Alle für die Demokratie | Die fragwürdigen Geschäfte von P. Jentschura | Unbezahlte Werbung: Leckermädel

Porträt von Svenja Stühmeier
Mit Svenja Stühmeier

Guten Tag,

CDU, FDP, SPD, Volt, die Linke und die Grünen machen es, Vereine und Initiativen auch, genauso Stadtrat Wolfgang Heuer und Menschen in Messenger-Gruppen, in denen sie sonst über ganz andere Dinge kommunizieren: Sie rufen zur Demo gegen Rechts heute Abend auf dem Domplatz auf. Die meisten belassen es nicht dabei, sondern positionieren sich mit eigenen Worten gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie, wie etwa die Wirtschaftsinitiative Münster.

Nicht nur in Münster, sondern in ganz Deutschland gehen viele Menschen seit ein paar Tagen auf die Straße. Der Anlass: eine Recherche des Medienhauses Correctiv. Die Journalist:innen haben ein Geheimtreffen von Rechtsradikalen und Rechtsextremen am Potsdamer Lehnitzsee aufgedeckt. Also zum Beispiel AfD-Vertreter:innen und Neonazis.

Der Inhalt ist ungeheuerlich. Aber neu? Eher nicht. „Mich hat gewundert, dass diese Correctiv-Geschichte so eingeschlagen hat. Weil, wer sich länger mit der AfD beschäftigt, der weiß das ja“, sagte zum Beispiel der Soziologe Andreas Kemper, der unter anderem zur AfD forscht. Gestern war der Münsteraner zu Gast im Podcast „Jung und Naiv“ von Tilo Jung.

Viele Menschen, die die AfD vertreiben möchte, wissen das auch schon länger. Aus eigener Erfahrung. „Seid nicht überrascht. Seid nicht schockiert. Bitte. Seid ready“, schreibt die Rassismusforscherin Tupoka Ogette auf Instagram. Der Comedian Abdul Kader Chahin hat mit Galgenhumor auf das Lehnitzsee-Treffen reagiert. So wie viele andere Betroffene auch.

Warum war also gerade diese Recherche so erfolgreich?

Andreas Kemper sagt: Die Recherche ist sehr detailliert und gut belegt, gleichzeitig sind die Vertreibungspläne von Martin Sellner sehr konkret. Der rechtsextreme Aktivist ist bei dem Treffen als Redner aufgetreten. Er plant die Deportation von rund 14 Millionen Menschen aus Deutschland.

Die stellvertretende Chefredakteurin von Correctiv, Anette Dowideit, sagt im Deutschlandfunk-Podcast Mediasres: Die „demokratische Mitte“ habe nur noch einen kleinen Anstoß gebraucht, um in Aufbruchsstimmung zu geraten und für die Demokratie auf die Straße zu gehen. Außerdem frage sich Correctiv immer wieder: Wie erreicht man die Leute? Diese Recherche hat das Berliner Ensemble zum Beispiel am Mittwochabend als szenische Lesung auf die Bühne gebracht. Sie ist auch im Stream verfügbar.

Journalistin Nadine Lindner, die sich viel mit der AfD beschäftigt, sagt im Politikpodcast: Die Recherche sei für sie ein „Brennglas“ gewesen. Sie zeige die Zusammenführung von drei Ebenen: Bereitsteller:innen rechter Ideologien, Geldgeber:innen und Vertreter:innen einer Partei, die etablierte Strukturen hat. „Da fließen jetzt auf einmal Dinge zusammen.“

Ich möchte keine „Demoscham“ in Ihnen wecken, falls Sie heute nicht auf dem Domplatz stehen. Es gibt viele andere Wege, sich für Demokratie einzusetzen.

Demos und Kundgebungen sind allerdings ein guter Ort, um zu sehen: Ich bin nicht alleine. Dort können Sie Ihre Gedanken mit anderen austauschen, Beiträge hören, Ihre Position verstärken, verfeinern, ändern. In Münster sprechen etwa der Comedian Jean-Philippe Kindler, der seine Show heute Abend extra nach hinten verlegt hat. Außerdem Maria Salinas vom Integrationsrat, Antonia Miersch (SPD) und Robin Korte und Dorothea Deppermann (beide Grüne). 

