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Der Bremer Platz von allen Seiten | Eine Bugwelle aus Ärger | La Torre
Guten Tag,
im Herbst soll der Rat der Stadt darüber entscheiden, wie der Bremer Platz nach dem Umbau aussehen soll. An dem Entwurf waren viele Gruppen beteiligt: Das Grünflächenamt, das Unternehmen (die Landmarken AG), das die Gebäude hinter dem Bahnhof baut, die Anwohner:innen, die Montessori-Schule, soziale Einrichtungen wie die Drogenhilfe Indro und die städtische Drogenberatung, Polizei und Ordnungsamt und und und.
Einer der Knackpunkte in der Diskussion war die so genannte Drogen-, Trinker- und Obdachlosenszene, die sich am Bremer Platz aufhält. Man einigte sich, dass sie vor Ort bleiben soll. In einem sogenannten Werkstattverfahren fügte man alle Interessen zu einem Entwurf zusammen. Aus der Szene war niemand dabei. Das war nicht möglich, weil diese Menschen in einer Notlage sind. Niemand war stabil genug, um an den Gesprächen teilzunehmen.
Vielleicht sieht man auch deswegen neben den spielenden Kindern und flanierenden Anwohner:innen keine Suchtkranken auf den Zeichnungen, die sich den Bremer Platz der Zukunft ausmalen. Zugegeben, die Landmarken AG, die dieses Bild auf ihrer Website veröffentlicht hat, ist nicht für den Bremer Platz zuständig. Trotzdem ist der Kontrast zur aktuellen Situation krass: Menschen spritzen sich Heroin oder konsumieren andere Drogen, es wird gedealt, zum Teil auch angeschafft. Hinzu kommt Beschaffungskriminalität. 1.100 Fälle von Straßenkriminalität habe die Polizei zwischen 2017 und 2020 im Bahnhofsviertel gezählt, sagt Polizeisprecher Jan Schabacker. Wie viele Delikte davon Personen aus der Szene verübt haben, kann er nicht sagen.
Währenddessen rückt die Fertigstellung des Hansators immer näher. In knapp einem Jahr will man die Gebäude eröffnen und den Hauptbahnhof zu einem „vollwertigen Teil der Stadt“ machen.
Nur wie soll das gehen? Die Vorstellung, dass sich Suchtkranke, Familien und Geschäftsleute friedlich eine kleine Grünfläche teilen, scheint unrealistisch.
Das Problem: Am Bremer Platz werden künftig noch mehr Wirklichkeiten kollidieren. Die Anwohner:innen wünschen sich, dass ihre Hauseingänge und Vorgärten nicht mehr als Toiletten benutzt werden. Sie würden auch gern mal auf dem Rasen liegen und sich entspannen. Die Szene braucht den Raum, um sich aufzuhalten und zu konsumieren – am liebsten geschützt vor den Blicken anderer. Die Montessori-Schule wünscht sich einen Ort zum Spielen. Die Polizei möchte die Szene im Blick haben: Das geht am besten, wenn sie sich an einem Ort versammelt. Und die Landmarken AG wünscht sich einen Ort, der möglichst so aussieht wie auf den Plänen.
Der Platz sollte auch leicht zu überqueren sein, weil er das Hansaviertel mit dem Bahnhof verbindet. Apropos Bahnhof: Fahrradstellplätze braucht es natürlich auch noch. Ursprünglich war von 400 kostenlosen Stellplätzen die Rede.
Konflikte und Bedürfnisse
Es stehen sich also viele Interessen gegenseitig im Weg. Interessen, die man auf einer Fläche von gerade einmal 10.000 Quadratmetern unter einen Hut bringen muss. Zum Vergleich: Das sind knapp anderthalb Fußballfelder.
