Neue Corona-Todesfälle | Realitätsfernes Schulkonzept | Maria 2.0

Porträt von Constanze Busch
Mit Constanze Busch

Guten Tag,

heute hat die Stadtverwaltung eine traurige Meldung geschickt: In Münster sind in dieser Woche zwei weitere Covid-19-Patient:innen gestorben, ein 88-jähriger Mann und eine 97-jährige Frau. Insgesamt gab es in der Stadt inzwischen 15 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Und in der Pressemitteilung standen leider noch mehr schlechte Nachrichten: Seit gestern wurden 61 Neuinfektionen gemeldet, damit sind aktuell 197 Münsteraner:innen infiziert.

Bisher lag Münster als eine der letzten Städte in Nordrhein-Westfalen immer noch unter der ersten Warnschwelle von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen und Woche. Dieser Grenzwert wird heute deutlich überschritten, offiziell werden die vielen Neuinfektionen aber erst um Mitternacht in der Statistik des Landeszentrums Gesundheit NRW auftauchen. Die Stadt hat für diesen Fall schon eine neue Verfügung vorbereitet, die ab Montag gelten wird. Dann sind Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmer:innen verboten, auf Hochzeiten und ähnlichen privaten Festen dürfen nur noch 25 Menschen zusammen feiern. Bei Konzerten und anderen Veranstaltungen, die drinnen stattfinden, müssen Sie auch an Ihrem Platz eine Alltagsmaske tragen.

Hatten wir das nicht schon mal?

All das ruft bange Erinnerungen ans Frühjahr wach. Überhaupt fühlten sich die vergangenen Wochen an wie ein Déjà-vu. Kanzlerin Merkel hat mit einer Video-Botschaft wieder dazu aufgerufen, weniger Menschen zu treffen. Die Bundesländer haben versucht, sich auf einheitliche Regeln zu einigen, es ist so mittelgut gelungen. Und gleich darauf ist Markus Söder in Bayern wieder mit noch strengeren Maßnahmen vorgeprescht, für die er die neue Ampelfarbe „Dunkelrot“ erfunden hat.

Es ist wieder vom Lockdown die Rede, den es eigentlich nicht geben soll. Regional vielleicht aber doch, und laut Frank Ulrich Montgomery, dem Vorsitzenden des Weltärztebundes, geht es ab 20.000 Neuinfektionen pro Tag wohl nicht mehr ohne deutschlandweite Pause. Im Berchtesgadener Land ist der Lockdown jedenfalls schon da (auch wenn der Landrat ihn nicht so nennen möchte). Und in anderen europäischen Ländern sowieso, zum Beispiel in Tschechien und Irland. Hatten wir das alles nicht schon mal?

Noch ein Déjà-vu: Was ist mit den Schulen?

Pünktlich zum Ende der Herbstferien flammte dann auch die Diskussion um die Schulen wieder auf. Die Frage war: Wie soll es nach den Ferien dort weitergehen? Soll es weiter Präsenzunterricht geben, auch in Risikogebieten? Ginge es nach dem Robert-Koch-Institut (RKI), wäre die Antwort: nein, jedenfalls nicht für alle gleichzeitig. In seinem Papier „Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie“ empfiehlt das RKI, Schulklassen in Risikogebieten (mindestens 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen und Woche) zu verkleinern, damit die Schüler:innen den Mindestabstand von 1,5 Metern wieder einhalten können. Das würde bedeuten: Nur ein Teil der Klasse säße im regulären Unterricht, während die anderen Schüler:innen anderswo in der Schule betreut werden oder zu Hause bleiben müssten. Laut Robert-Koch-Institut sollten die Verantwortlichen in Risikogebieten sogar prüfen, ob Schulen vorübergehend komplett geschlossen werden müssen. Im Berchtesgadener Land ist das jetzt passiert, für zwei Wochen wurden dort Schulen und Kitas geschlossen. Vorerst.

