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Der RUMS-Jahresrückblick | Reportage: Warum sich ein katholischer Diakon mit 60 geoutet hat | Weihnachtsgeschenke vom Wochenmarkt

Guten Tag,
morgen feiern wir Heiligabend, ab dann bleiben noch sieben Tage von 2022 übrig. Das Jahr ist fast Geschichte. Um genau zu sein, sind schon über 97 Prozent des Jahres vorbei.
Vielleicht geht es Ihnen da wie mir: Für mich ist 2022 wie im Flug vergangen. Schließlich war dieses Jahr viel los. Die Queen ist gestorben, ein paar Fußballvereine aus aller Welt haben ein Turnier in der Wüste veranstaltet und um ein Haar wäre mit den Affenpocken eine neue Pandemie ausgebrochen.
Was in diesem Jahr alles in Münster los war, haben heute Antonia Strotmann, Viktoria Pehlke, Ralf Heimann und ich für Sie zusammengefasst. In unserem Jahresrückblick wollen wir noch einmal die großen Themen aus 2022 Revue passieren lassen. Es geht um die vielen offenen Fragen beim Musik-Campus, um den Pflegestreik im Sommer, um den Krieg in der Ukraine und seine Folgen für Münster – und ja, auch der wahrscheinlich längste Ausflug eines Kegelvereins nach Mallorca findet in unserer Rückschau Beachtung.
Los geht’s! (sfo)
Der Musik-Campus
Im Februar will die Stadt endlich alle Zweifel über Bord werfen. Der Rat soll sich für eines der größten Bauprojekte aussprechen, das Münster jemals geplant hat: einen Musik-Campus mit einem Konzertsaal, auf dem die Musikhochschule, die städtische Musikschule und das Sinfonieorchester Platz finden sollen und irgendwie auch die freie Musikszene.
Doch auch nach sechs Jahren Planung sind viele Fragen offen. Die wohl wichtigste ist: Wer soll das alles bezahlen? Im Januar hat der Oberbürgermeister sich zu den Eckdaten geäußert. Der Campus soll über 300 Millionen Euro kosten, etwa 100 Millionen davon wird die Stadt tragen müssen. Die bevorstehende Entscheidung spaltet das Rathausbündnis aus Grünen, SPD und Volt, sie entzweit vor allem die größte Fraktion im Bündnis, die Grünen. Man vertagt den Beschluss. Im März spricht sich die grüne Partei deutlich gegen den Campus aus, auf einer zweiten Versammlung gelingt ein Kompromiss. Im April ringt der Rat sich ebenfalls zu einem Kompromiss durch, mit knapper Mehrheit.
Es ist ein Ja unter Vorbehalt: Bevor der Rat das Projekt beschließt, muss die Finanzierung geklärt sein. Anfang Mai treffen Oberbürgermeister und Uni-Rektor sich mit den Fraktionsspitzen. Die Uni droht, aus dem Projekt auszusteigen. Das Bündnis gibt nach. Später im Mai stimmt der Rat mit großer Mehrheit für den Campus, obwohl viele Fragen weiterhin offen sind. Uni und Stadt müssen etwa 65 Millionen Euro aus Spenden und Fördermitteln einwerben. Mitte 2023 sollen sie berichten, wie weit sie sind, im Jahr darauf müssen zwei Drittel des Geldes zusammen sein.
Eine große Hoffnung ruht auf Berlin. Ende September kommt von dort die gute Nachricht: Münster hat die Chance auf 20 Millionen Euro. Das Geld ist an Bedingungen geknüpft, doch das geht in der Berichterstattung weitgehend unter. Bei einem Gesprächsabend im Jovel Ende November zeigt die Stadt erste Pläne. Ab Frühjahr soll ein zwölfköpfiges Gremium ein Nutzungskonzept erstellen. Ein Architekturwettbewerb soll folgen. Aber sogar wenn die 20 Millionen aus Berlin kommen, fehlen weiterhin 45. Außerdem ist die Kostenprognose in Höhe von 300 Millionen Euro anderthalb Jahre alt. Und schon damals war der Betrag knapp bemessen. Inzwischen haben die Preise einen Sprung gemacht. In der Ratssitzung im Dezember fragt ein Münsteraner, ob es angesichts der absehbaren Kostensteigerungen nicht sinnvoll wäre, das Projekt erstmal auf Eis zu legen. Der Oberbürgermeister antwortet sinngemäß, Münster brauche den Campus und werde ihn deswegen auch bauen. (rhe)
Die Bauprojekte
Der Musik-Campus ist das größte Bauprojekt in Münster, aber es ist nur eines von vielen. In den kommenden Jahren will die Stadt für eine knappe Milliarde Euro bauen, vor allem Schulen. Das prominenteste Bauprojekt der Stadt, der Neubau der Mathilde-Anneke-Gesamtschule, zeigt eindrucksvoll, was dabei so alles schiefgehen kann. Die Termine für den Abschluss der Arbeiten haben sich immer wieder verschoben, und es ist immer teurer geworden. Im vergangenen Jahr hat der Oberbürgermeister den Bau zur Chefsache erklärt. Darunter könnte man verstehen: Der Chef behält das Projekt persönlich im Auge. Auf die Frage, was Markus Lewe seitdem unternommen hat, antwortet die Stadtverwaltung im Dezember, der Oberbürgermeister habe weitere Fachleute eingesetzt – wo genau, zu welchem Zweck und mit welcher Aufgabe erfahren wir nicht.
Gegen Ende des Jahres verzögert sich die Fertigstellung der Schule ein weiteres Mal. Aber im nächsten Jahr soll alles fertig sein. Wirklich. Ein viertes Stadthaus wird Münster dagegen wohl erst einmal nicht bekommen. Den Plan hat der Rat im Spätsommer auf Eis gelegt, nachdem die Kosten immer weiter gestiegen waren. Vor drei Jahren hatte man von etwas mehr als 70 Millionen Euro gesprochen. Zuletzt war die Rede von 115 Millionen Euro.