Der aktuelle Entwurf sieht in etwa so aus. Die Grünfläche soll in drei Teile geteilt werden: Der nördliche Teil ist für die Szene vorgesehen. In der Mitte gibt es eine Pufferzone, auf der einzelne Veranstaltungen stattfinden könnten. Den südlichen Teil könnten die Montessori-Kinder nutzen, zum Beispiel für außerschulische Projekte. Es sollen aber auch kleinere Feste stattfinden können und dort soll auch Platz für Fahrräder sein.
In einigen Punkten wird sich der finale Entwurf allerdings von der Zeichnung unterscheiden.
Zum einen wird es keine Wege geben, die diese Teile miteinander verbinden, weil es die gewünschte Trennung dann nicht mehr gäbe.
Von den ursprünglich 400 Stellplätzen will man nur höchstens 150 bauen. Aktuell schaue man, ob im Parkhaus am Bremer Platz kostenlos Fahrräder stehen können, sagt Gregor Determann. Er ist beim Grünflächenamt für die Neugestaltung zuständig. Gelingt es, die Fahrräder dort unterzubringen, bräuchte man vielleicht nur 100 Stellplätze auf dem Bremer Platz.
Noch ist es möglich, Details zu ändern. Aktuell schauen die Unis in Tübingen und Wuppertal sich den Entwurf an. Sie haben das Projekt Sicherheit im Bahnhofsviertel gestartet. Sie helfen damit Städten, ihre Bahnhofsviertel sicherer zu machen. Die Prüfung soll im Lauf des Sommers fertig sein.
Wenn die Corona-Lage es zulässt, will die Stadt den finalen Entwurf im Herbst bei einem kleinen Fest vorstellen. Dann beginnt die Abstimmung im Rat. Bevor die Stadt bauen kann, muss allerdings erst das Hansator stehen. Die Stadt hat die Bremer Straße hier vorübergehend verschoben. Jetzt führt sie noch über den Bremer Platz. Zurück kann sie erst, wenn die Gebäude gegenüber fertig sind. Im Grünflächenamt rechnet man dann mit einer Bauzeit von einem halben Jahr.
Aber wird der neu gestaltete Bremer Platz ein guter Kompromiss? Das ist die Frage, auf die es erst eine Antwort geben wird, wenn alles fertig ist. Aber einiges lässt sich schon jetzt sagen. Das Urteil hängt davon ab, aus welcher Perspektive man auf den Platz schaut.
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Die Wirtschaft
Mit dem Hansator ziehen auch viele neue Geschäfte an den Bremer Platz. Neben einem Supermarkt und einer Drogerie wird es ein Designhotel geben. Die Dreiteilung des Platzes kommt bei der Landmarken AG gut an: Es würde so die drei Gebäude des Hansators schön spiegeln, sagt Christian Hehemann von der Landmarken AG. Man wünsche sich aber auch, dass der Bremer Platz nach seiner Umgestaltung auch instand gehalten wird. Denn das Hansator wird für viele Bahnreisende, die entweder aus dem Hansaviertel kommen oder dorthin gehen, der Eingang zum Bahnhof sein. Und dafür müssen einige über den Bremer Platz laufen.
Die Nachbarschaft
Wie lebt es sich am Bremer Platz? Das habe ich einige Menschen gefragt, die dort wohnen: Eine Studentin, die in der Nachbarschaft in einer Wohngemeinschaft lebt, erzählt, sie habe hin und wieder ein komisches Gefühl. Manchmal wache sie nachts auf, weil sie Schreie höre. „Man weiß halt nicht, wo die Grenze ist, wann jemand wirklich gefährdet wird und man die Polizei ruft“, sagt sie. Angst habe sie aber nicht, wenn sie nachts im Dunkeln nach Hause laufe: „Eigentlich fühlen wir uns hier ganz wohl“. Sie spiegelt damit ein Gefühl, das auch andere haben. Manchmal ist einem etwas mulmig, aber es kein Ort, den man meiden sollte. Ein anderer Anwohner sagte, es wäre natürlich schön, sich mal auf den Rasen zu setzen oder Federball spielen zu können. Aber barfuß würde er das nicht machen, wegen der Spritzen.
