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Hengsbach umdrehen? Ein Interview | Gemeinwohl-Ökonomie: Wer steht auf der Bremse? | Geflüchtete in Münster, eine Zwischenbilanz
Guten Tag,
in Essen hat gestern Morgen ein Kran eine Skulptur von Kardinal Franz Hengsbach aus der Verankerung gehoben und auf die Ladefläche eines Lastwagens gelegt. Der Lastwagen fuhr davon, die Skulptur liegt jetzt vermutlich in einem Lager.
Franz Hengsbach ist seit 32 Jahren tot, aber erst in der vergangenen Woche teilte das Bistum Essen mit, es bestehe der „gravierende“ Verdacht, dass er in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn eine 16-jährige Frau sexuell missbraucht habe.
Es gibt noch einen Vorwurf aus dem Jahr 1967. Und seit die Nachricht in der Welt ist, haben sich weitere Frauen gemeldet.
Der Essener Bischof Franz Overbeck, früher Weihbischof in Münster, hat sich in einem Brief, der im Gottesdienst verlesen wurde, dafür entschuldigt, dass er ersten Vorwürfen vor zwölf Jahren nicht nachgegangen ist. Aus Rom habe es damals geheißen, die Vorwürfe seien nicht plausibel. Im gleichen Jahr stellte man vor der Kirche die Statue auf.
Die Bildhauerin Silke Rehberg aus Münster hat die Skulptur damals im Auftrag des Bistums erstellt. Ein Anruf in ihrem Atelier in Angelmodde.
Frau Rehberg, wie haben Sie davon erfahren, dass Ihre Skulptur jetzt abgebaut wird?
Ich habe das alles in der Presse verfolgt.
Das Bistum hat sich nicht bei Ihnen gemeldet?
Nein, bei mir hat sich in der vergangenen Woche niemand gemeldet. Ich bin auch nicht darüber informiert worden, dass die Statue abgebaut wird. Die Entscheidung fiel ohne mich.
Und was denken Sie jetzt? Sind Sie enttäuscht?
Nein, jedenfalls nicht, weil man nicht mit mir gesprochen hat. Das ist nicht das Entscheidende.
Worum geht es dann?
Was ich dem Bistum vorwerfe, ist, dass es jetzt wieder so verfährt wie in den vergangenen Jahren. Wenn es Missbrauchsvorwürfe gab, hat man von oben entschieden, man hat den Priester weggeschafft, damit war das Problem dann gelöst. Aus den Augen, aus dem Sinn. Dass man diese Praxis jetzt fortführt, das stört mich massiv.
Die Statue besteht aus zwei Teilen: dem aufrecht stehenden Bischof und einem Wolf, der zu seinen Füßen mit dem Rücken nach unten hängt. Auf Ihrer Instagram-Seite haben Sie vorgeschlagen, die Statue umzudrehen.
Ja, man würde sie damit konsequent weiterentwickeln. Zurzeit hängt der Wolf am Kardinal, dann würde der Kardinal vom Wolf abhängen. Die Idee war schon in der Skulptur angelegt.
Welche Bedeutung hat denn der Wolf?
Es gibt eine Erzählung vom Wolf von Gubbio. Darin überzeugt Franz von Assisi einen Wolf davon, dass die Menschen ihn füttern werden, wenn er sich friedlich verhält. Das macht der Wolf. Er wird zum zahmen Haustier. Wir kennen aber auch den Ausspruch, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist: Und in diesem Wolf, der ambivalenten Gestalt, spiegelt sich die Statue.
In einem Interview haben Sie gesagt, der Wolf sei schon immer Ausdruck Ihrer Skepsis gegenüber Hengsbach gewesen. Wussten Sie 2011, als die Statue aufgestellt wurde, von den Vorwürfen gegen den Kardinal?
