Was wird aus Wilhelm? | Wir müssen reden | Das Lauschig

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

zwei Jahre will die Westfälische Wilhelms-Universität Münster sich Zeit nehmen, um herauszufinden, ob sie ihren Namen behalten möchte. Das klingt, als hätte man sich ausufernd viel Zeit genommen für eine relativ leichte Aufgabe. Ob eine Person sich als Namenspatron einer Hochschule eignet, das werden Fachleute doch wohl beantworten können. Und es gibt ja sogar schon eine Einschätzung.

Eine Arbeitsgruppe hat sich ausführlich mit den Namensgeber beschäftigt. Vor einem Monat hat der Senat über den Abschlussbericht beraten. Er fasst unter anderem die neuesten Forschungsergebnisse zusammen. Das Urteil über Wilhelm lautet, er sei „überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch“ gewesen. Ist die Sache damit denn nicht klar? Warum also die zwei Jahre?

Eine Vorstellung davon, warum es sich lohnen könnte, sich etwas mehr Zeit zu nehmen, gab am vergangenen Donnerstag die Psychologin Johanna Weber in der ersten einer Reihe von Diskussionen zu diesem Thema. Titel: „What’s in a name?“ Auf Deutsch: Was verbirgt sich hinter einem Namen? Das ist ein Shakespeare-Zitat aus dem Drama Romeo und Julia. Und dort folgt danach der Satz: „Das, was wir eine Rose nennen, würde mit jedem anderen Namen genauso süß duften.“

Johanna Weber hat die Erfahrung gemacht, dass es im Falle von Menschen viel komplizierter ist. Bis vor drei Monaten war sie Rektorin der Hochschule in Greifswald, die bis Juni 2018 Ernst-Moritz-Arndt-Universität hieß, danach nur noch Universität Greifswald – wobei sie unter bestimmten Umständen auch weiterhin den alten Namen tragen darf. Das war ein Kompromissvorschlag, der zustande kam, weil Menschen eben nicht wie Rosen einfach nur süß duften. Ihr Leben setzt sich zusammen aus unterschiedlichen Handlungen und Äußerungen, die zu unterschiedlichen Zeiten und von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich bewertet werden.

Konstruktion einer historischen Figur

Ernst Moritz Arndt war Schriftsteller, Hochschullehrer, Freiheitskämpfer. Die Nationalsozialisten sahen in ihm einen Vordenker und Kämpfer für die deutsche Einheit, allerdings eher im Sinne von deutscher Reinheit. Der damalige preußische Ministerpräsident Hermann Göring verlieh der Greifswalder Universität im Jahr 1933 Arndts Namen. Nach dem Krieg sah es erst so aus, als wäre die Zeit von Ernst Moritz Arndt als Namenspatron abgelaufen. Doch im Jahr 1954 stellte die Staatspartei SED klar: Der Name bleibt. Auch in der DDR verehrte man Arndt, in gewisser Weise ging es wieder um die deutsche Einheit. Auf einer Plakette, die der Nationalrat an Kulturschaffende verlieh, stand der Satz: „Das ganze Deutschland soll es sein.“ Aber der politische Hintergrund war diesmal ein anderer. Johanna Weber sprach am Donnerstag von „einer völlig anderen Konstruktion“ dieser historischen Figur.

Und in dieser Formulierung wird deutlich: Es wird auch im Falle von Wilhelm schwer möglich sein, zu der einen wahren Bewertung zu kommen, die dann für immer Bestand hat. Wie das Ergebnis aussieht, hängt davon ab, aus welchen Informationsstücken man das Bild konstruiert, wie man diese Informationen einschätzt und gewichtet, vielleicht auch deutet. Es ist alles nicht so klar, wie es in dem Zitat aus dem Abschlussbericht erscheint, zu dem die Bewertung nun in Nachrichtenmeldungen eingedampft worden ist. Das wird auch darin deutlich, wie unterschiedlich Fachleute Wilhelm bewerten.

