- Newsletter
- Briefe
- Brief von Ralf Heimann
Sisyphos und die Laternen | Reportage: Warum ein Klima-Aktivist zur FDP ging | Wie ein Münsteraner dem Krieg entkommen will

Guten Tag,
am Freitag, kurz vor dem Wochenende, kam Post. Ein Leser schrieb in einer E-Mail, im Kreuzviertel seien in mehreren Straßenzügen nun schon seit zwei Tagen durchgehend die Laternen an. Ein Nachbar habe die Stadtwerke benachrichtigt, später dann auch noch die Stadtverwaltung, also das Tiefbauamt.
Es hörte sich an wie der Anfang eines Witzes: Wie viele Menschen braucht man, um eine Laterne auszuschalten?
In der Vorstellung braucht man einen. Und der schaltet einfach das Licht aus. Aber oft stellt man sich die Dinge ja viel einfacher vor, als sie sind.
Am Freitagnachmittag erlosch die Straßenbeleuchtung im Kreuzviertel. So schwer war es dann ja wohl doch nicht. So sah es jedenfalls aus. Kurz darauf waren die Laternen wieder an.
Eine Antwort hatten Stadt und Stadtverwaltung noch nicht geschickt. Die würde dann ja wohl Montag kommen, wenn das Problem gelöst war. Am Sonntag schrieb der Leser in einer weiteren E-Mail: „Auch heute sind wir noch im 24h-Dauerbetrieb.“ Was war da los?
Am Montagmorgen fragten wir die Pressestelle der Stadtwerke. Antwort: „Grund für die Störung am Wochenende war ein defektes Bauteil in einem Steuerschrank für die Beleuchtung.“ Das Bauteil werde im Laufe des Tages ausgetauscht. Dann werde alles wieder funktionieren wie gehabt.
Am Montagabend, kurz bevor es dunkel wurde, brannten im Kreuzviertel die Laternen – noch immer. Neues Spiel, neues Glück. Dienstagmorgen. Wie sieht es aus?
Antwort: „Es handelt sich um dieselbe Störung wie am Wochenende.“ Die Kollegen seien schon dabei, ein weiteres Bauteil einzubauen. Dann sei, hoffentlich, alles behoben.
Am Dienstagnachmittag kam eine letzte E-Mail. Ich hatte gebeten, eine kurze Nachricht zu schicken, wenn das Problem gelöst sei. Die Kollegen wüssten Bescheid, schrieb die Stadtwerke-Sprecherin. Sie könne aber nichts versprechen.
Gelöst war das Problem da noch immer nicht. Und wenn das bis heute Abend nicht gelingen sollte, versuchen die Stadtwerke nach den Berechnungen unseres Lesers morgen seit einer Woche erfolglos, im Kreuzviertel das Licht auszuschalten.
Enden kann so ein Text eigentlich nur mit einem Witz. Und Witze macht man ja am besten auf eigene Kosten. Also: Wie viele Journalisten braucht man, um eine Laterne auszuschalten?
80. Einer macht die Laterne aus. Und 79 wollen auf die Gästeliste. (rhe)
+++ Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vor drei Wochen sind 51 Menschen aus Münsters israelischer Partnerstadt Rishon LeZion getötet worden, berichten die Westfälischen Nachrichten. Viele der Menschen wurden offenbar bei dem Überfall der Hamas auf das Musikfestival in der Nähe des Gaza-Streifens getötet, sagt Christiane Lösel vom Internationalen Büro der Stadt Münster auf Anfrage. Unter den 51 Opfern seien auch viele Soldaten. In Rishon LeZion selbst durchbrachen seit Kriegsbeginn sechs Raketen das Abwehrsystem „Iron Dome“. Sie schlugen in der Stadt ein, verletzten mehrere Menschen, töteten aber niemanden. Der WDR zeigte gestern Abend in seiner „Lokalzeit“ Bilder der Zerstörungen, die ARD berichtete in einem „Brennpunkt“ auch aus Münsters Partnerstadt. Viele Gebäude dort wurden durch herabfallende Teile abgeschossener Raketen beschädigt. Rishon LeZion ist laut Christiane Lösel die am drittstärksten von Angriffen der Hamas betroffene Stadt in Israel. (rhe)