Eva Grindel, die Schulleiterin der Montessori-Schule, sagte in den Gesprächen mit den anderen Interessengruppen, es gebe kaum noch Konflikte mit der Szene. So steht es im Protokoll. Ihre Schule würde den Platz auch gern selbst nutzen, zum Beispiel, für ein Urban-Gardening-Projekt. Und das könnte später auch möglich sein. Im aktuellen Entwurf ist der Platz dafür zumindest vorgesehen.
Die Szene
„Wer sich wohlfühlt, ist auch weniger aggressiv“, sagt Ralf Gerlach, der Leiter des Drogenhilfezentrums Indro. Es wäre also im Interesse aller Beteiligten, der Szene einige Zugeständnisse zu machen. Aber womit genau? Denn die Szene ist keine homogene Gruppe. Viele der Menschen sind suchtkrank oder wohnungslos. Manche beides. Die meisten kommen aus Münster, einige reisen tagsüber aus umliegenden kleineren Städten an. Der Bremer Platz ist für diese Menschen ein Ort, um Kontakte zu pflegen, er bietet die Infrastruktur der sozialen Einrichtungen. Und die Menschen trinken hier und nehmen Drogen, sie stillen ihre Sucht. Das bedeutet: Es findet auch Drogenhandel statt.
Deswegen werden die Toiletten hier keine Schlösser haben. Es werden wohl einfache Stehtoiletten werden. Sonst bräuchte man Security oder Betreuung. Und das sei nicht leistbar, sagt Gregor Determann vom Grünflächenamt. Ein Loch im Boden mit einem Sichtschutz. Eine Möglichkeit, die Notdurft zu verrichten, aber mehr auch nicht.
Wichtiger als die Toiletten ist laut einer Befragung der Drogenhilfe Indro vor zwei Jahren der Sicht- und Wetterschutz. „Die Leute wollen ja nicht wie im Zoo betrachtet werden“, sagt Gerlach. Die Gebäude gegenüber haben viele Stockwerke. Gerade deshalb sei der Sichtschutz wichtig. Die Lamellenlösung findet Ralf Gerlach nicht schlecht. Aber die Konstruktion brauche genügend Zu- und Ausgänge. Zwischen den Menschen, die sich hier aufhalten, kommt es nämlich immer wieder zu Aggressionen und Gewalt. Vor allem die Trinker- und Drogenszene verstehen sich nicht immer gut miteinander. So steht es in den Studienergebnissen.
Nach dem aktuellen Entwurf werde es zwei Zugänge zum nördlichen Teil des Platzes geben, sagt Gregor Determann. Aber die Lamellenwände werden nicht zu einer geschlossenen Konstruktion angeordnet. Wenn es Ärger gibt, können die Menschen also auch über die Wiese fliehen.
Ralf Gerlach findet es daher wichtig, die Drogen- und Trinkerszene voneinander zu trennen, so gut es geht. Doch dafür könnte der Platz zu klein sein. Das lässt sich allerdings noch nicht sagen. Die Stadt rechnet nicht mit einer bestimmten Personenzahl.
Gerlach schätzt, dass sich zeitgleich etwa 25 bis 80 Menschen auf dem Platz aufhalten. Durchschnittlich etwa zwei Stunden lang. „Über einen ganzen Tag verteilt treffen sich da bestimmt 200 bis 250 Leute“, sagt er. Das Aufkommen schwanke aber auch je nach Woche und Tageszeit. Durch Angebote für die Trinkerszene könnte man die Lage entspannen, denn mit dem Abriss der Westfalen-Tankstelle an der Von-Steuben-Straße hat die Szene ihren zentralen Aufenthaltsort verloren. Ralf Gerlach schlägt ein Trinkercafé vor, wie es das zum Beispiel bereits in Mannheim gibt. Bis es so etwas auch in Münster gibt, könnte es allerdings noch dauern.