Nein, es waren keine konkreten Zweifel. Damals gab es keine bekannten Vorwürfe. Man hatte mich beauftragt, ein Porträt von Kardinal Hengsbach zu erschaffen, das auf dem Domplatz stehen sollte. Dieser Aufgabe habe ich mich gestellt. Und weil ich ihn nicht persönlich kannte und er zu dieser Zeit ja schon tot war, habe ich angefangen zu recherchieren.
Was haben Sie herausgefunden?
Dass Hengsbach eine sehr illustre Gestalt war, und dass er sehr gut beschrieben ist. Im Ruhrgebiet ist kaum eine Person so oft fotografiert worden wie er. Hengsbach hat eine unglaubliche Bedeutung für das Ruhrgebiet. Er ist ja Gründungsbischof des Bistums.
Welchen Eindruck hatten Sie selbst von ihm, nachdem Sie sich mit ihm beschäftigt haben?
Er wurde mir immer als Lichtgestalt verkauft, also als einer, der im Grunde nur positive Eigenschaften hat. Und das hat mich doch skeptisch gemacht. Ich hörte immer: Der war einfach nur ein Gutmensch. Und wenn ich so etwas höre, dann recherchiere ich doch weiter.
Auf was sind Sie gestoßen?
Unter anderem darauf, dass Hengsbach neben seinen offenbar großen kommunikativen und diplomatischen Fähigkeiten auch eine sehr autoritäre und im Kirchenkontext konservativ bewahrende Gestalt war. Diese allegorische Zutat des Wolfes stand schon immer für diese Ambivalenz.
Wissen Sie, wo die Statue sich gerade befindet?
Nein, sie ist irgendwo eingelagert. Aber wo, das weiß ich nicht.
Haben Sie Einfluss darauf, was jetzt mit ihr passiert?
Ich habe die Urheberrechte an der Figur. Aber die gelten für den Fall, dass jemand das Werk verändert. Die Skulptur ist Eigentum des Domkapitels. Und das darf sie abbauen. Ich habe da wohl keine Rechte. Ich könnte das prüfen lassen, aber ich habe gar kein so großes Interesse daran, meine Rechte geltend zu machen. Ich denke nicht in juristischen Bahnen, sondern kümmere mich um Bilder und Formen: Ich bin Plastikerin.
Stehen Sie denn inzwischen in Kontakt mit dem Bistum?
Der designierte Domprobst hat mich Anfang der Woche angerufen. Er hat mich informiert, und jetzt sucht man das Gespräch, um zu überlegen, wie es weitergeht. (rhe)
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+++ Vor dem Pokalspiel der Bayern gegen die Preußen heute Abend hat das Logistik-Unternehmen Fiege auf dem Weg vom Flughafen nach Münster ein Banner aufgehängt, auf dem der Satz steht: „Gegen Münster Kane man mal verlieren.“ Und na ja, was soll man dazu sagen? Ach, Fiege, Coman! Kane Mensch würde dieses Wort jemals so aussprechen. Andererseits: Recht habt ihr ja schon, mit ein bisschen Sane geht bei den Bayern heute das Ligt aus. Und sonst eben: Neuer Versuch im nächsten Jahr. Das Spiel läuft heute Abend übrigens, wie wir schon geschrieben hatten, im ZDF. Wenn Ihnen die Leinwand zu Hause zu klein ist, können Sie sich das Spiel auch zusammen mit anderen im Cineplex ansehen. Wir haben schon richtig Böckle! (rhe)
+++ Die Zahl der jungen Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, ist im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen angestiegen. Laut dem Statistischen Landesamt IT.NRW (hier von der Süddeutschen zitiert) waren es 2021 noch gut 10.000, ein Jahr später fast 11.400. Die Landesregierung hat auf Anfrage der SPD-Fraktion nun aufgeschlüsselt, wie es denn in den einzelnen Kommunen aussieht. In Münster sind 2022 knapp 190 Personen von der Schule gegangen, ohne mindestens einen Hauptschulabschluss gemacht zu haben. Das entspricht in etwa dem städtischen Schnitt der vergangenen fünf Jahre. (sst)