+++ Die Sperrung der Bergstraße bis Ende September hat dem Handel in der Innenstadt offenbar nicht geschadet. Lediglich einige Gaststätten hätten Einbußen hinnehmen müssen, an den „Hochpotentiallagen“ dagegen sei keine Veränderung spürbar gewesen. So steht es in einer Präsentation, die das Tiefbauamt in der vergangenen Woche im Verkehrsausschuss gezeigt hat. Das Handwerk habe die volleren Straßen rund um das gesperrte Gebiet als „Hemmnis“ eingestuft. Die Erreichbarkeit der Innenstadt sei aber zu keiner Zeit eingeschränkt gewesen, heißt es in der Präsentation. Verbände wie die Wirtschaftsinitiative hatten kritisiert, dass das Rathausbündnis aus SPD, Grünen und Volt den Bült zunächst in einem Verkehrsversuch für ein Jahr und danach vielleicht dauerhaft für Autos sperren will. Die Begründung: Gastronomie und Einzelhandel befürchten Umsatzrückgänge. Die Befürchtung ist nicht völlig abwegig. Erfahrungen und Untersuchungen zeigen jedoch immer wieder, dass weniger Autos nicht unbedingt weniger Umsatz bedeuten. Eine aktuelle Studie aus Aachen kommt etwa zu dem Ergebnis, dass viele Parkplätze in einer Straße für den Handel eher von Nachteil sind. (rhe)

Über 600 IT-Kolleginnen und Kollegen machen die LVM Versicherung fit für die digitale Zukunft. Bring Dein Know-how ein und arbeite mit modernen Technologien an System- und Anwendungslandschaften eines Top-Arbeitgebers. Unser Anspruch: Ein spannendes Arbeitsumfeld und Zukunftsideen statt Software von der Stange. Kaffee? Haben wir auch.
+++ Das Wort „Musik-Campus“ hat man in den vergangenen Wochen eher selten gehört. Das lag vor allem daran, dass die Beratungen im Hintergrund stattfanden. Aber sie fanden statt. Das Rathausbündnis aus SPD, Grünen und Volt will am Donnerstag zusammen mit der FDP in einer Pressekonferenz erklären, was man an dem Vorschlag ändern möchte, den die Stadtverwaltung Ende September gemacht hat. Sowohl das Bündnis als auch die FDP lehnen das Projekt nicht ab, sehen die Finanzierung aber eher skeptisch. Die Internationale Fraktion geht noch etwas weiter. Sie schlägt in einem eigenen Änderungsantrag vor, dass die Stadt das Projekt nicht weiterverfolgt. Dafür nennt die Fraktion vor allem vier Gründe: Die Stadt habe sich nicht an ihre eigenen Vorgaben gehalten. Das Projekt sei zu teuer und zu kompliziert. Die Bürgerbeteiligung sei nicht ausreichend gewesen. Und der Apothekergarten der Uni solle nicht bebaut werden. Anfang des vergangenen Jahres habe Fraktionssprecher Lars Nowak (Die Partei) gesagt: „Man möchte uns die Katze im Sack verkaufen“, schreibt die Fraktion in einer Pressemitteilung. Jetzt sei der Sack offen, und man sehe: „Die Katze ist tot.“ Guten Appetit. (rhe)
+++ Wenn zwei sich streiten, müsste sich dem Sprichwort nach eigentlich irgendwo ein Dritter finden, der sich freut. Am Hafen ist diese Person allerdings noch nicht gefunden. Hier streiten sich laut den Westfälischen Nachrichten die Geschäftsleute Andreas Deilmann und Josef Kuhr um eine Zufahrt von der Schillerstraße zum Hafenweg, und darüber ärgern sich sehr viele Menschen, weil sie jetzt einen Umweg über den Hansaring nehmen müssen, wenn sie zum Kuhr-Speicher möchten. Offenbar geht es um Geld. Laut Zeitung hat Kuhr das Grundstück von Deilmann gekauft, aber die Rechnung noch nicht beglichen. Kuhr sagt dazu nichts. Die Stadtverwaltung ist ebenfalls nicht begeistert, denn mit ihr hatte niemand gesprochen. Dort hat man jetzt den Ärger mit dem ganzen Verkehr. Und während die Suche nach dem Dritten, der sich freut, und inzwischen auch einem Sündenbock weitergeht, ist das eigentliche Problem längst gelö, das schreibt jedenfalls die Zeitung: Die Leute fahren einfach am Sperrzaun vorbei. Wenn doch immer alles so einfach wäre. (rhe)