Demos sind auch ein guter Ort, um Solidarität zu bekunden. Um zum Beispiel zu zeigen: Mir ist nicht egal, dass Vertreter:innen einer in Stadträten und Parlamenten vertretenen Partei Deportationen von Menschen befürworten, auch wenn ich selbst nicht zu den 14 Millionen gehöre.

Und dann? Bilden Sie sich weiter, hinterfragen Sie sich, sprechen Sie mit anderen darüber. Interessant ist vielleicht diese Linkliste der Amadeu-Antonio-Stiftung zur Gegenrede bei diskriminierenden Aussagen. Und da nach der Demo bekanntlich vor der Demo ist: Am 16. Februar trifft sich die AfD zum Neujahrsempfang in Münster. Um 17 Uhr findet an dem Tag ein Gegenprotest auf dem Prinzipalmarkt statt. (sst)

Kurz und klein

+++ Am Mittwoch hat die Polizei Münster Fotos von zwei Männern veröffentlicht. Darauf zu sehen sind der 33-jährige Matthias Abel und der 38-jährige Marco Schinkel aus Hannover. Sie gehörten dem „Missbrauchskomplex Münster“ an und sollen über mehrere Jahre hinweg zwei minderjährige Brüder schwer sexuell missbraucht haben. Die Polizei konnte bislang die Identität der Opfer jedoch nicht ermitteln und erhofft sich nun Hinweise über eine Öffentlichkeitsfahndung zu erlangen. Die Brüder sollen erstmals im Alter von 9 und 12 Jahren Kontakt zu den Tätern gehabt haben. Im Laufe der Zeit sollen die beiden Männer das Vertrauen der Eltern gewonnen haben, Familienfeiern besucht und mit den Kindern Urlaube in den Niederlanden und Dänemark verbracht haben. Inzwischen dürften die gesuchten Opfer volljährig sein. Wenn Sie Hinweise zu den Opfern geben können, melden Sie sich telefonisch (0251/275-4000), per E-Mail oder über das Kontaktformular bei der Polizei Münster. Die Beschuldigten, Matthias Abel und Marco Schinkel, sind bereits wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt und inhaftiert worden. Sie schweigen zur Identität der Opfer. (sfo)

+++ Wenn es darum geht, eine schlechte Nachricht zu überbringen, dann ist eine gängige Strategie, zunächst eine noch schlechtere voranzuschicken. Am Ende erscheint die schlechte Nachricht fast wie ein Segen. Svenja Schulze (SPD), als Entwicklungshilfeministerin Teil der Bundesregierung, aus der ein anderer Teil, nämlich das von der FDP geführte Bundesforschungsministerium, beschlossen hat, die Batterieförderung zu rasieren, schickte gestern Abend eine Pressemitteilung mit der Überschrift: „SPD wendet Kürzungen ab: Batterieforschung in Münster kann weitergehen“. Das, was hier als gute Nachricht erscheint, bedeutet: Münster verliert über die Hälfte seiner Fördermillionen für die Batterieforschung. Oder eben, anders gesehen: Die für dieses Jahr vorgesehene Streichung von 20 Millionen habe die SPD verhindern können, schreibt Schulze. Für die kommenden Jahre bleibe es bei einer Förderung von 50 Millionen. Ergibt zusammen: 70 Millionen. Ursprünglich waren 155 Millionen Euro für Münster vorgesehen. Wir haben gestern das Bundesforschungsministerium gebeten, uns zu erklären, warum das Ministerium gerade hier kürzt. Als Grund nennt eine Sprecherin in ihrer Antwort nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die 70 Millionen Euro, die nun doch nach Münster gehen sollen, bestätigt sie. „Für 2025 und die Folgejahre sollte das noch nicht das letzte Wort gewesen sein“, schreibt die Sprecherin. Die Batterietechnologie sei eine wichtige Schlüssel- und Zukunftstechnologie, die man weiter fördern wolle und auch werde. (rhe)

