Parkplatzfreie Innenstadt | Koalitionspapier | Marmeladen-Manufaktur

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

die Grünen haben am Freitag auf die schlechte Berichterstattung über ihre Pläne zur autofreien Innenstadt mit einem Flyer reagiert, der mit „Mythen und Halbwahrheiten“ aufräumen soll, der aber womöglich alles nur noch schlimmer macht. Bei Twitter kann man sich das Dokument ansehen. Es sind sieben Kacheln, und wenn man die Aussagen überfliegt, liest man: „Autofreie Innenstadt, Mythos, Halbwahrheiten, stimmt nicht, komplett daneben, schadet dem Einzelhandel, pure Ideologie, weil sie Autos hassen.“

Der Flyer wiederholt all das, was den Grünen vorgeworfen wird. So etwas sollte man in der Kommunikation nie tun, denn das Gehirn funktioniert leider nicht so, wie wir uns das wünschen würden. Wiederholungen verfestigen Informationen nur, so werden auch Unwahrheiten zu vermeintlichen Gewissheiten. Außerdem verlässt sich das Gehirn eher auf das, was es zuerst hört. Falsche Informationen lassen sich später nur sehr schwer wieder korrigieren.

Vor allem aber ist das Gehirn nicht so vernünftig, erst komplette Sätze zu lesen und danach über ihre Bedeutung zu entscheiden. Es nimmt den Sinn auch über einzelne Wörter auf, das Prägnanteste bleibt hängen. Diesen Mechanismus können Sie leicht an sich selbst testen. Denken Sie zum Beispiel einen Moment lang nicht an einen gelben Elefanten. Sehen Sie.

Die parkplatzfreie Innenstadt

In der Kommunikation kann man dieses Phänomen nutzen. Das nennt sich Framing. Frame bedeutet Rahmen. Wörter erzeugen im Kopf Assoziationen und Bilder. All das rahmt eine Aussage ein. Sätze können so eine völlig neue Bedeutung bekommen, wenn man einzelne Wörter variiert. Auch das kann man sich leicht verdeutlichen. Stellen Sie sich ein Wahlplakat vor. Darauf steht: Wir wollen die parkplatzfreie Innenstadt.

Genau so muss es nun vielen erscheinen, denn was Menschen mit dem Wort Auto verbinden, hängt stark davon ab, wo sie politisch stehen – in Deutschland, wo es neben dem Auto nur eine andere Religion mit einer ähnlich großen Bedeutung gibt, ganz besonders. Für die einen klingt autofrei nach sauberer Luft und erholsamer Ruhe, für die anderen nach „Parken verboten“-Schildern und schweren Einkaufstüten an beiden Armen.

Mit dem Satz „Grün bedeutet autofrei“ könnten die Grünen in den Wahlkampf ziehen, die CDU aber auch. Und das ist nun das zentrale Problem, denn der Wahlkampf ist zu Ende, es geht nicht mehr darum, die eigene Partei zu überzeugen, sondern zuallererst die designierten Bündnispartner SPD und Volt, die im Grunde ja in die gleiche Richtung wollen – danach dann möglichst auch den Rest der Menschen in Münster, von denen viele keine autofreie Innenstadt wollen. Wie sich in der vergangenen Woche aber gezeigt hat, ist es schon schwer genug, die Idee den Menschen zu verkaufen, die eigentlich auf der gleichen Seite stehen. Aber woran liegt das?

Menschen wählen Geschichten

Als Barack Obama Markus Lanz im November ein Interview gab, sagte er in dem Gespräch: „Die Menschen wählen nicht mehr eine faktisch begründete Politik, sondern Geschichten. Ich wurde Präsident, weil ich eine gute Erzählung hatte.“ Die Grünen in Münster hatten auch eine gute Erzählung, allerdings vor allem für die eigene Klientel.