+++ Ab dem 30. September kommen viele Busse seltener (RUMS-Brief). Der Busverkehr fährt dann vorübergehend nur noch im 30-Minuten-Takt. Ausnahmen sind die Linien 4, 5 und 11. Sie stehen weiterhin alle 20 Minuten an der Haltestelle. Dazu fahren die Nachtbusse eine Stunde früher als bisher, also ab 20 Uhr. Die Änderungen stehen im elektronischen Fahrplan, auch in der App, die Fahrpläne an den Haltestellen werden in den kommenden Tagen ausgetauscht. (ino)
+++ Nächstes Kapitel der unendlichen Musik-Campus-Geschichte: Die Stadt Münster hat für Donnerstagnachmittag eine Pressekonferenz angekündigt, in der es darum gehen soll, wie es mit dem Projekt jetzt weitergeht. Nach unseren Informationen muss die Stadt die Planungen ändern, weil der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes wohl doch nicht bauen will. Außerdem wird der Campus wohl etwas teurer. In den städtischen Gremien soll von 453 Millionen Euro die Rede gewesen sein (RUMS-Brief). Bislang ging es um 300 Millionen, von denen die Stadt ungefähr ein Drittel tragen müsste. Am Donnerstag wissen wir mehr. Die Besetzung der Pressekonferenz deutet darauf hin, dass es einiges zu berichten gibt. Auf der einen Seite sitzen: Oberbürgermeister Markus Lewe, Uni-Rektor Johannes Wessels, Stadtbaurat Robin Denstorff, Kulturdezernentin Cornelia Wilkens, Stadtkämmerin Christine Zeller, Generalmusikdirektor Golo Berg sowie Norbert Fabritius und Elke Frauns aus dem musikfachlichen Begleitgremium. Auf der anderen Seite klar in Unterzahl: die Lokalpresse. (rhe)
Und hier übernimmt Sebastian Fobbe.
Warten aufs Gemeinwohl: Wie Stadtverwaltung und Politik sich beharken
Erinnern Sie sich noch an den RUMS-Brief, den Ralf Heimann im vergangenen Dezember geschrieben hat? Darin ging es um die Verkehrspolitik in Münster und um ein grundsätzliches Problem: Die Mobilitätswende gerät immer wieder ins Stocken, weil die Stadtverwaltung und das Ratsbündnis gegeneinander arbeiten.
Dieses Tauziehen lässt sich auch in einem anderen Politikfeld beobachten: Grüne, SPD und Volt haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Gemeinwohlökonomie in Münster zu etablieren. Damit soll ein kommunales Anreizsystem geschaffen werden, das die Wirtschaft stärker an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichtet.
Was heißt das konkret? Die Koalitionsparteien wollen ein Förderprogramm auflegen, damit mehr Firmen sogenannte Gemeinwohlbilanzen erstellen. Was es mit solchen Bilanzen auf sich hat, erkläre ich weiter unten. Sie sollen künftig eine wichtige Rolle in Münster spielen und bei der Vergabe und Beschaffung stärker berücksichtigt werden. Firmen mit Gemeinwohlbilanzen sollen außerdem einfacher an Gewerbeimmobilien und kommunale Zuwendungen kommen.
Um diese Idee in der Breite umzusetzen, will das Ratsbündnis eine zentrale Anlaufstelle bei der Stadt schaffen. Diese Stelle soll ein Gemeinwohlökonomie-Konzept für private Unternehmen erarbeiten.
Bloß: Bislang sind die meisten Ziele im Koalitionsvertrag noch nicht umgesetzt. Das Bündnis hat zwar schon einige Anträge gestellt, aber die Verwaltung zieht momentan nicht nach. Was ist da los?
