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Die unendliche Geschichte der B51 | Neues Fahrradgesetz | La Que
Guten Tag,
in den letzten RUMS-Briefen ging es um die Verkehrspolitik in Münster. Und sie ist auch Thema in diesem Brief, auch wenn die Stadt Münster hier nur indirekt mitentscheiden kann. Das Streitthema beschäftigt die Menschen im Münsterland schon seit vielen Jahren: Die Bundesstraße 51 soll zwischen Münster und Telgte vierspurig werden. Der Landesbetrieb Straßen NRW will den Streckenabschnitt „sicherer und leistungsfähiger“ machen. Aber viele Menschen sind gegen den Ausbau. Wir haben darüber hier bei RUMS schon an der ein oder anderen Stelle berichtet. Heute schauen wir uns das etwas genauer an.
Worum geht es eigentlich?
Zuerst einmal brauchen wir eine Begriffsdefinition. Die B51 führt nämlich nicht nur durch unsere Region, sondern ist eigentlich 570 Kilometer lang. Die Bundesstraße verbindet den Norden und den Süden miteinander, sie verläuft zwischen der Gegend um Bremen und dem Saarland. Die Grundzüge der Strecke hat damals Napoleon Bonaparte erdacht. Ein Teilstück der B51 ist die Verbindung zwischen Münster und Ostwestfalen-Lippe. Und genau um diesen Abschnitt geht es. Der Landesbetrieb Straßen NRW arbeitet schon seit 2015 am Ausbau der B51 – allerdings nicht auf dem Abschnitt zwischen Münster und Telgte, sondern dort, wo die B51 als Umgehungsstraße um Münster herumführt. Auch hier wurde und wird die Fahrbahn verbreitert. Kurz vor der Mondstraße trifft die B51 auf die Warendorfer Straße. Autofahrer:innen, die Richtung Süden fahren, können an dieser Stelle entweder über verschlungene Straßen geradeaus weiter Richtung Greven fahren, oder nach rechts – dann bleiben sie auf der B51 – in Richtung Telgte und Warendorf abbiegen. Um diesen rund sechs Kilometer langen Straßenabschnitt geht es.
Straßen.NRW hält den Ausbau der B51 für unbedingt notwendig. Aktuell führt die Straße nach Telgte über viele Kreuzungen und teilweise unbeschränkte Bahnübergänge, auch Radfahrende müssen immer wieder die Straße kreuzen – laut Straßenbetrieb ein Sicherheitsrisiko. Außerdem sollen die Straßen im Münsterland leistungsfähiger werden. Die vielen Pendler:innen, die täglich über die B51 nach Münster oder aus Münster herausfahren, verstopfen die Straßen.
Mehr Fahrspuren heißt zunächst: besserer Verkehrsfluss. Außerdem sollen anliegende Kreisstraßen und Wirtschaftswege über Brücken geführt werden. Das soll den Verkehr auf der Bundesstraße beschleunigen. Straßen NRW müsste also nicht nur die Fahrbahn verbreitern, sondern auch neue Brücken und Kreuzungen bauen. Außerdem soll ein durchgehender, fast fünf Meter breiter Mehrzweckweg entstehen, den unter anderem Fahrräder und E-Bikes nutzen können. Auf diesem Youtube-Kanal hat Straßen NRW Simulationen hochgeladen, die zeigen, wie die B51 nach den aktuellen Entwürfen aussehen könnte.
Der vierspurige Ausbau der Strecke zwischen Münster und Ostwestfalen – das ist ein altes Projekt. Seit den 60er-Jahren gab es immer wieder Pläne, die Verbindung zwischen den beiden Regionen zu verbessern. Umgesetzt hat man sie nicht. Das heutige Ausbaukonzept beruht auf Planungen aus den frühen 90er-Jahren.
Auch den Protest gegen den Ausbau gibt es schon seit Jahrzehnten. Mehrere Bürgerinitiativen, zum Beispiel in Handorf und in Telgte, setzen sich dafür ein, dass die Straße zweispurig bleibt, wegen der Umwelt, der umgeleiteten Zugangswege und weil sie finden, dass Straßen NRW bei der Planung nur das Auto berücksichtigt habe. Nach den aktuellen Entwürfen sollen nämlich zum Beispiel Bushaltestellen wegfallen und die Busspur in Handorf umgeleitet werden. Die Initiativen fordern eine Planung, die alle Verkehrsmittel berücksichtigt. „So wie sie aktuell geplant wird, wird die B51 ein Fremdkörper sein, der gewachsene Strukturen auseinanderbricht“, sagt Katrin Eping von der Bürgerinitiative in Handorf und Mauritz. Im Sommer trafen sich rund 500 Aktivist:innen aus der ganzen Umgebung in Telgte, um gemeinsam zu demonstrieren. Gekommen waren sie mit dem Fahrrad, über die Bundesstraße.