Die Debatte um den Verwaltungsbau bringt eine Frage mit sich, die sich zurzeit auch in vielen Unternehmen stellt: Wie viele Büroarbeitsplätze wird man in Zukunft überhaupt noch brauchen, wenn immer mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten? Knappes Baumaterial, ausgelastete Bauunternehmen, die Inflation und die massiv gestiegenen Energiekosten sind auf allen Baustellen ein Problem. Das merkt die Stadt unter anderem beim Ausbau des Glasfasernetzes. Es hakt überall. Nur beim neuen Preußen-Stadion, da soll es nicht haken. Wobei auch hier schon lange klar ist: Für die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen 40 Millionen Euro wird das Stadion nicht zu haben sein. Zusammenstreichen kann man die Pläne allerdings auch schlecht. Der Verein braucht die VIP-Logen in der langen Gerade gegenüber der Haupttribüne, um seinen Anteil am Stadion zu finanzieren. Würde man auf die Ost- oder Westtribüne verzichten, sähe das aus, als müssten die Fans alles ausbaden.
Gegen Ende des Jahres beschließt der Rat mit großer Mehrheit, 20 Millionen mehr für das Stadion zur Verfügung zu stellen. Doch auch das könnte am Ende zu wenig sein. Eine wichtige Frage ist nach wie vor ungeklärt: Kann die Bauwerke GmbH, die städtische Gesellschaft, die das Stadion bauen soll, die Vorsteuer abziehen, wie Unternehmen es dürfen? Oder geht das nicht, weil die Gesellschaft der Stadt gehört und damit dem Staat? Bis zum Ende des Jahres ist das weiter nicht geklärt. In einer anderen Frage hat man sich geeinigt. Bislang hat die Stadt keine Gesellschaft, die fürs Bauen zuständig ist. Mal übernimmt das die Wirtschaftsförderung, mal die städtische Parkhausgesellschaft WBI, mal die Stadtwerke. Das soll sich nun ändern, beschließt das Rathausbündnis – gegen den Willen von Stadtbaurat und Oberbürgermeister. Um den Bau von Schulen soll sich in Zukunft allein die Gesellschaft Bauwerke kümmern. Für sie soll aber nicht mehr ein Stadtwerke-Geschäftsführer nebenbei verantwortlich sein. Die Gesellschaft soll eine eigene Führung bekommen und direkt an die Stadt angegliedert sein. Der Oberbürgermeister sagt in der Ratssitzung Mitte Dezember, er befürchte, der Bau von Schulen werde sich dann weiter verzögern. Das Bündnis ist anderer Meinung. (rhe)
Die Verkehrspolitik
Eines der großen Themen im Kommunalwahlkampf vor zwei Jahren war die Frage: Wie kann es gelingen, die Stadt so umzugestalten, dass Abgase eine geringere Rolle spielen? Anfang des Jahres hat Münster drei Verkehrsversuche hinter sich, weitere sind geplant, doch weitgehend autofrei, wie es im Wahlkampf angekündigt worden war, ist die Innenstadt weiterhin nicht.
Im Gegenteil: Die Auto-Zulassungszahlen haben einen großen Sprung gemacht. Die Stadtwerke müssen Buslinien vorübergehend einstellen, weil sie kein Personal finden, das die Busse fährt. Die Mobilitätswende steckt im Stau. Im Sommer geht es ein kleines bisschen voran. Das 9-Euro-Ticket vermittelt ein Gefühl dafür, wie einfach es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln doch sein kann. Doch das Ticket ist zu teuer, um es dauerhaft anzubieten. Die Bundesregierung einigt sich auf einen Nachfolger: das 49-Euro-Ticket. Doch das sind aufs Jahr gerechnet immer noch knapp 600 Euro.
Die SPD hatte im Wahlkampf ein Busticket angekündigt, das sehr viel günstiger ist, 365 Euro im Jahr. Im November kündigt die Koalition ein 29-Euro-Ticket an, für Münster, vielleicht auch für das Umland, das müsse noch geklärt werden. Doch im Umland sorgt das Ticket für Ärger, denn es soll über Parkgebühren finanziert werden. Das kommt in den Kreisen rund um Münster nicht gut an.
Auf Münsters Straßen geht es mit der Verkehrswende weiter schleppend voran. Zum Jahresende setzt das Rathausbündnis zwar durch, dass Domplatz und Pferdegasse für den Autoverkehr gesperrt werden, wie man es im Koalitionspapier angekündigt hatte. Doch auf der Königsstraße staut sich vor Weihnachten weiter der Verkehr. Am Rande der Altstadt ein Verkehrsversuch, den das Rathausbündnis so nicht geplant hatte: Im September kündigt die Stadt an, die Bergstraße über mehrere Monate zu sperren, um dort Fernwärmeleitungen zu verlegen. Damit erübrigt sich ein Plan, der noch in der ersten Jahreshälfte für große Diskussionen gesorgt hatte: die vorübergehend Sperrung des Bülts.
Eine Frage ist: Wenn die Pläne der Stadt lange bekannt waren, warum hat man der Politik davon nichts verraten? Der Eindruck, dass Politik und Stadtverwaltung gegeneinander arbeiten, entsteht an mehreren Stellen. Bevor etwas passieren kann, arbeitet die Stadtverwaltung Konzepte und Vorschläge aus, aber die lassen dann monatelang auf sich warten. Wie das Verkehrsproblem am Aegidiitor gelöst werden soll, ist auch anderthalb Jahre nach der Debatte über die spektakuläre Fahrradbrücke, den Flyover, nicht klar. Das Geld dafür streicht das Bündnis gegen Ende des Jahres aus dem Haushalt. An der Weseler Straße herrscht weiter Stau. Die Stadtverwaltung hat einen neuen Vorschlag zum Ausbau der Autobahnspinnen an der Weseler Straße gemacht. Das Bündnis möchte den Busverkehr beschleunigen. Im Vorschlag steht sinngemäß: Wenn man irgendwo sparen wolle, dann am besten an der Busspur. (rhe)
Der Kegelclub aus Albachten
Ende Mai macht der Kegelclub „Stramm am Tisch“ aus Albachten eine Kegeltour nach Mallorca. Wenige Stunden nach seiner Ankunft brennt eine Bar. Sind die 13 Männer aus Münster für das Feuer verantwortlich?