Der Allgemeine Studierendenausschuss der Uni Münster hat im Jahr 2016 ein 61-seitiges Papier zusammengestellt, das zu dem Schluss kommt: „Eine einheitliche Aussage über die Person Wilhelm II. lässt sich, wie bereits mehrfach erwähnt, nicht leichtfertig treffen.“

Der Cambridge-Professor Christopher Clark versucht in dem 2009 veröffentlichten und im vergangenen Jahr in einer überarbeiteten Version erschienenen Buch Wilhelm II., „Verunglimpfung und Verständnis wieder in ein angemessenes Verhältnis zu bekommen“. Über die „Verunglimpfungen“ schreibt er dort: „Es ist so, als würde Wilhelm zu einer Symbolfigur für etwas gemacht, das über seine Person hinausreicht und größer ist als er selbst – die Massenzerstörung des Ersten Weltkriegs, die Greuel des Zweiten, die Katastrophe und Schande einer ganzen Nation.“

Nicht in der Lage, die eigenen Fehler zu sehen

Nach Clarks Eindruck war Wilhelm ein „intelligenter Mensch, ausgestattet allerdings mit einem schlechten Urteilsvermögen, der zu taktlosen Ausbrüchen und kurzlebigen Begeisterungen tendierte – eine ängstliche und zur Panik neigende Gestalt, die häufig aus einem Gefühl der Schwäche und Bedrohung heraus handelte“. Aus Wilhelms Persönlichkeitsstruktur heraus erklärt er in Teilen auch den in den späten Jahren immer radikaler werdenden Antisemitismus, der nun im Mittelpunkt der Debatte steht.

Wilhelm sei mit vielen Juden befreundet gewesen, die Pogrome der Nazis hätten ihn erschüttert. Sein späterer Judenhass sei auch dadurch zu erklären, dass er nicht in der Lage gewesen sei, seine eigenen Fehler zu sehen. Die Schuld an seinem Scheitern habe er immer bei anderen gesucht, zuletzt eben bei den Juden.

Dem Bild vom blutrünstigen Kriegstreiber stellt Clark ein Zitat aus einer Rede Wilhelms bei der Reichstagseröffnung im Jahr 1888 entgegen. Dort hatte er gesagt: „In der auswärtigen Politik bin ich entschlossen, Frieden zu halten, mit jedermann, so viel an mir liegt.“ Clark betont, Wilhelm habe zu den Letzten gehört, die sich dem U-Boot-Krieg entgegenstellten. Und der Historiker stellt infrage, dass Wilhelm großen Einfluss auf die Diplomatie und Politik Deutschlands gehabt habe, wie es zum Beispiel John Röhl behauptet, der Autor einer dreibändigen Biografie über Wilhelm.

Der wiederum hat vor zwei Jahren in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung Belege dafür geliefert, dass der Antisemitismus Wilhelms keine späte Verirrung gewesen, sondern immer wieder und an vielen Stellen zu Tage getreten sei. Röhl spricht von Quellen, die „ein furchterregendes Fenster auf die Seele Kaiser Wilhelms im Exil“ öffneten und nicht verschwiegen werden dürften. Er schreibt: „Besucher in (Wilhelms Exil im niederländischen) Doorn, die auf die antisemitischen Ansichten des Kaisers nicht vorbereitet waren, erhielten einen jähen Schock, als er dieses Steckenpferd zu reiten begann.“

Aber würde nicht allein das die sofortige Umbenennung rechtfertigen?

Das kann man so sehen, aber dann ergäbe sich das nächste Problem. Wer entscheidet über den Namen der Universität? Das Recht dazu hat der 23-köpfige Senat. Es wäre nicht das erste Mal, dass er sich mit dieser Frage beschäftigt. Die Diskussion über den umstrittenen Namensgeber geht in Münster zurück bis in die Sechzigerjahre. Schon vor 24 Jahren empfahl eine Kommission der Universität, sich von Wilhelm zu trennen. Doch der Senat entschied sich dagegen.