+++ Im protestantischen Niedersachen ist der 31. Oktober ein gesetzlicher Feiertag, hier im katholisch geprägten Nordrhein-Westfalen ruht die Arbeit erst einen Tag später zu Allerheiligen. Sie wissen, was das bedeutet: Am 1. November findet traditionell der Westfalentag in Osnabrück statt, der nebenan nicht nur für ordentlich Umsatz sorgt, sondern auch als Auftakt zum Weihnachtsgeschäft gilt (hierzu ein paar Impressionen aus 2022). Weil wir bei RUMS natürlich sehr serviceorientiert arbeiten, hier ein kleiner Hinweis an alle, die sich schon auf das Powershopping in Osnabrück freuen: Bleiben Sie lieber zu Hause liegen, denn morgen ist drüben nix los. Die Gewerkschaft Verdi streikt gerade, und eine zentrale Kundgebung inklusive Demozug soll morgen in Osnabrück stattfinden. „Ausgerechnet am Westfalentag“, wie die NOZ kommentiert. (sfo)

3.173 Menschen kommen in Münster auf eine:n Psychotherapeut:in. Rein rechnerisch betrachtet haben wir es in der Stadt mit einer Überversorgung zu tun. Und doch sind die Wartelisten in den Praxen lang. Über dieses Paradox hat unsere ehemalige Autorin Edina Hojas vor zwei Jahren einen RUMS-Brief geschrieben. Für diese Grafik haben wir aktuelle Zahlen recherchiert.
(Quelle: Anfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe)
Hier finden Sie alle unsere Infografiken. Sollte Ihnen eine davon besonders gut gefallen, teilen Sie sie gerne!
Wie ein Münsteraner versucht, dem Krieg zu entkommen
Das letzte Mal hatte Ahmed Abu Ergaila seine Mutter vor zwölf Jahren gesehen. Sein Sohn, der schon über 20 ist, hatte seine Großmutter noch gar nicht kennengelernt. Anfang Oktober machten sich die beiden auf den Weg, um die Familie zu besuchen. Die ersten Tage der Herbstferien seien sehr schön gewesen. „Wir waren nicht weit weg vom Meer. Wir haben gepicknickt, gefeiert und getanzt“, erzählt Ahmed Abu Ergaila.
Doch dann endet die Spätsommeridylle abrupt. Ahmed Abu Ergailas Familie lebt im Gazastreifen.
Dort ist Ahmed Abu Ergaila auch aufgewachsen, vor gut 30 Jahren dann nach Münster gezogen. Dort sitzt er nach dem Beginn des Kriegs fest. Jetzt versucht er, zurück nach Münster zu kommen.
In den vergangenen Tagen hat Ahmed Abu Ergaila mit RUMS gesprochen, mit dem WDR, Antenne Münster und den Westfälischen Nachrichten. Er hofft, dass seine Botschaft auf irgendeine Weise an der richtigen Stelle ankommt.
Propagandaerfolge mit Toten
Der Krieg im Nahen Osten war gestern Thema in der Bundespressekonferenz. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, sagte in Bezug auf die Angriffe in Gaza, man spreche Israel das Selbstverteidigungsrecht nicht ab. Man dränge nur darauf, möglichst viel Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in Gaza zu nehmen.
Mehrfach spricht Fischer sich für die sogenannten humanitären Pausen und Korridore aus. „Gleichzeitig ist es aber so, dass es die perfide Strategie der Hamas ist, tote palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten zu produzieren, um damit dann selber wieder Propagandaerfolge zu erzielen.“ Dieses Dilemma kommunizierten auch israelische Gesprächspartner:innen.
Am Freitag hat die UN-Generalversammlung eine Resolution verabschiedet, die einen Waffenstillstand in Gaza fordert. Den fordert auch die deutsche Bundesregierung, allerdings seien die Terroranschläge der Hamas nicht klar genug verurteilt worden, schreibt das Auswärtige Amt auf X. Zum Schluss enthielt sich Deutschland der Stimme. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine Feuerpause unterdessen ab.