Was bisher geschah
Lange war die Mehrheit im Rat der Stadt Münster für den Ausbau der B51. Noch im Jahr 2019 nannte Oberbürgermeister Markus Lewe in den Westfälischen Nachrichten das Vorhaben „alternativlos“, um Münster besser mit Ostwestfalen und der Autobahn 2 zu verbinden. Zu massiv sei das aktuelle Verkehrsaufkommen. Schon jetzt staue sich der Verkehr. Die Grünen lehnen das Projekt seit Jahren ab. Mit der schwarz-grünen Ratskoalition ab 2016 kam Bewegung in die Debatte.
Im vergangenen Sommer verabschiedete der Rat der Stadt Münster eine Resolution gegen die aktuellen Ausbaupläne. Weil auch die Grünen dem Papier zustimmten, kündigte die CDU die Zusammenarbeit in der Koalition. In der Resolution fordert der Rat Nachbesserungen bei den Plänen für den B51-Ausbau. Im Kommunalwahlkampf im Herbst 2020 rückte dann auch Oberbürgermeister Lewe davon ab, den Ausbau alternativlos zu nennen. Wichtig sei, dass sich die Struktur der Straße verbessere, sagte er den Westfälischen Nachrichten.
Im Dezember wurde der Ausbau der B51 dann wieder zum Thema in der Stadtpolitik. Grüne und SPD vermuteten, dass die Verwaltung (insbesondere der Stadtbaurat) entgegen dem Ratsbeschluss an dem Ausbau der B51 festhalten wolle, zumindest auf dem Teilstück bis nach Handorf. Die Grünen schrieben einen Brief an den Oberbürgermeister.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Gutachten. Das hatte Straßen NRW 2018 in Auftrag gegeben, um zu untersuchen, wie sich der Verkehr zwischen Münster und Telgte in den kommenden Jahren entwickeln könnte. Das Gutachten empfiehlt klar den vierspurigen Ausbau. Bis zu 35.000 Fahrzeuge seien bis 2030 auf dem Streckenabschnitt zu erwarten, davon 2.300 Schwerlastfahrzeuge. Heute liegt das Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke laut Straßen NRW bei etwa 25.000 Kraftfahrzeugen. Schon jetzt staut sich der Verkehr. Außerdem kommt das Gutachten zu dem Schluss: Selbst wenn die Bahn auf der Strecke doppelt so oft fahren würde wie jetzt, blieben trotzdem noch 33.500 Fahrzeuge auf der B51. Für den Güterverkehr sei das Gleisbett zudem nicht belastbar genug. Würde man noch ein weiteres Gleis verlegen, müssten ganze Häuserzeilen weichen, unter anderem in Münster, Telgte und Warendorf.
Doch in den letzten Jahren hat Straßen NRW seine Prognose leicht nach unten korrigiert, so zumindest steht es in einer Beschlussvorlage der Stadt Münster. Der Rat beauftragte deshalb eine neue Untersuchung zum erwarteten Verkehrsaufkommen, und zwar über das Jahr 2035 hinaus. Außerdem soll das Gutachten die Auswirkungen des B51-Verkehrs auf die Straßen in Münster untersuchen – und dabei auch umweltfreundlichere Verkehrsalternativen berücksichtigen, also Velorouten, Schnell- und Regionalbusse oder die geplante S-Bahn Münsterland.
Was ist der aktuelle Stand?
Das Ratsbündnis hat seine Positionen gegen den Ausbau im September noch einmal bekräftigt. In einem Ergänzungsantrag zur Konzeptstudie zur Klimaneutralität steht: „Kein weiterer Straßenneubau zur Förderung des MIV (motorisierter Individualverkehr, Anm. RUMS) und insbesondere kein Ausbau der B51.“
Auch die Internationale Fraktion aus ÖDP und Partei ist gegen den Ausbau. Er widerspreche sämtlichen Klima- und Entwicklungszielen einer Verkehrswende, sagt der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Maximilian Brinkmann-Brand von der ÖDP: „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten.“ Die Politik solle stattdessen besser versuchen, die Bahnstrecke zwischen Warendorf und Münster zu verbessern, die Bahnübergänge zu sichern und den Fahrplantakt zu verdichten. So würden für Pendler:innen Alternativen zum Auto geschaffen. Außerdem haben in der Corona-Pandemie immer mehr Betriebe das Arbeiten im Homeoffice ermöglicht. Auch das entlastet die Straßen. Ganz wichtig ist der Fraktion: Es brauche eine Transformation im Kopf. Dazu gibt es übrigens auch Studien. Die Gewohnheit der Autofahrer:innen sei aktuell das größte Hindernis der Verkehrswende, sagte erst in der letzten Woche ein Verkehrspsychologe der FAZ.
