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Rein in die Zeitung | Raus aus der Kirche | Pommes
Guten Tag,
im Jahr 2018 ließen das Land NRW und die Städte Kerpen und Düren Baumhäuser im Hambacher Forst räumen, in denen Menschen dagegen demonstrierten, dass der Wald für den Braunkohletagebau gerodet werden sollte. Als Grund nannten die Behörden damals Brandschutzmängel an den Baumhäusern. Jetzt hat das Kölner Verwaltungsgericht entschieden: Die Räumung war rechtswidrig, weil der Brandschutz nur vorgeschoben war. Anfang des Jahres war schon ein Video aufgetaucht, in dem Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) von einem „Vorwand“ spricht, um „den Wald (zu) räumen“.
Auf den ersten Blick hat das mit Münster noch nicht viel zu tun; später vielleicht mehr, falls das Oberverwaltungsgericht sich noch einmal mit der Sache beschäftigen muss. Ich schreibe Ihnen das hier, weil die Nachricht von dem Gerichtsurteil an einer anderen Stelle fehlt, nämlich in der gedruckten Ausgabe der Westfälischen Nachrichten. Das Verwaltungsgericht hat am Mittwoch über den Fall entschieden. In der Donnerstagsausgabe der WN steht aber nicht einmal eine kleine Meldung dazu, heute auch nicht. Für die Website hat die Redaktion einen Text der Nachrichtenagentur dpa übernommen. Der Name Armin Laschet taucht in dem Bericht interessanterweise nur in Zitaten von politischen Gegner:innen auf, die ihn natürlich in die Verantwortung nehmen wollen. Die Journalist:innen benennen Laschet nicht als Verantwortlichen, sondern schreiben nur „die NRW-Landesregierung“. Wahlkampf durch Weglassen?
Schauen wir mal weiter. Die Razzia im Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz (SPD) ist der Zeitung heute einen kleineren Text auf der ersten Seite und einen großen Aufmacher auf der vierten Seite wert. Letzterer trägt die Überschrift „Ungemach für Olaf Scholz“. Und so steht es auch im Vorspanntext auf der WN-Website.
Und dann blättern wir noch einmal kurz zurück in die WN vom Donnerstag. Auf der ersten Seite ist ein Hinweis auf den Lokalteil zu lesen. „Wohl kein Laschet-Auftritt in Münster“ steht dort, und dass der CDU-Kanzlerkandidat stattdessen Wahlkampf in Warendorf macht. Auf Seite vier – also da, wo heute das Scholzsche Ungemach prangt – ist ein Foto von Armin Laschet zu sehen, in staatsmännischer Pose auf den Stufen des Élysée-Palastes in Paris, zu Besuch bei Emmanuel Macron. Darunter steht ein großer Bericht über die Gedenkstunde im NRW-Landtag, in der an die Opfer der Starkregen- und Flutkatastrophe erinnert wurde. Armin Laschet bekommt in dem Text viel Platz, um den Betroffenen seine Unterstützung zuzusichern und zu betonen, dass wir uns an die Folgen des Klimawandels anpassen müssen. Und wer informiert darüber nun den Hambacher Forst?
Termine für Kirchenaustritt ausgebucht
Vom Verwaltungsgericht Köln ins Amtsgericht Münster. Hier sind allein in der ersten Jahreshälfte 2.039 Menschen aus der katholischen und der evangelischen Kirche ausgetreten. „Der Ansturm nimmt nicht mehr ab“, sagte Gerichtssprecher Matthias Bieling meinem Kollegen Ralf Heimann. Und ein Blick in das Online-Buchungssystem des Amtsgerichts bestätigt das. Als wir gestern nachschauten, hätten wir für den 22. November (das ist in knapp elf Wochen) noch einen Termin bekommen können. Heute sind schon alle Termine bis einschließlich Ende November ausgebucht, die Zeiträume ab Dezember sind noch nicht freigeschaltet.
Wer austreten möchte, muss also erst einmal warten, oder sie oder er wendet sich an ein:e Notar:in. Notar:innen können den Kirchenaustritt beglaubigen, das Amtsgericht muss das Formular dann nur noch bearbeiten. Kirchenaustritte in dieser Form seien im Online-Buchungssystem nicht zu erkennen, sagt Matthias Bieling. Sie kämen noch hinzu.
Ein Drittel mehr Austritte als 2018
Wenn sich der Trend fortsetzt, wonach es im Moment aussieht, werden bis Jahresende etwa 4.000 Menschen in Münster die christlichen Kirchen verlassen haben. Das wären in etwa ein Drittel mehr als 2018, als 3.027 Menschen ein Austrittsformular unterzeichneten.
Im vergangenen Jahr zählte das Amtsgericht 2.601 Kirchenaustritte. Wegen der Corona-Regeln war es allerdings zeitweise gar nicht möglich, einen Termin beim Amtsgericht zu bekommen. Die Aussagekraft der Zahlen ist daher eingeschränkt. Wie lange der Ansturm auf die Kirchenaustrittstermine schon anhält, könne er nicht genau sagen, sagt Matthias Bieling. Irgendwann habe es einen Sprung gegeben. Bundesweit ist dieser Sprung in der Statistik im Jahr 2019 zu erkennen.