Laut Süddeutscher Zeitung hat ein Journalist gestern Abend gefragt, „ob die Luftangriffe auf den Gazastreifen eine Kollektivstrafe für den Hamas-Terror“ seien. Netanjahu habe geantwortet, im Kampf der Alliierten gegen die Nazis „habe man trotz ziviler Opfer nicht gesagt, rottet die Nazis nicht aus.“
„Die Erschütterung ist eine Entwarnung“
Die politischen und militärischen Positionierungen und Handlungen, ihre Bewertungen und Verurteilungen können Sie gerade überall verfolgen. Und es gibt auch schon Szenarien, die ein mögliches Ende des Kriegs beschreiben. Was für ein Leid der Krieg für die Menschen auf israelischer und palästinensischer Seite bedeutet, steht zum Beispiel heute im RUMS-Brief oben in den Meldungen – und eben hier, mit der Geschichte Ahmed Abu Ergailas.
Für ihn und seinen Sohn sahen die vergangenen Wochen so aus:
Flucht in den Süden Gazas.
Wassermangel.
Phasenweise kein Internet und kein Telefonnetz.
Gestank von Leichen und Müll.
Menschen, die auf der Straße nach Brot rufen.
Ein komplett zerstörtes Dorf, in dem die Familie gelebt hatte.
Ein Aufenthalt im Krankenhaus und neue Schwerverletzte im Sekundentakt.
Bombenangriffe, so nah und spürbar.
Pfeifen, dann der Einschlag.
„Die Erschütterung ist eine Art Entwarnung“, sagt Ahmet Abu Ergaila. Denn das heißt: Sein Sohn und er wurden nicht getroffen.
Die Situation in Gaza nennt Ahmed Abu Ergaila einen „Horrortrip“ für die Zivilist:innen vor Ort. Er macht immer wieder deutlich: „Die Palästinenser sind nicht die Hamas.“ Ihm ist wichtig, dass er jüdische Menschen, die israelische Regierung und die israelische Zivilgesellschaft nicht gleichsetze, so sagt er. Der Eindruck der Menschen um ihn herum: „Man wartet darauf, dass die Israelis zuschlagen und ihnen jede Unterstützung angeboten wird, während man die Leute hier nicht mit Wasser, Strom und dem Nötigsten versorgt. Das ist ungerecht.”
Wann und wie können sie ausreisen?
Am 30. Oktober haben die Vereinten Nationen eine Zahl von gut 8.000 palästinensischen Todesopfern veröffentlicht, darunter etwa 3.500 Kinder. Die berufen sich zwar auf das Hamas-geführte Gesundheitsministerium. In der Vergangenheit habe das Ministerium jedoch recht akkurate Zahlen veröffentlicht, ist die Einschätzung etwa von der Weltgesundheitsorganisation gegenüber dem ZDF: „[S]ie spiegeln weitgehend das Ausmaß von Tod und Verletzung wider.“
Eine zentrale Frage für Ahmed Abu Ergaila, seinen Sohn und, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, etwa 10.000 weitere Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist außerdem: Wann und wie können sie ausreisen?
UN-Nothilfe-Koordinator Martin Griffith ist laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gestern Nachmittag in Israel eingereist, „auf Bitten anderer Staaten, um die Ausreise ausländischer Staatsbürger aus dem Gazastreifen voranzutreiben“.
Ahmed Abu Ergaila fühlt sich im Stich gelassen von der Bundesregierung. Die deutsche Botschaft in Israel habe ihm mitgeteilt, sie sei nicht zuständig, weil Gaza nicht zu Israel gehöre. Das Auswärtige Amt habe ihm eine SMS geschickt, in der stand, dass er sich für die Ausreise am Rafah Grenzübergang zu vorher mitgeteilten Zeitfenstern bereithalten solle. Fünf Mal hätten sein Sohn und er am Grenzübergang vergeblich gewartet, einmal habe sie dabei fast eine Bombe getroffen.
Keine Garantie für den Weg
Und dann noch das, was er als „Doppelmoral“ bezeichnet. Aus Israel gab es erst Sonderflüge der Lufthansa, dann Flüge von der Bundeswehr. Das Auswärtige Amt verweist auf seiner Webseite in Bezug auf Gaza auf das Vertretungsbüro in Ramallah, Westjordanland. Dort auf der Webseite steht wiederum: Wer sich in Gaza befindet, solle sich in eine Krisenvorsorgeliste eintragen. Das Büro empfiehlt, sich in die Nähe des Grenzübergangs Rafah zu begeben, um mögliche Grenzöffnungen abzupassen.