Von den Balkonen aus, auf denen die Männer gefeiert haben, sollen Zigarettenkippen auf ein Vordach geflogen sein, das Feuer fing. Die spanische Polizei nimmt die Kegelbrüder in Untersuchungshaft. Fünf von ihnen kommen später frei, weil sie eine Kaution zahlen oder ihre Unschuld beweisen können. Doch es erscheint möglich, dass die übrigen acht Münster mehrere Jahre lang nicht wiedersehen werden.
Die Berichte über die Umstände des Feuers werfen einen Lichtkegel auf eine touristische Praxis, die tatsächlich mit einigen Risiken verbunden ist; das ist der Saufurlaub. Reisegruppen kommen für wenige Tage, um in Spanien mal so richtig die Sau rauszulassen. Wie es zu dem Feuer kam, ist auch im Juli noch immer nicht klar. Menschen, die vor Ort waren, als das Vordach zu brennen begann, belasten den Kegelclub. Ein Video entlastet ihn.
Mitte Juli entlässt die Staatsanwaltschaft die verbliebenen acht Kegelbrüder aus der Untersuchungshaft. Ob sie das Feuer verursacht haben, wird ein Gerichtsverfahren klären müssen. Am Flughafen in Greven empfängt man sie bei ihrer Ankunft wie Helden. (rhe)
Der Müllsammler
An der Hammer Straße klettert am 27. April ein Mann auf einen Baukran und kündigt an, dort zu bleiben. Der Mann ist Ende fünfzig und in Kinderhaus seit Jahren als „der Müllsammler“ bekannt. Er hortet Gegenstände auf seinem Grundstück und bedroht eine Nachbarin, er hat auch schon mehrfach Kräne besetzt, am Bahnhof, beim Bau des LVM-Turms an der Weseler Straße, auch in Düsseldorf.
Er ist mehrfach verurteilt, wegen ganz unterschiedlicher Delikte, auch wegen schweren Missbrauchs von Kindern. Ein Gerichtsgutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Mann psychisch krank ist. Nach einer Woche klettert er vom Kran und geht freiwillig in eine psychiatrische Klinik.
Am 25. Juli sitzt der Mann wieder auf dem Kran, diesmal bleibt er länger. Erst nach drei Wochen nimmt die Polizei ihn unten in Empfang. In den Wochen darauf verschlimmert sich die Situation. Die Polizei fährt immer öfter zu seinem Grundstück. Der Mann bedroht seine Nachbarin nicht nur, er greift sie auch an. Es stellt sich die Frage: Warum liefert man ihn nicht ein in die Psychiatrie?
Die Antwort ist: Das muss freiwillig geschehen, es sei denn, die Behörden sind der Meinung, von dem Mann geht eine Gefahr aus. Ende November kommen Polizei und Staatsanwaltschaft zu dieser Einschätzung und korrigieren damit ein Fehlurteil des Landgerichts. Die Richter waren davon ausgegangen, dass er nicht gewalttätig wird. Den Dezember verbringt der Mann in Untersuchungshaft. Mitte des Monats soll vor dem Amtsgericht der nächste Prozess gegen ihn beginnen. Doch kurz vorher verschiebt das Gericht den Termin. Ein neues Gutachten soll klären, ob der Gesundheitszustand des Mannes den Prozess überhaupt zulässt. (rhe)
Der Klimaschutz
Ein trockener, heißer Sommer und Rekordtemperaturen im Oktober. Die Auswirkungen der Klimakrise sind in Münster längst zu spüren. Mit dem Jahreswechsel rückt auch das Jahr 2030 wieder ein Stück näher. Bis dann soll Münster klimaneutral sein. Dieses Ziel hat sich die Stadt selbst gestellt. Nur was hat sie dafür dieses Jahr geleistet?
Diese Frage stellt sich Constanze Busch im September. Sie kommt zu dem Ergebnis: Es tut sich was, aber nicht genug. Das Förderprogramm für klimafreundliche Wohngebäude wird im Juni gestoppt, weil die Nachfrage so groß ist. Im neuen Jahr soll das Programm weitergehen, zu geänderten Förderbedingungen. Es wird über Photovoltaik in der Innenstadt gestritten, bisher ohne wirkliche Lösung. Das Pilotprojekt für Nahwärme in Albachten wird erst gar nicht umgesetzt. Auch die geplanten Sanierungsgebiete und das Wärmekataster fehlen bislang. Immerhin: Die Stadtverwaltung will ihre eigenen Gebäude klimaneutral machen und hat angefangen, die Schulen zu sanieren. Der Energiestandard KfW 40 für neue Gebäude und die Solaranlagenpflicht für sanierte Dächer sind beschlossene Sache. Auch mit der Umstellung der Privathaushalte auf Ökostrom läuft es gut.
Für das nächste Jahr bleibt es also zu hoffen, dass die Politik nicht nur über Klimaschutz spricht, sondern ihn auch umsetzt. Der Oberbürgermeister hat in einer Ansprache bei Instagram angekündigt, dass 2023 ein Klimaschutzjahr für Münster werden soll. (vpe)
Der Fachkräftemangel
Seit Douglas Adams seine Romanreihe Per Anhalter durch die Galaxis herausgebracht hat, wissen wir: Die Antwort auf alles lautet 42. Inzwischen könnte man aber auch eine andere Antwort auf alles geben. Sie heißt „Fachkräftemangel“ und ist der Grund, warum gerade so vieles in Münster nicht klappt oder gar nicht erst in Fahrt kommt.
Darüber hat Ralf Heimann im August einen RUMS-Brief geschrieben. Der Titel lautete „Überall fehlen Leute“, was natürlich etwas provokant und nach Übertreibung klingt, aber das Problem sehr schön und vereinfacht auf den Punkt bringt. Denn die Auswirkungen des Fachkräftemangels in Münster sind massiv. Hierzu eine kleine Auswahl von Dingen, die nicht funktionieren, weil Personal fehlt:
- Die Kitas müssen Gruppen zusammenlegen oder sogar schließen.
- Der Unterricht in den Schulen fällt aus.
- Der Ausbau der Pflegeplätze gerät ins Stocken.
- Auf den Geburtsstationen in den Kliniken fehlen Hebammen.
- Die Busse fahren nicht und die Stadtwerke können das Angebot an Nachtbussen nicht ausbauen.
