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Ein-Euro-Busticket für Münster? | Bio-Bier-Pioniere | RUMS-Geschenk-Abo
Guten Tag,
Bus fahren für einen Euro – das klingt gut, oder? Grüne, SPD und Volt finden jedenfalls: Ja. Deshalb hat das neue Ratsbündnis das Ein-Euro-Ticket für Münster per Antrag auf die Tagesordnung für die Ratssitzung am kommenden Mittwoch gehoben. Das ist nicht sehr überraschend, schließlich hatten sich im Kommunalwahlkampf alle drei Parteien die Mobilitätswende auf die eine oder andere Art auf die Fahnen geschrieben. Und dazu gehört immer auch die Forderung, der ÖPNV solle attraktiver und eine bessere Alternative zum eigenen Auto werden.
Aber was heißt das nun genau, soll jede Busfahrt nur noch einen Euro kosten? Wir haben uns den Antrag im Detail angeschaut. Und wir haben für Sie recherchiert, welche Erfahrungen man in anderen Städten und Ländern mit dem Ein-Euro-Ticket gemacht hat.
Ein Euro pro Tag, aber nur im Jahresabo
Um die erste Frage zu beantworten: Nein, es soll nicht jede Busfahrt einen Euro kosten, jedenfalls nicht sofort. Erst einmal soll das bisherige 8-Uhr-Ticket zu einem Vor-8-Uhr-Ticket werden. Dieses Ticket kostet 31 Euro pro Monat (im Abo), umgerechnet also etwa einen Euro pro Tag. Allerdings eben erst ab 8 Uhr, weshalb die meisten Berufstätigen es nicht für ihren Weg zur Arbeit nutzen können. Das wollen Grüne, SPD und Volt jetzt ändern.
In einem zweiten Schritt soll ein Jahresabo zum Preis von 365 Euro eingeführt werden. Das ist zwar deutlich günstiger als etwa das Flex-Abo (432 Euro pro Jahr) oder das Münster-Abo (588 Euro pro Jahr). Im Vergleich zum angepassten 8-Uhr-Ticket sparen Sie allerdings nur symbolische 7 Euro pro Jahr.
Falls Sie jetzt denken: Prima, mit dem 365-Euro-Ticket werden wenigstens die Tarife übersichtlicher – ja, aber nur ein bisschen. Unter anderem sollen nämlich Schüler:innen, Auszubildende und Senior:innen laut Antrag dieselben Rabatte bekommen wie bisher. Kurz nachgeschaut: Für Menschen ab 60 Jahren gibt es ein Ticket, das „60plusAbo“ heißt und mit dem 8-Uhr-Abo identisch ist, es gibt also gar keinen Rabatt. Azubis zahlen 34 Euro im Monat für ein Ticket, das mit keinem anderen im Stadtwerke-Abo-System vergleichbar ist, der Preisnachlass ist deshalb schwer zu beziffern. Welche Rabatte in Zukunft gelten sollen, müssen Politik, Verwaltung und Stadtwerke also erst noch diskutieren.
Ein Euro pro Fahrt: Finanzierbarkeit unklar
Neben Vielfahrer:innen mit einem Abo gibt es ja noch die Menschen, die nur ab und zu den Bus nehmen – oder ihn in Zukunft nehmen sollen, anstatt mit dem Auto zu fahren. Sie zahlen zurzeit 2,20 Euro für ein 90-Minuten-Ticket oder 1,90 Euro für eine Kurzstrecke. Für sie würde es sich lohnen, wenn der Preis pauschal auf einen Euro pro Einzelfahrt gesenkt würde.
Grüne, SPD und Volt geben das in ihrem Antrag als langfristiges Ziel an, formulieren aber auch gleich ein Hintertürchen hinein: „Für einfache Fahrten ohne Abonnement soll 1 Euro je Fahrt unter finanziellen Gesichtspunkten geprüft werden, denn auch einfache Fahrten sollen deutlich günstiger werden.“ Ich lehne mich jetzt mal mit einer Prognose aus dem Fenster: Man wird das Ein-Euro-pro-Fahrt-Ticket prüfen und feststellen, dass es für die Stadtwerke nicht finanzierbar ist. Wer wirklich günstig Bus fahren möchte, wird also voraussichtlich ein Jahresabo buchen müssen.