+++ Das Land Nordrhein-Westfalen fördert aus eigenen Mitteln eine Fahrradprofessur. Die Fachhochschule Münster hatte sich auf die Ausschreibung beworben, die Uni jedoch nicht (RUMS-Brief). Am Wochenende gab das grünengeführte Verkehrsministerium bekannt, dass die Wahl allerdings auf Bochum gefallen ist. In der Pressemitteilung lobt Landesminister Oliver Krischer das praxisorientierte Konzept, das die Hochschule vorgelegt hat. Mit der Professur sollen Radverkehrsexpert:innen in NRW ausgebildet werden, die die Fahrradinfrastruktur im Land weiterentwickeln. (sfo)

+++ Es sind beunruhigende Zahlen, die der „Arbeitgeberverband Pflege“ Ende Dezember veröffentlicht hat: 2023 mussten 783 Einrichtungen in der Altenpflege Insolvenz anmelden oder schließen. Macht unterm Strich zwei Pleiten oder Schließungen am Tag. Nun meldet auch die Caritas Münster, dass sie zwei Demenz-WGs in Nienberge schließen muss. Der Grund: Der Betrieb der Einrichtungen rentiert sich finanziell schlicht und einfach nicht mehr. 2022 verbuchten die WGs ein Minus von 180.000 Euro und auch in den Vorjahren schrieb die Einrichtung rote Zahlen. Die Caritas bedauert die Entscheidung in einer Pressemitteilung, denn das Wohn- und Betreuungskonzept sei auf die Bedürfnisse der demenzkranken Bewohner:innen ausgelegt. Sie können nach der Auflösung der WG am 30. Juni in eines der fünf Altenpflegeheime der Caritas umziehen, schreibt der Verband. Den 28 Pflegekräften habe die Caritas außerdem ein Übernahmeangebot gemacht. (sfo)

+++ Zur Abwechslung können wir heute zwei gute Nachrichten über Münsters Bäder melden. Zum ersten: Das Hallenbad in Hiltrup öffnet am Samstag. Anfang Dezember hatte die Stadt Legionellen in der Dusche entdeckt. Die sind nach einer Desinfektion jetzt aber weg. Und zum zweiten: Auch im skandalnudeligen Ostbad sind vergangenes Jahr Legionellen aufgetaucht, wie Sie sich sicherlich erinnern (RUMS-Brief). Die sind zwar immer noch da, aber es werden weniger. Das Ostbad bleibt deshalb vorerst noch zu. (sfo)

Der Rürup
Cartoon von Stephan Rürup zur Demo gegen Rechts am 19. Januar 2024 in Münster.

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Wie es weiterging – mit den Kaufhäusern

Nach wie vor ist die Zukunft der Warenhauskette „Galeria Karstadt Kaufhof“ unklar. Offensichtlich haben aber Investoren Interesse am Kauf einiger Kaufhäuser. Kurz nach dem Jahreswechsel meldete der Konzern, der zur österreichischen „Signa Holding“ gehört, Insolvenz an (RUMS-Brief). Laut einem Bericht im „Spiegel“ scheint „Galeria Karstadt Kaufhof“ aber inzwischen mit einer Handvoll potenzieller Käufer:innen zu verhandeln. Auch die Tagesschau berichtet, dass die thailändische Central Group möglicherweise die Kaufhauskette erwerben könnte, denn sie möchte anscheinend nach Europa expandieren. Ob das eine Rettung für den Doppelstandort Münster darstellt, in dem zwei Kaufhäuser direkt gegenüber in der Innenstadt stehen, ist allerdings fraglich. Kein Investor hat nämlich Interesse an allen 110 Kaufhäusern, die „Galeria Karstadt Kaufhof“ noch betreibt. Je nachdem ist die Rede von 30 bis 60 Filialen, die verkauft werden könnten. Dazu kommt Druck vom Insolvenzverwalter. Er sagte dem „Spiegel“, dass die Investoren nicht die bisherigen Mieten der „Signa Holding“ erwarten könnten. Der Konzern hatte von den Kaufhäusern zum Teil Mieten in Höhe von 30 Prozent des Umsatzes verlangt. Üblich seien hingegen 7 bis 12 Prozent. Diese Frage soll bis Ende April beantwortet sein, sagte der Insolvenzverwalter. Und diese Antwort könnte auch heißen: Einige Kaufhäuser müssen schließen. (sfo)