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Zweifel an der Legitimität der Entscheidung

Würde er das nun wieder tun, wäre es wahrscheinlich, dass die Debatte in wenigen Jahren von Neuem aufflammt. Würde der Senat sich unmittelbar gegen Wilhelm entscheiden, könnte etwas anderes passieren. Es könnte das Gefühl aufkommen, dass hier ein kleines Grüppchen über die Köpfe der Menschen hinweg entscheidet – in einer Sache, die doch eigentlich die ganze Stadt betrifft. Es könnten Zweifel an der Legitimität der Entscheidung entstehen.

Das drohte in Greifswald, wie Johanna Weber es am Donnerstag erzählte. Auch dort ging es nicht zum ersten Mal um die Frage. Auch dort hatte der Senat die Umbenennung im ersten Anlauf abgelehnt.

Als die Debatte im Jahr 2016 erneut begann, erlebte Johanna Weber sie als „ungleich emotionaler, lebhaft, auch als, wenn man so will, unsachlicher“. Die mediale Aufmerksamkeit sei viel größer gewesen, es hätten sich mehr Menschen beteiligt. „Das Netz hatte mittlerweile eine völlig neue Funktion, wurde in ganz anderem Stil genutzt“, sagte sie. Auch das Erstarken der AfD habe eine Rolle gespielt. Das habe der Figur Ernst Moritz Arndt wieder eine andere Bedeutung gegeben. Aber über allem habe die Frage gestanden: „Wer bestimmt?“ Also: „Wer hat die Definitions- und Konstruktionsmacht über eine Universität?“

Die Menschen in Greifswald seien der Meinung gewesen, diese Macht hätten sie. Allerdings hätten auch die Ehemaligen dieses Recht für sich beansprucht, wie auch die Landespolitik. Eine Frage sei gewesen, ob die Zugezogenen ein Mitspracherecht haben dürften, also die Menschen aus dem Westen. „Es war eine nahezu absurde Diskussion“, sagte Johanna Weber.

Es fanden Fackelumzüge und Demonstrationen statt, im Netz ergoss sich der übliche Hass. Am Ende sei es nicht mehr um die Frage gegangen, ob der Name Ernst Moritz Arndt zu dieser Institution passt, sondern lediglich darum, wer darüber entscheiden darf, sagte Johanna Weber.

Die verschiedenen Gruppen stellten die akademische Selbstverwaltung der Hochschule infrage. Und auch wenn in Münster nicht mit Fackelzügen oder Mahnwachen für Wilhelm zu rechnen ist, geht es hier ebenfalls darum, eine Öffentlichkeit in die Entscheidung einzubeziehen, die man rein rechtlich nicht fragen müsste. Es geht darum, das Gefühl von Legitimität herzustellen. Daher die ganze Mühe. Daher die zwei Jahre.

Aber was wäre denn eigentlich eine Alternative zum Namen Westfälische Wilhelms-Universität Münster?

Warum nicht der Ortsname?

Auch das war am Donnerstagabend Thema der Diskussion. Der Historiker Mitchell G. Ash erklärte, wie Universitäten in der Vergangenheit zu ihren Namen gekommen sind. Sie wurden nach Herrschern benannt, um Nähe zu diesen zu signalisieren oder um der Institution mehr Bedeutung zu geben. In den USA heißen viele Universitäten wie ihre Stifter. Der Eisenbahn-Unternehmer Leland Stanford oder der Geschäftsmann Johns Hopkins spendierten ihrem Land Hochschulen. Hier ging es vor allem um Prestige – in Deutschland später auch darum, durch die Namenswahl eine bestimmte Geisteshaltung zu demonstrieren.

Dafür steht zum Beispiel die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Auch Münster könnte mit einem neuen Namen ein Zeichen setzen. Bislang gibt es in Deutschland keine Hochschule, die nach einer Frau benannt ist. Mit einer Annette-von-Droste-Hülshoff-Universität würde sich das ändern. Aber die Benennung nach einer Person bringt immer auch die Gefahr mit sich, dass neue Forschungsergebnisse Dinge ans Licht bringen, die wieder in Zweifel ziehen, ob diese Person wirklich geeignet ist.