Für mehr Busfahrten müssten mehr Busse fahren
Noch einmal zurück zum Anfang, nämlich zur Verkehrswende: Die kann bekanntlich nur gelingen, wenn deutlich weniger Menschen mit dem Auto und deutlich mehr mit dem Bus fahren (oder mit dem Rad). Und hier kommen wir zum Knackpunkt des Antrags: Mit einem günstigeren Ticket ist es nicht getan. Die Stadtwerke müssten ihre Busflotte ausbauen und mehr Personal einstellen. Gerade in den Stoßzeiten ist das Angebot nämlich offenbar schon am Limit, wie sich in diesem Corona-Herbst gezeigt hat. Von diesen Investitionen und Mehrkosten, die mittel- bis langfristig (bei gleichzeitig sinkenden Ticketeinnahmen) anfallen würden, steht im Antrag aber kein Wort.
Nahverkehr in Luxemburg: Kostenlos für die Fahrgäste, teuer fürs Land
In welchen finanziellen Dimensionen die Verkehrswende gedacht werden muss, zeigt ein Blick ins Nachbarland Luxemburg. Dort kosten Fahrten im Nahverkehr seit Anfang des Jahres gar nichts mehr, das Großherzogtum will damit sein Stauproblem in den Griff bekommen. Dafür gibt es eine Menge Geld aus: Mit 41 Millionen Euro finanziert das Land die laufenden Kosten im Nahverkehr, zusätzlich sollen künftig 600 Euro pro Kopf in den Ausbau investiert werden.
Zum Vergleich: Deutschland investiert weniger als 70 Euro pro Kopf in die Infrastruktur, für eine richtige Verkehrswende wird mehr nötig sein. Ein komplett kostenfreier ÖPNV scheint hier allerdings undenkbar: Pro Jahr müssten Einnahmeausfälle von 12,8 Milliarden Euro aus Steuermitteln ausgeglichen werden. Wobei: Bei 83 Millionen Menschen in Deutschland wären das 12,90 Euro im Monat pro Person.
365-Euro-Ticket: Top in Wien, Flop in Bonn
Das große Vorbild für deutsche Städte ist wegen dieser Milliardensummen nicht Luxemburg, sondern Wien. Dort gibt es schon seit 2012 ein 365-Euro-Ticket, es wird von sehr vielen Menschen genutzt. Inzwischen haben sogar mehr Leute eine Jahreskarte, als Autos angemeldet sind. Der günstige Preis ist laut Verkehrsbetrieb aber nur die halbe Miete, es gebe auch ein sehr dichtes Haltestellennetz und der ÖPNV sei ausgebaut worden.
Damit sind wir wieder bei den Investitionen. Bleiben die aus, hilft auch das 365-Euro-Ticket nicht viel, wie sich bei einem Modellversuch in Bonn gezeigt hat. Was dort auch ein Problem ist: Das Ticket gilt nur innerhalb der Stadt, viele Fahrgäste wollen aber auch ins Umland fahren.
In Münster haben die Grünen, SPD und Volt das offenbar bedacht: Die Verwaltung solle sich auch dafür einsetzen, dass die Fahrpreise im Münsterland angepasst werden. Tatsächlich wird beim Zweckverband Schienenpersonen-Nahverkehr Münsterland (ZVM) bereits ein 365-Euro-Ticket für die ganze Region diskutiert. Wie finanzielle und Kapazitätsprobleme gelöst werden könnten, ist aber auch beim ZVM noch unklar. Das 365-Euro-Ticket für Münster wird also tatsächlich nur ein kleiner Anfang sein.
