Gastronomie kreativ gegen die Krise | Besser kleinere Schulklassen | Klimaalarm

Porträt von Constanze Busch
Mit Constanze Busch

Guten Tag,

heute hat Münster die nächste Corona-Marke gerissen: In den letzten sieben Tagen wurden gut 100 Menschen pro 100.000 Einwohner:innen positiv getestet. In absoluten Zahlen heißt das: 318 Neuinfektionen in der vergangenen Woche, damit gelten heute 404 Münsteraner:innen als infiziert.

Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsident:innen hatten den Teil-Lockdown (a.k.a. Lockdown light a.k.a. Wellenbrecher-Lockdown) ja schon um zwei Tage vorgezogen, er soll nun am Montag statt am Mittwoch beginnen. Die Stadt Münster schließt ihre Einrichtungen sogar schon ab morgen, also das Stadttheater, die Villa ten Hompel, das Stadtmuseum, die Kunsthalle, die Musikschule und die Schwimmbäder. Offen bleiben im November nur das Stadtarchiv und die Bücherei.

Hier noch schnell der Überblick, was ab Montag alles geschlossen wird: alle weiteren Theater, Kinos, Museen, Galerien, der Zoo, Schlösser und Burgen, Fitnessstudios, Freizeitparks, Spielhallen, Clubs und Diskos, Bordelle und Swingerclubs. Und bevor Sie fragen: Ausflugsfahrten mit Kutschen oder historischen Eisenbahnen dürfen Sie auch nicht machen.

Mit Online-Cocktailkursen und Lieferdienst gegen die Pleite

Natürlich ist das alles für sehr viele Menschen ein sehr großes Problem. Vor allem für die Gastronom:innen, die wieder mehrere Wochen lang keine Gäste empfangen dürfen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) rechnet damit, dass 30 bis 40 Prozent der Betriebe die Coronakrise nicht überstehen werden, sagte uns Marcus Geßler, Sprecher der Innenstadt-Gastronom:innen in Münster. Sicher werde es Gaststätten in den Außenbezirken und auf dem Land heftiger treffen als die Lokale in der Innenstadt von Münster, „aber auch die müssen jetzt kreativ werden“. Lieferdienste und Essen zum Abholen sind ein Baustein, einige Gastronom:innen laden außerdem zu Online-Weinseminaren oder -Cocktailkursen ein. Solche Ideen bringen ein bisschen Umsatz, und Kontakt zu den Gästen – was mindestens genauso wichtig ist.

Und die von der Bundesregierung angekündigte Entschädigung? Es sei auf jeden Fall eine großzügige Unterstützung, wenn der Bund tatsächlich 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 erstatte, sagte Marcus Geßler. Aber selbst wenn die Restaurants und Cafés im Dezember tatsächlich wieder öffnen können, bleibe es sehr schwierig. Keine Weihnachts- und Silvesterfeiern, kaum Tourist:innen, keine Weihnachtsmärkte. Da bricht eine Menge weg. Der Dezember sei der wichtigste Monat und bringe in durchschnittlichen Jahren doppelt so viel Umsatz wie der November.

Erste Stadt in NRW macht wieder Homeschooling

In Solingen wird der Lockdown noch weniger light als im Rest des Bundeslands: Alle Einschränkungen und Verbote gelten dort schon ab morgen, ab Mittwoch haben die Schüler:innen dort außerdem „Homeschooling light“. Als erste Stadt in Nordrhein-Westfalen macht die Stadt damit das, was das Robert-Koch-Institut eigentlich für alle Risikogebiete empfiehlt: Schulklassen werden in kleinere Lerngruppen aufgeteilt, damit die Schüler:innen mehr Abstand halten können und damit weniger von ihnen in Quarantäne müssen, falls ein:e Mitschüler:in positiv getestet wird. Das hatte gestern auch die Landesschülervertretung NRW im Gespräch mit dem WDR gefordert, ebenso wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Die Schulen bleiben damit zwar offen, was Angela Merkel und viele andere Politiker:innen seit Tagen mantraartig als Teilziel des Teil-Lockdowns wiederholen. Die Schüler:innen kommen aber abwechselnd ins Gebäude, die jeweils anderen Kleingruppen bleiben zu Hause und werden digital unterrichtet. Warum das sinnvoll ist, können Sie in dieser grafischen Animation der spanischen Tageszeitung El País sehen (die Erklärtexte sind auf Englisch, und die Bilder sprechen sowieso für sich). Die Zusammenfassung geht so: Je länger mehrere gesunde Menschen und eine mit dem Coronavirus infizierte Person in einem Raum zusammensitzen, desto mehr stecken sich an. Daran ändern auch Masken kaum etwas. Was hilft: Abstand halten, Masken tragen, lüften – und nicht so lange beisammensitzen.