- Die Post kommt mit Verspätung oder gar nicht an.
- Bäckereien schließen ihre Filialen.
- Der Glasfaserausbau kommt nicht voran.
- Die Schwimmbäder schließen früher als geplant.
- Die Stadtverwaltung muss Anträge liegen lassen.
- Supermärkte ersetzen Kassierer:innen durch Selbstbedienungskassen.
- Im Café räumen nicht die Kellner:innen, sondern die Gäste ihr benutztes Geschirr ab.
- Die Auftragsbücher im Handwerk quillen über.
Und welche Lösung gibt es für den Fachkräftemangel in Münster? Diese Frage wird uns wohl noch lange beschäftigen. Schauen wir mal, für wie viele RUMS-Briefe dieses Thema im nächsten Jahr taugt. (sfo)
Der Krieg und die Folgen
Der 24. Februar 2022 hat in Europa alles verändert. Es ist wieder Krieg. Morgen, an Heiligabend, beginnt der zehnte Monat, in dem Russland gegen die Ukraine Krieg führt. Das Leid der Menschen ist schier unvorstellbar. Die Vereinten Nationen gehen von rund 6.700 zivilen Todesopfern und über 10.000 Verletzten seit Kriegsbeginn aus. Laut dem Geflüchtetenwerk haben 7,8 Millionen Menschen seit Kriegsbeginn die Ukraine verlassen, die meisten davon in Richtung Polen, Russland und Deutschland.
Einer davon ist der Münsteraner Andre Groten. Er und seine Frau Mariia haben vor Beginn des Krieges in Kyjiw gewohnt, jetzt sind sie wieder in Deutschland. Im März hatte Johanne Burkhardt die Geschichte von ihrer Flucht aus der Ukraine aufgeschrieben. Seitdem erzählen wir die Geschichte von Andre und Mariia Groten im RUMS-Brief immer wieder weiter. Morgen feiern die beiden das erste Mal Heiligabend zu zweit, ohne die Familie in der Ukraine.
Um sich ein Bild von der Lage der Geflüchteten in Münster zu machen, hat Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulz am Donnerstag zusammen mit der Sozialdezernentin der Stadt, Cornelia Wilkens, eine Geflüchtetenunterkunft in Roxel besucht. Die Stadt hat insgesamt 46 solcher Einrichtungen, in jeder ist Platz für 50 Menschen. Wie viele geflüchtete Ukrainer:innen in Münster leben, kann die Stadt allerdings nicht genau sagen. Sie weiß von rund 3.400 Geflüchteten, teilt uns das Presseamt auf Anfrage mit. Zum Vergleich: 2015 hat Münster rund 1.200 Geflüchtete aufgenommen.
Der Grund für die ungenaue Statistik ist: Geflüchtete Ukrainer:innen müssen in Deutschland keinen Asylantrag stellen, sie können ihren Wohnort frei wählen und bei Verwandten und Privatleuten unterkommen. Das ermöglicht der Bund mit einer speziellen Aufnahmeverordnung für Ukrainer:innen.
Die Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine ist in Münster riesig. Es finden immer wieder Demonstrationen in Münster statt und viele Menschen spenden. Und um auch vor Ort zu helfen, ist Münster kürzlich eine Solidaritätspartnerschaft mit der Stadt Winnyzja in der Zentralukraine eingegangen, um die Menschen dort mit Hilfsgütern zu unterstützen.
Russland führt aber nicht nur mit militärischen Mitteln Krieg. Wladimir Putin setzt auch Gas und Getreide als Waffe gegen den Westen ein. Russland liefert einfach nichts, um uns zu schaden. Strom, Gas und Wärme sind inzwischen knappe Güter. Die Politik reagiert auf diese Mangellage. Die Devise lautet: Alle müssen sparen, die Privathaushalte, die Verwaltung und die Wirtschaft. Und Münster bereitet sich auf den Ernstfall vor: Die Verwaltung besorgt Notstromaggregate, damit Teile der Stadt versorgt werden können, sollte der Strom irgendwann ausfallen.
Der Mangel schlägt sich auf die Preise nieder: Die Inflation lag im November 2022 bei 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, vor allem Energie (38,7 Prozent) und Lebensmittel (21,1 Prozent) werden immer teurer. Vielen bereitet das Sorgen. Die Angst geht um, dass sich bald immer weniger Menschen das Leben in Münster noch leisten können.
Der Rat sucht auf diese sozialen Folgen des Krieges Antworten. Eine ist: Die Verwaltung soll zusammen mit den Stadtwerken einen Sozialenergiefonds einrichten. Er soll Menschen finanziell unterstützen, die sich ihre Gas- und Stromrechnungen nicht mehr leisten können. (sfo)
Der Missbrauch und die Aufarbeitung
Im Juni stellt Forschungsteam seine Studie über den Missbrauch im Bistum Münster vor. Drei Jahre lang hatten vier Historiker und eine Sozialanthropologin Akten aus den Archiven des Bistums ausgewertet. Ihre Ergebnisse haben die Autor:innen in einem rund 600 Seiten starken Buch zusammengefasst. Ihr Urteil: vernichtend.
Zwischen 1945 und 2020 sollen mindestens 183 Priester, zwölf Ordensleute und ein Ständiger Diakon etliche Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben. Drei Viertel der Betroffenen waren Jungen. 40 Prozent der Täter haben sich mehrfach an ihren Opfern vergriffen. Neun von zehn der Beschuldigten sind nie bestraft worden. Die Wissenschaftler:innen konnten 610 Missbrauchsbetroffene identifizieren. Sie gehen allerdings davon aus, dass die Dunkelziffer der Fälle acht- bis zehnmal höher liegen könnte.
Über die Frage, wie es so weit kommen konnte, schreiben die Wissenschaftler:innen, die Hauptverantwortung liege bei den Bischöfen. Sie hätten über Jahrzehnte hinweg ein System gedeckt, das den Missbrauch im Bistum begünstigt hat. „In den Akten haben wir kaum Anzeichen der Empathie und Sorge für die Betroffenen gefunden“, heißt es an einer Stelle der Studie.