Es bräuchte allerdings gar keine Person, um eine Geisteshaltung zum Ausdruck zu bringen. Es könnte auch ein Ereignis sein. Eine der kursierenden Ideen lautet: Westfälische-Friedens-Universität. Mitchell G. Ash stellte in der Diskussion allerdings noch einmal klar: „Es hat nie einen Zwang gegeben, einer Universität einen anderen Namen zu geben als den Ortsnamen.“

Bielefeld, Bochum und Paderborn haben sich für diese Variante entschieden. Auch in England ist das üblich. Oxford und Cambridge sind Beispiele dafür.

Der Bremer Marketing-Professor Christoph Burmann, am Donnerstag ebenfalls Teil der Runde, würde das für eine gute Lösung halten. Der Begriff Universität habe weltweit ein positives Image, das könnten Hochschulen nutzen: „Selbst, wenn sie in Klein-Kleckersdorf gegründet werden, haben sie den Riesenvorteil: Sobald Universität davor steht, wissen die Menschen, was es ist, denken was Positives. Und dann geht es nur noch darum, dass man wissen muss: Wo liegt Klein-Kleckersdorf?“

Wissen die Studierenden, um welchem Wilhelm es geht?

Damit wäre auch das Problem gelöst, dass nicht nur eine Stadt sich mit der Universität identifizieren können muss, sondern auch die Menschen, die an der Hochschule studieren oder arbeiten. „Wenn ein Name nach innen und außen eine Identität hat, die stimmig ist, dann ist das gut. Sonst ist ein Name Schall und Rauch“, sagte Christoph Burmann.

Und das könnte nicht nur bei der Suche nach einem neuen Namen eine Rolle spielen, sondern bei der Beantwortung der Frage, welche Berechtigung der alte hat.

Hat er für die Menschen heute überhaupt noch eine Bedeutung? Wissen die Studierenden, wer hinter dem Namen steckt? Olaf Blaschke, Historiker und Leiter der Arbeitsgruppe, die sich mit dem Namen beschäftigt hat, sagte im Mai im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, die meisten Studierenden wüssten nicht mal, nach welchem Wilhelm die Uni benannt sei.

Und wenn das der Fall ist, also Wilhelm für die Menschen eigentlich gar keine Rolle mehr spielt, wäre die Frage: Passiert hier etwas, das in Münster auch schon in der Debatte um die Umbenennung der Danziger Freiheit eine Rolle spielte? Viele Menschen kennen den historischen Hintergrund gar nicht, aber im Laufe ihres Lebens bekommt der Name für sie eine eigene Bedeutung – durch Erlebnisse oder Erinnerungen an diese Orte. Wäre das ein Argument für den Namen? An der Danziger Freiheit war es das nicht.

FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube, der vierte Teilnehmende an der Diskussion, gab sich keine allzu große Mühe, zu verbergen, dass er der Debatte nicht viel abgewinnen kann. Er sprach über das Gedicht des Schriftstellers Eugen Gomringer, das in dessen bayerischem Wohnort an einer Hausfassade angebracht ist und dort Studierenden auffiel, die fanden, es setze Frauen herab. Wenn man Goethes Werk noch mal genauer durchsähe, würde man bestimmt auch etwas finden, das ihn in einem anderen Licht erscheinen lässt, sagte Kaube. Münster habe eben das Pech, dass der Namensgeber der Universität sehr bekannt sei. „Es weiß ja kein Mensch, was Otto von Guericke gemacht hat“, sagte Kaube. Nach von Guericke ist die Universität in Magdeburg benannt.