Punkten fürs Gemeinwohl
Bevor wir in die politische Debatte einsteigen, reden wir noch schnell über die Gemeinwohlökonomie. Kurz gesagt geht es darum, ein Wirtschaftsmodell zu schaffen, das sich mehr um Nachhaltigkeit und Soziales dreht als um Profit. Die Frage ist, welchen Beitrag die Wirtschaft zum allgemeinen Wohl leistet. Und das misst die Gemeinwohlökonomie mit den bereits erwähnten Gemeinwohlbilanzen, die Unternehmen, Bildungseinrichtungen, aber auch Kommunen ziehen können.
Eine solche Bilanz besteht aus vier Werten: Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitbestimmung. Diese Werte werden wiederum auf fünf Berührungsgruppen bezogen: Zulieferfirmen, Eigentümer:innen, Mitarbeitende, Kund:innen und schließlich das gesellschaftliche Umfeld.
Je nachdem, wie sich wirtschaftliches Handeln auswirkt, bekommen die Firmen Punkte. Wer alles gut macht, bekommt maximal 1.000 Punkte. Unternehmen, die sich nicht um Umwelt und Personal scheren, können bis zu 3.600 Minuspunkte erhalten. Um einmal ein Gefühl zu vermitteln, wie streng die Gemeinwohlbilanz ist: Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kommt in der aktuellen Bilanz auf 707 Punkte.
Der Wandel braucht Anreize
Tobias Daur, Vorsitzender der Gemeinwohlökonomie-Regionalgruppe Münsterland, sagt, die Bilanz habe für die Unternehmen einen entscheidenden Vorteil. Für sie müssten die Firmen einen Bericht über die vergangenen zwei Geschäftsjahre erstellen. Der mache transparent, wo die Unternehmen stehen: Was läuft in Sachen Nachhaltigkeit und Soziales schon gut? Was ist noch verbesserungswürdig? Durch die Bilanz könnten die Unternehmen dann Zielkonflikte auflösen, sagt Daur. Die fertigen Bilanzen würden außerdem von eine:r externen Auditor:in noch einmal geprüft.
Der große Wurf wäre es, wenn sich das gesamte Wirtschaftssystem an diesen Bilanzen ausrichtet. Je besser die Firmen abschneiden, desto eher bekämen sie dann zum Beispiel Zuschläge für öffentliche Ausschreibungen oder Gewerbeflächen.
Tobias Daur vergleicht das mit der Autoindustrie: Seit feststeht, dass der Verbrennermotor ein Auslaufmodell ist, investieren die Firmen in E-Mobilität. Für ihn steht deshalb fest, dass der Staat Anreize setzen muss, damit sich die Wirtschaft sozialökologisch wandelt.
Ratspapiere versacken in der Verwaltung
Hiermit wären wir wieder in Münster. Anne Herbermann, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Stadtrat, sagt, der erste Antrag zur Gemeinwohlökonomie sei schon 2018 gestellt worden, damals noch von Schwarzgrün. Damit beauftragten CDU und Grüne die Stadtverwaltung damit, ein Konzept zu erstellen, das Anknüpfungspunkte zur Gemeinwohlökonomie aufzeigt.
Anderthalb Jahre später kam dann die Vorlage aus der Verwaltung. Mehr nicht. Ende 2021 wagt das Ratsbündnis einen zweiten Versuch mit einem nahezu inhaltsgleichen Antrag. Diesmal wird aber kein vages Konzept von der Verwaltung, sondern ein erstes Handeln gefordert. Bis 2023 sollen die ersten Unternehmen im Stadtkonzern gemeinwohlbilanziert werden, angefangen mit der Westfälischen Bauindustrie, den Stadtwerken und der Wirtschaftsförderung.
„Ich habe unterschätzt, was für ein dickes Brett wir bohren müssen“, sagt Anne Herbermann dazu. Ihrer Ansicht nach bestehe das Problem darin, dass eine neue Idee wie die Gemeinwohlökonomie zunächst einmal ein Störfaktor ist. Hinzu kommt, dass diese Wirtschaftsform einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Deshalb müsse die Verwaltung ämterübergreifend arbeiten, was aber eher unüblich sei.