Schulen in Münster: Knallhart nachgefragt, aber keine Antwort von der Stadt

Es war absehbar, dass das Wechselmodell zwischen Präsenz- und digitalem Unterricht zumindest in den stark getroffenen Hotspots (Solingen liegt am heutigen Freitag bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 280) unvermeidlich wird (RUMS-Brief vom letzten Freitag). Wir hatten deshalb schon am Montag beim Presseamt angefragt, ob die Schulen in Münster auf diesen Fall vorbereitet wären. Leider haben wir keine Antwort bekommen. Ich wollte Ihnen heute außerdem gerne die aktuellen Zahlen zu Corona- und Quarantänefällen in Schulklassen nachreichen, die ich schon am vergangenen Freitag mangels Rückmeldung nicht nennen konnte. Auch die hat uns das Presseamt immer noch nicht geschickt. Und wir wollten Ihnen gerne erzählen, ob Münster Fördermittel für Luftfiltergeräte beantragen möchte, um schlecht zu lüftende Klassenräume coronafest zu machen. Aber – Sie wissen schon. Wir bleiben dran.

Was wir immerhin erfahren haben: Mit Bundesmitteln aus dem sogenannten Sofortprogramm Endgeräte hat die Stadt Münster schon 1.000 iPads für Schüler:innen angeschafft, die zu Hause weder Laptop noch Tablet haben und deren Familien sich auch keine leisten können. Weitere 3.000 iPads sind bestellt und sollen in den nächsten Wochen geliefert werden, sagte uns Ludger Watermann vom Schulamt.

In aller Kürze

+++ Ein 62-jähriger Mann aus Münster muss sich seit heute wegen Mordes vor dem Landgericht Münster verantworten. Er soll vor einem halben Jahr einen 33-jährigen Mann mit sechs Messerstichen in Brust und Bauch getötet haben. Wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt, hatte das Opfer offenbar vor seinem Haus gestanden und dort laut telefoniert, worüber sich der Beschuldigte ärgerte. Er habe den 33-Jährigen angesprochen, später sei seine Frau zu ihm auf die Straße gegangen, sagte der Angeklagte. Er habe dann laute Stimmen gehört, habe ein Küchenmesser genommen und sei ebenfalls hinuntergegangen, weil er Angst um seine Frau gehabt habe. Danach sei er gestolpert, das Opfer sei aufgesprungen und habe ausgeholt, erst später habe er gemerkt, dass der 33-Jährige verletzt sei. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders: Es handele sich um einen Mord aus Heimtücke und aus niedrigen Beweggründen. Das Opfer starb in der Nacht nach dem Angriff trotz einer Notoperation. Die Ärzte stellten fest, dass einer der Messerstiche sein Herz getroffen hat. Ein anderer Stich hatte zwei Rippen durchtrennt.

+++ Das Corona-Zentrum der Uniklinik soll im Dezember umziehen und ein Zeltdach bekommen, berichten die Westfälischen Nachrichten in einem Erlebnisbericht eines Redaktionsmitarbeiters, der sich testen lassen hat. Und falls Sie sich testen lassen: Nicht wundern, wenn die Corona-App danach rote Risikobegegnungen meldet. Zum einen ist es natürlich nicht unwahrscheinlich, am Testzentrum Infizierte zu treffen. Zum anderen registriert die App nur Standorte. Sie kann weder Masken noch Wände erkennen. Es kann also sein, dass die App eine Risikobegegnung meldet, weil hinter der Wand in der Nachbarwohnung jemand sitzt, der mit dem Coronavirus infiziert ist.

+++ Im Rennen um Münsters beliebtestes Restaurant 2020 spielen das Mocca d’or und das Fiu vermutlich keine größere Rolle mehr. Nachdem das Ordnungsamt beide Läden (sowie das Café del Popolo) vor einer Woche wegen „erheblicher Hygiene- und Sicherheitsmängel“ dichtgemacht hatte, melden die Westfälischen Nachrichten zwei weitere Corona-Infektionen in der Belegschaft, eines der beiden Ergebnisse müsse noch kontrolliert werden. Vier Infektionen waren bereits bei der Schließung bekannt. Dem Personal hatten die Inhaber davon allerdings nichts erzählt. Auch sonst hatten sie nach Angaben der Stadt anscheinend so ziemlich alles falsch gemacht. Die Kontaktlisten waren fehlerhaft, der Mindestabstand wurde nicht eingehalten, es gab keinen Spuckschutz, Desinfektionsmittel fehlten. Als dann das Ordnungsamt kam, um die Lichter auszumachen, sei der Geschäftsführer aggressiv geworden. Dabei hätte er Zeit genug gehabt, sich das alles zu ersparen. Im Bewertungsportal Tripadvisor bemängelten Gäste schon Mitte August, dass die Corona-Regeln im Restaurant keine Rolle spielen („Wir waren froh, dass wir schnell wieder draußen waren.“). Auch die Stadt hatte die Restaurants vor der Schließung verwarnt.