+++ Das Bundeskartellamt hat die Flaschenpost-Übernahme genehmigt, meldet unter anderem die Tagesschau. Sebastian Köffer, Leiter des Digital Hub am Hafen, hat in einem Blogbeitrag erklärt, wie die Stadt von dem Geschäft profitieren könnte. „Für Münster hängt an dem Erfolg des Unternehmens vor allem dann viel, wenn der Hauptstandort bleibt. Startet das Geschäftsmodell mit der Übernahme richtig durch, könnte Flaschenpost mittelfristig zum umsatzstärksten Unternehmen in Münster aufsteigen, viele Arbeitsplätze schaffen, viel Gewerbesteuer zahlen, weitere Talente in der Region halten und neue Talente anlocken“, schreibt Köffer. Und falls Sie sich für das Thema interessieren: In diesem Blogbeitrag erklärt Michael Schaefermeyer, warum jemand eine Milliarde Euro für ein Unternehmen ausgibt, das nicht profitabel ist.
+++ Eine erste Zwischenbilanz zur Missbrauchsstudie im Auftrag des Bistums Münster ist: „Kirchennahe Ärzte, Psychologen und Juristen haben zur systematischen Vertuschung von sexueller Gewalt durch Kleriker der katholischen Kirche in größerem Umfang beigetragen als bislang bekannt.“ Das meldet in dieser Woche die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Das Team um Thomas Großbölting, der bis August Professor in Münster war und nun in Hamburg arbeitet, untersucht Akten aus der Zeit zwischen 1950 und 2018. Die bislang vorliegenden Ergebnisse zeigen schon jetzt ein verheerendes Bild. Den Bischöfen Reinhard Lettmann (1980 bis 2008), Joseph Höffner (1962 bis 1969) und Heinrich Tenhumberg (1969 bis 1979) attestiert das Forscherteam „massives Leitungs- und Kontrollversagen“. Man habe Beschuldigte in Schutz genommen und Betroffene und ihre Familien mundtot gemacht. Der WDR berichtet von 300 Missbrauchsopfern und 200 Beschuldigten.
+++ Im Missbrauchsprozess haben in dieser Woche Polizeibeamte ausgesagt, die während der Ermittlungen die Wohnung des Hauptangeklagten aus Münster durchsucht hatten. Wie die Westfälischen Nachrichten berichten, stellten sie dort Festplatten, USB-Sticks und andere Speichermedien sicher. Darauf fanden IT-Fachleute später Dateien, die unter anderem den sexuellen Missbrauch von zwei Jungen beweisen. Eines der Opfer ist der Stiefsohn des Hauptangeklagten. Auch gegen die Mutter des Jungen wird ermittelt. Sie habe den Polizeibeamten nach der Wohnungsdurchsuchung trotz der gravierenden Vorwürfe nicht dabei geholfen, ihren Sohn zu finden, der mit dem mutmaßlichen Täter unterwegs gewesen sei.
+++ Nicht nur beim SC Nienberge gibt es Blindgänger: Die Stadt meldete in dieser Woche zwei weitere Bombenfunde. Am Mittwoch musste der Kampfmittelbeseitigungsdienst zum Wilhelmshavenufer ausrücken und ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg entschärfen. Heute wurden die Spezialkräfte zum Mittelhafen gerufen, konnten aber schnell Entwarnung geben: Der dort gefundene Blindgänger hatte gar keinen Zünder, eine Entschärfung war also unnötig.
Schaut man auf die Karte des Robert-Koch-Instituts, sieht es für Münster im Vergleich zu den Städten in der Umgebung zurzeit ganz gut aus. Laut Landesstatistik ist die Stadt, wenn auch knapp, im Moment kein Risikogebiet. Es ist allerdings auch eine Frage der Perspektive. Vor drei Monaten hätte man sich bei etwa 150 Neuinfektionen in einer Woche doch wahrscheinlich einige Sorgen gemacht. Allein seit Dienstag sind laut Statistik drei Todesfälle hinzugekommen: eine 83-jährige, eine 94-jährige und eine 100-jährige Frau. Die Zahl der Corona-Todesfälle in Münster steigt damit auf 33. Aktuell gelten 370 Menschen in der Stadt als infiziert. Seit Donnerstag kamen 45 hinzu. 31 Menschen werden im Krankenhaus behandelt.