Das zeigt auch ein anderes Beispiel: Im März 2022 hat die Ratskoalition per Antrag einen Arbeitskreis gegründet, der Kriterien für eine gemeinwohlorientierte Vergabe und Beschaffung aufstellen soll. So will es bekanntlich der Koalitionsvertrag und solche Leitlinien haben auch schon andere Städte (zum Beispiel Hamburg).
Laut Anne Herbermann habe der Arbeitskreis schon einige Male getagt. Dabei seien auch Ergebnisse entstanden. Wie die Geschichte weitergeht, können Sie sich bestimmt schon denken. Ich formuliere es zur Abwechslung mal wohlwollend: Die Verwaltung hat die Ideen aus dem Arbeitskreis zur Kenntnis genommen.
Dortmund ist einen Schritt weiter
Wie es anders laufen könnte als in Münster, zeigt die Stadt Dortmund. Arne Elias von der dortigen Wirtschaftsförderung sagt, im vergangenen Jahr sei erstmals ein Förderprogramm angelaufen, das Unternehmen bei der Erstellung von Gemeinwohlbilanzen unterstützen soll. Das sei ein Auftrag von der Politik gewesen.
20 Firmen können bei der Förderung mitmachen. Für den Start gibt es 1.000 Euro, für die fertige Bilanz noch einmal 1.500 Euro. Zudem stellt die Wirtschaftsförderung Kontakte zu zertifizierten Gemeinwohl-Berater:innen in Nordrhein-Westfalen her, sagt Elias. Für dieses Projekt habe außerdem der Oberbürgermeister von Dortmund die Schirmherrschaft übernommen.
20 Gemeinwohlbilanzen mögen nicht der große Wurf sein, aber immerhin schon etwas. Sobald der Bilanzierungsprozess gestartet wird, bekommen die Unternehmen einen Eintrag in der Datenbank der Gemeinwohlökonomie. Deutschlandweit sind dort mehr als 750 Gemeinwohlunternehmen registriert. Darunter prominente Beispiele wie der Sportbekleidungshersteller Vaude, die Hochschule Bremen, die Spardabank in München und die Tageszeitung taz.
Großes Interesse, aufwendige Umsetzung
Und in Münster? Die Datenbank spuckt momentan sieben Eintragungen aus (eine achte Gemeinwohlbilanz hat der Unverpacktladen an der Warendorfer Straße erstellt, der aber seit dem Sommer geschlossen hat).
Das Interesse an solchen Gemeinwohlbilanzen sei zwar groß, sagt Christiane Willerding von der Wirtschaftsförderung Münster. Aber bisher scheuen viele Firmen, eine Bilanzierung zu starten. Warum? „Es ist Arbeit, die dazukommt“, antwortet Willerding. Die Wirtschaftsförderung hat gerade selbst eine Gemeinwohlbilanz erstellt, übrigens ohne politischen Beschluss.
An der Bilanz haben alle 15 Mitarbeitenden der Wirtschaftsförderung mitgewirkt. Um alle Aspekte abzuarbeiten, haben sie sich in Gruppen aufgeteilt. Dieser Prozess setze Ehrlichkeit voraus, sagt Willerding. Die Gemeinwohlbilanz ist also ein Projekt, das man wollen muss.
Es ist aber keines, das unmöglich ist. Willerding sagt, vom ersten Meeting bis zum fertigen Bericht seien einige Monate verstrichen. Jetzt wartet die Wirtschaftsförderung auf die abschließende Prüfung, danach wird die Gemeinwohlbilanz veröffentlicht.
Auch Tobias Daur von der Regionalgruppe Münsterland bestätigt mir, dass sich viele Unternehmen für die Gemeinwohlökonomie interessieren, aber bislang noch Hemmungen haben, eine Bilanzierung zu starten. Am Willen der Firmen scheint es offenbar nicht zu hapern. Am Willen der Verwaltung, diesen Prozess zu unterstützen, wohl eher. (sfo)
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Und jetzt übernimmt wieder Ralf Heimann.