Beim Amtsgericht Münster führte das anfangs zu langen Warteschlangen auf dem Flur. Seit das Gericht im vergangenen Jahr das Online-Buchungssystem eingeführt hat, sind aus den Warteschlangen Wartelisten geworden. Und das Ganze ist kein Phänomen, das nur Münster betrifft. In Köln zeichnete sich im vergangenen Jahr ebenfalls ein Rückgang ab. Zu Beginn des Jahres kehrte sich der Trend jedoch wieder um. Die Zahl der Kirchenaustritte wuchs hier ebenfalls um etwa ein Drittel.
Gut 600 neue Luftfilter, Lieferdatum unbekannt
Und gleich noch ein Orts- und Themenwechsel, denn wir müssen uns noch das nächste Kapitel in der unendlichen Geschichte namens Luftfilter für die Schulen anschauen. Nachdem Bund und Land vor allem durch Sparsamkeit aufgefallen waren, hat der Schulausschuss in Münster letzte Woche dafür gestimmt, dass die Stadt auf eigene Kosten weitere mobile Geräte für Klassenräume anschaffen soll. Jetzt hat die Verwaltung die ersten 500 Stück ausgeschrieben. Sie kalkuliert dafür Kosten in Höhe von 1,35 Millionen Euro. 110 weitere Luftfilter, die auch schon ausgeschrieben sind, werden aus einem Förderprogramm von Bund und Land finanziert. Je nach Bedarf der Schulen wird später nachbestellt (dann wieder auf Kosten der Stadtkasse), es könnten dann noch einmal 1.000 Geräte dazukommen, schreibt die Stadt in einer Pressemitteilung. Einige Schulen, die schon im Winter Luftfilter bekommen hatten, hatten kritisiert, dass sie zu laut sind. Deshalb sollen die neuen Geräte jetzt maximal 45 Dezibel laut sein und dabei 800 Kubikmeter Luft pro Stunde reinigen, schrieb uns das Presseamt auf Anfrage.
Wie lange es dauern wird, bis die ersten Geräte in den Klassenräumen stehen, kann im Moment niemand absehen. Die Tagesschau hatte im August von verschiedenen Herstellerfirmen erfahren, dass die Lieferzeiten wegen der hohen Nachfrage mehrere Monate betragen könnten. Das wäre ungünstig, sehr hoch sind nämlich nach wie vor auch die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen (hier finden Sie die aktualisierte Heatmap, die wir Ihnen vor zwei Wochen schon einmal verlinkt hatten). Warum es keine gute Idee ist, Kinder dem Virus ungeschützt auszusetzen, hat das WDR-Magazin Quarks hier gut zusammengefasst.
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Bei den nächsten Meilensteinen (2.000, 2.250, 2.500) werden wir als Dankeschön weitere Workshops veranstalten. Genaueres dazu lesen Sie hier. Sie können uns dafür auch gern Organisationen vorschlagen, die Ihnen am Herzen liegen. Schreiben Sie uns dazu einfach an diese Adresse. Wie sich unsere Aktion entwickelt, teilen wir Ihnen ab jetzt regelmäßig in unserem Brief mit. Sobald Corona es zulässt und wir die ersten Workshops umsetzen können, werden wir diese auch dokumentieren.
Das Ganze haben wir noch einfacher für Sie gemacht: Sie können unsere Briefe per E-Mail oder Whatsapp teilen – beim Klick auf den entsprechenden Button unten öffnet sich in der jeweiligen App ein Fenster, in dem Sie einen Textvorschlag von uns finden, den Sie natürlich frei verändern können. Ebenso können Sie unsere E-Mails natürlich auch bei Facebook oder Twitter teilen.
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+++ Gute Nachrichten für die Menschen, die in den vergangenen Wochen zum Tagestreff in der Wartburg-Hauptschule gegangen sind. Die Einrichtung war erst vor zehn Tagen geschlossen worden (RUMS-Brief vom 31. August), mit schweren Folgen für viele Wohnungslose und andere Menschen, die Unterstützung brauchen. Am Mittwochabend beantragten CDU, Grüne, SPD, Volt und Linke gemeinsam im Sozialausschuss, dass die Stadt das Angebot bis Ende März fortsetzen soll. Die Suppenküche und die Dusch- und Waschräume werden nun bald wieder öffnen.
Seit heute empfiehlt die Ständige Impfkommission die Corona-Schutzimpfung für alle Schwangeren (ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel) und auch für stillende Mütter. Bisher galt die Empfehlung nur für Schwangere mit Vorerkrankungen. Gestern hatten schon die Ärzt:innen aus der Region und die Uniklinik Münster bei einer gemeinsamen Pressekonferenz unter anderem für die Impfung von Schwangeren geworben, weil sie ein stark erhöhtes Risiko haben, schwer an Covid zu erkranken.