Schneller ginge es eventuell, wenn die Drogenhilfe Indro neue Räume mieten könnte. Dass das passieren soll, hat zumindest schon 2018 der Rat entschieden. Das Problem ist allerdings, dass sich keine Räume finden, die nah genug an der heutigen Einrichtung und damit am Bremer Platz liegen, sagt Ralf Gerlach. Nach geplatzten Mietverhandlungen im letzten Jahr ist er skeptisch. Ein kleiner Trost: Im Frühjahr 2022 will die Stadt auf ihre Kosten die Räumlichkeiten von Indro renovieren und sanieren.
Die Situation entspannen könnte womöglich zudem eine aufsuchende Sozialarbeit. Das wünschen sich laut der Indro-Befragung immerhin knapp zwei Drittel der Befragten. Und die könnte es auch bald geben, sagt Stefan Scholz vom Sozialamt der Stadt Münster. Er ist gemeinsam mit seiner Kollegin Christina Meyer für das Quartiersmanagement verantwortlich, das die Interessen aller Beteiligten beim Umbau des Bremer Platzes moderiert. Im Herbst solle die Stelle ausgeschrieben werden.
Die Polizei
Drogen zu besitzen und mit Drogen zu handeln, sind Straftaten. Deshalb kann die Polizei am Bremer Platz nicht wegsehen. Aber wenn sie zu streng kontrolliert, suchen die Menschen sich einen anderen Ort. Es ist eine Zwickmühle. Die Polizei löst dieses Dilemma, indem sie zumindest da ist. Man kann sie sehen. Das führt dazu, dass Passant:innen und Anwohnende sich sicher fühlen. Und das sei wichtig, sagt Jan Schabacker, der Polizeisprecher. Bei der Verfolgung von Straftaten arbeite man aber auch in zivil oder verdeckt. „Die Mischung machts“, sagt Schabacker.
Für die Polizei ist es ideal, wenn der Bremer Platz übersichtlich bleibt – wenn es keine zu dunklen Ecken gibt oder Möglichkeiten, sich zu verstecken. Für die Menschen aus der Szene ist das nicht ideal. Der Kompromiss ist der Sichtschutz mit Lamellen. Aus bestimmten Winkeln wird man sehen können, was dahinter passiert. Das wird bei den Toiletten nicht so sein. Aber man wird sie nicht abschließen können.
Um dunkle Ecken auszuleuchten, werden auf dem Bremer Platz auch Lampen gebaut. Vor allem die Wege, die die drei Teile voneinander trennen und den Bahnhof mit dem Hansaviertel verbinden, werden beleuchtet. Aber auch der Szenebereich. Wie viele Lampen es sein werden und wie hell diese leuchten, stehe aber noch nicht genau fest, sagt Gregor Determann.
Das Quartiersmanagement
Die Quartiersmanager:innen Stefan Scholz und Christina Meyer kümmern sich seit drei Jahren um die Wünsche und Interessen der Menschen am Bremer Platz. Sie veranstalten und moderieren auch einen „Runden Tisch“, bei dem es im Abstand von etwa drei Monaten um Fragen und Probleme geht, für die das Quartiersmanagement dann Lösungen vorschlägt. Wegen Corona läuft der Runde Tisch aktuell nur digital und per Mail ab. Im August 2020 war der letzte Präsenztermin.
Trotzdem haben vom Quartiersmanagement alle etwas. Darin sind sich ausnahmslos alle einig. Es habe die Diskussion sachlicher gemacht, heißt es. Davor sei es sehr emotional gewesen, sagt Ralf Gerlach von der Drogenhilfe Indro. Auch Christian Hehemann von der Landmarken AG wünscht sich, dass die Quartiersmanager:innen ihre Arbeit fortsetzen können. Dafür sieht es gut aus: War im ursprünglichen Ratsbeschluss von 2017 die Arbeit auf fünf Jahre befristet, können Stefan Scholz und Christina Meyer nun vorerst sogar unbefristet weitermachen. Das sei bereits im Haushaltsplan bestätigt worden, sagt Stefan Scholz.
