibt, die Projektstudie eines Architekturbüros zeige die Potenziale auf, die die Bebauung des Waldstücks mit sich brächte. Die Baupläne (über die die Westfälischen Nachrichten berichtet haben) lägen vorerst in der Schublade, heißt es.
  • Ein Vorwurf gegen Stroetmann lautet: Das Unternehmen wolle mit einer schleichenden Abholzung des Wäldchens erzwingen, dass der Bebauungsplan geändert wird. Der legt fest, dass die Fläche ein Wald ist und nicht bebaut werden darf. Dennoch lässt Stroetmann immer wieder Bäume fällen. Was ist da dran? „Diese Behauptung ist aus der Luft gegriffen“, schreibt der Unternehmenssprecher. Ein solches Verhalten widerspreche Stroetmanns Haltung „als dauerhaft verlässlicher Partner für Politik und Verwaltung bei der Entwicklung von urbanen Räumen“. Stattdessen setze das Unternehmen darauf, dass die Politik die Potenziale einer Bebauung erkenne. Stroetmann habe „seit über 230 Jahren einen sehr langen Atem“, schreibt der Sprecher.
  • Dennoch steht der Umgang von Stroetmann mit der Fläche in der Kritik. Es würden viele Bäume abgeholzt, zum Teil auch gesunde, heißt es. Der Stroetmann-Sprecher schreibt, als Eigentümer dürfe die Firma „jederzeit Bäume fällen, etwa um das Holz zu verwerten“. Diese übliche Praxis habe man aber im Zimmermannschen Wäldchen nie angewandt. Bäume würden nur gefällt, wenn es aus Sicherheitsgründen nicht anders ginge, schreibt der Sprecher.

Die Aussagen zum Umgang mit dem Wald wirken allerdings wie blanker Hohn, wenn man sich einmal Bilder aus dem Waldstück ansieht, die zum Beispiel die Initiative „Pro Zimmermannsches Wäldchen“ veröffentlicht hat. Sie wirft Stroetmann vor, mit einer systematischen Zerstörung des Waldes Fakten für eine Bebauung zu schaffen.

Kaufen, bevor es zu spät ist

Um dieses Vorhaben zu stoppen, wendet sich die Bezirksvertretung Nord jetzt mit einem Antrag an die Stadt Münster. Die dort vertretenen Fraktionen von Grünen, SPD und CDU fordern die Stadt darin auf, das Wäldchen von Stroetmann abzukaufen. 2009 hatte Stroetmann den Wald gekauft. Die Fläche habe eine hohe klimatische Bedeutung für Kinderhaus und sollte nach dem Kauf „für ökologische Projekte in der Jugendarbeit“ genutzt werden.

Bestünde denn grundsätzliches Interesse, das Areal zu verkaufen? Stroetmann positioniert sich in dieser Frage eindeutig: „Wir kaufen Grundstücke, um sie zu entwickeln“, schreibt eine Unternehmenssprecherin. (sfo)

Der Rürup
Cartoon von Stephan Rürup zu Straßenumbenennungen

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Warum muss immer erst etwas passieren?

In der Politik gibt es die Tendenz, Entscheidungen erst dann zu treffen, wenn es zu spät ist. Oft muss etwas passieren, bis etwas passiert, und das liegt zum einen daran, wie in der Demokratie Politik funktioniert, und es liegt an der menschlichen Wahrnehmung.

Eine weit verbreitete Verzerrung dieser Wahrnehmung ist der sogenannte Normalitätsbias. Menschen machen täglich die Erfahrung, dass alles so weitergeht wie bisher. Deshalb tendieren sie auch in Gefahrensituationen zu dieser manchmal falschen Annahme. Im Hintergrund steigen schon die Wolken aus dem Vulkan, aber anstatt sich langsam auf den Weg zu machen, schaut man stundenlang wie gebannt auf das Schauspiel. So war es in Pompeji am letzten Tag.

Am Wochenende hat es in Münster sehr stark geregnet. Wieder einmal. In Nienberge ist ein Regenrückhaltebecken beinahe übergelaufen, das man extra für solche Fälle gebaut hatte – nur eben eigentlich, damit ganz sicher nichts mehr überläuft. Und klar, das kann mal passieren, Münster ist ja bekannt für seinen Regen und seine Glocken. Da muss man vielleicht einfach größere Becken bauen.