In Nordrhein-Westfalen haben inzwischen 80 Prozent der Städte und Gemeinden die Sieben-Tage-Inzidenz von 50 überschritten. Schulministerin Gebauer will trotzdem am Präsenzunterricht festhalten. Er sei „die beste Form des Lernens“ und biete den Schüler:innen ein Stück Normalität, sagte sie am Mittwoch in einer Pressekonferenz zu den „angepassten“ Regeln für die Schulen. Neu ist an diesen Regeln nur: Schüler:innen ab der fünften Klasse müssen auch während des Unterrichts wieder Alltagsmasken tragen, und zwar im gesamten Bundesland.

An der Realität vorbei geplant

RKI-Präsident Wieler sagte im Pressebriefing am Donnerstag: Je stärker die Fallzahlen insgesamt steigen, desto mehr Ausbrüche wird es auch in Schulen geben. Aktuelle Zahlen für Münster konnte uns die Stadt bis Freitagnachmittag nicht nennen. Bis zum 5. Oktober (also kurz vor den Herbstferien) wurden neun Lehrer:innen und Sozialpädagog:innen und sechs Schüler:innen positiv getestet. Das klingt nicht nach viel, hatte aber Folgen: Mehr als 600 Schüler:innen und 56 Lehrer:innen und Schulbegleiter:innen mussten als Kontaktpersonen in Quarantäne. Und der Herbst hat erst begonnen. Die Zahlen werden weiter steigen, je mehr sich das Virus in der Fläche verbreitet und je mehr Menschen sich insgesamt anstecken.

Trauriger Spitzenreiter in Nordrhein-Westfalen ist heute die Stadt Baesweiler bei Aachen. Dort hat das Gesundheitsamt innerhalb der letzten Woche 328 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen registriert. Da wirkt die Vorstellung, in den Schulen könne jetzt alles normal weitergehen (nur halt mit Maske und offenem Fenster), ausgesprochen realitätsfern.

„Dem Virus zeigen, dass es sich den falschen Wirt ausgesucht hat“

Und wie geht es nun überhaupt weiter, außerhalb der Schulen? Steuern wir wirklich auf einen zweiten Lockdown zu? Wenn die Virolog:innen und Epidemiolog:innen Recht haben, dann werden die nächsten Tage und Wochen darüber entscheiden, ob wir den rasanten Anstieg der Infektionskurven in Deutschland noch ausbremsen können. Schaffen wir das? Wie sollen wir uns von den inzwischen erschreckend hohen Zahlen nicht entmutigen lassen, die sich offenbar nicht einmal mehr mit den drei normalen Ampelfarben darstellen lassen?

Die Wissenschaftsjournalistin und YouTuberin Mai Thi Nguyen-Kim hat dazu im heute journal einen sehr schönen Vorschlag gemacht: „Ich stelle mir manchmal vor, was das Virus denken würde, wenn es denken könnte. Es würde denken: Ich habe den perfekten Wirt, diese Menschen. Sie leben auf dem ganzen Planeten, sind soziale Wesen und gehen gerne feiern. Wir müssen entgegnen: Nein, Virus. Hast du denn gar nichts aus der Evolution gelernt? Wir sind verdammt gut darin, uns in schwierigen Situationen anzupassen. Und wir werden irgendwann auf dem Mars leben, nur weil wir es können. […] Wir werden dir zeigen, dass du dir den falschen Wirt ausgesucht hast.“

Wie wir das konkret im Alltag machen können, hat die Sars-CoV-2-Expertin Isabella Eckerle in einem Gastbeitrag für die Zeit aufgeschrieben. Keine Sorge, sie betet darin nicht wieder nur die AHA-Regel herunter. Stattdessen kommen Glühwein, Lebkuchen, Kastanien und Balkon-Treffen vor. Der Text heißt „Diesen Winter noch“, und so ist er auch gemeint: Das ist jetzt alles anstrengend, aber es wird wieder leichter. Höchstwahrscheinlich schon im nächsten Jahr.