Die Kontinuität ist wichtig: „Ich glaube, dass die Arbeit erst richtig beginnt, wenn der Umbau fertig ist“, sagt Scholz. Denn bisher existiert das Miteinander am Bremer Platz nur in der Theorie.
„Wir wollen einen Konsens”, sagt er. Bisher komme man auf einen guten Kompromiss. Aber reicht dieser aus, damit der Bremer Platz am Ende von allen genutzt werden kann? Im Quartiersmanagement gibt man sich optimistisch, dass man die Szene vom Rest trennen kann, ohne sie zu verdrängen.
Dabei ist die Szene ein unberechenbarer Faktor. Niemand kann versprechen, dass sie sich später nur im nördlichen Bereich aufhalten wird. Und niemand kann es ihr verbieten, auch die anderen Teile der Grünfläche zu nutzen. „Das könnte nur jemand steuern, der eine gute Beziehung zur Szene hat“, sagt Stefan Scholz. Eine aufsuchende Sozialarbeit zum Beispiel. Aber so eine Beziehung aufzubauen, braucht auch erst einmal seine Zeit.
Die aktuell wichtigere Frage ist aber, was mit der Szene passiert, während der Bremer Platz umgebaut wird. Gibt es eine Zwischenlösung? Das sei die große Herausforderung, sagt Scholz. Denn wenn die Szene durch den Umbau verdrängt wird und nicht wieder zurückkommt, war vieles umsonst.
Aktuell möchte die Stadt den Bremer Platz schrittweise von Norden nach Süden umbauen, damit der Szenebereich als Erstes fertig ist. Währenddessen, so hofft man, kann sich die Szene auf dem Rest der Grünfläche aufhalten, auf der noch nicht gebaut wird. Ralf Gerlach von der Drogenhilfe Indro sieht zumindest keinen Grund, warum der Großteil der Szene woanders hingehen sollte. Dass kleinere Gruppen sich in Seitenstraßen zurückziehen, könne er jedoch nicht ausschließen. Das war auch schon beim Bau des Hansators so, sagt Gerlach.
„Der Bremer Platz ist ein Platz für alle, das bedeutet aber auch, dass er von allen getragen werden muss“, sagt Quartiersmanager Stefan Scholz.
Wenn es gelingt, dass die Szene während des Umbaus auf dem Platz bleibt, ist also schon viel geschafft. Was danach kommt, weiß noch niemand so genau. Dass die Quartiersmanager:innen weiter arbeiten können, gibt zumindest Anlass zu vorsichtiger Hoffnung. Und für sie ist die Toleranz für die Szene ein ganz wichtiger Faktor, ohne den der Bremer Platz nicht funktionieren wird.
+++ Die Pressemitteilung beginnt mit dem Satz: „Eigentlich bleibt alles beim Alten.“ Aber so ganz stimmt das natürlich nicht. Sonst bräuchte es ja keine Pressemitteilung. Die Ratsgruppe aus Partei und ÖDP hat sich mit dem fraktionslosen Ratsherrn Georgios Tsakalidis zusammengetan und ist damit keine Ratsgruppe mehr, sondern eine Fraktion, und zwar die „Internationale Fraktion Die Partei/ÖPD“. Das ist der neue Name. Für die neue Fraktion hat der Zusammenschluss den Vorteil, dass sie eine stärkere Position gegenüber dem Rathausbündnis aus Grünen, SPD und Volt bekommt, dem eine Stimme zur Mehrheit fehlt. Und eine Fraktion bekommt von der Stadt mehr Geld als eine Ratsgruppe. Dabei geht es um etwa 40.000 Euro. Zum Vergleich: Die mit drei Mitgliedern gleich große Linken-Fraktion bekam im vergangenen Jahr laut Haushaltsplan (Seite 352) knapp 119.000 Euro im Jahr, die Ratsgruppe aus Piraten und ÖDP mit zwei Mitgliedern erhielt knapp 80.000 Euro.