Unglücke oder Naturkatastrophen ändern mit einem Mal die Realität, aber nicht unbedingt sofort die Wahrnehmung. Oft dauert es noch eine Weile, bis sie sich auf die neue Situation eingestellt hat.

Man kennt das von Autounfällen. Menschen steigen blutend und in zerfetzten Klamotten aus einem zerdellten Wagen und wollen zuallererst im Büro anrufen, weil es mit dem Termin in einer halben Stunden ja wohl jetzt nicht mehr klappen wird. Erst langsam setzt sich die Gewissheit durch, dass es auch mit allen übrigen Terminen in dieser Woche nichts mehr wird, weil es nun erst mal mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus geht.

War das wirklich nötig?

Ist die Einsicht erst durchgesickert, dass es eine neue Situation gibt, geht oft alles sehr schnell. Vorher hatte man immer gedacht: „Was soll die Panikmache? Opa Heinz ist als Kettenraucher doch auch über 90 geworden.“ Aber nach dem Herzinfarkt lässt man sich vom rauchfreien Leben dann doch sehr schnell überzeugen.

Das gängigste Beispiel für so eine Kehrtwende in der Politik ist das Reaktorunglück in Fukushima. Danach schien das mit dem Atomausstieg doch auf einmal sehr einfach. Die Entscheidung war ganz rational. Um das zu verstehen, reicht ein Blick auf die übrigen Szenarien.

Eines ist: eine harte Kehrtwende ohne Katastrophe. Da hätte sich die Frage gestellt: War das alles denn wirklich nötig? Das ist das Präventionsparadoxon. Hinterher heißt es immer: Es wäre doch auch so gar nichts passiert.

Vor der Katastrophe stellt sich vieles ganz anders dar. In der Politik ist ja immer viel zu tun. Soziale Probleme, Menschen haben kein Geld und keine Arbeit, meistens beides. Da ist die Wirtschaft, die Digitalisierung, die Angst vor Kriminalität. Was ist am wichtigsten? Wo muss es am schnellsten gehen? Ein außergewöhnliches Ereignis gibt darauf eine eindeutige Antwort. Es ändert augenblicklich die Priorität. Und das führt zu einer weiteren Variante.

Eine Katastrophe ohne harte Kehrtwende. Dann entsteht schnell der Eindruck: Die tun nix. Die lassen einfach alles so passieren. Bei der nächsten Wahl liegt es also nahe, eine andere Partei zu wählen.

Das möchte jede Partei möglichst verhindern. Sobald öffentlicher Druck entsteht, geht es darum, zu zeigen, dass man die Dinge in die Hand nimmt. Medien verstärken diesen Druck. Das ist Teil ihrer Aufgabe. Sie können darauf hinwirken, dass es in einer bestimmten Sache schneller geht.

Schlägereien am Servatiiplatz, Messergewalt und Überfälle am Bahnhof. Steht das täglich auf den Start- und Titelseiten, transportieren diese Berichte gleichzeitig die unsichtbare Aufforderung: Unternehmt endlich etwas!

Wichtig ist also, genau das zu tun, sofort etwas zu unternehmen, damit der öffentliche Druck schnell nachlässt. Das Dumme an dieser medialen Inszenierung ist: Aus Perspektive der Menschen, die nun dazu aufgefordert sind, etwas zu machen, ist erstmal vor allem wichtig, dass es danach aussieht.

Sichtbar, günstig, wirksam, keine Widerstände

Daher gibt es eine Präferenz für einfache und sichtbare Lösungen. Daher ist bei Gewalttaten die Forderung nach Überwachungskameras so verbreitet. Deswegen ist es so beliebt, Fahrradstraßen rot anzumalen, wenn es um die Verkehrswende geht.

Die Fahrradstraßen haben noch einen weiteren Vorteil: Sie sind auffällig, tun aber kaum jemandem weh. Zwischen diesen Sphären gilt es immer abzuwägen. Am besten ist: Eine Lösung ist sichtbar, günstig, wirksam, und sie sorgt für keinerlei Widerstände.

Das gibt es leider nicht so oft. Vor allem bei politischen Entscheidungen, die mit der Abwendung von drohenden Katastrophen zu tun haben, wird es meistens teuer, unangenehm oder beides.

