Familien in Not | Schule auf Distanz | Bio-Lieferdienst

Porträt von Constanze Busch
Mit Constanze Busch

Guten Tag,

die NRW-Schulministerin hat dem Fernsehsender Phoenix gestern ein erstaunliches Interview gegeben. „Wir wissen um das mutierte Virus und kennen die Auswirkungen der Silvester- und Weihnachtsfeste noch nicht“, sagte Yvonne Gebauer. Deshalb wolle man jetzt auf Nummer sicher gehen und auf den Distanzunterricht umsteigen. So weit, so schlüssig.

Dann verrät die Ministerin aber, warum sie den Heimunterricht in Wirklichkeit angeordnet hat: Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsident:innen haben in ihrem Beschluss zum verlängerten und verschärften Lockdown einfach keinen Spielraum gelassen, darüber war sie „nicht erfreut“. Und – jetzt kommt’s – Ende Januar müsse mit dem Distanzunterricht dann aber wirklich wieder Schluss sein. Die Schule habe dann ihren Beitrag zur Pandemiebekämpfung geleistet, mehr sei nicht drin.

Familien stark belastet, Unternehmen sanft ermahnt

Da passt so einiges nicht zusammen. Denn entweder zu viele Menschen sind infiziert und es grassiert eine noch ansteckendere Virusvariante – oder nicht. Leider stimmt „entweder“, und wir werden die Mutante bis zum 31. Januar nicht wegdiskutieren oder -wünschen können. Mit viel Pech fangen die Probleme Ende des Monats erst richtig an, wenn sich die neue Variante weiter ausgebreitet hat. Es ist schlicht nicht möglich, Schüler:innen, Eltern und Schulpersonal jetzt irgendetwas zu versprechen. Es trotzdem zu machen, grenzt an Realitätsverweigerung und hilft den Familien kein bisschen, sondern zermürbt sie nur noch weiter.

Was aber auch nicht zusammenpasst: Die Kanzlerin und die Länderchef:innen haben Unternehmen nur dringend gebeten, Homeoffice zu ermöglichen. Eine Pflicht gibt es nicht, obwohl sie eine sehr gute Möglichkeit wäre, sehr viele Kontakte zu vermeiden. Zu dem Thema ist in den letzten Tagen schon viel Kluges geschrieben worden, zum Beispiel hier.

Schon zwei Tage nach dem neuen Lockdown-Beschluss ist das dann auch den ersten Politikern aufgefallen. Der Regierende Bürgermeister von Berlin rügte Arbeitgeber:innen dafür, dass sie ihre Angestellten zu selten zuhause arbeiten lassen: „Es geht nicht, dass die Unternehmen weiter so tun, als hätten wir kein Problem.“ Sein Amtskollege Bodo Ramelow fordert sogar, für vier Wochen die komplette Wirtschaft in einen Lockdown zu schicken. Wahrscheinlich keine schlechte Idee, die uns allen (und damit auch den Schulen) Zeit und Entspannung verschaffen würde, bis es mit dem Impfen schneller geht. Bloß kommt sie ein paar Tage zu spät, und die Familien müssen sich jetzt doch erst einmal zwischen Job, Heimunterricht und Notbetreuung zerreißen.

Grundschulen von Lockdown überrascht

Wir hatten vor Weihnachten schon mit einigen Schulleiter:innen darüber gesprochen, wie es mit dem Distanzunterricht klappt (RUMS-Brief vom 18. Dezember). In dieser Woche haben wir noch einmal nachgefragt. Wie schon im Dezember war es schwierig, überhaupt jemanden zu erreichen. Auf E-Mails haben wir nur wenige Antworten bekommen, auch telefonisch war an vielen Schulen kaum durchzukommen. Und wo wir es geschafft haben, sagte man uns meist schon im Sekretariat, dass uns niemand Auskunft geben kann. Die Schulleiter:innen und Lehrer:innen saßen in Konferenzen, planten den Distanzunterricht und versuchten gleichzeitig, die Notbetreuung in der Schule zu organisieren.

Es ist ein Riesenherausforderung. Wohl auch deshalb, weil man an vielen Schulen nicht mit dem Beschluss gerechnet hatte. Das sagte uns jedenfalls Melanie Hug, die Konrektorin der Dreifaltigkeitsschule: „Die Entscheidung hat uns stark getroffen. Keiner hat nach den früheren Aussagen des Ministeriums erwartet, dass Distanzunterricht in den Grundschulen angeboten werden soll.“ So viel zum Thema unrealistische Versprechen.