+++ Wir haben es schon ein paar Mal erwähnt, zuletzt am Dienstag: Offiziell beginnen die Verkehrsversuche der Stadt erst nach dem Wochenende. Aber sie schieben schon jetzt eine Bugwelle aus Ärger vor sich her. Die Westfälischen Nachrichten kübeln das mit dramatischen Überschriften alles auf ihre Lokalseiten. Die Schlagzeile am Mittwoch: „Auf der Bahnhofstraße staut es sich ‚von morgens bis abends‘“ Am Donnerstag: „Reaktion auf Dauerstau: ‚Das war alles vorherzusehen‘.“ Tenor: „Die große Mehrheit lehnt den Verkehrsversuch ab.“ Ein berechtigter Kritikpunkt ist der vom WN-Kollegen Klaus Baumeister. Dass gleichzeitig die Kreuzung an der Wolbecker Straße gesperrt und die Bremer Straße wegen der Baustellen beeinträchtigt sind, ist nicht ganz so günstig. Hier kommt auch noch eine Kritik von Rüdiger Sagel, früher Ratsherr, jetzt Sprecher der Naturfreunde Münster. Er hat den Eindruck, dass die Verwaltungsspitze mit den seiner Ansicht nach unabgestimmten Verkehrsversuchen die Anti-Stimmung gegen die Verkehrswende geradezu befeuere. Sagel fordert einen Runden Tisch. Und das Gute daran wäre: Dagegen wird sich vermutlich niemand wehren. Was aber interessieren würde. Was halten Sie von den Verkehrsversuchen? Schreiben Sie uns. Und schreiben Sie am besten dazu, wenn wir das, was Sie uns schreiben, veröffentlichen dürfen.
+++ Der Klimawandel macht auch vor der Kunst nicht halt. Wegen „des extremen Klimas“, so sagt es der LWL in einer Pressemitteilung, ist ein Teil eines Werks beschädigt worden, das der US-amerikanische Künstler Dennis Adams im Jahr 1987 für die Skulptur-Projekte entwickelt hatte. Zu seinem Wartehäuschen einer Bushaltestelle, die unter dem Namen „Aegidiimarkt A/LWL-Museum“ in Echtbetrieb ist, gehörten Fotografien auf Plexiglas, die nun an heißen münsterschen Sommertagen geschmolzen sind. Mehr zu den spannenden Inhalten des Werks, die sich unter anderem mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen, sind zum Beispiel hier zu finden.
Dennis Adams war neulich noch in Münster, um sich die Ausmaße des Schadens anzuschauen. Das Werk wird nun in den kommenden Monaten restauriert, die Leuchtmittel und das Plexiglas werden ausgetauscht, Glasscheiben erneuert und Sitzflächen gereinigt sowie neu lackiert. Damit geht es der Kunst ein wenig wie den Stadtwerken, die ebenfalls gelegentlich manche ihrer Bushäuschen erneuern müssen – allerdings nicht wegen der Klimaeinflüsse, sondern vor allem wegen des ebenso ärgerlichen Vandalismus’.
+++ Das Gefängnis an der Gartenstraße in Münster ist marode und wurde im Jahr 2016 wegen Einsturzgefahr geräumt, anschließend stellte die Denkmalbehörde in einem Gutachten fest, dass es keine Gefährdung gebe. Eine gewisse Anzahl von Häftlingen zog wieder ein – und parallel dazu wurde ein neues Gefängnis in Wolbeck geplant. Dort hat der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) nun mit dem Bau begonnen. So weit so gut, dann ist ja alles klar, auch was aus dem alten Knast mitten in der Stadt wird, in bester Lage und auf einem sehr wertvollen, 41.400 Quadratmeter großen Grundstück? Nein, zu früh gefreut, niemand weiß es, weder die Landesbehörde noch die Stadt Münster, wie die WN heute schreiben. Das Land habe auf eine Nachfrage so geantwortet: „Eine Entscheidung über die weitere Nutzung der Liegenschaft für Landeszwecke wird erst nach Fertigstellung der neuen JVA zu treffen sein.“ Klingt sehr planvoll, zumal auch noch nicht klar ist, wann das neue Gefängnis in Wolbeck überhaupt fertig sein wird.