Bevor man so etwas durchsetzt, wartet man lieber ab. Eine Weile wird’s ja hoffentlich auch ohne den Ärger noch gut gehen. Der Normalitätsbias. Und bis dahin kann man ja Studien erstellen lassen, sich Maßnahmenpläne überlegen und erklären, die Dinge seien in Arbeit.

Auch Wahltermine spielen dabei eine Rolle. Am schlechtesten sind schmerzhafte Entscheidungen, deren positive Wirkung sich erst in einigen Jahren entfaltet. Das ist in der Klimapolitik meistens der Fall. Auch das führt in der Tendenz dazu, dass man solche Entscheidungen lieber noch etwas vor sich herschiebt. Im Zweifel, bis wieder irgendetwas passiert.

So läuft es oft, man kann das beklagen, denn es wäre natürlich besser, Politik und Verwaltung würden frühzeitig und vorausschauend auf sich abzeichnende Probleme reagieren. Aber man kann in der Sache auch etwas Gutes sehen. Denn wenn etwas passiert, öffnet sich ein Zeitfenster, in dem es möglich wird, Dinge zu ändern, die vorher nicht möglich waren. Dann lassen sich Entscheidungen begründen, die man den Menschen vorher nicht zumuten mochte. Dann kann man sagen: Es geht nicht anders, wir müssen etwas tun.

Unglücklicherweise gibt es auch dann mindestens zwei Möglichkeiten. Die eine ist: Es bleibt bei den Ankündigungen, die in so einer Situation gemacht werden, denn auch sie sind natürlich eine erste Maßnahme, die den öffentlichen Druck abmildern kann. Die andere Möglichkeit ist: Es ändert sich tatsächlich etwas mehr, als bislang möglich war.

Nach dem Starkregen am Sonntag sprach Münsters Oberbürgermeister mit den Westfälischen Nachrichten über das, was am späten Nachmittag in Nienberge passiert war. Er sagte, das Ereignis gebe angesichts der „deutlichen Klimaveränderungen“ Anlass dazu, auch die bislang getroffenen Maßnahmen wieder zu überprüfen. (rhe)

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Korrekturen

In dem Artikel „Debatte über öffentliches Geld, aber bitte ohne Öffentlichkeit“ (RUMS-Brief) hatten wir über Unstimmigkeiten zwischen der Geschäftsführerin des Vereins Tango Pasión und den Tanzlehrer:innen berichtet. Nach der Veröffentlichung hat der Verein sich bei uns gemeldet und einzelne Aussagen unseres Artikels bestritten. Zum einen habe es keine Einigung zwischen dem damaligen Vereinsvorstand und der Geschäftsführerin, den Tanzlehrer:innen bis zur Vereinbarung eines neuen Vertrags die bis dahin üblichen Honorare weiterzuzahlen, gegeben. Diese Darstellung wurde uns auch von einer der Quellen bestätigt. Außerdem hatten wir geschrieben, dass ein Vorstandsmitglied aufgrund eines Streits über die Honorare der Tanzlehrer:innen zurückgetreten sei. Auch dies bestreitet der Verein. Laut einem mittlerweile vorliegenden Protokoll stellt es sich so dar, dass der Streit über die Honorare einer von mehreren Rücktrittsgründen war. Wir haben den Artikel entsprechend korrigiert.

Grüße aus dem Urlaub

Michael Görtz war an den Kreidefelsen bei Møns Klint an der dänischen Ostseeküste

RUMS-Leser Michael Görtz war an der dänischen Ostseeküste im Urlaub. Er hat uns dieses wunderschöne Foto von den Kreidefelsen bei Møns Klint zugeschickt. Haben Sie auch etwas Spektakuläres im Urlaub fotografiert? Dann melden Sie sich doch bei redaktion@rums.ms. In einem der nächsten RUMS-Briefe veröffentlichen wir Ihr Urlaubsfoto.