Jürgen Kaube bezweifelt auch, dass der Name der Universität tatsächlich irgendjemanden belastet. Er sehe hier „die Begeisterung an der Diskussion selbst“. Über die reichen Stifter in den USA diskutiere man nicht. Da scheine die Finanzierung eine Rolle zu spielen. Mit Blick auf die Namensdebatten in Deutschland sagte er: „Ich glaube nicht so sehr an die Verletzung. Es handelt sich um gespielte Verletzungen. Aber auch das muss man ernst nehmen.“ Und er sagte: „Die Leute haben offenbar viel Freizeit und kümmern sich um diese Art von Konflikten.“ Später gab er noch einen Rat: „Ich würde mich anstelle einer Universität nicht allzu lange damit aufhalten.“

Kein Triumphgeheul, kein Bildersturm

Das müsste die Uni Münster nicht. Sie könnte das alles abkürzen. Nur dann wäre die Frage: Ist das Problem wirklich gelöst, wenn der Name bleibt? Oder dauert alles noch viel länger, wenn es nach einer schnellen Entscheidung gegen Wilhelm unter der Oberfläche weiterhin brodelt? Muss man sich doch die Zeit nehmen?

Die Universität Greifswald hat das Problem inzwischen gelöst. Es gab Diskussionen und öffentliche Anhörungen, aber am Ende entschied der Senat über den Namen. „Was mich bis heute positiv überrascht, sind die Ruhe und der Frieden, die nach der Entscheidung eingetreten sind”, sagte Johanna Weber. Es habe kein Triumphgeheul gegeben und auch keinen Bildersturm. Sie sei häufig gefragt worden, warum das Bild von Ernst Moritz Arndt immer noch im Foyer des Rektorats hänge. „Und als ich dann antwortete: Ernst Moritz Arndt ist Teil dieser Universität und wird es bleiben”, sagte Johanna Weber, „da waren glaub ich viele verblüfft.”

Die Arbeitsgruppe, die das Gutachten erstellt hat, gibt der Universität keine Empfehlung dazu, wie sie mit dem Namen umgehen soll. Aber Olaf Blaschke sagte im Mai in dem SZ-Interview, es gebe in Deutschland 13 Universitäten mit Stifternamen. Eine Debatte über die Stifter finde in keiner davon statt. „Mit dieser Debatte betritt Münster also Neuland“, sagte er.

Es wäre ein großer Schritt und möglicherweise ein Anfang. Wenn der Senat im ersten Quartal 2023 zu dem Entschluss kommen sollte, dass es besser ist, wenn die Universität Münster den Namen Wilhelms ablegt, könnte es sein, dass in Münster endlich Ruhe ist, aber woanders der Lärm beginnt.

In aller Kürze

+++ Wenn es nach den Versprechen aus der Vergangenheit geht, dann wäre die Bahnstrecke zwischen Münster und Lünen längst zweispurig. Aber nachdem der CDU-Staatssekretär Enak Ferlemann den Ausbau bei der Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs vor vier Jahren angekündigt hatte, ist nicht so viel passiert, genau genommen: gar nichts. Daher liegt der Verdacht nahe, dass die Ankündigung damals auch mit den bevorstehenden Bundestagswahlen zu tun gehabt haben könnte. Klaus Baumeister hat für die Westfälischen Nachrichten (leider nicht online) Bundestagsmitglieder aus Münster gefragt. Und abgesehen vom CDU-Kandidaten Stefan Nacke und der CDU-Mandatsinhaberin Sybille Benning können auch die übrigen Abgeordneten aus Münster in Berlin nur wenig Gutes an der Sache erkennen, also Maria Klein-Schmeinck (Grüne), Hubertus Zdebel (Linke) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), wobei Svenja Schulze natürlich selbst Teil der Bundesregierung ist, die das alles vor sich herschiebt. Die Frage ist, wie es jetzt weitergeht. Und ein Teil der Frage lässt sich auch schon beantworten. Am 26. September geht es weiter mit der Bundestagswahl.

+++ Schon wieder kein Sommersend in diesem Jahr, meldet das Presseamt. Aber dafür kommt wieder ein mobiler Freizeitpark, der sich zudem so sehr gar nicht vom Send unterscheidet. Er ist etwas kleiner, der Eintritt kostet einen Euro, und der Freizeitpark wird etwas länger bleiben als der Sommersend, nämlich vom 31. Juli bis zum 15. August. Voraussetzung ist allerdings: Muss entweder geimpft, getestet oder genesen sein.