Wir haben Post bekommen. Thomas Usselmann schreibt uns zum RUMS-Brief vom Dienstag, in dem es um das Scheitern der Gesamtschule in Roxel ging, die Münster gerne gehabt hätte – und um die Frage, wo eine dritte Gesamtschule in Münster denn stehen könnte. Usselmann sieht eine „wenig langfristig orientierte Schulbedarfsplanung“. Auffallend findet er, dass die Friedensschule, ebenfalls in eine Gesamtschule, in der Debatte gar nicht erwähnt werde. Damit sei ja schon eine bewährte Gesamtschule im Westen. Anmerkung von uns: Das liegt daran, dass es sich um keine städtische Schule handelt, sondern um eine bischöfliche. Hier finden Sie den gesamten Beitrag.
Im RUMS-Brief am Dienstag hatten wir in der Corona-Rubrik geschrieben, Münster sei im Vergleich der Inzidenzwerte im Regierungsbezirk auf den letzten Platz zurückgefallen, allerdings nicht im Vergleich zu den übrigen sieben Regierungsbezirken, wie wir schrieben. Richtig ist: im Vergleich zu den Kreisen und Kreisfreien Städten, das sind nämlich die Kreise Borken, Coesfeld, Recklinghausen, Steinfurt und Warendorf sowie die Städte Bottrop und Gelsenkirchen.
Möchten Sie mal die vermutlich ausführlichste Pizzakarte Ihres Lebens sehen? Dann sind Sie bei La Torre am Rosenplatz genau richtig. Während überall in Münster Lokale bekannter Ketten oder kleine, hippe Pizzerien mit durchdachtem Ambiente, veganen Pizzen und deftigen Preisen locken, bekommt man bei La Torre seit der Eröffnung 1981 vor allem eins: wirklich gute und günstige Pizza in allen erdenklichen Variationen. Da sehe ich auch gerne darüber hinweg, dass man sich in dem Lokal am Rosenplatz leicht im labyrinthähnlichen Inneren unter dunklen Holzbalken verlaufen kann. Hell und gemütlich kann man bei gutem Wetter sowieso am besten im Innenhof sitzen. Und wer seine Pizza am liebsten auf dem heimischen Sofa verzehren möchte, ruft einfach eine Viertelstunde vorher unter 025158395 an und profitiert von extragünstigen Abholpreisen (ab 5,50 Euro).
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Ab dem 1. August müssen alle Menschen ab zwölf Jahren, die aus einem Hochrisikogebiet oder Virusvariantengebiet zurück nach Deutschland kommen, nachweisen, dass sie ein geringes Corona-Übertragungsrisiko haben. Das hat das Bundeskabinett heute beschlossen und dabei direkt auch die Kategorie der „einfachen“ Risikogebiete kassiert. Wer also ab Sonntag per Flugzeug, Bahn, Schiff, Auto oder Fahrrad einreist, muss in Quarantäne, wenn er nicht geimpft oder genesen ist – oder ein negatives Testergebnis zeigen kann. Bei einem Hochrisikogebiet sind das zehn, bei einem Virusvariantengebiet 14 Tage. „Freitesten“ kann man sich frühestens nach fünf Tagen, Kinder unter zwölf Jahren können die Quarantäne nach Aufenthalt in einem Hochrisikogebiet auch ohne Test nach fünf Tagen verlassen. Weitere Infos und sämtliche Einzelfälle sind hier beim Bundesgesundheitsministerium zu finden.