Dazu kommen weitere Faktoren, etwa dass die Gesellschaft keine Sprache für Sexualität gefunden hat oder Kinder Erwachsenen keine Widerworte geben sollten, schon gar nicht Priestern. Und: Die Kirche hat ihr eigenes Strafrecht. Missbrauch gilt darin erst seit einem Jahr als Straftat, wurde zuvor nur als Verstoß gegen den Zölibat gewertet.
Dementsprechend schleppend läuft die Aufarbeitung, die Wut der Betroffenen darüber ist groß. Einige Geistliche haben ihr Amt beim Bistum verloren. Bischof Felix Genn kündigt außerdem an, den Weg im Bistum freizumachen für eine Reform, durch die die Verwaltung der Kirche gerichtlich geprüft werden können. Er sieht eine Teilschuld auch bei sich, weil er mit seiner Mehrfachrolle als Mitbruder, Seelsorger und Vorgesetzter überfordert war. Zurücktreten will Genn nicht.
Das Bistum hat bislang rund 4,3 Millionen Euro an 200 Missbrauchsbetroffene gezahlt. Wer aus welchem Grund wie viel Geld bekommt, erschließt sich den Betroffenen nicht. Auch hier zeigt die Kirche: Transparenz gehört nicht zu ihren Stärken. (sfo)
Der Tod von Malte C.
Spätsommer in Münster. Die Parade zum Christopher-Street-Day zieht Ende August durch Münster. Eine bunte Demonstration, ausgelassene Stimmung. Nach der Demo beleidigt der 20-jährige Nuradi A. drei Teilnehmer:innen. Malte C. schreitet ein. Nuradi A. schlägt zu, Malte C. fällt zu Boden. Wenige Tage später stirbt Malte C. im Krankenhaus. Der trans Mann wurde 25 Jahre alt.
Die Nachricht von dem Angriff am CSD in Münster bewegt viele Menschen hier in Münster und auch an vielen anderen Orten in Deutschland. Am Tag seines Todes kommen mehrere hundert Menschen zu einer Kundgebung am Prinzipalmarkt zusammen. Auch andernorts finden Gedenkveranstaltungen statt. Und die Politik reagiert. Münster soll einen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit bekommen und einem internationalen Netzwerk von Regenbogenstädten beitreten. Das Land NRW und der Bund planen ebenfalls, mehr im Kampf gegen Queerfeindlichkeit zu unternehmen.
Die Staatsanwaltschaft Münster hat inzwischen Anklage gegen Nuradi A. erhoben. Er schweigt seit seiner Festnahme. Ein psychologisches Gutachten sieht hinter dem Angriff auf Malte C. keine queerfeindlichen Absichten. (sfo)
Der Pflegestreik an der Uniklinik
Am 21. Januar stellen 700 Beschäftigte aus den sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen ein 100-Tage-Ultimatum: Bis zum 1. Mai sollen der Arbeitgeberverband und die Landesregierung Maßnahmen gegen den Personalnotstand in der Pflege treffen, sonst wollen die Mitarbeiter:innen in einen unbefristeten Streik treten. Die Gewerkschaft Verdi fordert einen sogenannten Tarifvertrag Entlastung, der verbindliche Personalschlüssel für alle Bereiche der Unikliniken festlegt und einen angemessenen Freizeitausgleich vorsieht, wenn diese Schlüssel nicht eingehalten werden und die Klinikkräfte in einer schlechteren Besetzung arbeiten müssen. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Qualität der Ausbildung soll dem Personalmangel in der Pflege entgegenwirken. Tausende Beschäftigte der Unikliniken schließen sich der Aktion Notruf NRW an.
Im April finden die ersten Warnstreiks der Mitarbeiter:innen der Uniklinik Münster statt, weil vom Arbeitgeberverband NRW kein Gesprächsangebot kommt. Am 1. Mai läuft das 100-Tage-Ultimatum aus und die Klinikmitarbeiter:innen stimmen fast einstimmig für einen unbefristeten Streik. Notdienstverbeinbarungen sichern währenddessen die Versorgung von Notfallpatient:innen. Die Auswirkungen sind dennoch deutlich spürbar: Die Uniklinik kann nur zwölf der vierzig OP-Säle betreiben. Von den rund 1.500 Krankenbetten bleibt über die Hälfte leer. Der Uniklinik bleibt nichts anderes übrig, als planbare Operationen zu verschieben.
Elf Wochen später beendet die Tarifkommission von Verdi den bisher längsten Streik in der Geschichte des Gesundheitswesens: Sie stimmt dem ausgehandelten Eckpunktepapier zum Tarifvertrag Entlastung zu. Verdi und die Unikliniken einigen sich im Kern auf schichtgenaue Betreuungsschlüssel für „weite Teile in der Pflege“, die ab 2023 gelten sollen. Wenn in einer Dienstschicht mehr Betten belegt sind als der Betreuungsschlüssel vorsieht, sollen die Pflegekräfte einen sogenannten Belastungspunkt bekommen. Sobald jemand sieben Punkte hat, soll es für diese Person einen freien Entlastungstag geben. Im ersten Jahr können die Pflegekräfte bis zu elf Entlastungstage bekommen, im zweiten Jahr 14 und im dritten Jahr 18. Fünf dieser Entlastungstage sollen ausgezahlt werden, damit in den Kliniken genug Personal arbeitet. (ast)
Das Coronavirus
Corona – war da 2022 noch was? Die Pandemie ist gefühlt seit diesem Jahr Geschichte. Die Zeit der Lockdowns und des Abstandhalten scheint endgültig vorbei zu sein. Beschränkungen gibt es kaum noch. Am strengsten sind noch die Besuchsregeln im Krankenhaus und im Pflegeheim (seit heute gilt übrigens eine neue Coronaverordnung). Im Bus und in der Bahn ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes noch immer vorgeschrieben, doch die ersten Bundesländer verabschieden sich mittlerweile von der Maskenpflicht im Nahverkehr.
Aber wie so oft ist die gefühlte Wahrheit eine Sache, die Fakten sind eine andere. Es stecken sich immer noch Menschen mit dem Coronavirus an und die Infektionen belasten nach wie vor unser Gesundheitssystem. Die Stadt meldet für heute 274 positive PCR-Tests. Damit liegt die Inzidenz in Münster bei 331 bestätigen Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner:innen in den letzten sieben Tagen. Sechs Erkrankte liegen auf der Intensivstation, zwei von ihnen müssen beatmet werden.