Die fragwürdigen Geschäfte von P. Jentschura

Kennen Sie eigentlich die Website archive.org? Sie ist eine Art Internetarchiv. Dort kann man eine Seite abspeichern, wenn zum Beispiel ein Relaunch ansteht. Richtig nützlich ist das Archiv aber auch bei manchen Recherchen. Autorin Antonia Strotmann hat sich in den vergangenen Wochen mit dem Unternehmen P. Jentschura beschäftigt. Das Unternehmen aus Münster steht in der Kritik, unter anderem wegen seiner Nähe zur Esoterik und zu Verschwörungsmythen. Einige Online-Quellen, auf die Antonia Strotmann bei ihrer Recherche gestoßen ist, existieren nicht mehr. Viele waren jedoch bei archive.org hinterlegt, sodass wir sie Ihnen trotzdem zeigen können.

Bei P. Jentschura aus Münster-Roxel floriert das Geschäft: Das Familienunternehmen von Gründer Peter Jentschura verkauft seit knapp 30 Jahren basische Produkte in mehr als 25 Ländern und macht damit Gewinne in Millionenhöhe. Die Tees, Badesalze und Pflanzenpulver stehen in den Regalen von Biomärkten, Naturheilpraxen oder Apotheken – allein in Münster und Umgebung sind es laut Unternehmensseite 35 Läden

Zuletzt hat es das Unternehmen mit der neuen Jentschura-Akademie in die Lokalpresse geschafft: „Münster soll Stadt der Gesundheit werden“, titeln die Westfälischen Nachrichten im Januar 2023 und berichten im Mai über die Eröffnung. Mit dabei: Bürgermeisterin Angela Stähler, IHK-Chef Fritz Jaeckel und Model Monica Meier-Ivancan, die jahrelange Werbebotschafterin des Unternehmens.

Die Akademie geht nun also ins zweite Jahr – laut Website des Unternehmens mit einem erweiterten Angebot. Das richtet sich zum Beispiel an Therapeut:innen, Trainer:innen, Handelspartner:innen und Privatkund:innen. Wir waren neugierig und haben es uns einmal angeschaut. 

Eins schon mal vorab: Im Rahmen unserer Recherche haben wir auch einige Fragen an das Unternehmen gestellt. Mitte Dezember haben wir die erste E-Mail geschrieben, dann diese Woche noch mehrmals nachgehakt. Eine Rückmeldung haben wir bis heute nicht erhalten. Was allerdings passiert ist: Einige Inhalte, die zu Beginn der Recherche noch online waren, sind es inzwischen nicht mehr. Deswegen verweisen wir auf viele Archivlinks. 

Gesund leben lernen – mit Orgonenergie?

Die Idee der basischen Ernährung als gesunde Lebensform zieht sich durch das Kursangebot der Jentschura-Akademie. Etwa beim zweieinhalbtägigen Seminar „Gesund leben lernen – Grundlagen“ für 795 Euro. Hier erwarten Teilnehmende zum Beispiel basische Bäder, Fußbaderunden, basisches Kochen sowie Fachvorträge und Bewegungseinheiten – laut Homepage Inhalte, die ihr „Leben verändern werden“. 

Auch die sogenannte Orgonenergie spielt in der Akademie eine wichtige Rolle. Nie gehört? Auf der Unternehmensseite beschrieb P. Jentschura das so: Sie ist „überall vorhanden, erfüllt den ganzen Raum, massefrei, (…) durchdringt alle Materie, (…) pulsiert spontan, expandiert, kontrahiert und bewegt sich entlang von Kreiselwellen, direkt sicht- und radiästhetisch messbar, fördert den Aufbau von Lebensstrukturen“. Lebendige Organismen würden die Orgonenergie beim Essen, Trinken, Atmen und über die Haut aufnehmen. Pflanzen würden durch sie mehr keimen und auch mehr Knospen, Blüten und Früchte tragen. 