Viele der übrigen Menschen werden sich von der Idee der autofreien Innenstadt niemals überzeugen lassen, schon allein deshalb nicht, weil sie von den Grünen kommt. Bei diesen Menschen lässt in dieser Sache mit Argumenten wenig erreichen. Aber zwischen beiden Lagern gibt es viele, die durchaus für Fakten offen sind, die Antworten vermissen, denen der für sie relevante Teil der Erzählung fehlt.

Da ist etwa das Problem mit den Einkaufstüten. Wie sollen denn die Menschen in die Stadt kommen und später ihre Einkäufe nach Hause bringen, die sonst mit dem Auto fahren?

In einer vorläufigen Version des Koalitionspapiers von Grünen, SPD und Volt vom vergangenen Donnerstag, die RUMS vorliegt, ist zum Beispiel von „Mobilitätsangeboten“ die Rede, von der „Erreichbarkeit der Altstadt durch umweltfreundliche Verkehrsmittel“. Woran denken Sie, wenn Sie das hören?

Wenn Sie an der Idee eher Gefallen finden, werden Sie vielleicht daran denken, dass Sie dann etwas entspannter mit dem Rad in die Innenstadt fahren können. Wenn Sie eher skeptisch sind, haben Sie vielleicht im Kopf, dass Sie Ihr Auto umständlich am Stadtrand parken, in der Kälte auf den überfüllten Bus warten und später mit den ganzen Einkäufen wieder zurück müssen.

Aber vielleicht stimmt das nicht. Vielleicht sieht das Mobilitätsangebot ja ganz anders aus. Doch um das zu vermitteln, müsste man Ihnen ganz konkret erklären, wie Sie viel einfacher in die Stadt kommen. Oder, noch besser, man müsste es Ihnen vorführen.

Flaniermeile Friedrichstraße

In Berlin haben der Senat und der Bezirk Mitte in der vergangenen Woche beschlossen, die Testphase des Projekts „Flaniermeile Friedrichstraße“ zu verlängern. Die Straße ist seit August auf einem 500 Meter langen Abschnitt nur noch für den Fuß- und Radverkehr frei. Es ging nicht in erster Linie darum, die Leute zum Umparken zu zwingen, man wollte vor allem Daten sammeln. Daten über den Lärm, den Verkehr und die Luftqualität.

Die Resonanz war recht positiv. Doch nicht alle waren von der Sperrung begeistert, es gab auch Kritik. Dass es so kommen würde, war vorher klar. Das Ziel sollte sein, eine Diskussionsgrundlage zu schaffen.

So könnte man das auch in Münster machen. Nicht sofort der ganzen Stadt eine fertige Idee überstülpen, sondern erst einmal auf Versuchsfeldern experimentieren, vielleicht auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Dann schauen, ob es funktioniert. Ähnliche Beispiele gibt es ja schon:

Der autofreiePark(ing) Day“ im Hansaviertel hat vielen Menschen gezeigt, wie sich der Charakter eines Viertels verändert, wenn die Autos auf einmal verschwunden sind. Das Angebot, die Stadtbusse am ersten Adventssamstag kostenlos nutzen zu können, war so erfolgreich, dass es im Folgejahr gleich wiederholt wurde. Und wenn man sagen kann: Wir haben ja gesehen, dass es gut funktioniert hat, ist das ein besseres Argument, als auf Studien, Theorien und andere Städte zu verweisen.

Das gilt auch für die Sorgen der Kaufleute. Auf dem Flyer der Grünen steht: „Es gibt viele Beispiele aus ganz unterschiedlichen Städten, in denen ein autofreier Innenstadtbereich zu mehr Umsatz geführt hat.“ Dann folgen Städtenamen: „Kopenhagen, Pontevedra, Gent, Oslo, Ljubljana, Freiburg, Nürnberg…“