Die wenigen Regeln erwecken vor allem einen Eindruck: Es ist vorbei, Corona ist nichts weniger als ein harmloses Virus. Tatsächlich war 2022 aber das bisher tödlichste Pandemiejahr in Münster. 110 Menschen sind im Laufe des Jahres im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Das ist fast die Hälfte aller bisher gemeldeten Todesfälle: Seit Beginn der Pandemie sind 249 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben. (sfo)
Die G7-Außenminister:innen in Münster
Möglicherweise hat sich niemand in Münster so sehr auf das Treffen der G7-Außenminister:innen in Münster gefreut wie der Oberbürgermeister. Mit beneidenswertem Selbstbewusstsein lässt Markus Lewe über das Presseamt mitteilen, bei dem Treffen im historischen Rathaus handle es sich um nichts weniger als um eines der „größten diplomatischen Ereignisse in Münster seit 1648, als hier die Friedensverträge für den Dreißigjährigen Krieg unterzeichnet wurden“.
Auch die Westfälischen Nachrichten frohlocken ob der internationalen Präsenz. Die Zeitung richtet gemäß ihrer journalistischen Chronistenpflicht einen Liveblog ein, auf dem sie schlichtweg alles dokumentiert, was sich am 3. und 4. November in der Stadt abspielt. Zum Beispiel fahren an beiden Tagen sehr viele schwarze Limousinen mit wichtigen Politiker:innen über den Domplatz, Außenministerin Annalena Baerbock geht am Freitagmorgen eine Runde joggen und die Kaufleute am gesperrten Prinzipalmarkt nutzen die Gelegenheit, um in aller Ruhe den Weihnachtsschmuck aufzuhängen.
Aufhängen, gutes Stichwort, das hätte ein:e Mitarbeiter:in aus dem Auswärtigen Amt mit einem Kruzifix im Friedenssaal machen sollen. Dort hat jemand ein jahrhundertealtes Kreuz für die Zeit der Verhandlungen abgehängt. Offiziell aus organisatorischen Gründen, anderen Behauptungen zufolge will das Auswärtige Amt aus Neutralitätsgründen die Verhandlungen nicht mit christlichen Symbolen in Verbindungen bringen. Aus dieser Abhängung entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit eine Posse in Münster, die auch überregional Schlagzeilen macht. Markus Lewe und Annalena Baerbock bedauern die Entscheidung im Anschluss an das G7-Treffen öffentlich.
Nur: Ist die Aufregung vielleicht ganz umsonst? Diese Frage wirft sich auf, nachdem sich eine Leserin bei uns gemeldet hat. Ihr ist aufgefallen, dass auf einem historischen Gemälde, das den Friedenschluss von Münster zeigt, nichts vom besagten Kreuz zu sehen ist. Warum das Kruzifix fehlt, darüber lässt sich 374 Jahre später nur mutmaßen. Eine Kunsthistorikerin, die wir mit dieser Frage kontaktieren, sagt, das fehlende Kreuz könnte durchaus „eine Neutralitätsgeschichte wie beim Außenministerium“ gewesen sein. 1648 ist man in Sachen Gelassenheit und Toleranz vielleicht doch weiter, als wir das heutzutage denken. (sfo)
Der Gasometer
Zum Jahreswechsel ist noch nicht ganz klar, wie es am Gasometer weitergeht. Der Verein Sozialpalast würde gern bleiben, am liebsten dauerhaft, aber der Mietvertrag ist ausgelaufen. Den Stadtwerken wäre es am liebsten, wenn der Verein seine Sachen packen und gehen würde. Dann könnten die Vorbereitungen für den Wettbewerb beginnen, den man plant, um ein Unternehmen zu finden, das den Gasometer samt Gelände übernehmen und bebauen möchte.
Doch der Verein Sozialpalast und das Kollektiv „Gazo“ wollen nicht gehen. Mit Unterstützung des Rathausbündnisses, vor allem der Grünen, gelingt es immer wieder, ein paar Monate rauszuschlagen. In der zweiten Hälfte des Jahres spitzt die Situation sich erneut zu. Die Stadtwerke machen deutlich, dass sie nicht bereit sind, das Gelände weiter zu vermieten. Sie fordern den Schlüssel zurück. Der Verein Gasometer lässt die Übergabe platzen.
Im November gelingt überraschend eine Einigung. Der Verein erklärt sich bereit, das Gelände zum Ende des Jahres vorübergehend zu verlassen, damit die Stadtwerke dort eine „Gasometerbörse“ veranstalten können – eine Art Infotag für Menschen, die sich vorstellen können, das Gelände zu kaufen. Parallel stellt die Stadt eine Jury zusammen, die darüber entscheiden soll, wer den Zuschlag bekommt – wenn sich überhaupt jemand findet, der in dieser Zeit so viel Geld in ein marodes Denkmal stecken mag. Nach der Börse darf der Verein Sozialpalast zurückkommen, er bekommt einen neuen Mietvertrag. Denn wie auch immer die Entscheidung am Ende ausfallen wird, gebaut wird am Gasometer auch im nächsten Jahr wahrscheinlich wohl nicht. (rhe)
Die Wohnkrise
Freie Mietwohnungen sind in Münster Mangelware. Fast nirgendwo sonst gibt es so wenig Leerstand wie hier: Von eintausend Wohnungen sind in Münster nur drei frei. Schlimmer ist es nur in München. Und wer zu den Glücklichen zählt, die eine Wohnung in Münster gefunden haben, darf auch noch draufzahlen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Mieten hier um 4 Prozent gestiegen. Von den Bau- und Grundstückspreisen fangen wir am besten gar nicht erst an.
Um den Druck am Immobilienmarkt abzulassen, lässt die Stadt Sozialwohnungen bauen, jedes Jahr 300 Stück. Das hat der Rat vor ein paar Jahren entschieden. Nur dieses Jahr wird Münster dieses Ziel deutlich verfehlen. Ungefähr einhundert Sozialwohnungen werden nicht fertig, weil die Baukosten explodiert sind. Gleichzeitig ist dieses Jahr im Herzen der Stadt, am Hauptbahnhof, ein Kapitalismustempel namens Poha-House entstanden, in dem Luxuswohnungen zu Wucherpreisen angeboten werden.