Korrekturen und Ergänzungen

Im RUMS-Brief am Freitag schrieben wir über einen Vorschlag der FDP zur Situation am Aasee, auf den die Grünen, SPD, Volt und die CDU ihr Logo haben setzen lassen. also eine seltene Einigkeit im Rat. Dazu hatten wir das von der Stadt veröffentlichte Dokument verlinkt. Doch im Rat hatte man sich auf eine leicht veränderte Version geeinigt. Das wäre diese hier.

Corona-Update

Die Coronazahlen für Münster bleiben auf einem Niveau, das im Vergleich zu dem der vergangenen Monate harmlos erscheint. Die Stadt meldet heute eine Wocheninzidenz von 2,5 (Neuinfektionen pro 100.000 Menschen innerhalb von sieben Tagen). Wenn Sie in den nächsten Tagen oder Wochen eine Reise geplant haben, was in den Sommerferien ja nicht so unwahrscheinlich ist, sieht das alles schon ganz anders aus. Die ersten Reisegesellschaften haben Pauschalreisen nach Portugal abgesagt, meldet unter anderem die Tagesschau. Auch in England sieht nicht so gut aus. Und das Superspreader-Endspiel der Europameister steht ja noch bevor. In Deutschland schätzt das Robert-Koch-Institut den Anteil der ansteckenden Delta-Variante inzwischen auf etwa die Hälfte aller Infektionen. Und zum Abschluss noch eine gute Nachricht: Die Wocheninzidenz in ganz Deutschland lag am Montag bei 5.

Unbezahlte Werbung

Vor vier Wochen auf einer Radtour hatten wir zum Glück ein bisschen Pech. Wir waren in Havixbeck angekommen und etwas zu spät. Das Restaurant auf unserem Weg hatte schon geschlossen. Wir fuhren also weiter und fanden den Biergarten vor dem Restaurant Lauschig, schräg gegenüber vom Stift Tilbeck. Vom Hauptbahnhof aus sind es 16 Kilometer, aber es gibt einen sehr schönen Radweg und bei schlechtem Wetter auch eine gut ausgebaute Straße. Und noch ein Tipp: der Münsterländer Backschinken. Hier geht’s zur Speisekarte.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Wir müssen reden

Am Wochenende müssen wir wieder mal reden. Diesmal über die Verkehrswende in Münster – über die autofreie Innenstadt, den Flyover, Parkplätze, den Busverkehr und rote Farbe auf der Straße. Zu Gast sind die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Rat, Jule Heinz-Fischer, und der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Walter von Göwels. Am Sonntag werden wir ab 19 Uhr eine Stunde lang diskutieren, dann öffnen wir die Runde für Fragen. Den Sonntag haben wir diesmal gewählt, weil an diesem Freitagabend zwei EM-Spiele stattfinden. Alle weiteren Infos zur Veranstaltung finden Sie hier. Und wenn Sie Fragen haben, können Sie uns die auch vorab schicken.

Drinnen und Draußen

Eva Strehlke hat ein paar Tipps zusammengestellt, das wäre diese hier:

+++ Ist der Mars-Rover eigentlich nur ein riesiges, ferngesteuertes Auto? Oder was kann das Gefährt sonst noch alles? Wenn Sie Kinder zwischen sechs und zehn Jahren haben, können die Ihnen das vielleicht nach den Sommerferien erklären. Dafür müssen Sie sie nur zum Ferienprogramm der Uni Münster anmelden. Für die dritte bis sechste Ferienwoche gibt es noch freie Plätze. Eine Woche Betreuung kostet 120 Euro, Studierende zahlen 100 Euro. Weitere Infos finden Sie hier.