Ende der 1930er-Jahre will ein deutscher Arzt die orgonalen Energien entdeckt haben. Bloß: Bislang fehlen jedoch jegliche wissenschaftliche Belege für die Existenz der Orgonenergie. 

Wenn Sie sich eine eigene Meinung bilden möchten, können Sie zum Beispiel in den Seminaren die sogenannte Ruheoase der Jentschura-Akademie aufsuchen. Wie wir bei der Recherche erfahren haben, soll der Boden in diesem Raum mit dutzenden Hildegard-Orgonakkumulatoren ausgestattet sein. Hier sollen sich die Teilnehmenden entspannen. Der Programmpunkt taucht immer wieder auf.

Moment. Hildegard-was?

Der Hildegard-Orgonakkumulator von P. Jentschura ist laut Homepage ein zwölfeinhalb Kilo schweres Tablett aus Holz-, Eisen-, Filz- und Glasplatten sowie „Edelstein- und Energiepulver“

Wofür das Tablett gut ist, hat vor zehn Jahren das Spiegel-TV-Magazin schon erklärt – in einer Doku über die Barcode-Verschwörung. Laut dieser Verschwörung wirkten EAN-Strichcodes auf Produkten wie Antennen und strahlten ungesunde Energien aus. 

Die Theorie: Das Einscannen an der Kasse verstärke die Strahlen. Deshalb müssten Verbraucher:innen ihre Produkte nach dem Kauf zuerst von der schlechten Energie befreien. Das geht zum Glück ganz einfach, und zwar mit dem Hildegard-Orgonakkumulator von P. Jentschura – für schlappe 1.350 Euro.

Die Lebensmittel legen Verbraucher:innen dann für mehrere Stunden auf das Holztablett. Die „orgonalen Energien“ im Inneren dieses Tabletts sollen die Lebensmittel energetisch aufwerten. 

Satirische Rezensionen bei Amazon

Die Orgonenergie spielt im Hause Jentschura schon lange eine zentrale Rolle. Bis 2007 hieß die heutige „Jentschura International GmbH“ noch „ORGON Körperpflegemittel GmbH“. Auch die erste Produktserie trägt noch den Namen „Orgon Körperpflegemittel“. Anfang 2024 lautete der Name der Ruheoase noch „Orgonoase“. Und im Hildegard-Orgonakkumulator steckt diese Energie ja anscheinend bis heute.

Bis vor zehn Jahren konnte man das Produkt bei Amazon bestellen. Dort hinterließen Amazon-Nutzer:innen nach der Spiegel-Doku jedoch eine Menge satirischer Rezensionen. Heute gibt es das Produkt im Onlineshop zwar nicht mehr, aber die Rezensionen findet man noch, zum Beispiel hier, hier und hier

In Deutschland können Interessierte das Produkt nur noch über andere Onlineshops wie diesen, diesen oder diesen kaufen. Auf der deutschen Homepage von P. Jentschura findet man keine Informationen mehr dazu. In der Schweiz hingegen konnte man das Produkt noch bis vor Kurzem im Internet bestellen. 

Der Hildegard-Orgonakkumulator ist ein besonderer Fall. Nicht alle Produkte des Unternehmens sind so viel Kritik ausgesetzt. Doch auch die übrigen Angebote sind umstritten.

Sinnvolle Ernährungsform oder „Abracadabra“?

Noch einmal zurück zur basischen Ernährungsform. Dabei verzichten Menschen vor allem auf säurebildende Lebensmittel aus Milch und Fleisch und essen stattdessen viel Gemüse und Obst. Einfach gesagt, wollen sie so den pH-Wert in ihrem Körper in Balance halten, damit er nicht übersäuert. Welche Lebensmittel basisch oder säuernd sind, zeigt zum Beispiel die PRAL-Tabelle. Doch ob basische Ernährung überhaupt Sinn ergibt, ist nicht sicher.