Die Folge der Wohnkrise: Immer weniger Menschen können sich das Leben in Münster leisten. Die Zahl der Wohnungslosen hat sich innerhalb der letzten zwei Jahren von 800 auf über 1.700 mehr als verdoppelt. Wohnungslosigkeit betrifft auch zunehmend Menschen, die einen Job haben. Im Sommer öffnete eine Unterkunft für Berufstätige, die keine eigene Wohnung haben. Und immer mehr Familien müssen notgedrungen in einer Wohnungsloseneinrichtung unterkommen. Heute Vormittag verschickt die Stadt einen Hilferuf: Menschen, die freien Wohnraum für Wohnungslose anbieten können, sollen sich bitte bei der Stadt melden. Die Unterbringung stoße an ihre Grenzen, heißt es ganz unverblümt in der Pressemeldung. Die Stadt habe auch immer wieder Hotelzimmer angemeldet, um Menschen unterzubringen. Vor allem für Familien und Alleinerziehende sei kein Platz. Ausgerechnet jetzt, wo im Winter wieder mehr Menschen nach einer warmen Unterkunft suchen werden. (sfo)
Ein Blick auf die Zahlen
Zum Jahresende haben wir in unsere Statistiken geschaut und dabei ein paar interessante Dinge entdeckt. Die meiste Zeit verbringen Sie mit RUMS wahrscheinlich in Ihrem E-Mail-Programm, aber alle Briefe, Kolumnen, Analysen und Reportagen erscheinen auch auf unserer Website. Und da sind sie 3.354 Stunden lang gelesen worden. Ein Text ragt dabei heraus, das ist Constanze Buschs Recherche über das Anzeigenblatt „Hallo“. Sie ist 102 Stunden lang gelesen oder vielleicht auch nach dem Lesen kopfschüttelnd angestarrt worden.
Ungefähr 32 Stunden verbrachten Sie zusammen in unserem RUMS-Brief über das Poha-House am Bahnhof. Danach folgen der RUMS-Brief, für den wir wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine mit Marina Weisband gesprochen haben (29 Stunden) – und der Brief mit dem Bericht über den Prozess vor dem Landgericht, in dem es um die Klage des früheren Wirtschaftsförderers Thomas Robbers gegen die Stadt Münster ging (28 Stunden). Großes Interesse fand auch Johanne Burkhardts Recherche über die Baulücken in Münster und Nils Dietrichs Enthüllung über zwei Waffeninvestoren, die sich an Preußen Münster beteiligt haben.
Der Monat, in dem RUMS-Briefe am häufigsten geöffnet wurden, war übrigens der März. Danach kamen Januar und überraschenderweise der warme Juli. Die schwächsten Monate waren, leider, der Oktober, der November und überraschenderweise der warme Juni.
Und was wir auch noch sagen können: Am häufigsten wurde RUMS in diesem Jahr mit iPhones aufgerufen, dicht gefolgt von Android-Smartphones, dann kommen Windows-Rechner und mit einigem Abstand auf Platz vier: Apple-Computer. (rhe)
Zum Schluss ein Dankeschön an Sie
Hammer-Straßen-Fest, Kreuzviertelfest, Ökullus-Hoffest, Handorfer Herbst – und noch viele mehr. Die Liste der Straßen- und Viertelfeste, auf denen wir in diesem Jahr zum ersten Mal mit unserem RUMS-Stand dabei gewesen sind, ist lang. Wir wollten erfahren, was Sie in Ihren Stadtteilen und -vierteln bewegt, welche Themen für Sie wichtig sind. Und wir wollten mit Ihnen ins Gespräch kommen. Viele von Ihnen haben uns an unserem RUMS-Stand besucht und uns etwas über ihren Stadtteil erzählt. Über das ehrenamtliche Engagement zum Beispiel oder über den Verkehr vor Ort, aber auch über ihre persönliche Wohn- oder Arbeitssituation. Wir haben uns gefreut, dass wir auf diese Weise einige von Ihnen persönlich kennenlernen konnten. Vielen Dank für die vielen guten Begegnungen, Ihre Ideen und Anregungen, und für Ihr Lob – aber auch für Ihre Kritik und Ihre konstruktiven Vorschläge. (jal)

Beitrag von Niklas Bessenbach am 23.12.2022
„Das Coming-out war mein persönliches Ostern“

Ein schwuler Mann heiratet eine Frau, sie bekommen Kinder. Dann entdeckt sie seine Gay-Magazine. Doch die Heimlichkeiten gehen weiter. Er wird Diakon in einer katholischen Gemeinde. Sie wird depressiv. Erst jetzt, mit fast 60 Jahren, outet er sich öffentlich.
Beitrag lesenIm RUMS-Brief am Dienstag hatten wir geschrieben, dass beim Amtsgericht Münster erst Mitte Februar wieder Termine für den Kirchenaustritt zu bekommen sind. Das ist richtig. Aktuelle ist der nächste freie Termin am 21. Februar. Was wir nicht erwähnt haben: Man kann das Ganze etwas beschleunigen, indem man zum Notar geht.
+++ Weil wieder viele Menschen die Weihnachtsmärkte besucht haben, waren die Hotels an den Wochenenden fast komplett ausgebucht. (Stadt Münster)
+++ Dieses Jahr sind so viele Photovoltaikanlagen ans Netz gegangen wie noch nie, sodass 25.000 Haushalte in der Stadt mit Strom versorgt werden können. (Stadtnetze Münster)
+++ Das Kirchenfoyer schließt von Januar bis April für Renovierungsarbeiten. (Kirche und Leben)
+++ Der Flughafen Münster/Osnabrück will im Sommer 2023 wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen. (Antenne Münster)
+++ Das Bündnis „FMO-Ausstieg Jetzt!“ kritisiert, dass der Flughafen trotz schlechter Haushaltslage der Kommunen weitere zehn Millionen Euro von den Kommunen bekommt. (Bündnis FMO-Ausstieg Jetzt!)