+++ Mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viele Leben verbessern, das ist die Idee des effektiven Altruismus. Ein Beispiel: Hier können Sie ausrechnen lassen, wie viel Sie bewirken können, wenn Sie einen Teil Ihres Einkommens spenden. Die philosophische und soziale Bewegung ist vor ungefähr zehn Jahren entstanden. Und jetzt nach Münster: Hier gibt es eine Lokalgruppe, und die beschäftigt sich morgen ab 20 Uhr auf Zoom mit der Frage, wie man den Klimawandel möglichst sinnvoll und effektiv bekämpfen kann. Linus Mattauch (Juniorprofessor TU Berlin und Potsdam Institut für Klimafolgenforschung) und Franziska Funke (TU Berlin und Potsdam Institut für Klimafolgenforschung) halten dazu einen Vortrag, danach können Sie noch mit ihnen diskutieren. Sie können sich dazu hier vorab anmelden oder einfach morgen bei Zoom mit dem Kenncode 642039 einwählen. Wenn Sie sich vorher schon ein bisschen schlaumachen möchten, empfiehlt die Gruppe diesen Artikel.

+++ Ebenfalls online beschäftigen sich Stefan Querl und Peter Römer von der Gedenkstätte Villa ten Hompel am Donnerstagabend von 19 bis 21 Uhr mit dem Antisemitismus und dem Engagement dagegen in Münster. Ist in Münster wirklich „eine Stadt ohne Problem“e, wie es manchmal heißt? Spätestens seit im Mai vor der Synagoge eine israelische Flagge angezündet wurde, sieht es nicht mehr so aus. Wenn Sie an dem Infoabend der Villa ten Hompel teilnehmen möchten, müssen Sie sich bis spätestens Mittwochabend per E-Mail mit Ihrem Klarnamen anmelden und bekommen dann den Link zur Veranstaltung zugeschickt.

Und noch ein Tipp von mir:

+++ Ich weiß nicht, ob das für Sie infrage kommt, aber haben Sie Interesse an einer großen Karriere in der internationalen Kunstszene? Jonas Riemer, Schauspieler am Theater Münster, lässt die fiktive Figur Jonas Riemer (ja, kein Tippfehler) in fünf Videos am Beispiel von Joseph Beuys erklären, wie man das hinbekommt. In der 13 Minuten langen ersten Folge geht es um den Mythos der Biografie. Anders gesagt: um die Frage, wie man sich seinen Lebenslauf so zurechtlügt, dass irgendetwas Vorteilhaftes hängenbleibt. Die zweite und dritte Folge erscheinen morgen, die übrigen dann am Wochenende. Und nur schon mal für später: Wenn Sie’s mit dem Erfolg dann geschafft haben, melden wir uns für ein Interview.

Der nächste RUMS-Brief kommt am Freitag. Dann schreibt Ihnen Constanze Busch. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine gute Woche.

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Eva Strehlke

PS

Es ist natürlich ein besonderes Jahr, aber irgendwie überrascht es einen ja doch immer wieder. Vieles ist ausgefallen, und das meiste wird wohl nicht nachgeholt werden. Geburtstagsfeiern, Firmenfeste, Abende, von denen man nicht so viel erwartet hat, die sich dann aber überraschend entwickeln. Und das wird ja nun so langsam wieder möglich. Am Samstagabend habe ich einen Spaziergang mit einem Freund gemacht, wie so oft in den vergangenen Monaten. Wir sind durchs Hansaviertel gelaufen, irgendwann standen wir am Hafen, auf dem Parkplatz hinter der Baustelle, auf der früher die Osmohallen standen. Es war schon eine halbe Stunde nach Mitternacht, und dann begann auf der gegenüberliegenden Hafenseite das Feuerwerk, nur eine Minute lang. Etwas spät vielleicht, am 27. Juni 2021. Aber nicht zu spät, denn es beginnt ja alles erst gerade wieder. Und auf keinen Fall zu spät, um sich ein frohes neues Jahr zu wünschen. Das haben wir dann auch gemacht. Und wenn Sie das alles nicht glauben, hier ist ein Foto.

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