Klima-Update

+++ Wir hatten es schon erwähnt: Am Wochenende hat es in Münster geschüttet und generell regnet es gerade auffällig viel. Also doch alles halb so wild mit der Klimakrise? In der taz sagt die Umweltwissenschaftlerin Claudia Pahl-Wostl von der Uni Osnabrück, dass die starken Regenfälle im Moment Ausdruck der Klimakrise sind, denn normalerweise regnet es in Deutschland im Sommer nicht so heftig. Andere Fachleute interpretieren das derzeitige Wetter hingegen als Rückfall in die Zeit vor der Klimakrise. So oder so: Künftig müssen wir uns auf unvorhersehbares und extremes Wetter einstellen. Und wie bereiten wir uns darauf vor? Laut Pahl-Wostl am besten mit mehr Speicherkapazitäten, weniger Flächenversiegelung, mehr Moor- und Waldschutz und geringerem Wasserverbrauch. (sfo)

+++ Die Zeitung „Die Welt“ hatte berichtet, dass die Polizeihochschule Münster Vertreter:innen der „Letzten Generation“ zu Gast hatte und witterte eine Vernetzung von Polizei und Aktivist:innen. Die Sprecherin der Hochschule bestätigte auf Anfrage, dass Mitglieder der Gruppe an einer Veranstaltung teilgenommen haben. Allerdings nicht, dass man jetzt gemeinsame Sache machen will. Den Begriff „Vernetzung“ sehe man in diesem Zusammenhang kritisch. Die drei seien als Diskussionspartner:innen einmalig in einer 90-minütigen Veranstaltung des Masterstudiengangs gewesen. Auch in den vergangenen Jahren habe die Hochschule gesellschaftliche Gruppen einbezogen, wenn aktuelle Debatten in einem Seminar thematisiert worden sind. Neben der Diskussion böten solche Veranstaltungen außerdem einen Rahmen, die Rolle der Polizei zu erklären. Konkret gehe es zum Beispiel um die Neutralität im Versammlungsgeschehen und transparente Polizeimaßnahmen. (sst)

Ein-Satz-Zentrale

+++ An der Handorfer Straße hat ein 25-Jähriger nach seinem Urlaub bemerkt, dass jemand seine Waschmaschine geklaut und gegen ein altes Gerät getauscht hat. (Polizei Münster)

+++ Im Naturschutzgebiet Letter Bruch bei Coesfeld hat jemand einen Seeadler erschossen und anschließend geköpft. (WDR)

+++ Für den Bau einer Verkehrsinsel an einer Kita ist ab Donnerstag der Dingbängerweg in Mecklenbeck voraussichtlich bis Ende Oktober gesperrt. (Stadt Münster)

+++ Weil es am Wochenende stark geregnet hat, dauern die Bauarbeiten an der neuen Bahnunterführung Heroldstraße noch bis Freitag. (Stadt Münster)

+++ Die Stadtwerke versorgen jetzt rund 1.900 Fernwärme-Kund:innen in Coerde, Angelmodde und im Zentrum Nord, nachdem sie die Westfälische Fernwärmeversorgung übernommen haben. (Stadtwerke Münster)

+++ Die Ludgeri-Apotheke an der Windthorststraße verkauft einige rezeptfreie Medikamente jetzt auch rund um die Uhr in einem Automaten. (WDR Lokalzeit, ab Minute 5)

+++ Das Kardinal-von-Galen-Gymnasium in Hiltrup ist umgebaut. (Bistum Münster).

+++ Die neue Sportanlage des 1. FC Gievenbeck ist fertig, für die die Stadt Münster rund 960.000 Euro ausgegeben hat. (Stadt Münster)

+++ Die Staatsanwaltschaft Münster klagt drei Mitglieder der „Letzten Generation“ wegen Nötigung an, die sich im Frühjahr auf die Von-Vincke-Straße geklebt hatten. (Westfälische Nachrichten)

+++ Weil gerade über einige Straßenumbenennungen diskutiert wird, soll ein Leitfaden für die Benennung von Straßen entstehen. (Westfälische Nachrichten)

Anonymer Briefkasten

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Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.