Für Münsteraner:innen wird einiges davon kaum zutreffen, immerhin sind laut Stadt schon 202.300 von ihnen vollständig immunisiert und mehr als 235.000 Personen mindestens erstgeimpft. Münster steht damit gut da, aber: Wie fast überall in Deutschland lässt das Interesse auch hier nach. Oberbürgermeister Markus Lewe plädiert deswegen in einer Pressemitteilung der Stadt dafür, dass sich alle impfen lassen sollen. „Der beste Schutz vor neuen Einschränkungen im kommenden Herbst ist eine vollständige Impfung“, sagt er.
Dazu passen auch die aktuellen, leicht steigenden Zahlen: Die Wocheninzidenz (Zahl der Infizierten pro 100.000 Menschen innerhalb von sieben Tagen) liegt erstmals wieder über 20. Heute meldet die Stadt einen Wert von 20,3. Seit gestern hat die Stadt zwölf Neuinfektionen registriert. Damit sind aktuell 107 Menschen in Münster infiziert. Vier Covid-Patient:innen liegen momentan im Krankenhaus.
+++ Ab morgen ist es wieder soweit: Dann wabert der süße Duft von Popcorn und gebrannten Mandeln vom Schlossplatz aus über die halbe Innenstadt und erinnert alle Kinder aus Münster daran, ihren Eltern das obligatorische Send-Geld abzuschwatzen. Auch wenn es dieses Mal eher „Geld für den Mobilen Freizeitpark Münster“ heißen müsste, denn in mittlerweile bewährter Pandemie-Tradition stehen die Fahrgeschäfte und Futterbuden umzäunt und mit Einlasskontrolle nur jeweils 3.500 Besucher:innen gleichzeitig zur Verfügung. Dafür findet der Ersatz-Send dann aber auch gleich für mehr als zwei Wochen statt, vom 31. Juli bis zum 15. August. Der Einlass wird an der Rückseite des Geländes (dem Schloss zugewandt) geregelt. Rein darf, wer geimpft, getestet oder genesen ist. Einen Euro Eintritt kostet der Spaß dann, um Organisation und Hygienemaßnahmen zu ermöglichen. Unter der Woche öffnet der Freizeitpark von 14 bis 22 Uhr, am Wochenende von 12 bis 24 Uhr.
Am Dienstag bekommen Sie Post von einer neuen Autorin. Antonia Strotmann schreibt Ihnen zum ersten Mal. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Johanne Burkhardt
Mitarbeit: Paul Oppermann, Eva Strehlke, Ralf Heimann
PS
Seit März 2020 bekommen Sie unsere Briefe – und in jeden fließen eine Menge Wissen und Recherche ein. Womit wir uns in der jeweiligen Woche beschäftigen, planen wir immer montags in unserer Redaktionskonferenz. Ein wichtiger Input sind auch die Ideen von Ihnen. Sie schicken uns Themenvorschläge oder berichten uns manchmal auch nur, was Ihnen aufgefallen ist. Das freut uns sehr, weil wir so natürlich am besten sehen können, was Sie beschäftigt.
Und nun möchten wir gerne einmal persönlich mit Ihnen reden und laden Sie deshalb am Freitag, 6. August, ab 19 Uhr zu einer RUMS-Redaktionskonferenz per Zoom ein. Dort erzählen Ihnen unsere Redakteur:innen Constanze Busch und Ralf Heimann genau, wie wir arbeiten – und kommen dann hoffentlich auch mit Ihnen ins Gespräch. Wenn Sie vorab schonIdeen haben, können Sie uns diese gerne per Mail schicken. Wir werden diese dann mit Ihnen diskutieren (und wenn Sie lieber nicht möchten, dass Ihr Name genannt wird, schreiben Sie das einfach dazu).
Alle Infos zur Veranstaltung finden Sie hier, die Teilnahme ist kostenlos.
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