Natürlich, es ist ein Hinweis darauf, dass es gelingen könnte. Aber ist es ein Beweis, auf den man sich verlassen kann? Ist eine spanische Kleinstadt wie Pontevedra, in der 83.000 Menschen leben, tatsächlich eine geeignete Referenz für so ein Projekt? In warmen Ländern wie Spanien hat der öffentliche Raum schließlich einen ganz anderen Stellenwert. Und auch bei Kopenhagen oder Oslo stellt sich die Frage: Lässt Münster sich mit diesen Städten vergleichen? Beide sind doppelt so groß, und die Voraussetzungen dort sind ganz andere. Kopenhagen scheint zudem generell seiner Zeit weit voraus zu sein, vor allem wenn es um Mobilität geht. Außerdem sind die Menschen in Skandinavien viel offener für Neues als die in Deutschland, nicht nur für neue Verkehrskonzepte. In Norwegen kann man reisen, ohne einen Cent Bargeld in der Tasche zu haben. Obdachlose nehmen Spenden per Handyzahlung entgegen, und auf öffentlichen Toiletten kann man mit Karte zahlen.

Testphasen wären eine Möglichkeit

Hinzu kommt die zeitliche Dimension. Es kann sein, dass die autofreie Innenstadt in Münster hervorragend funktioniert. Aber es kann auch sein, dass es eine Weile dauert, bis die Menschen sich daran gewöhnt haben.

Testphasen wären eine Möglichkeit, die Folgen besser abschätzen zu können. Wobei man sagen muss: Ganz ohne Risiko wird es auch dann nicht gehen.

Andererseits: Es birgt auch ein Risiko, alles beim Alten zu belassen. Die Corona-Zeit hat dem Online-Handel eine sehr viel größere Bedeutung gegeben. Die Pandemie hat viele Geschäfte dazu gezwungen, ihre Produkte auch im Internet zu verkaufen. Warum sollten sie das wieder rückgängig machen? Und warum sollten die Menschen später wieder dazu übergehen, Dinge in der Innenstadt einzukaufen, die sie sich auch nach Hause liefern lassen können? Das könnte die Umsätze in den Innenstädten verändern, in der Folge die Mieten, die gesamte Struktur.

Einerseits kann man nun so argumentieren: Und in dieser Zeit wollt ihr die Geschäfte auch noch mit der autofreien Innenstadt bestrafen? Man kann darin aber auch den Versuch sehen, die Innenstädte zu stärken. Das muss nicht bedeuten: Man friert hier die Zeit ein. Es kann auch heißen: Man schafft Voraussetzungen, um den Wandel so einfach wie möglich zu machen.

Das zu betonen, gelingt der grünen Partei an anderer Stelle besser als in Münster. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hat der Welt am Sonntag am Wochenende auf die Frage nach den politischen Folgen der Krise für die Geschäfte unter anderem gesagt, man müsse die Innenstädte autofrei machen. In Münster erklärt die Partei auf ihrem Flyer aus der Defensive heraus, warum ihr Plan doch gar nicht so schlimm ist, wie die andere Seite behauptet.

Klimaschutz ja, aber schmerzlos

Eine andere Frage, die sich stellt, wäre, welche Rolle der Klimaschutz in der Argumentation spielen soll. Meine Vermutung wäre: am besten eine möglichst kleine, damit sich auch die Menschen überzeugen lassen, die sagen: Klimaschutz ja, aber nur dann, wenn man ihn nicht merkt.

Das zu berücksichtigen, wird nötig sein, wenn der Plan am Ende aufgehen soll. Die Klimakrise leugnet so gut wie niemand mehr. Aber die Überzeugung, dass der Planet sich ohne nennenswerte Veränderungen retten lassen wird, scheint schon noch recht verbreitet zu sein. Bis zur nächsten Wahl wird sich das vermutlich nicht ändern.

Diesen Zeitraum wird die neue Ratsmehrheit im Blick behalten müssen. Im Wahlprogramm der Grünen stand, der historische Stadtkern innerhalb des Promenadenrings solle bis 2025 autofrei sein. Von diesem Termin ist im vorläufigen Koalitionspapier nicht mehr die Rede. Das heißt: Sollte sich bei der nächsten Wahl eine neue Mehrheit finden, könnte die noch vor dem Start vieles wieder rückgängig machen.