Wer sich ausgewogen ernährt, lebt gesünder – keine Frage. Und auch der pH-Wert im Körper spielt eine Rolle. Doch den reguliert der Körper ganz von selbst. Die basischen Nahrungsergänzungsmittel von P. Jentschura, die einen ansonsten gesunden Körper entsäuern oder entschlacken sollen, sind dafür nicht nötig. Warum genau, erklären zum Beispiel die Quarks Science Cops in dieser Folge über basische Ernährung und P. Jentschura und dieser Artikel vom SWR

Trotzdem verspricht die Produktpalette von P. Jentschura genau das: einen ausbalancierten Säure-Basen-Haushalt. So auch eins der neuesten Produkte namens „AbraCaDabra“: ein Hautpflegeprodukt aus Weißkohl-, Kamillen-, Schafgarben-, Ringelblumen- und „energiereichen basenbildenden Mineralstoffen“. 

In einem Video hat Gründer Peter Jentschura dem Produkt die „wundersamsten Wirkungen in epischer Breite“ zugesprochen. Das Original ist nicht mehr verfügbar, allerdings hört man das Zitat genau an dieser Stelle in der oben bereits zitierten Folge der Science Cops. 

Das Unternehmen scheint außerdem die Kunst der Öffentlichkeitsarbeit zu beherrschen. Seit Jahren ist P. Jentschura „offizieller Berater und Ausrüster“ des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) und sponsert europäische Sportteams oder -veranstaltungen. In Münster zum Beispiel die Volleyballbundesligistinnen des USC oder den Sparda-Münster City Triathlon

Der USC Münster möchte sich auf Nachfrage nicht näher zu den Berichten über P. Jentschura äußern. Die Zusammenarbeit habe man jedoch im Sommer 2022 um drei Jahre verlängert. Auch das Organistationsteam des Sparda-Münster City Triathlons möchte keine Stellungnahme abgeben. Man wolle keine Produkte von P. Jentschura kommentieren, die nichts mit der Zusammenarbeit zu tun haben. P. Jentschura sponsere lediglich den Porridge für die Athlet:innen im Ziel.

Menschen tun Dinge und kaufen Produkte, die ihnen guttun. Das sollen sie weiter machen, solange sie anderen damit keinen Schaden zufügen. Einem Unternehmen steht es allerdings nicht allzu gut zu Gesicht, wenn es Inhalte verbreitet, die schon vor Jahren in Verschwörungslegenden auftauchten. Noch blöder ist es, wenn es damit Geld verdient. Und viele Artikel im Kopp Verlag verkauft, über dessen Nähe zum rechten Milieu zum Beispiel der SWR und Deutschlandfunk berichtet hatten.

Wir haben auch die Pressestelle von P. Jentschura kontaktiert. Wir hätten gerne erfahren, welche Konsequenzen P. Jentschura nach der Spiegel-Recherche gezogen hat. Und wir wollten wissen, wie der Hildegard-Orgonakkumulator genau funktioniert. Antworten haben wir nicht bekommen. Stattdessen haben wir unter der auf der Unternehmensseite angegebenen Telefonnummer für Pressekontakte nicht direkt den Pressesprecher erreicht, sondern eine Kollegin, die uns davon abriet, ihn anzurufen, und auf die hinterlegte E-Mailadresse verwies.

Heute hatten wir dann doch den Sprecher am Telefon. Nein, die E-Mails, die wir an die Adresse geschickt haben, habe er nicht gelesen. Wir sollten sie noch einmal an eine andere schicken. Auch dort haben wir bisher weder Antworten noch die erbetene Eingangsbestätigung erhalten. Auf unsere Anrufe hat der Pressesprecher nicht mehr reagiert.