Die Wocheninzidenz in Münster ist sprunghaft angestiegen, von 53,7 gestern auf heute 65,7. Das liegt unter anderem an einer Party in einem Club im Bahnhofsviertel, bei der sich am letzten Freitag viele Menschen angesteckt haben. Bis gestern wurden 26 Infektionen entdeckt, inzwischen sind schon 44 Fälle bekannt, meldet die Stadt. Bei der Party galt die 2G-Regel, alle 380 Gäste waren also geimpft oder genesen. Die Stadt schreibt nicht, um welchen Club es sich handelt. Aber es hat sich herumgesprochen, es war das Cuba, das inzwischen hier selbst ein Statement veröffentlicht hat. Wenn Sie letzten Freitagabend dort waren, machen Sie am besten einen Test.
Und noch eine traurige Nachricht: Eine 85-jährige Frau, die mit dem Coronavirus infiziert war, ist gestorben. Das teilte die Stadt gestern mit. Insgesamt gab es seit Pandemiebeginn 123 Todesfälle in Münster.
Haben Sie das Video von der Pommestüten-Straßenbahn gesehen, die durch Brüssel fährt? Das ist sehr schön, auch wenn es diese Bahn leider nicht gibt, das Video ist eine Kunstaktion. Am schönsten daran finde ich, dass neben mir noch so viele Menschen das Filmchen für echt gehalten haben. Eine Huldigung der Fritte in Tramform, so sehr lieben die Belgier:innen ihr Nationalgericht, hach! Und jetzt noch eine echte, nicht weniger rührende Pommes-Meldung aus dem Nachbarland: Im letzten Frühjahr riefen Verbände dazu auf, zur Rettung der Kartoffelbauern öfter zuzuschlagen, und Fritten zu essen, wurde ein Akt der Solidarität. Sicher wollen Sie jetzt auch helfen oder haben zumindest Hunger bekommen. Meine Kollegin Eva Strehlke empfiehlt Ihnen die Knoblauch-Pommes bei Burgercult, am besten mit Parmesan.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
+++ Morgen Abend können Sie ab 20 Uhr in der Martinikirche (Neubrückenstraße 60) ein außergewöhnliches Konzert mit dem Vokal-Trio Babel 3 hören. Unter dem Titel „Wir sind nur vorübergehend hier“ singen und sprechen die Künstler:innen Dirk Paulsen, Anna Stern und Stephan Trescher Stücke, die unter anderem von E. E. Cummings, William Carpenter und John Cage inspiriert sind. Der Eintritt ist frei, es gilt die 3G-Regel.
+++ Und dann noch eine andere Hör-Empfehlung. Das LWL-Museum für Kunst und Kultur hat einen Podcast produziert. Die Kunstvermittlerin Inès von Patow und der künftige Rabbi von Münster, Levi Israel Ufferfilge, besuchen Orte jüdischen Lebens in der Stadt. Dabei treffen sie jüdische Gäste und Expert:innen, zum Beispiel unsere RUMS-Kolumnistin Marina Weisband oder die Linguistik-Professorin Monika Schwarz-Friesel. In sechs Folgen geht es um jüdische Kunst, Kultur, Identität, Religiosität, Stereotype und Antisemitismus. Der Podcast ist seit heute unter diesem Link zu finden. Heute Abend ist das Museum übrigens bis 24 Uhr geöffnet – wie an jedem zweiten Freitag im Monat. Das Programm für heute Abend finden Sie hier.
+++ Am letzten Sonntag hätte Freddie Mercury Geburtstag gehabt. Und deshalb empfehle ich Ihnen für morgen Abend auch noch die 70er- und 80er-Party im Hot Jazz Club. Sie fängt um 23 Uhr an und heißt Don’t stop me now.
Und mit diesem Ohrwurm verabschiede ich Sie in ein hoffentlich frohes Wochenende. Am Dienstag schreibt Ihnen Ralf Heimann wieder.
Herzliche Grüße
Constanze Busch
Mitarbeit: Ralf Heimann, Eva Strehlke
PS
Heute beginnt die faire Woche, das ist eine Aktion für den Fairen Handel. Sie dauert bis zum 24. September, und damit sind es eigentlich zwei faire Wochen, aber das klingt vielleicht zu sperrig. Warum ich Ihnen das erzähle: Sie können mitmachen, zum Beispiel morgen von 11 bis 18 Uhr bei einer großen Fair-Fashion-Aktion an der Stubengasse. Fair Fashion heißt in diesem Fall: geschenkte, getauschte, selbst gemachte, gebrauchte oder fair und ökologisch hergestellte Mode. Solche Kleidungsstücke zeigt der Tauschring Lowi bei einer Modenschau. Gleichzeitig gibt es eine Tauschparty. Sie können Kleidung, Schuhe oder Accessoires mitbringen, die Sie nicht mehr tragen möchten, und gegen andere schöne Dinge tauschen. Vielleicht kommen Sie und viele andere Menschen ja auf den Geschmack, und dann machen wir einfach weiter und haben irgendwann 52 faire Wochen im Jahr. Das wäre doch was.
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