In einigen Punkten würde das zwangsläufig passieren. Die Parkhäuser für den öffentlichen Verkehr schließen – da liegen die politischen Vorstellungen wohl zu weit auseinander. Bei der CDU oder der FDP würde man sagen: „Sorgt für viel Ärger, bringt dem Klima aber so gut wie nichts.“ Man könnte aber auch auf einen anderen Aspekt schauen, der die Interessen vielleicht etwas besser vereint.

Dass Kopenhagen dem Radverkehr so viel Raum gibt, tut dem Klima sicher gut. Aber vor allem hat es dazu geführt, dass die Stadt ein Vorbild geworden ist. Kopenhagen gilt als fortschrittlich, lebenswert, attraktiv – als ein Ort, an dem man gut Urlaub machen, aber auch gut leben kann. Medien aus der ganzen Welt berichten, kein Beitrag über die Mobilitätswende kommt ohne das Wort Kopenhagen aus, auch dieser ja nicht. Die Stadt ist ein gutes Beispiel. Und das zahlt sich auch wirtschaftlich aus.

SPD will nachverhandeln

Wie es in Münster nun weitergeht, wird sich Ende der Woche entscheiden. Die SPD-Fraktion hat am Montagabend mehrere Stunden lang über die strittigen Fragen diskutiert. Ergebnis: Die SPD lehnt die bisher vorliegenden Kompromissvorschläge von Grünen und Volt ab, nimmt das Angebot aber an, noch einmal über den Koalitionsvertrag zu verhandeln. Das teilte Münsters SPD-Chef Robert von Olberg am heutigen Dienstag den Parteimitgliedern in einer E-Mail mit.

Wie die bisher erzielten Ergebnisse aussehen, steht im 62 Seiten langen Koalitionspapier vom vergangenen Donnerstag. Das Thema Mobilität und Verkehr nimmt dort sechseinhalb Seiten ein. Zum Flughafen will die Koalition möglichst schnell eine Studie in Auftrag geben, die bis Ende des Jahres fertig sein soll. Darin soll stehen, welche Optionen sich nun bieten und welche Folgen sie hätten. In einem wichtigen Punkt hatte man offenbar schon einen Kompromiss gefunden: Statt ab 2024, wie neue EU-Regeln es vorschreiben, soll der Flughafen schon nach 2022 keine Zuschüsse von der Stadt mehr bekommen. Das könnte sich nachträglich noch ändern.

Ein strittiger Punkt beim Neubau des Preußenstadions ist offenbar der Finanzdeckel. Üblicherweise kosten Projekte hinterher immer deutlich mehr, als anfangs geplant. Der Deckel soll das verhindern. Wird der Bau teurer als 40 Millionen, sollen der Verein oder Sponsoren einspringen.

Zur autofreien Innenstadt steht in dem Papier ganz am Anfang: Im ersten Schritt sollen die Aegidiistraße zur Fahrradstraße und Domplatz, Pferdegasse sowie Königsstraße „weitgehend autofrei“ werden. Das Parkhaus in den Arkaden soll einen neuen Zweck bekommen und unter anderem Anwohnern zur Verfügung stehen. Wildes und ordnungswidriges Parken soll stärker geahndet werden. Parken soll überall in der Altstadt Geld kosten, eine zusätzliche Klimapauschale soll den öffentlichen Personennahverkehr finanzieren. Und das alles klingt schon so, als wenn es irgendwie nötig wäre, wenn man es mit der autofreien Innenstadt ernst meint. Aber es klingt nicht so, als wenn es ein guter erster Schritt wäre.

In aller Kürze

+++ Nach dem Rücktritt von Mathias Kersting als SPD-Fraktionschef war noch eine Frage offen: Wie geht es denn eigentlich weiter für ihn? Auf Nachfrage schreibt er am Montagmittag: „Ich war eigentlich auf dem Weg, alles aufzugeben.“ Es habe aber sehr viele positive Rückmeldungen gegeben. Man habe ihn gebeten, das Mandat zu behalten. Und das werde er nun auch tun.