Die FDP ist nicht gänzlich gegen den Ausbau der B51. Der Fraktionsvorsitzende Jörg Berens hält es für sinnvoll, die Straße Richtung Telgte zu verbreitern. Aber die Planung sollte noch einmal überarbeitet werden, sagt er. Braucht es wirklich vier Fahrspuren? Reichen nicht vielleicht auch drei? Denkbar sei zum Beispiel ein Modell, bei dem die dritte Fahrspur je nach Tageszeit der einen oder der anderen Richtung zugeschlagen werden kann – ganz im Zeichen der smarten Mobilität. Schließlich fahren die meisten Pendler:innen morgens in die Stadt und abends wieder heraus. Außerdem zweigen mehrere Straßen und landwirtschaftliche Wege von der Bundesstraße ab. Auch das hält Berens nicht in allen Fällen für notwendig. Straßen NRW betont dazu, dass die B51 auch künftig von überall erreichbar sein werde. „Alle Straßen werden angebunden“, sagt Sprecherin Sandra Beermann. „Aber eben nicht direkt“. Künftig solle es nur noch einige große Kreuzungen statt vieler kleiner Zugänge zur B51 geben. Über Parallelstraßen werden alle Wege dann zu eben diesen Kreuzungen geführt. Anlieger:innen müssten also lediglich Umwege in Kauf nehmen.
Auch die CDU sieht die aktuellen Ausbaupläne kritisch. Das Münsterland müsse besser an Ostwestfalen angebunden werden, das ist für den Fraktionsvorsitzenden Stefan Weber ganz klar. Die bestehenden Straßen seien häufig deutlich überlastet, die Stadtteile Handorf, Mariendorf, Sudmühle und Mauritz würden schon jetzt unter dem Ausweichverkehr leiden. Trotzdem müssten Alternativen zum vierspurigen Ausbau geprüft werden. Und man müsse das Potenzial der öffentlichen Verkehrsmittel oder des Fahrrads stärker in den Blick nehmen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Pläne für den Ausbau der B51 sind zurzeit noch Entwürfe. Zumindest für den Abschnitt bis Handorf ist die Planung schon ein bisschen konkreter. Straßen NRW will den Verkehrsministerien von Bund und Ländern bald einen Vorentwurf zur Genehmigung vorlegen. Die prüfen dann die technischen Details des Entwurfs. Im Bauprozess ist das quasi die erste Hürde, die das Projekt nehmen muss.
Danach kommt das sogenannte Planfeststellungsverfahren. In dieser Phase bekommen auch Bürger:innen und Kommunen die Gelegenheit, Einwände gegen die Entwürfe zu äußern. Gleichzeitig führt Straßen NRW weitere Untersuchungen durch und passt die Pläne dann erneut an – bestenfalls unter Berücksichtigung aller Einwände und der neuen Daten. Bis zu sechs Jahren kann so ein Verfahren dauern. Erst danach wird aus den Entwürfen ein richtiger Bauplan.
Die Kommunen, durch deren Gebiet die Straße führt, haben dabei nicht viel zu sagen. Sie sind für den Ausbau nicht zuständig. Die B51 ist eine Bundesstraße. Die Detailplanung übernimmt das Land und damit Straßen NRW. Es hilft also auch nicht, dass der Rat der Stadt Telgte ebenfalls eine Resolution gegen den B51-Ausbau verabschiedet hat. Die Ausbaupläne stehen, sie sind im Bundesverkehrswegeplan 2030 festgeschrieben. Wollen die Städte den Ausbau verhindern, müssen sie dagegen klagen.