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Unbezahlte Werbung

Im Specops am Aegidiimarkt 5 ist alles ein bisschen wie vor drei Jahren: Die Location ist Café, Kneipe und innenstädtisches Kulturzentrum in einem. Vormittags serviert das Specops im gemütlichen Vintage-Ambiente Kaffee und veganen Kuchen, abends gibt es alkoholische und alkoholfreie Getränke mit einem monatlich wechselndem Aktionsbier. Wer Lust hat, kann zwischendurch eine Runde kickern oder Tischtennis spielen. Für Familien mit Kindern gibt es außerdem einen Bereich mit Spielsachen. Und es gibt eine Bühne, auf der regelmäßig Veranstaltungen stattfinden. Der Kinoverein „Die Linse“ zeigt dort zum Beispiel diesen und nächsten Monat ein paar interessante Kurzfilme. Geöffnet hat das Specops jeden Tag ab 10 Uhr.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Elija Winkler hat heute wieder ein paar schöne Tipps zusammengestellt:

+++ Unwetterbedingt mussten wir vergangenes Wochenende unseren RUMS-Stand beim Hammer-Straßen-Fest früher einpacken als geplant. Hmpf. Falls Sie den strömenden Regen gemieden haben und sich jetzt ein bisschen ärgern, dass Sie mit uns nicht über Lokaljournalismus diskutieren konnten, hier kommt die zweite Chance: Am Samstag und Sonntag sind wir wieder beim Kreuzviertelfest vertreten. Das Wetter soll auch schöner werden. Wir veranstalten auch wieder eine Tombola für alle angehenden RUMS-Leser:innen, die mit einem ausgemalten Rürup-Cartoon und ein bisschen Glück einen 10-Euro-Mukk-Gutschein gewinnen können.

+++ Am Mittwoch ist der ehemalige Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger im Dom zu Gast. Dort spricht er über Russland, den Krieg in der Ukraine und eine mögliche Sicherheitsordnung in Europa. Beginn ist um 18.30 Uhr. Auf der Website des Doms können Sie den Vortrag auch per Livestream verfolgen.

+++ Die Uni Münster beginnt die Pressemitteilung über die Wiedereröffnung des Geomuseums mit dem Halbsatz „Was lange währt…“. Schließlich dauerte der Umbau ganze 16 Jahre. Die Uni hätte auch von einem Mammutprojekt schreiben können, aber vielleicht war der Pressestelle dieser Kalauer doch ein bisschen zu platt. Naja, Spaß beiseite und zurück zum Thema: Ab Donnerstag hat das Geomuseum wieder geöffnet. Die erdgeschichtliche Ausstellung zeigt vor allem Exponate aus Westfalen. Dazu zählt auch das „Ahlener Mammut“ (da haben wir’s ja), das künftig auch von der Straße aus durch ein riesiges Fenster zu sehen sein wird.

+++ Zum Schluss noch ein kultiger Filmtipp: Das Sommernachtskino am Schlossplatz zeigt am Donnerstagabend den Quentin-Tarantino-Klassiker „Pulp Fiction“. Los geht es um 20 Uhr. Karten bekommen Sie hier. Und zum Eingrooven können Sie sich schon einmal die legendäre Tanzszene von Uma Thurman und John Travolta ansehen.

Am Freitag schreibt Ihnen Svenja Stühmeier. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Svenja Stühmeier (sst), Elija Winkler (ewi)
Lektorat: Melanie Kelter

PS

Wenn junge Menschen erzählen, was sie studieren, müssen sie manchmal die Frage beantworten, was sie damit denn machen wollen. Daniel Ruchser, Jonas Rosery und Wieland Wietheger könnten dann zum Beispiel sagen: „Currywurst“. Die drei Maschinenbau-Studenten (Schwerpunkt Currywurstmaschinenbau) haben eine Maschine gebaut, die aus einer gegrillten Wurst eine Currywurst macht. Die FH Münster ist selbst ganz aus dem Imbiss-Häuschen. In der Pressemitteilung zur Currywurstmaschine gibt sie gewissermaßen ihren Senf dazu und schreibt: „Es zeigt, wie lebensnah Maschinenbauingenieurinnen und -ingenieure arbeiten, was man bei uns im Studium lernt und damit machen kann.“ Wahrscheinlich zeigt es sogar noch mehr, nämlich zum Beispiel, mit welchen Gedanken Maschinenbauingenieurinnen und -ingenieure sich den ganzen Tag so beschäftigen. Aber gut, es ist ja auch noch das Studium, die Maschine ist – so steht es in der Pressemitteilung – eine Projektarbeit. Irgendwann kommt dann die Abschlussarbeit. Und danach geht’s dann um die Wurst. (rhe)

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