+++ Ein interessanter Punkt noch aus dem Koalitionspapier: Wenn es im Rat um den Hafenmarkt gehen wird, soll kein Koalitionszwang gelten. Das bedeutet: Alle dürfen abstimmen, wie sie wollen. Darauf haben die Parteien sich geeinigt, jedenfalls laut dem vorläufigen Dokument. Dass sich an dieser Stelle noch etwas ändert, ist unwahrscheinlich. In der Vergangenheit war es zu Problemen gekommen, weil die CDU von den Grünen als Koalitionspartner ein Ja erwartet hätte, aber nicht bekam. Damit half die SPD aus. Dieses Mal ist alles noch etwas komplizierter. Die SPD möchte den Hafenmarkt weiterhin. Doch der Mann, der dafür verantwortlich ist, dass sich auf der Baustelle am Hansaring seit zwei Jahren nichts tut, ist Teil der eigenen Koalition. Das ist Rainer Bode. Er ist grünes Ratsmitglied.

+++ Nachdem der Impfstart am Montag nicht so reibungslos geklappt hat, wie man sich das gewünscht hätte, hat Armin Laschet (CDU) am Montagnachmittag noch einmal betont: „Der Impfstart in NRW ist gelungen.“ NRW-Gesundheitsminister Kajo Laumann (CDU) sekundierte am Dienstag: „Ich finde, der Impfstart ist sehr wohl gelungen.“ Darüber kann nun unterschiedlicher Meinung sein. Die Westfälischen Nachrichten titelten: „Chaos bei der Terminvergabe“. Wir hörten gestern zum Beispiel von ganzen Familien, die den Morgen über per Telefon und Computer versucht hatten, einen Termin für die Großeltern zu bekommen. Den Morgen über allerdings ohne Erfolg. Vorstellen muss man sich das alles wohl ungefähr wie den Beginn des Sommerschlussverkaufs, nur ungefähr 116.117 Mal so schlimm. In der ersten Stunde seien 250.000 Anrufe eingegangen, die Internetseite sei 700 Mal pro Sekunde angeklickt worden, hieß es. Die Kassenärztliche Vereinigung teilte mit, auf so einen Andrang hätte man sich nicht einstellen können. Ein bisschen hatte man das dann allerdings wohl doch getan. Die Adresse der Seite mit der Meldung „Keine Terminvergabe möglich“ endete mit mit: „vertroestenbackend“. Dass Hotline (116 117) und Website der Kassenärztlichen Vereinigung nicht erreichbar gewesen seien, nannte NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur laut WDR „eine Vollkatastrophe“. Sie kritisierte, dass die frühen Impfungen nicht einfach in Hausarztpraxen stattfinden. Anmerkung: Das geht nicht, weil in den Praxen in der Regel keine Super-Kühlschränke stehen. Die SPD fordert eine Aktuelle Stunde im Landtag. Die Telefon-Hotlines sind unterdessen – zumindest den Plänen nach – täglich zwischen 8 und 22 Uhr erreichbar. Laut dem Gesundheitsminister ist auch einige Male jemand durchgekommen. 275.000 Impftermine seien schon vergeben, sagte er. In Münster hatten laut den Westfälischen Nachrichten über 17.000 Menschen über 80 eine Einladung bekommen. 10.000 Termine seien zunächst verfügbar.

+++ Vor sechs Jahren hat die Band „Jupiter Jones“ sich getrennt, weil ihr Sänger Nicholas Müller an einer Angststörung litt. Nun hat die Band bekannt gegeben: Wir machen weiter. Wenn Sie mit dem Namen nichts anfangen können, dieses Lied kennen Sie bestimmt. Und wenn Sie sich fragen: Was hat das mit Münster zu tun? Nicholas Müller wohnt im Südviertel.