Geflüchtete in Münster, eine Momentaufnahme
Anfang September gab die Stadt im Schulausschuss bekannt, dass die Zahl der Geflüchteten um den Faktor drei bis vier steigen könne. Das berichteten den Westfälischen Nachrichten. Kamen also im vergangenen Jahr in einem bestimmten Zeitraum hundert Menschen, könnten es bald im gleichen Zeitraum 300 oder 400 sein. Hat die Stadt genügend Kapazitäten? Ein Überblick.
+++ Im Moment leben in Münster knapp 3.000 geflüchtete Menschen. 2.200 von ihnen bringt die Stadt selbst unter. Sie kommen zum größten Teil aus der Ukraine (40 Prozent), aus Afghanistan und aus Syrien (jeweils 10 Prozent). Etwas mehr als 700 Menschen leben in der sogenannten Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes, kurz ZUE, um die sich die Bezirksregierung kümmert. Diese Menschen stammen vor allem aus Syrien.
+++ Auf dem Papier hat Münster Platz für etwa 4.350 Menschen, ungefähr 3.500 könnten in den Einrichtungen der Stadt leben, 850 in der ZUE. Wie viele Plätze tatsächlich belegt werden können, hängt laut Stadt aber auch davon ab, ob die Menschen allein oder mit ihren Familien kommen, und in welchem Zustand die Unterkünfte sind.
+++ Wenn es wirklich knapp wird, kann die Stadt vorübergehend noch etwas mehr Platz freiräumen. Im vergangenen Jahr hat sie zwischen März und Mai 770 Plätze in Turnhallen geschaffen, von denen laut Kommunikationsamt knapp 440 belegt waren. Im Moment brauche man diese Plätze nicht, man könne sie aber jederzeit wiederherstellen, schreibt die Stadt.
+++ Ende August gingen laut Stadt knapp 1.400 Kinder von geflüchteten Menschen in Münster zur Schule. 600 von ihnen stammen aus der Ukraine.
+++ Am Gymnasium Paulinum und an der Friedensreich-Hundertwasser-Sekundarschule in Roxel hat die Stadt sogenannte Willkommensklassen eingerichtet. Dort reichten die Kapazitäten nicht, um die Kinder und Jugendlichen in regulären Klassen unterzubringen. An Münsters Grundschulen war das bislang immer noch möglich. Dort gibt es keine Willkommensklassen.
Zum Schluss ein Blick aufs Ganze: Bund und Land streiten darüber, wer für die geflüchteten Menschen zahlt. Der Bund möchte ab nächstem Jahr nur noch halb so viel zahlen wie bisher, die Länder halten das für inakzeptabel. Die Arbeitsgruppe, die sich mit der Frage beschäftigt, ging in dieser Woche ohne Ergebnis auseinander, berichtete Zeit Online gestern. (rhe)
Anonymer Briefkasten
Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.