In aller Kürze

+++ Die Staatsanwaltschaft hat im Missbrauchsfall von Münster eine neue Anklage gegen den Beschuldigten aus Münster und einen (ebenfalls bereits angeklagten) Mann aus Schorfheide erhoben. Die beiden Männer sollen Ende März 2020 zwei Kinder schwer sexuell missbraucht und ihnen vorher Betäubungsmittel gegeben haben. Eines der Kinder soll der damals zehnjährige Sohn der Lebensgefährtin des Angeklagten aus Münster gewesen sein, das dieser mehrfach vergewaltigt und anderen Männern zum Missbrauch angeboten haben soll. Die Staatsanwaltschaft möchte das Verfahren nun mit dem Hauptverfahren zusammenlegen, das am 12. November beginnen wird.

+++ Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wird vorerst keine Interviews und Pressekonferenzen mehr geben, berichten unter anderem die Tagesschau und das Handelsblatt. Der Grund: Der Unternehmer Thomas Siepelmeyer aus Münster hat vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgesetzt, dass die IHK Nord Westfalen aus dem Dachverband austreten muss, weil der DIHK sich regelmäßig zu klima-, umwelt- und anderen allgemeinpolitischen Themen geäußert hatte (RUMS-Brief vom 16. Oktober). Ziel des DIHK ist es, dass die IHK Nord Westfalen demnächst wieder eintreten kann. Deshalb will der Vorstand des Dachverbands mit der Öffentlichkeitsarbeit pausieren, bis sie die schriftliche Urteilsbegründung erhalten und ausgewertet hat. Das wird voraussichtlich in ein paar Wochen der Fall sein.

+++ Das Universitätsklinikum Münster (UKM) hat heute zwei Covid-19-Patient:innen aus den Niederlanden aufgenommen. Im Nachbarland haben sich in den letzten Wochen so viele Menschen mit dem Coronavirus angesteckt, dass die Kapazitäten der Intensivstationen nicht mehr ausreichen. Nordrhein-Westfalen, das allein rund fünf Mal so viele Intensivbetten hat wie die Niederlande, hatte schon vor einigen Wochen Unterstützung angeboten. Gut 80 Betten stehen in NRW für niederländische Patient:innen zur Verfügung. Das UKM koordiniert im Auftrag der Landesregierung das Nachbarschaftshilfe-Projekt.

+++ Die Stadtwerke setzen ab Montag in der Hauptverkehrszeit (zwischen 6:30 und 8:30 Uhr sowie zwischen 13 und 17:30 Uhr) mehr Busse ein, weil sie im Herbst und Winter mehr Fahrgäste erwarten. Auf der Linie 5 (von und nach Gievenbeck) wird dann zwischen Berg Fidel und Gievenbeck Heekweg alle zehn Minuten ein Bus fahren. Auf der Linie 15 (von und nach Kinderhaus) wird die Strecke zwischen Schulzentrum Kinderhaus und Hauptbahnhof verstärkt. Zusammen mit der Linie 16 fährt dort schon heute alle 10 Minuten ein Bus, die drei zusätzlichen Busse pro Stunde werden jeweils fünf Minuten nach der regulären Linie 15 eingesetzt, teilen die Stadtwerke mit. Zusatzfahrten gibt es auch auf den Linien 1, 6, 8 und 12, eine Übersicht finden Sie auf der Website der Stadtwerke.