Weiter steht dort: „Es ist insbesondere im Norden Gazas derzeit gefährlich, in den Wohnungen zu bleiben. Es ist aber auch jede Bewegung außerhalb eines Hauses gefährlich. Treffen Sie bitte eigenständig und abhängig von Ihrer jeweiligen Situation die Entscheidung, ihre Wohnungen zu verlassen und in den Süden des Gazastreifens zu gehen. Das deutsche Vertretungsbüro kann Sie dabei nicht unterstützen und keine Garantie für den Weg übernehmen.“ Wir haben beim Auswärtigen Amt angefragt, ob eine Evakuierung geplant ist, bisher jedoch keine Rückmeldung erhalten.
Die Süddeutsche Zeitung hat mit einigen Menschen aus Deutschland in Gaza gesprochen. Sie sprechen auch von schlechter Kommunikation mit dem Auswärtigen Amt.
Was Ahmed Abu Ergaila ebenfalls verärgert: Die Telekom hat für Kund:innen in Israel SMS, Anrufe und Datennutzung kostenfrei geschaltet, zumindest noch bis heute Nacht. Wer gerade in Gaza ist, zahlt 2,99 Euro für einen Anruf und 40 Cent für eine SMS.
Seine Freund:innen in Deutschland haben indes eine Petition gestartet und verschiedene Stellen kontaktiert, in der Hoffnung, Hilfe organisieren zu können. Die Rückmeldungen: Mitgefühl – und Ohnmacht.
„Nur äußerst begrenzte Möglichkeiten“
Enttäuscht habe sie die Antwort aus der städtischen Verwaltung auf ihre Mail. Ahmed Abu Ergailas Freund Thomas Behm habe man am Telefon sinngemäß gesagt, man sei nicht zuständig. Im Kontext der Feier zum Westfälischen Frieden habe sich das falsch angefühlt.
Auf Anfrage schreibt die Stadt, sie habe „nur äußerst begrenzte Möglichkeiten“, Hilfe zu leisten. Der Oberbürgermeister bemühe sich um persönlichen Kontakt zu den Menschen aus Münster, die gerade im Gazastreifen sind. Er wolle mögliche konkrete Unterstützung klären. Außerdem gebe es einen Austausch mit Bundestagsabgeordneten und der Uni Münster. Ahmed Abu Ergaila berichtet, dass er am Grenzübergang weitere Personen aus der Nähe getroffen habe, zum Beispiel den Arzt Ahmed Murtaja, der vor einigen Tagen Chrismon ein Interview gegeben hat.
Ahmed Abu Ergaila wusste, als wir gestern zuletzt Nachrichten hin- und hergeschickt haben, nicht genau, wie es dem Rest seiner Familie geht. Es sei schwierig mit der Kommunikation. Sein größter Wunsch: „Dass mein Sohn hier rausgeholt wird.“ (sst)
Wagenknecht-Partei bald in Münster?
Vergangene Woche Dienstag hatte Rüdiger Sagel in den Räumen der evangelischen Studierendengemeinde zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Wie es links weitergeht“ geladen. Der ehemalige Ratsherr hatte für die Linke im Stadtrat gesessen, verließ aber vor vier Jahren die Partei und hat seitdem kein Parteibuch.
Sagel könnte bald mit anderen heimatlosen Linken in Münster eine neue Partei gründen. Wie er uns mitteilt, seien mehr als vierzig Menschen zu seiner Veranstaltung gekommen, um sich inhaltlich auszutauschen und über einen möglichen Wahlantritt in Münster zu diskutieren. Danach hätten sich noch weitere Interessierte gemeldet.
Besondere Dynamik bekommt dieses Projekt durch das „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Die Bundestagsabgeordnete war vergangene Woche aus der Linken ausgetreten, um eine eigene Partei zu gründen. Die gibt es zwar noch nicht, aber einen Verein, der die Gründung vorbereiten soll.
Rüdiger Sagel schreibt, die Parteigründung verfolge man „mit Interesse“. Im November oder Dezember habe man die Vorsitzende des Wagenknecht-Bündnisses, Amira Mohamed Ali, nach Münster eingeladen, damit sie hier die geplante Partei vorstellen kann.
Und wie sieht’s bei der Münster-Linken aus? Wir hatten sie vergangenen Dienstag gefragt, ob einige Genoss:innen möglicherweise rüber machen könnten zum Wagenknecht-Lager (RUMS-Brief). Die Geschäftsstelle hat uns jetzt geantwortet und schreibt, ihr seien bislang keine Mitglieder bekannt, die überlaufen könnten. Für die Ratsfraktion, den Kreisvorstand und die aktiven Mitglieder könne die Münster-Linke einen Wechsel ausschließen.