Das Impfzentrum in der Halle Münsterland soll kurz vor Weihnachten stehen, meldet die Stadt in dieser Woche. Dort sollen dann 2.000 Impfungen am Tag möglich sein. Nur um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie lange es dauern würde, die ganze Stadt immun zu machen: Würden sich alle 315.000 Menschen in der Halle Münsterland impfen lassen, und würde man dort tatsächlich täglich 2.000 Impfungen schaffen, wären wir in fünfeinhalb Monaten durch. Und weil im Moment viele Gerüchte und Falschinformationen zu Impfungen im Umlauf sind, hier der Hinweis auf einen Beitrag des ARD-Faktenfinders. Wenn Sie Fragen an die Stadt Münster zu Corona haben, schreiben Sie am besten einfach eine E-Mail.
Zurzeit ist oft zu lesen, auch fürs Homeoffice solle man sich chic machen, um sich Normalität und eine vernünftige Arbeitshaltung zu bewahren. Das mag wohl sein, aber ich finde es zu kurz gedacht: Auch für die Freizeit sollte man sich in diesen Tagen mal richtig in Schale werfen. Ziehen Sie also Ihr Lieblingsoutfit an, auch ein guter Wein oder ein Bier und feudale Käsecracker sind zu meinen heutigen Tipps durchaus angebracht. Los geht’s:
+++ Das Theater Münster lädt in den nächsten Wochen zu virtuellen Konzerten, Tanz- und Schauspielstücken ein. Den Anfang macht morgen um 19 Uhr das Sinfonieorchester mit Felix Mendelssohn Bartholdy, am 12. Dezember (Samstag) geht es weiter mit der Komödie „Alte Meister“. Alle weiteren Termine finden Sie auf der Website, wo Sie die Inhalte jeweils 24 Stunden lang kostenlos anschauen können.
+++ Wir von RUMS laden Sie auch ein, und zwar zu unserer allerersten (digitalen) Veranstaltung. Mein Kollege Ralf Heimann wird am 13. Dezember (Sonntag) ab 18 Uhr mit unserem Kolumnisten Klaus Brinkbäumer über sein Buch „Im Wahn“, über die US-Wahl und über den Lokaljournalismus sprechen. Sie können während des Gesprächs im Chat Fragen stellen, oder Sie schicken sie uns schon vorher per E-Mail. Wo und wie Sie an diesem Abend zu uns stoßen können, schreiben wir Ihnen nächste Woche.
Es gibt ja überall in Deutschland Firmen, die auf ihrem Gebiet die Ersten waren. Der Journalist Jens Brehl hat solche Unternehmen für sein Buch „Für unsere Zukunft – wie Bio-Pioniere die Welt verändern“ besucht und porträtiert: das Weingut Brüder Dr. Becker in Rheinland-Pfalz, den Brezel-Bäcker Huober, insgesamt 16 Unternehmen. In Münster die Brauerei Pinkus Müller, die das nach eigenen Angaben weltweit erste Bio-Bier gebraut hat. Und wer auf seinem Gebiet zu den Ersten gehört, hat es in der Regel mit vielen Widerständen zu tun. Um sie zu überwinden, braucht es vor allem eines: viel Überzeugung von der eigenen Sache. Und die scheint durchweg vorhanden zu sein. Es ist eine sehr schöne Porträt-Sammlung geworden, die vermittelt, dass hinter diesen Firmen Menschen stehen, die von der Idee überzeugt sind, dass nicht das Billigste, sondern das Beste sich durchsetzt. Bestellen können Sie das Buch hier. Und wenn Sie mal reinschauen möchten, hier finden Sie eine Leseprobe.
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Am Dienstag schreibt Ihnen wieder Ralf Heimann. Haben Sie ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Constanze Busch
Mitarbeit: Ralf Heimann, Paul Oppermann
PS
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“
(Bob der Baumeister)
Wenn Sie jetzt lachen, dann teilen Sie meinem Humor und/oder sind Fan der Känguru-Geschichten von Marc-Uwe Kling. In beiden Fällen möchte ich Ihnen die neuen Känguru-Comics empfehlen, die der Autor zusammen mit dem Zeichner Bernd Kissel bei Zeit Online veröffentlicht. Jeden Tag gibt es dort eine neue Mini-Geschichte aus der Kleinkünstler-Beuteltier-Wohngemeinschaft zu sehen und zu lesen. Und falls Sie sich noch mehr falsch zugeordnete Zitate gönnen möchten, gucken Sie hier ins Känguru-Wiki.
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