+++ Der Regionalrat hat gestern unter anderem die Kritik des NRW-Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) an der Regionalplanung besprochen (RUMS-Brief). Der Verband wirft der Bezirksregierung vor, im neuen Regionalplanentwurf nicht genügend Flächen für Windkraftanlagen auszuweisen. Bei den Mitgliedern des Regionalrats hat das für Unmut gesorgt. Guido Gutsche und Markus Jasper von der CDU sprachen in der Sitzung noch einmal den Konsens zum Regionalplan an, der fraktionsübergreifend bestehe. Akzeptanz sei schließlich ein wichtiges Ziel der Regionalplanung, das sagt auch Ralf Weidmann aus der Abteilung für regionale Entwicklung. Ein weiteres Ziel sei, dass die Kommunen weiter die Möglichkeit haben, über ihre eigene Planung mehr Flächen für Windkraftanlagen auszuweisen. „Wir betreiben eine Planung aus fachlichen Gesichtspunkten. Wir machen keine Ausweisung auf Zuruf“, sagt er. Laut Pressemitteilung der Bezirksregierung sind gerade 90 weitere Windkraftanlagen im Genehmigungsverfahren. Damit läge die Fläche für Windkraftanlagen bei etwa drei Prozent, so Gutsche. Das Land fordert gut zwei. Ralf Weidmann äußert zudem Kritik an der WDR-Berichterstattung, die wir vergangene Woche verlinkt hatten. Etwa ab Minute 29 können Sie seine Stellungnahme hören. (sst)
+++ Im Oktober ist in Münster Klimastadt-Woche. Die Veranstaltungsreihe vom 21. bis zum 27. Oktober soll zeigen, wie Münster in klimaneutral und klimaangepasst aussehen könnte. Veganes Frühstück? Landwirtschaft? E-Busse? Hier finden Sie das Programm. Den Abschluss macht das Klima-Barcamp am Freitag. Für die meisten Veranstaltungen muss man sich bis zum 11. Oktober anmelden, und zwar hier. (sst)
+++ Welche Auswirkungen haben Naturkatastrophen, extreme Wetterphänomene und schlechtere Luftqualität eigentlich auf unsere Gesundheit? Inwiefern die Klimakrise das beeinflusst, beschreibt die Medizinprofessorin Susanne Koch im Rahmen der Vortragsreihe „Klimawandel und Frieden“ am Donnerstag um 19:30 Uhr im Schloss. Alle weiteren Infos hier. (ino)
+++ Die Sperrung der Bergstraße endet am Donnerstag, eineinhalb Monate früher als geplant. (Stadt Münster)
+++ Wegen des Radrennens am nächsten Dienstag sind tagsüber mehrere Straßen gesperrt. (Stadt Münster)
+++ Nach dem Tod eines dreijährigen Kindes bei einem Verkehrsunfall in Angelmodde am Wochenende kommt die Polizei zu dem vorläufigen Ergebnis, dass der Fahrer den Unfall nicht hätte vermeiden können. (Westfälische Nachrichten)
+++ Ein brennender Güterzug in der Region Hannover hat heute Morgen Verspätungen von Zügen auch in Münster verursacht. (Neue Westfälische)
+++ Die Aral-Tankstelle an der Wolbecker Straße wird abgerissen. (Westfälische Nachrichten)
+++ Maria Näther übernimmt die Leitung der Halle Münsterland und wird damit die Nachfolgerin von Ursula Paschke, die in Rente geht. (Antenne Münster)
+++ Die Münsteraner FDP kritisiert, dass das Land NRW das Programm „NRW.Zuschuss Wohneigentum“ eingestellt hat und nennt das einen „Feldzug gegen Wohneigentum“. (FDP Münster)
+++ Die umweltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Babette Lichtenstein van Lengerich, schlägt vor, nicht genehmigte Förderanträge zur Gebäudesanierung noch einmal zu prüfen, damit der bislang noch mit 1,4 Millionen Euro gefüllte Fördertopf dann am Ende auch leer und das Ziel, mehr Gebäude zu sanieren, erreicht ist. (CDU Münster)
+++ Dem Bistum Münster fehlen im nächsten Jahr über 30 Millionen Euro an Einnahmen, um die Ausgaben zu decken. (Bistum Münster)
Sieben Freunde und ein gemeinsamer Traum: die eigene Bar. Mit der Eröffnung des Zwanzig20 an der Hammer Straße (Ecke Goebenstraße) haben sie sich ihn erfüllt. Der Pachtvertrag lief zunächst bis 2020 – so entstand der Name. Seitdem hat sich die Eckkneipe in Münsters Süden etabliert. Auf der Karte stehen ausschließlich lokal produzierte Getränke. Das Zwanzig20 hat dienstags bis freitags ab 18 Uhr und samstags ab 14 Uhr geöffnet. Für Festanlässe kann man die Bar mieten.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Heute hat Deike Terhorst ein paar Veranstaltungstipps für Sie gesammelt:
+++ Das Stück „Koreality“ des Tanz-Theaters „bodytalk“ berichtet über Mythen und Realitäten eines geteilten Landes. Die neunköpfige Gruppe tritt morgen um 20 Uhr im Pumpenhaus auf. Tickets gibt es im Online-Vorverkauf für 18 Euro, ermäßigt für 10.