Nicht überall in Nordrhein-Westfalen steht die Linke so geschlossen da. Sahra Wagenknecht trat für die NRW-Linke als Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl an, hier hat sie traditionell viele Verbündete, und auch im neugegründeten Bündnis sind viele Leute aus NRW aktiv. Laut einem Bericht der taz habe das Bündnis etwa die Linke in Bonn, Aachen oder Dortmund gespalten. Bundesweit haben seither insgesamt 195 Genoss:innen die Partei verlassen. Andererseits gewinnt die Linke gerade wieder Mitglieder. So seien laut „Zeit online“ 331 Menschen in die Linke eingetreten. (sfo)
Beitrag von Frederik Mittendorff am 31.10.2023
Der Verrückte aus der FDP

Der Klima-Aktivist Mathis Bönte ist in die FDP eingetreten. Er möchte der Partei klarmachen, wie wirkungsvoll ihre klimapolitischen Vorschläge sind. Einmal haben sie ihn dafür schon rausgeworfen.
Korrekturen
Im RUMS-Brief am vergangenen Dienstag haben wir auf eine Infoveranstaltung zur Heizungswende am 22. November hingewiesen, aber leider einen falschen Link gesetzt. Hier finden Sie den richtigen Link.
+++ Seit einigen Wochen finden sich Leute an der Mahnwache am Kanal zusammen. Sie protestieren dagegen, dass die Bäume an der Pleistermühlenweg-Brücke für deren Neubau gerodet werden sollen (RUMS-Brief). Laut Polizei wurde die Mahnwache bis zum 5. November verlängert. In dem Zusammenhang wollte der Naturschutzbund (Nabu) Münster vom zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) wissen: Wann wurden denn eigentlich zuletzt Artenschutzprüfungen angestellt? In der Antwort des WSA heißt es, die fanden rund um die Planungen im Jahr 2008 statt. Man würde allerdings Planung und Durchführung eng mit der Unteren Naturschutzbehörde abstimmen. Da die Baumfällungen nun nicht wie geplant im Oktober, sondern frühestens im November stattfinden werden, müssen zusätzlich Kontrollen durchgeführt werden, ob bestimmte Bäume von Fledermäusen genutzt werden. Für den Nabu ist das unzureichend. Er fordert, dass es neue Artenschutzprüfungen gibt. In seiner Stellungnahme bezieht sich der Vorsitzende Detlef Lobmeyer etwa darauf, dass Kartierdaten laut Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in NRW maximal sieben Jahre alt sein dürfen. (sst)
+++ Eine aktuelle Studie verdeutlicht, dass wir das 1,5-Grad-Limit noch schneller erreichen könnten als bislang angenommen. Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass statt der zuvor geschätzten 494 Milliarden Tonnen CO2 jetzt nur noch 247 Milliarden Tonnen zur Verfügung stehen. Wenn alles so bleibt, wie’s 2022 war, wäre das Budget in etwa sechs Jahren aufgebraucht. Dennoch ist das Ergebnis: Wenn CO2-Emissionen drastisch reduziert werden, besteht immer noch die Chance, die Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. (ino)
+++ Eigentlich sollten sich die Zugvögel allmählich in den Winterurlaub in Richtung Süden verabschieden. Immer mehr Vögel überwintern aber in Deutschland, darunter auch der Weißstorch, der normalerweise die kalte Jahreszeit in Afrika verbringt. Nur: Liegt das an der Klimakrise? Weißstörche haben nämlich im Grunde nichts gegen Minusgrade. Sie finden nur schlichtweg keine Nahrung und ziehen deshalb im Winter um. Der Nabu möchte dieser Frage jetzt auf den Grund gehen und ruft zum Störchezählen auf. Ab morgen können Sie Weißstörche über dieses Formular melden, wenn Sie ein Exemplar gesehen haben. Die Zählaktion läuft bis zum 31. Januar 2024. (sfo)
+++ Wegen Allerheiligen verschiebt sich die Tonnenabfuhr um einen Tag nach hinten. (Stadt Münster)
+++ Die Fahrbahnen und Kreuzung zwischen Gremmendorfer Weg und Erbdrostenweg werden wieder freigegeben. (Stadtnetze Münster)
+++ An der Radstation Hansator gibt es jetzt öffentliches Wlan. (Stadt Münster)