Aber in Stein gemeißelt sind die Pläne noch nicht. Es ist ein langwieriger Prozess. Und Straßen NRW hat auch schon angekündigt, bei den Entwürfen Faktoren wie die Coronapandemie und das Homeoffice zu berücksichtigen. Konkrete Zahlen lägen aber noch nicht vor, sagt Straßen NRW-Sprecherin Sandra Beermann. Ab 2023 werde es neue Verkehrsprognosen geben, die wiederum die Entwürfe beeinflussen werden: „Wir entwickeln Lösungen für die aktuelle Situation, eine Planung wird auf wissenschaftlichen Grundlagen erstellt, und sollte die sich verändern, wird auch der Entwurf angepasst.“
Gut möglich also, dass das Bauprojekt B51 – sollte es wirklich kommen – einmal ganz anders aussehen wird, als es die jetzigen Entwürfe zeigen. Die Koalitionsverhandlungen in Berlin laufen noch. NRW wählt im Frühjahr einen neuen Landtag. Bis dahin kann also noch viel passieren.
++++ Nordrhein-Westfalen bekommt ein Fahrradgesetz. Der NRW-Landtag hat den Gesetzentwurf am Donnerstag angenommen. Das Gesetz soll das Fahrrad mit anderen Verkehrsmitteln gleichstellen. Der Anteil des Radverkehrs soll von aktuell 9 auf 25 Prozent steigen, die Kommunen sollen ihre Radverkehrsnetze ausbauen. Das Gesetz geht zurück auf die Initiative „Aufbruch Fahrrad“, die dafür mehr als 200.000 Unterschriften gesammelt hat. Die Freude auf Seiten der Initiative hält sich aber in Grenzen, berichtet der WDR. Den Initiativen ist das Gesetz zu zahm, es fehlten konkrete Maßnahmen für einen besseren Radverkehr, heißt es.
++++ Weil in Münster überall E-Scooter wild auf Gehwegen oder Seitenstreifen stehen, überlegt die Stadt Münster, eine Gebühr für Verleihfirmen einzuführen (wir schrieben im September darüber). Ordnungsdezernent Wolfgang Heuer sagte den Westfälischen Nachrichten, er werde dem Rat eine Gebühr von 50 Euro je Scooter vorschlagen. Gelten soll das Ganze ab 2022. Damit sollen die Verleihfirmen quasi den Flächenverbrauch der E-Scooter ausgleichen. Das müssen auch Gastronom:innen. Sie zahlen eine Gebühr, wenn sie öffentliche Flächen für ihre Außengastronomie nutzen. Im Dezember soll der Vorschlag im Rat auf der Tagesordnung stehen.
Die Sieben-Tage-Inzidenz in Münster, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche, schwankt zurzeit stark. Heute liegt der Wert bei 84,7, gestern bei 70, Anfang der Woche meldete die Stadt eine Inzidenz von fast 90. Trotz der Schwankungen lässt sich ein Trend ablesen: Die Inzidenz steigt. Nicht nur in Münster, sondern im gesamten Münsterland. Das Robert-Koch-Institut meldet für heute 51 Neuinfektionen. Von den aktuell 492 Infizierten in Münster werden zurzeit sechs Menschen auf einer Intensivstation behandelt, vier Patient:innen müssen beatmet werden.
Über 40 Prozent aller neuen Corona-Infektionen in Düsseldorf sind auf Impfdurchbrüche zurückzuführen. Das hat Düsseldorfs Oberbürgermeister auf einer Pressekonferenz verkündet. Auf den ersten Blick klingt das krass, doch es lohnt, ein wenig genauer hinzuschauen. Denn das Robert-Koch-Institut wertet nur diejenigen Fälle als Impfdurchbrüche, die auch Symptome entwickeln. Ob Düsseldorfs Bürgermeister dieselbe Definition zugrunde legt, oder ob er alle geimpften Infizierten zählt, mit Symptomen oder ohne, das hat er nicht definiert.
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Am Dienstag schreibt Ihnen Edina Hojas. Haben Sie ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Ann-Marlen Hoolt
Mitarbeit: Johanne Burkhardt
PS
Dann noch etwas in eigener Sache. RUMS braucht Verstärkung in der Redaktion. Hier finden Sie unsere Ausschreibung. Erzählen Sie es gern weiter.
Und zum Schluss eine gute Nachricht: Im vergangenen Jahr hat Andreas Holzapfel von der Reportageschule Reutlingen für uns die Reportage „Lieber tot als zurück“ geschrieben, in der es um einen Geflüchteten geht, der in Münster gelandet ist, aber eigentlich nie nach Deutschland wollte. Sein Text ist beim Reporter:innenpreis nominiert, einem der wichtigsten deutschen Journalistenpreise. Falls Sie den Text verpasst haben, Sie finden ihn hier.
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