Wir wissen nicht, ob unsere Anfrage wirklich nicht angekommen ist. Oder ob sie der Anlass dazu war, die Orgonoase umzubenennen und Links zu von uns thematisierten Produkten aus dem Netz zu nehmen. Falls wir dazu noch etwas vom Unternehmen hören oder eine Stellungnahme erhalten, teilen wir es Ihnen mit. (ast)

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Klima-Update

+++ Im Münsterland haben immer mehr Leute Interesse daran, Landwirt:innen Freiflächen abzukaufen und sie mit Photovoltaikanlagen zu bebauen, hat der WDR berichtet. Das bestätigt auch eine Sprecherin des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). Geht dafür dann viel Anbau- und Weidefläche verloren? Nur manche dieser Flächen seien bisher für den Ackerbau genutzt worden, schreibt uns die Sprecherin. Für Landwirt:innen sei das auf der einen Seite gut, weil sie damit ein weiteres wirtschaftliches Standbein aufbauen können. Auf der anderen Seite werde der Flächenverbrauch „innerhalb der Landwirtschaft intensiv diskutiert“. Der WLV hat zum Photovoltaik-Ausbau ein Positionspapier aufgesetzt. Darin steht zum Beispiel, dass Landwirtschaft, Natur und Landschaft „bestmöglich gesichert werden“ sollen und weitere Rahmenbedingungen für den Ausbau nötig sind. (sst)

+++ Einige Menschen versuchen im Januar, auf Fleisch, Milch, Eier und tierische Produkte zu verzichten. Stichwort: Veganuary. Damit wollen sie nicht nur der eigenen Gesundheit, sondern auch dem Klima und der Umwelt etwas Gutes tun. Um an diesen Neujahrsvorsatz zu erinnern, hat die Stadt Münster bei Instagram einen Stadtplan der Initiative „Münster isst veggie“ veröffentlicht. Der bietet einen Überblick über viele Cafés und Restaurants in Münster, die vegane und vegetarische Speisen anbieten. Falls Sie selbst auf Entdeckungstour gehen möchten, finden Sie hier die Karte der Stadt. Mehr grüne Gastronomie finden Sie bei Restaurantführern wie „My Greenings“ und „Vanilla Bean“. (sfo)

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Ein-Satz-Zentrale

+++ Heinrich Dütz, der langjährige Leiter des Gymnasiums Kinderhaus und Gründer des Liborius-Gymnasiums in Dessau, ist einen Monat vor seinem 96. Geburtstag verstorben. (Westfälische Nachrichten)

+++ Das Hittorf-Gymnasium baut ab Februar ein Erweiterungsgebäude, um bessere Bedingungen für den Unterricht von Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu haben. (Stadt Münster)

+++ Der Mühlenhof trauert um den Pfau Florian, der fast 20 Jahre wurde. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Gastrokette „The Ash“, die unter anderem vegane Steaks aus dem 3D-Drucker verkauft, kommt nach Münster. (Westfälische Nachrichten)

+++ Wegen der großen Unfallgefahr am Albersloher Weg soll eine der beiden Geradeausspuren zu einer Rechtsabbiegerspur werden. (Westfälische Nachrichten)

+++ Einer der Anwesenden bei dem Geheimtreffen von AfD-Politiker:innen, Neonazis und Werteunion-Mitgliedern in Potsdam war Dorian Schubert von der Identitären Bewegung, der Kontakte zur Franconia-Burschenschaft in Münster hat. (Nils Dietrich bei dem Kurznachrichtendienst, der früher „Twitter“ hieß)

+++ Das Bistum Münster strukturiert seine Verwaltung um. (Kirche und Leben)

+++ Die Schriftstellerin Anne Weber erhält den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis. (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)

++++++ Eine Ärztin aus Münster kritisiert die mangelnde Vorsorge und den laxen Infektionsschutz für Kinder und Jugendliche, besonders in Schulen und Kitas. (Westfälische Nachrichten)

+++ Der Deutsche Städtetag, dessen Präsident Oberbürgermeister Markus Lewe ist, verurteilt in einer Erklärung die Deportationspläne hochrangiger AfD-Politiker:innen, Unternehmer:innen und Werteunion-Mitglieder. (Trierer Erklärung des Deutschen Städtetags)

+++ Vor dem Landgericht Münster hat der Prozess gegen sieben Männer im Alter von 18 bis 22 Jahren begonnen, die einen jungen Mann erpresst, misshandelt und verprügelt haben sollen. (Westfälische Nachrichten)