+++ In einem Forum zur aktuellen Lärmkartierung am 8. November können Menschen Hinweise geben, wo sie in Münster von Lärm betroffen sind und welche Orte sie für Ruhe und Erholung aufsuchen. (Stadt Münster)
+++ Am 9. November stellt die Stadt den Entwurf des Integrierten Flächenkonzepts für Münster vor. (Stadt Münster)
+++ Die Stadt plant auf dem ehemaligen „Landfahrerplatz“ an der Steinfurter Straße/Ecke Vorbergweg ein Areal mit Dirtpark und Pumptrack. (Stadt Münster)
+++ Der Zentralfriedhof soll zum Lern- und Begegnungsort für Menschen verschiedener Religionen werden und über die Artenvielfalt informieren. (Westfälische Nachrichten)
+++ Der münsterische CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Nacke ist nicht wieder in den Landesvorstand der NRW-CDU gewählt worden. (Westfälische Nachrichten)
+++ Das Landgericht Münster hat den Mann, der einen anderen Mann auf dem Send getötet hatte, zu lebenslanger Haft verurteilt. (Antenne Münster)
+++ Am vergangenen Samstagnachmittag haben 250 Menschen für die Rechte Geflüchteter demonstriert. (Münstersche Volkszeitung)
+++ Ein Deutscher, ein Syrer und eine Ukrainerin aus Münster suchen in einem neuen Kinderbuch, das Münsters Türmerin Martje Thalmann unter dem Pseudonym Marta Latour illustriert hat, gemeinsam nach Frieden. (Westfälische Nachrichten)
+++ Münsters CDU war zu einem Solidaritätsbesuch in der jüdischen Gemeinde und hatte ein Olivenbäumchen als Zeichen für dauerhaften Frieden dabei. (CDU Münster)
+++ Die Abgeordneten des LWL haben in einer Erklärung „allen jüdischen Menschen uneingeschränkte Solidarität und volle Unterstützung“ zugesagt, bei einer Gegenstimme (Linke) und einer Enthaltung (AfD). (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)

Anonymer Briefkasten
Haben Sie eine Information für uns, von der Sie denken, sie sollte öffentlich werden? Und möchten Sie, dass sich nicht zurückverfolgen lässt, woher die Information stammt? Dann nutzen Sie unseren anonymen Briefkasten. Sie können uns über diesen Weg auch anonym Fotos oder Dokumente schicken.
Sie wollen hoch hinaus? Kein Problem in der neuen Kletterhalle an der Grevener Straße. Auf dem Rasenplatz hinter dem ehemaligen DJK Bildungs- und Sportzentrum ist im Auftrag des Deutschen Alpenvereins die 3.500 Quadratmeter große und 16 Meter hohe „KletterBar“ entstanden. Dazu gibt es einen Boulderbereich und ein überdachtes Außenareal, in denen sich Kletterfans auf verschiedenen Routen austoben können. Ausrüstung kann geliehen werden. Wer noch was dazulernen will, kann auch Kurse buchen. In der Pause gibt’s Flammkuchen, Pizza und Getränke. Die KletterBar hat montags bis freitags zwischen 10 und 22 Uhr geöffnet, samstags, sonntags und an Feiertagen bereits ab 9. Alle Preise finden Sie hier.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Heute hat Deike Terhorst für Sie ein paar Veranstaltungen herausgesucht. Das sind ihre Empfehlungen:
+++ Oben haben wir es schon gemeldet: Der Westfalentag fällt streikbedingt morgen in Osnabrück aus. Zum Glück ist aber auf die Handelsmentalität der Niederländer:innen Verlass, denn die Stadt Enschede springt freundlicherweise mit einer Feiertagsshoppingaktion ein. Die Geschäfte in der Innenstadt haben bis 18 Uhr geöffnet; für Leute, die mit dem Auto kommen, gibt es einen Park-and-Ride-Shuttleservice und auf dem Van Heekplein findet ein Extra-Wochenmarkt statt. Alle weiteren Infos dazu finden Sie auf der Website des Stadtmarketings von Enschede.
+++ Von Donnerstag bis Sonntag findet im Cinema das „Queerstreifen“-Festival statt. Zu seiner 25. Ausgabe werden wieder jede Menge queere Filme aus aller Welt präsentiert. Außerdem blickt im Rahmen der Veranstaltung die münstersche Lesbenbewegung auf ihr 50-jähriges Bestehen zurück. Das Programm und weitere Infos finden Sie auf der Website des Festivals.