+++ Mehr als 27 Jahre nach der Tat scheint der Mord an der damals 16-jährigen Schülerin Nicole-Denise Schalla in Dortmund geklärt. Das Dortmunder Schwurgericht verurteilte den 56-jährigen Münsteraner Ralf H. wegen Mordes, berichtet der WDR. Wir hatten im Juli im RUMS-Brief über den Fall geschrieben, weil H. aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste, obwohl vieles darauf hindeutete, dass er der Täter ist. Ralf H. hat die Tat immer bestritten. Die Verteidigung will Revision einlegen. Das bedeutet: Nun wird geprüft, ob das Gericht Fehler gemacht hat. Bis das Urteil rechtskräftig ist, bleibt Ralf H. weiter auf freiem Fuß.

Corona-Update

Münsters Krisenstabsleiter Wolfgang Heuer (SPD) hat der Welt am Wochenende auf die Frage, was Münster denn besser mache als andere Städte, gesagt: „Kurz gesagt, in Münster funktioniert der Lockdown.“ Die meisten Menschen hielten sich an die Regeln, die Menschen identifizierten sich mit der Stadt. Diese Grundhaltung mache es leichter, durch die Krise zu kommen. Ungefähr so hatte Heuer es schon im vergangenen Jahr dem WDR gesagt, wie Nils Dietrich für die Wiedertäufer dokumentiert hat. Ob dieser Zusammenhang wirklich besteht, wissen wir nicht. Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) nutzte seinen Auftritt im ARD-Morgenmagazin ebenfalls, um ein bisschen Werbung für die Menschen in der Stadt zu machen. Er glaube, es habe mit der Grundhaltung der Menschen zu tun, sagte er. Münster sei zudem eine der ersten Städte gewesen, die einen Krisenstab eingerichtet hätten, um einen Schritt voraus zu sein. Wahrscheinlicher wäre, dass es an der Struktur und an den Umständen liegt. Denn seien wir mal ehrlich: So sehr unterscheidet sich die Grundhaltung der Menschen in Münster nicht von der, die man in Warendorf findet. Dort liegt die Inzidenz bei 110.

Menschen unterschätzen gern den Einfluss von Umständen. Dahinter muss keine manipulative Absicht stehen, es ist ein klassischer Denkfehler, den Menschen immer wieder machen. In der Wissenschaft nennt man das den Attributionsfehler. Es kann Zufall sein, dass die Werte in Münster so niedrig sind. Oder es kann an der Bevölkerungsstruktur liegen. Das wäre etwas wahrscheinlicher. Und das vermutet zum Beispiel der Epidemiologe André Karch von der Uni Münster, der in dem ARD-Beitrag ebenfalls zu Wort kommt. Es gebe viele Single-Haushalte in der Stadt. Das kann bedeuten, dass weniger Kontakte im Privatleben stattfinden, wobei auch das nicht der Fall sein muss. Außerdem leben 55.000 Studierende in der Stadt, es gibt viele Bürojobs, all das könnte Teil der Erklärung sein. Wirklich sagen können wir nur: Anfang der Woche bewegen die Zahlen sich weiter auf einem niedrigen Niveau. Am Montag meldet die Stadt zwei Neuinfektionen, am Dienstag neun. Leider auch einen Todesfall: Eine 87-jährige Frau starb an den Folgen der Infektion. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Münster fiel auf 38 und liegt damit schon seit einer Woche unter dem kritischen Wert von 50. Im Moment gelten 441 Menschen im Stadtgebiet als infiziert.