+++ Die Abfallwirtschaftsbetriebe testen ein erstes elektrisches Abfallsammelfahrzeug in der Praxis. (Stadt Münster)
+++ Mehr als einhundert Leute haben bei der Stadt eine Aus- oder Weiterbildung abgeschlossen. (Stadt Münster)
+++ Es ist immer noch nicht klar, ob die beiden Filialen der insolventen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof in Münster geschlossen werden. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Handwerksbetriebe in Münster können noch bis Silvester die Dezemberhilfe für Gas- und Fernwärme in Anspruch nehmen. (Handwerkskammer Münster)
+++ Die Universität und die Fachhochschule schließen zwischen den Feiertagen ihre Gebäude, um Energie zu sparen, wollen aber nicht wieder zurück zur Distanzlehre. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Gespräche zwischen der Stadt und dem DRK über zwei Kitas in Angelmodde und Coerde, die wegen Erziehermangel nicht geöffnet werden, sind auf Ende Januar verschoben worden. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Ärztekammer beurteilt die derzeitige Lage in der Gesundheitsversorgung als „geradezu dramatisch“. (Ärztekammer Westfalen-Lippe)
+++ Der Apothekerverband Westfalen-Lippe fordert Maßnahmen gegen die Lieferengpässe bei Fiebersäften, Antibiotika und Hustenmitteln. (Apothekerverband Westfalen-Lippe)
+++ An den Feiertagen haben einige Kinderarztpraxen in Münster geöffnet. (Antenne Münster)
+++ In diesem Jahr besuchten 1,64 Millionen Menschen die Museen, Stiftungen und Besucherzentren des LWL. (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)
+++ Die Münsteraner Hauptverwaltung des LWL bleibt zwischen Weihnachten und Neujahr geschlossen. (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)
+++ Im Januar findet wieder eine Demonstration gegen den Neujahrsempfang der AfD im Rathaus statt. (Alles Münster)
Für Last-Minute-Geschenke und alles Wichtige für das abendliche Festmahl findet morgen noch der Wochenmarkt statt. Geschenke zum Genießen finden Sie zum Beispiel bei Jalall D’or. Hier gibt es ausgefallene Trockenfruchtmischungen und Nussdelikatessen aus der ganzen Welt. Wenn es etwas regionaler sein soll, können wir die Imkerei Gerdes aus Havixbeck empfehlen. An ihrem Stand gegenüber der Bezirksregierung finden Sie regionale Honigsorten, verschiedene Honigspezialitäten und Bienenwachskerzen. Wenn Sie noch auf dem Markt einkaufen möchten, behalten Sie unbedingt die Uhr im Blick: Morgen schließen die Stände spätestens um 13 Uhr.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Auch an den Feiertagen ist in Münster einiges los. Eva Strehlke hat für Sie ein paar schöne Empfehlungen herausgesucht:
+++ Wenn morgen das Warten auf das Christkind schwerfällt, verkürzt ein Besuch im LWL-Naturkundemuseum vielleicht etwas die Zeit: Zwischen 10 und 15 Uhr ist der Eintritt in die aktuellen Ausstellungen frei.
+++ Die offene Weihnacht für alle ist ein kostenloses Angebot der katholischen Kirche, damit niemand den Heiligen Abend allein verbringen muss. An fünf Orten in Münster (St. Clemens Hiltrup, St. Franziskus Coerde, Hansahof Aegidii, St. Mauritz Pfarrheim Margaretakirche, St. Martini Innenstadt) gibt es warmes Essen, Weihnachtslieder und Gemeinschaft. Alle sind herzlich willkommen.
+++ Das Yogastudio Yogaflow macht wie die meisten Geschäfte Feiertagspause – mit zwei Ausnahmen. Am Sonntag findet das Weihnachtsspecial „Besinn dich“ mit Anke (im Studio an der Weseler Straße und online) statt, am Montag der Weihnachtsworkshop „Yin & Faszien“ mit Martina (im Studio). Freie Plätze gibt es noch in beiden Angeboten. Wenn Sie sich zwischen Schlemmerei und Weihnachtsstress Gutes für Körper und Seele tun wollen, können Sie sich über die Homepage anmelden.
+++ Ein Konflikt zwischen Gesetz und Glauben steht im Zentrum des antiken Dramas Antigone. Protagonistin Antigone will ihren Bruder bestatten, der König untersagt es ihr. Am Ende sind – wie so oft in antiken Dramen – die meisten tot. In der Klavierkabarett-Version von Bodo Wartke ist der Weg dahin trotzdem oft humorvoll, ohne die tragische Dimension der Geschichte dabei aus den Augen zu verlieren. Im Wolfgang-Borchert-Theater können Sie sich das Ganze als Regiedebüt von Florian Bender anschauen. Karten gibt es noch für Sonntag und Montag, oder auch für den 4. Januar.
+++ Und zum Schluss noch ein Tipp in eigener Sache: Behalten Sie zwischen den Jahren die RUMS-Profile auf Facebook, Instagram und Twitter im Auge. In den sozialen Medien haben wir für jeden Tag einen schönen Veranstaltungstipp für Sie vorbereitet.
Das war’s fast für dieses Jahr. Am Sonntag kommt noch eine Kolumne. Dann machen wir bis zum neuen Jahr Pause. Den nächsten RUMS-Brief schicken wir Ihnen am 3. Januar. Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage und einen guten Rutsch.
Herzliche Grüße
Sebastian Fobbe
Mitarbeit: Julia Albers (jal), Ralf Heimann (rhe), Viktoria Pehlke (vpe), Eva Strehlke (est), Antonia Strotmann (ast)
Lektorat: Antonia Strotmann
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Kein Jahr endet, ohne Bilanz zu ziehen und diese in einer hübschen Rangliste aufzubereiten. Über ein Ranking haben wir uns diesmal besonders gefreut: Das Medium Magazin hat Constanze Busch und Ralf Heimann auf Platz 5 in der Kategorie Chefredaktion regional gewählt. Die Begründung der Jury: RUMS ist ein „beeindruckendes Beispiel für unabhängigen Lokaljournalismus gegen den Trend“. Wir holen dann mal den Sekt aus dem Kühlschrank und sagen: Vielen Dank! (sfo)
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