Unbezahlte Werbung

Jede Familie hat ein Rezept, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Bei Frank Martin Mädel aus Gievenbeck ist es Käsekuchen. Den verkauft er jetzt auch auf dem Wochenmarkt. Beim „Leckermädel“-Stand gibt es nicht nur den klassischen Käsekuchen nach dem Rezept von Oma Anni, sondern auch Variationen, zum Beispiel mit Mohn oder Früchten. Nach einer längeren Pause kommt der Stand morgen wieder auf den Wochenmarkt zurück.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Heute hat Fabian Cohrs einige Veranstaltungstipps für Sie aufgeschrieben:

+++ Morgen Abend empfangen die Uni Baskets ihre Kontrahenten von den Gartenzaun 24 Baskets aus Paderborn. Los geht es um 19:30 Uhr in der Sporthalle Berg Fidel. Tickets für den Noch-nicht-ganz-Breitensport erhalten Sie hier.

+++ Am Sonntagabend findet im Kreativhaus ein „Musikblinddate“ statt. Hierbei treffen vier Musiker:innen aufeinander, von denen jede:r einen vorbereiteten Song mitbringt. Der Rest entsteht unter Mitwirkung des Publikums spontan. Der Beginn ist um 20 Uhr. Karten fürs Improkonzert bekommen Sie hier.

+++ Oft hilfreich, manchmal aber auch ein wenig gruselig: Sprachassistenzen. Die Soziolinguistin Miriam Lind aus Frankfurt an der Oder forscht darüber, wie uns Sprachassistenzen im Alltag begleiten. Am Dienstag hält sie ab 18 Uhr einen Vortrag über ihr Forschungsthema beim Linguistenkongress „Linkon“ der Uni Münster. Veranstaltungsort ist der Festsaal am Schlossplatz 5. Der Eintritt ist frei.

+++ Am Sonntagnachmittag lesen Barbara und Vera Isabelle Blasum aus ihrem Buch „Sagen und Geschichten aus Münster und dem Münsterland“. Die Geschichtensammlung ist eigentlich ein Kinderbuch, aber auch Erwachsene können noch viel über Münster erfahren. Die Lesung findet im Gräftenhof im Mühlenhof-Freilichtmuseum statt. Der Eintritt ist im Museumseintritt enthalten. Beginn: 15 Uhr.

+++ Ferdinand von Schirachs „Terror“ kam erst 2015 heraus, gilt aber schon jetzt als moderner Klassiker. Das Stück handelt von einer Flugzeugentführung. Terroristen drohen, die Maschine in ein Stadion voller Menschen zu lenken. Was jetzt? Sollte man das Flugzeug abschießen oder hoffen, dass die Katastrophe ausbleibt? Um diese Frage geht es am Dienstag- und Mittwochabend im Wolfgang-Borchert-Theater. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20 Uhr. Karten bekommen Sie hier.

Am Dienstag schreibt Ihnen Ralf Heimann. Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende.

Herzliche Grüße
Svenja Stühmeier

Mitarbeit: Fabian Cohrs (fco), Sebastian Fobbe (sfo), Ralf Heimann (rhe), Antonia Strotmann (ast)
Lektorat: Maria Schubarth

PS

Ich höre sehr gerne Podcasts. Besonders die mehrteiligen, die Rechercheergebnisse mit großartigem Storytelling vermitteln, spannend und manchmal lustig sind. Wenn ich den Journalist:innen dabei zuhöre, wie sie ihre Arbeit präsentieren, bewundere ich sie häufig. Wie viel Durchhaltevermögen sie haben, wie mutig sie sind – und wie cool. Einen Podcast, der mich zuletzt sehr begeistert hat, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. In „der fall gracia“ geht es, nun ja, um den Fall Gracias. Also, Gracia Baur, 2003 Teilnehmerin der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“. Da war ja ein Loch in der Bühne und sie ist reingefallen, Sie erinnern sich sicherlich. Spannung und Storytelling stehen in der halbstündigen Folge von „too many tabs“ eher nicht im Fokus. Dafür umso mehr Humor und Coolness der Hosts Carolin Worbs und Miguel Robitzky, die sich selbst (und Recherchepodcasts) nicht allzu ernst nehmen. (sst)

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