+++ Seit Mitte der 1990er-Jahre entwickelt sich in der Türkei ein unabhängiges Qualitätskino, in dem junge Regisseur:innen das politische und religiöse Klima im Land reflektieren. Bis zum 28. November zeigt das LWL-Museum für Kunst und Kultur insgesamt fünf dieser Filme. Den Auftakt macht Donnerstag um 19:30 Uhr „My Only Sunshine“ über das Leben der 14-jährigen Hayat. Der Film wird im Original mit englischem Untertitel gezeigt. Der Eintritt kostet 5 Euro, Tickets gibt es online und an der Abendkasse.
+++ Die Düsseldorfer Performancegruppe half past selber schuld präsentiert am Freitag und Samstag um 20 Uhr mit „What Robots Need to Learn“ den dritten Teil ihrer Trilogie „Wonderland Incorporated“ im Pumpenhaus. Die Erfinder:innen des Bühnencomics entführen in eine Zukunft, in der Evolution von Technik überholt wird. Tickets sind für 18 Euro, ermäßigt 10 Euro, auf der Website des Pumpenhauses erhältlich.
+++ Am Freitag startet in Münster das Woody Guthrie Festival, bei dem Musiker:innen an drei Abenden ihre gesellschaftskritischen Lieder im Geiste des US-amerikanischen Songwriters präsentieren. Guthrie war Antifaschist, gewerkschaftlich aktiv und der politischen Linken zugewandt. Das Festival wird vom Kulturverein Frauenstraße 24 mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrhein-Westfalen veranstaltet. Karten für die Konzerte können per Mail oder über die Website vorbestellt werden.
+++ Am Samstagnachmittag richtet das Centrum für Rhetorik, Kommunikation und Theaterpraxis der Universität Münster auf der Studiobühne einen internationalen Rezitationswettbewerb aus. 20 Teilnehmende aus ganz Deutschland tragen dabei Gedichte von Ingeborg Bachmann vor. Beim anschließenden öffentlichen Rezitationsabend um 20 Uhr wird eine Auswahl der Texte präsentiert, moderiert von der Bachmann-Forscherin Andrea Kresimon. Die von der Jury ausgewählten Preisträger:innen werden gegen Ende der Abendveranstaltung gemeinsam mit dem Publikumspreis bekannt gegeben. Der Eintritt ist frei, Karten können per E-Mail reserviert werden.
Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Diesen Brief teilen und RUMS weiterempfehlen
Mitarbeit: Svenja Stühmeier (sst), Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Imke Noetzel (ino), Deike Terhorst (dte)
Lektorat: Melanie Kelter
PS
Allein in den vergangenen Wochen haben Unbekannte am Domplatz vor der Bezirksregierung zwei Mal die Israelflagge heruntergerissen. Im vergangenen Jahr zählte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen 14 antisemitische Vorfälle in Münster. Das sind nur die Ereignisse, die dokumentiert sind. Relativ sicher waren es sehr viel mehr. Das Präventionsprojekt „Zusammen1“ des jüdischen Sportverabands Makkabi Deutschland möchte Antisemitismus beim Sport ans Licht bringen. Dazu hat es eine Meldestelle eingerichtet. Dort können Sie berichten, was Sie erlebt haben. Die Informationsstelle setzt sich mit Ihnen dann in Verbindung. (rhe)
Ihnen gefällt dieser Beitrag?
Wir haben Ihnen diesen Artikel kostenlos freigeschaltet. Doch das ist nur eine Ausnahme. Denn RUMS ist normalerweise kostenpflichtig (warum, lesen Sie hier).
Mit einem Abo bekommen Sie:
- 2x pro Woche unsere Briefe per E-Mail, dazu sonntags eine Kolumne von wechselnden Autor:innen
- vollen Zugriff auf alle Beiträge, Reportagen und Briefe auf der Website
- Zeit, sich alles in Ruhe anzuschauen: Die ersten 6 Monate zahlen Sie nur einen Euro.
Wir freuen uns sehr, wenn wir Sie ab heute in der RUMS-Community begrüßen dürfen!
Sie möchten dieses Thema mit anderen Leser:innen diskutieren oder uns Hinweise geben
Nutzen Sie einfach unsere Kommentarfunktion unterhalb dieses Textes. Wenn Sie diesen Brief gerade als E-Mail lesen, klicken Sie auf den folgenden Link, um den Text auf unserer Website aufzurufen:
diesen Brief kommentieren