Wie viele Eltern ihre Kinder in die Notbetreuung geben werden, weiß Melanie Hug noch nicht. Im ersten Lockdown seien die Notgruppen aber von Tag zu Tag größer geworden. Und noch eine Erkenntnis aus dem Frühjahr: In der Grundschule ist der Distanzunterricht eigentlich nicht möglich, so die Konrektorin. Neues Wissen sei auf dem Weg nicht zu vermitteln, und die Motivation der Schüler:innen sei im ersten Lockdown immer kleiner geworden, „auch bei den Kindern, deren Familien sehr gut aufgestellt waren“. Die Lehrer:innen der Dreifaltigkeitsschule wollen jetzt mit allen Kindern mindestens einmal pro Woche telefonieren oder in einer Videokonferenz sprechen, um im Kontakt zu bleiben und zu fragen, ob sie mit ihren Hausaufgaben zurechtkommen. Gerade Grundschüler:innen bräuchten aber eigentlich mindestens drei Präsenztage pro Woche.

Digitale Tafel und Gruppenarbeit

Die Rückmeldungen von den weiterführenden Schulen klingen optimistischer. Wir wissen allerdings nicht, ob es überall (den Umständen entsprechend) gut läuft – oder ob sich vor allem die Schulen gemeldet haben, bei denen es klappt.

Je länger der Distanzunterricht dauert, desto drängender ist natürlich die Frage: Lässt sich auf dem digitalen Weg überhaupt Neues lernen? Ja, sagte uns Tobias Regenbrecht, Konrektor der Geschwister-Scholl-Realschule. Die Lehrer:innen halten Unterricht nach dem regulären Stundenplan: mit einer digitalen Tafel, Videokonferenzen und einer Meldefunktion auf der digitalen Schulplattform IServ. Auch Gruppenarbeit ist möglich, dazu können die Schüler:innen gemeinsam an Dokumenten arbeiten. Ähnliches berichten auch Birgit Wenninghof von der Mathilde-Anneke-Gesamtschule und Hendrik Snethkamp vom Ratsgymnasium.

Die Schulen helfen sich selbst

Was auffällt: Alle Schulen, die uns geantwortet haben, haben sich bei der digitalen Ausstattung (auch) selbst geholfen. An der Geschwister-Scholl-Realschule wurden nach dem ersten Lockdown mit Hilfe von Spenden 113 PCs oder Laptops beschafft und an Schüler:innen verteilt. An der vom Bistum getragenen Friedensschule hat der Förderverein 240 iPads angeschafft.

Auch das Ratsgymnasium hat von privaten Unterstützer:innen und Unternehmen Geräte bekommen und an die Kinder und Jugendlichen weitergereicht, ebenso die Mathilde-Anneke-Gesamtschule. Schulleiterin Birgit Wenninghof sagte uns, dass die Leihgeräte nicht nur für Familien wichtig seien, die sich gar keine Laptops oder Tablets leisten können. Sondern auch für die, die nicht fünf Geräte für zwei Elternteile im Homeoffice und drei Kinder im Heimunterricht anschaffen können. Inzwischen sind außerdem 4.000 der 4.500 von der Stadt bestellten iPads an die Schulen geliefert worden. Die übrigen muss Apple erst noch produzieren, sie werden im ersten Quartal erwartet.

Und jetzt? Spätestens nächsten Mittwoch soll es losgehen mit dem Fernunterricht. Vielleicht wird es aber doch später, wenn wie im Dezember IServ erst einmal unter der Last Tausender Zugriffe einknickt. Für Videokonferenzen werden viele Klassen sowieso auf die Anbieter Zoom oder Microsoft Teams zurückgreifen, weil das entsprechende Modul bei IServ sich bislang als wenig stabil erwiesen hat. Nachfrage bei der Stadt: Gibt es Überlegungen, wegen dieser Schwierigkeiten von IServ auf einen anderen Anbieter umzusteigen? Nein, ausdrücklich nicht, so die Antwort. Das Videokonferenzmodul ist nur eine von vielen Funktionen, darunter „Aufgaben“ und „Kalender“, IServ bleibt. Für den Datenschutz sind die Schulen übrigens selbst verantwortlich, auch wenn sie Zoom, Teams oder andere Anbieter nutzen.

Dilemma Kinderbetreuung

Mindestens so schwer wie Schulkinder-Eltern haben es die, die eigentlich auf eine Kita angewiesen sind. Die Einrichtungen bleiben zwar offen, jedes Kind wird aber zehn Wochenstunden weniger betreut als sonst, und am besten sollen die Kleinen gar nicht kommen. Dafür hat die Politik den Eltern zusätzliche Kinderkrankentage versprochen, aber noch nicht gesetzlich geregelt. Und je nach Job und Haltung der Arbeitgeber:in werden Väter und Mütter möglicherweise schnell unter Druck geraten, doch bitte zur Arbeit zu kommen und die weiterhin geöffnete Kita in Anspruch zu nehmen.

Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie mit der Situation? Welche Lösungen haben Sie für sich gefunden, wie geht Ihr:e Arbeitgeber:in damit um? Schreiben Sie es uns. Wir erzählen es nächste Woche in unserem Brief, auf Wunsch natürlich ohne Ihren Namen zu nennen.

In aller Kürze

+++ Die Polizei hat gestern Abend einen 17-Jährigen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung festgenommen. Der junge Mann soll am Samstag in einem Park an der Engelenschanze einen 26-Jährigen mit mehreren Messerstichen schwer verletzt haben. Die Hintergründe seien bisher unklar, teilt die Polizei mit. Möglicherweise habe es einen Streit um Betäubungsmittel gegeben. Der 17-jährige Beschuldigte hat noch nicht ausgesagt und ist nun in Untersuchungshaft.

Corona-Update

Zuerst die guten Nachrichten: Beim Impfen läuft in Münster alles nach Plan, schreibt uns die Stadt. Bis zum Ende der Woche werden 3.500 Menschen in den Pflegeeinrichtungen die erste von zwei Spritzen bekommen haben, darunter auch 75 Beschäftigte. Man sei zuversichtlich, in den Pflegeeinrichtungen eine „Herden-Immunisierung“ zu erreichen.

Nächste Woche wird es hoffentlich nach Plan weitergehen, das Land hat heute jedenfalls 175.500 neue Impfdosen bekommen. Und vielleicht geht es bald auch schneller: Die EU hat am Mittwoch den Impfstoff des Unternehmens Moderna zugelassen.

Leider gibt es aber auch heute wieder traurige Nachrichten: Seit Mittwoch meldet die Stadt elf weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Sechs Frauen im Alter von 53, 65, 87, 88, 89 und 94 Jahren und fünf Männer im Alter von 81, 85, 87, 93 und 97 Jahren starben an oder nach einer Covid-19-Erkrankung. Die Zahl der Corona-Todesfälle in Münster steigt damit auf 65. Oberbürgermeister Markus Lewe hat heute angekündigt, es werde eine öffentliche Gedenkveranstaltung geben, sobald das Infektionsgeschehen es zulässt.

Aktuell gelten 646 Menschen aus Münster als infiziert. 108 von ihnen werden im Krankenhaus behandelt, davon 22 auf der Intensivstation. 13 Menschen werden beatmet.

Unbezahlte Werbung

Wenn Sie sich Ihre Vorräte im Moment lieber liefern lassen, aber nicht bei den großen Supermarktketten bestellen möchten, dann schauen Sie sich doch mal den Lieferdienst von Slickertann an. Der Bioladen bringt Ihnen Obst und Gemüse, Brot und Kuchen und andere Lebensmittel vom Müsli bis zur Erbsensuppe aus der Dose. In der Haushaltsabteilung gibt’s Wasch- und Spülmittel, Kosmetik und – natürlich – Toilettenpapier. Und wenn Sie doch gerne mal rausgehen: Es gibt auch zwei Ladenlokale, an der Warendorfer Straße und an der Gasselstiege.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Es sind düstere Zeiten, deshalb möchte ich Ihnen heute was zum Lachen empfehlen:

+++ Schnitzeljagd mit Schnitzel: Für jede Folge seiner WDR-Show baut der Comedian Bastian Bielendorfer seinen Wohnwagen in einer anderen Stadt auf und trifft darin eine:n Prominente:n aus diesem Ort. Hier geht es zur Münster-Folge mit der Schauspielerin Lisa Feller, einer Rikscha und einer Schnitzeljagd durch die Stadt.

+++ Salsa mit Ilka Bessin: Auch der sehr lustige Torsten Sträter war schon mal bei „Bielendorfer!“ zu Gast. Umgekehrt lädt er selbst auch gerne witzige Menschen in seine eigene Sendung ein. Im November war Ilka Bessin zu Besuch (aufgezeichnet wurde das Ganze wahrscheinlich schon früher, es gibt nämlich auch ein Publikum). Die Komikerin (früher bekannt als „Cindy aus Marzahn“) hat über ihre Zeit bei „Let’s Dance“ geplaudert und ihrem Gastgeber den Salsa-Grundschritt beigebracht. Gönnen Sie sich das mal. Man kann übrigens auch gut mittanzen.

Am Dienstag schreibt Ihnen Ralf Heimann wieder. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, bleiben Sie tapfer.

Herzliche Grüße

Constanze Busch

PS

Wir haben uns überlegt, ob wir es schon verraten, aber dann haben wir uns gesagt: Warum nicht mal eine Überraschung? Was wir schon sagen können: Wir haben einen neuen Kolumnisten. Alles Weitere am Sonntagnachmittag. Wir freuen uns sehr – und Sie sich dann hoffentlich auch.

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