+++ Das Cinema zeigt am Donnerstag um 18 Uhr die hochgelobte Dokumentation „Vergiss Meyn nicht“. Der Film setzt sich aus den Aufnahmen des 2018 im Hambacher Forst tödlich verunglückten Filmstudenten Steffen Meyn zusammen. Es geht unter anderem um die Frage, wie weit Klimaaktivismus gehen darf. Eine sehr gute Kritik des Films ist in der Frankfurter Rundschau erschienen. Regisseur Kilian Kuhlendahl und Elisabeth Meyn, die Mutter von Steffen Meyn, sind für einen Austausch vor Ort. Karten für die Veranstaltung sind online und an der Cinema-Kasse erhältlich.
+++ Am Safe Abortion Day, der auf sichere Schwangerschaftsabbrüche aufmerksam machen will, ist im Specops am Aegidiimarkt der Film „Call Jane“ zu sehen. Er erzählt die Geschichte einer Gruppe von Frauen, die Ende der Sechzigerjahre in Chicago ein geheimes Netzwerk für Schwangerschaftsabbrüche aufgebaut hat. Vor der Filmvorführung gibt pro familia Einblicke in die aktuelle Versorgungslage, nach dem Film besteht die Möglichkeit zum Austausch. Los geht es um 18:30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
+++ Die Kunsthistorikerin Wendy Shaw hält am Donnerstag um 19 Uhr im LWL-Museum für Kunst und Kultur einen Vortrag über islamische Kunst und ihre Wahrnehmung. Dabei bezieht sich die Professorin der Freien Universität Berlin vor allem auf philosophische, religiöse und theologische Texte in Arabisch, Persisch, Türkisch und Urdu. Eintritt: 5 Euro. Tickets gibt es online und an der Abendkasse.
Am Freitag schreibt Ihnen Svenja Stühmeier. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Svenja Stühmeier (sst), Jan Große Nobis (jgn), Imke Noetzel (ino), Deike Terhorst (dte)
Lektorat: Antonia Strotmann
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PS
Das Tolle an Wimmelbüchern ist: Man findet immer wieder neue Details, die man vorher noch nicht gesehen hatte. Manchmal sucht man allerdings auch Details vergebens, von denen man sich eigentlich sicher war, dass es sie gab. In dem vor vier Jahren erschienenen Buch „Münster wimmelt“ zum Beispiel fehlen am Turm der Lambertikirche drei Körbe, die dort – ich habe es gestern überprüft – in Wirklichkeit weiterhin hängen. Und dann findet man in Wimmelbüchern auch Dinge, bei denen man schon auf den ersten Blick sieht: Irgendwas stimmt da nicht. In dem Münster-Wimmelbuch sieht man zum Beispiel auf der rechten Seite ganz zweifelsfrei das Gebäude, in dem vor 375 Jahren der westfälische Friede geschlossen wurde. Vorne rechts am Eingang sitzt Onkel Willi und spielt Gitarre, rechts unten sieht man den Bischof, und über den Säulen steht in großen Buchstaben: „Photo Porst“. (rhe)
PPS
Und noch etwas in eigener Sache: Im September hatten wir einen großen Relaunch angekündigt, voraussichtlich für Oktober. Und wie das mit Voraussagen so ist: Der Termin verschiebt sich. Warum genau, das wollen Sie gar nicht wissen. Kurz gesagt: technische Probleme. Wer sich beruflich oder freiwillig mit Websites, Zahlungsdienstleistern und anderem Technik-Kram beschäftigt, kann sich das ungefähr vorstellen. Die gute Nachricht zum Schluss: Wir haben schon einen neuen Termin, wenn diesmal alles klappt. Und der liegt voraussichtlich im Januar.
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