Unbezahlte Werbung

Dort, wo sich seit einigen Jahren der Germania Campus befindet, schloss bereits im Jahr 1984 die Germania-Brauerei ihre Tore. Heute wird ihr Gebäude von einem Hotel genutzt, doch nur wenige Schritte entfernt braut sich seit einigen Jahren wieder was zusammen. Dank verglaster Wände ist die Dackel-Brauerei am Dorpatweg 10 nicht zu übersehen. Das ist auch gut so: Wenn Sie Glück haben, können Sie beim Vorbeispazieren dabei zuschauen, wie das Dackel-Bier von den Betreibern eigenhändig gebraut wird. Eine Empfehlung von meiner Kollegin Marie Schwesinger: Das kaltgehopfte Pils ist ein Muss für Bierliebhaber:innen und für alle, die es noch werden wollen. Kaufen können Sie das „Dackel“ bei Zedler’s Genuss Company am Dorpatweg 6 – 8, Montag bis Freitag 9 bis 18:30 Uhr und Samstag 9 bis 16 Uhr. Oder schauen Sie hier nach, vielleicht finden Sie das „Dackel“ auch in Ihrer der Nähe.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

+++ Um mal das Gute an den Veranstaltungen während der Corona-Zeit hervorzuheben: Sie sind sehr exklusiv. Im Kleinen Bühnenboden an der Schillerstraße haben morgen Abend 22 Menschen die Chance, Michael Tumbrinks preisgekröntes Kabarett-Programm „Der Erfolg gibt mir nichts“ zu sehen. So viele Plätze stehen momentan zur Verfügung. Karten gibt es online.

+++ Wer am Wochenende gern eine Radtour mit etwas Politischem verbinden würde, aber möglichst nicht alleine, könnte darüber nachdenken, am Sonntagnachmittag zur Stubengasse zu kommen. Dort beginnt um 15 Uhr die Fahrraddemo „Kidical Mass Münster“. Die Aktion soll darauf aufmerksam machen, dass nach Ansicht der Veranstalter:innen noch immer zu wenig zum Schutz von schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen getan wird – also zum Beispiel Kindern, die mit dem Rad unterwegs sind. Noch ein Anreiz für die Kinder, am Sonntag teilzunehmen: Sie dürfen den Platz vor der Stubengasse mit Kreide bemalen.

+++ Und noch einmal zur Erinnerung: Am Samstag und Sonntag öffnen am Hawerkamp die Ateliers. Sie müssten sich nur bis heute Abend 22 Uhr hier anmelden und am besten zeitig da sein. Die Schlange am vergangenen Wochenende war recht lang.

Wenn Sie am Wochenende eher Lust auf Theater oder Musik haben, schauen Sie am besten in den Veranstaltungskalender der Nadann, für Samstag hier, für Sonntag hier. Da gäbe es auch noch so einiges. Und wie auch immer Sie sich entscheiden, denken Sie am Samstagabend dran: Die Nacht ist eine Stunde länger. Die Uhr wird um eine Stunde zurückgestellt.

Der neue RUMS-Beitrag

Die Hierarchien sollen verschwinden, Frauen sollen mitbestimmen, weg mit dem Zölibat: Die feministische Bewegung „Maria 2.0“ will die katholische Kirche verändern und hat sich dafür viel vorgenommen. Katharina Reckers von der Reportageschule Reutlingen hat für RUMS mit Lisa Kötter gesprochen, die die Bewegung zusammen mit anderen Katholikinnen aus Münster gegründet hat. Im Interview erzählt sie, warum sie nicht aus der Kirche austreten möchte und warum viele ihrer stärksten Kritiker:innen Frauen sind. Hier geht es zu unserem neuen RUMS-Beitrag.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Herzliche Grüße

Constanze Busch

Mitarbeit: Marie Schwesinger

PS

Vielleicht haben Sie sich gewundert, dass ich in meinem Brief gar nichts übers Nagetier-Shopping geschrieben habe. Das hat einen Grund: Alles Wichtige zum „Klopapier-Index“ und wie Sie ihn richtig lesen, haben meine Kolleg:innen von der taz schon in diesem sehr unterhaltsamen, aber auch ein bisschen ernsten Beitrag zusammengefasst. Darin erfahren Sie auch, was leere Nudelregale mit der Berliner Mauer zu tun haben.

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