Unbezahlte Werbung

Zwischendurch entstehen ja immer wieder Situationen, in denen man gern etwas verschenken möchte, noch nicht so recht weiß, was, aber eine vage Idee ist schon da: vielleicht irgendwas Regionales aus Münster, etwas Gutes von hier. Nur was? Vorschlag von uns: Marmelade, und zwar von der Marmeladenmanufaktur an der Friedrich-Ebert-Straße. Ja, das klingt noch nicht so spektakulär. Dazu müssten wir erst einen Blick auf die Geschmacksrichtungen werfen. Zum Beispiel: Mango-Orange-Banane, Tomate-Chili-Basilikum oder Rote Zwiebel mit Whiskey. Alle Sorten, auch einige Geschenkpakete, finden Sie auf der Website. Und dort können Sie alles auch bestellen.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

+++ Auf diese Empfehlung bin ich bei Thorsten Hennig-Thurau gestoßen, dem Marketing-Professor aus Münster, der ein Buch über den Filmklassiker „Alle Jahre wieder“ von Ulrich Schamoni herausgegeben hat. Er wies bei Facebook auf den Streamingdienst Filmfriend hin, der viele Filme auch in Originalsprache und mit Untertiteln anbietet, und – kein so schlechtes Argument – kostenlos ist, wenn Sie einen Ausweis der Stadtbücherei haben. Den Film „Alle Jahre wieder“ finden Sie dort übrigens auch.

+++ Die Band „Die Berater“ aus Münster hat die vergangenen Monate überwiegend im Home-Studio verbracht. Das Ergebnis sind sechs neue Songs, die Sie sich zum Beispiel bei Apple, Amazon oder bei Spotify anhören können. Und wenn Sie sich dabei ein Foto der Band ansehen möchten, das ginge hier.

+++ Reisen ist im Moment ja leider schlecht. Aber der Filmverein „Die Linse“ hat sich etwas gegen den Phantomschmerz überlegt: die Veranstaltungsreihe „Ein Tag in…“, bei der aus persönlichen Filmen, Fotos, Geschichten oder Texten Städteporträts entstehen sollen, die erst im Netz zu sehen sind, später dann im Kino. Zunächst wird es um die Städte Berlin, Paris und Lissabon gehen. Ein bisschen Material ist hier schon zu sehen. Wenn Sie auch mitmachen möchten, schreiben Sie am besten eine Mail an den Verein.

+++ Das Theater streamt am Mittwochabend die Monooper „Das Tagebuch der Anne Frank“, am Samstagabend steht der Tanzabend „Dis-Tanz“ auf dem Programm. Jeweils um 19 Uhr geht es hier los. Danach sind die Stücke noch 24 Stunden lang zu sehen.

+++ Zum Schluss noch ein Filmtipp, falls Sie zwischendurch eine Dreiviertelstunde Zeit haben: Beim WDR finden Sie zurzeit die Doku „Die Kaufleute von Münster: eine Zeitreise ins Mittelalter“. Es geht darum, wie die Menschen im Mittelalter in Münster gelebt haben und welche Spuren davon heute noch in der Stadt zu sehen sind.

Am Freitag schreibt Ihnen Constanze Busch. Haben Sie bis dahin eine schöne Woche. Und bleiben Sie gesund.

Herzliche Grüße

Ralf Heimann

Mitarbeit: Constanze Busch

PS

Unsere Kolumnistin Marina Weisband hält morgen im Berliner Bundestag eine Rede zum 25. Holocaust-Gedenktag. Wie wichtig dieser Gedenktag ist, das machte sie selbst vor zwei Tagen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk deutlich. Darin sagte sie, sie würde gern mehr „über jüdischen Humor, jüdische Küche oder die digitale Vernetzung weltweit zerstreuter Familien sprechen“. Es sei aber sehr schwer, sich zu organisieren. Als sie einmal den Termin und den Ort eines jüdischen Stammtisches in der Zeitung inserieren wollte, habe die Polizei ihr davon abgeraten. Das sei zu gefährlich. Aus dem Zug nach Berlin twitterte Marina Weisband heute: „Nichts versüßt mir den Tag mehr als Intellektuelle, die mich ermahnen, etwas weniger hysterisch darüber zu sein, wenn ich buchstäblich Morddrohungen bekomme. Anyway, ich geh meine Rede zum Holocaustgedenktag vorbereiten.“ Der WDR überträgt die Feierstunde ab 10 Uhr im Livestream.

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