Unbezahlte Werbung

Am Montag beginnt wieder die Zeit der Bringdienste. Und das mit dem Bestellen ist ja immer so eine Sache: Erst muss man sich für einen Dienst entscheiden, das ist schon nicht so leicht, und dann auch noch für ein Gericht. Daher von uns zwei schnelle Tipps. Den von der Gastronomie in Münster gestarteten Lieferdienst hungrig.ms kennen Sie noch aus dem Frühjahr. Das ist der eine Tipp. Neu mit dabei ist das asiatische Restaurant Umai. Dort können Sie zum Beispiel Bowls oder Sushi bestellen, aber auch indonesisches Essen, Chicken Masala, so etwas. Wir würden die Bun Bowl empfehlen, die wirklich sehr gut ist. Die Karte finden Sie auf dieser Seite, und dort können Sie auch gleich bestellen.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Es sind die letzten Tage, bevor das analoge kulturelle Leben erst einmal wieder einschläft. Die Frage ist: Wenn die neuen Regeln ab Montag überall nötig sind, wären sie das nicht auch schon am Wochenende? Andererseits gibt es Hygienekonzepte und Sicherheitsabstände, und es ist ja meistens nur sehr wenig los. Man wird es sich trotzdem gut überlegen müssen. Hier sind ein paar Tipps für Samstag und Sonntag.

+++ Im Kleinen Bühnenboden steht morgen noch einmal Manfred Karges Stück „Jacke wie Hose“ auf dem Programm. Die Geschichte in einem Satz: Nach dem Tod ihres Mannes übernimmt Ella dessen Rolle und durchlebt Weimarer Republik, Drittes Reich, Krieg und die Bundesrepublik bis zum Mauerfall. Es stehen zwar nur 16 Plätze zur Verfügung. Aber Stand Freitagabend sind davon noch einige da.

+++ Sonntagabend im Kreativ-Haus an der Diepenbrockstraße: „Die ultimative Impro-Show.“ Zurücklehnen und berieseln lassen ist hier leider nicht. Die Zuschauer:innen bestimmen, was gespielt wird. Tickets bekommen Sie online oder im Kreativ-Haus.

+++ Das Bündnis Klimaalarm lädt für Samstagnachmittag zur „Münster Horror Climate Show“ ein. Dahinter verbergen sich mehrere Aktionen und Demonstrationen für den Klimaschutz, die jeweils von 15 bis 18 Uhr an verschiedenen Orten in der Innenstadt stattfinden. Eigentlich war eine große, zentrale Demonstration geplant, die die Organisator:innen wegen der Corona-Entwicklung aber wieder abgesagt haben. Alle Veranstaltungsorte und mehr Infos finden Sie auf der Website.

Nichts dabei? Dann schauen Sie doch mal in den Veranstaltungskalender der Nadann, hier finden Sie die Termine für Samstag, hier die für Sonntag.

Und hier noch ein Tipp für nächste Woche: Das Institut für Politikwissenschaft der Uni Münster lädt für Dienstag zu einer Zoom-Wahlparty ein. Ab 23 Uhr können Sie mit anderen Teilnehmer:innen über die US-Präsidentschaftswahl diskutieren und bei einem Quiz mitmachen. Außerdem werden Expert:innen aus Münster, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, den USA und Kanada live zugeschaltet, die spannende Hintergründe berichten. Hier können Sie sich zur Zoom-Veranstaltung anmelden, am Wahltag bekommen Sie die Zugangsdaten zugeschickt. Wenn Sie nicht mitdiskutieren, sondern einfach zuschauen möchten, schalten Sie am Wahlabend einfach den Livestream ein.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Herzliche Grüße

Constanze Busch

Mitarbeit: Ralf Heimann, Sabine Rügenhagen

PS

Nach 14 Jahren Bauzeit (und neun Jahre zu spät) wird morgen der Flughafen Berlin Brandenburg (BER) eröffnet. Falls Sie vergessen haben, was beim Bau des neuen Schmuckstücks alles schiefgegangen ist, kein Problem: Die Kolleg:innen vom Tagesspiegel haben das in einem interaktiven 3D-Modell aufbereitet. Sie können einen Rundgang durch den neuen Flughafen machen und sich alle Pannen nochmal in aller Ruhe angucken. Mein Tipp: Machen Sie daraus kein Trinkspiel, es sei denn, Sie wollen sich wirklich so richtig einen hinter die Binde kippen.

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