Was hilft gegen den Silvestermüll? | Was hilft gegen leere Geschäfte? | Unbezahlte Werbung: Zeit für Brot

Porträt von Sebastian Fobbe
Mit Sebastian Fobbe

Guten Tag,

es ist ein gewaltiger Müllberg, den die Abfallwirtschaftsbetriebe in Münster nach der Silvesternacht eingesammelt haben. Fast 6 Tonnen sollen es gewesen sein (RUMS-Brief). Größtenteils bestand der Müll aus Böllern, Feuerwerkskörpern und Glasscherben – trotz Böllerverbotszonen in der Innenstadt. Beim letzten Jahreswechsel im Vor-Corona-Zeitalter waren es „nur“ 5,5 Tonnen Silvesterschrott.

Dieser Abfallhaufen soll aber nicht der Aufhänger sein für eine weitere Debatte über den Sinn und Zweck eines Böllerverbots. Ich möchte auf etwas anderes hinaus: Mir geht es um den Müll.

Münster hat sich nämlich ein ambitioniertes Ziel gesetzt. In sechs Jahren möchte die Stadt nichts weniger sein als „eine Hauptstadt der Abfallvermeidung“. Was auch sonst? Bis 2030 soll der Müllausstieg gelingen. Dann gibt es in der Stadt laut den Abfallwirtschaftsbetrieben keinen Müll mehr, sondern nur noch Wertstoffe, die wiederverwertet werden. Auch andere Städte wie Berlin, München, Kiel oder Frankfurt am Main erarbeiten Strategien, um künftig Müll zu vermeiden.

Die Frage ist nur: Wie soll das klappen?

Eine Idee kommt aus dem Ländle. Die Stadt Tübingen setzt seit 2022 auf eine Verpackungssteuer. Die wird für Restaurants und Cafés fällig, wenn sie zum Beispiel Einweggeschirr oder To-go-Becher anbieten.

Eine Zeit lang war allerdings unklar, ob die Tübinger Steuer rechtens ist. Die Inhaberin einer „Mc Donald’s“-Filiale hatte dagegen geklagt. Auch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es nicht immer einfach war, Verpackungsmüll zu besteuern. Bis Mitte 1997 hatten knapp 50 Städte in Deutschland ähnliche Steuern erhoben. Allein 20 davon in NRW. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Städte und Gemeinden nicht ohne Weiteres eine Verpackungssteuer einführen können.

Nun urteilte das Bundesverwaltungsgericht: Das Gericht bekräftigte, dass Tübingen die Verpackungssteuer erheben darf. Laut einem SWR-Bericht sind viele Gastronom:innen und auch der örtliche Gaststättenverband damit einverstanden. Die Restaurants und Cafés stellen außerdem nach und nach auf Mehrweg um.

Es liegen auch schon erste Zahlen vor. Im ersten Jahr spülte die Steuer 700.000 Euro in die Stadtkasse. Mit den Zusatzeinnahmen möchte Tübingen die Stadt sauberer machen. Geld, das man zum Beispiel nutzen könnte, um Straßen, Gehwege und Parks vom Silvestermüll zu befreien.

Das ist der Charme der Verpackungssteuer: Sie trägt zur Müllvermeidung bei, weil Einwegverpackungen und Einmalgeschirr für die Gastronomie teurer werden, und gleichzeitig nimmt die Stadt Geld ein, um Abfall zu beseitigen. Tübingen hat zudem das Mehrwegsystem in der Stadt ausgebaut.

Wäre das auch ein Modell für Münster? Vermutlich schon. Allein die Aufräumarbeiten für die Silvesternacht waren teuer. Eine Sprecherin der Abfallwirtschaftsbetriebe schreibt uns auf Nachfrage, der Einsatz am Aasee und in der Innenstadt habe 5.000 Euro gekostet.

Das sind aber nicht alle Kosten des Silvesterputzes in Münster: Bei der zweiwöchigen Pflichtreinigung hätten die Mitarbeitenden der Abfallwirtschaftsbetriebe traditionsgemäß nach Silvester deutlich mehr zu tun, schreibt die Sprecherin. Der Grund: Nicht alle kommen ihrer Pflicht nach, ihren Dreck von der Straße zu räumen. Diese Zusatzkosten werden aber nicht separat erfasst.

In der Politik ist die Verpackungssteuer auch ein Thema. Im Koalitionsvertrag haben Grüne, SPD und Volt vereinbart, eine ähnliche Steuer auf Einwegverpackung zu prüfen. Laut Grünen-Ratsherr Albert Wenzel sei es aber immer schwierig, eine neue kommunale Steuer einzuführen. Auch in Tübingen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die „Mc Donald’s“-Inhaberin zieht mit ihrer Klage nämlich weiter nach Karlsruhe, vors Bundesverfassungsgericht. Eine andere Frage ist, was der Bund beschließt, sagt Wenzel. Der möchte eine Plastikabgabe einführen. Generell sei die Verpackungssteuer unter den passenden Rahmenbedingungen aber eine gute Idee, sagt Albert Wenzel.

Auch die Verwaltung zögert. Aus dem Presseamt erfahren wir, dass in Sachen Einwegbesteuerung gerade nichts geplant ist. Die Erfahrungen aus Tübingen behalte man aber im Auge, heißt es. (sfo)

In eigener Sache

Ab Mitte des Monats sieht hier alles etwas anders aus. Wir haben unsere Website und den Newsletter überarbeitet. Das stellen wir Ihnen noch vor. Aber hier schon mal ein Hinweis: Wenn wir Mitte Januar unser System umstellen, müssen Sie Ihr Passwort ändern. Auch das erklären wir Ihnen noch. Wir kündigen das nur an, damit Sie wissen, was los ist, falls Sie sich in knapp zwei Wochen auf einmal nicht mehr einloggen können. In dem Fall können Sie uns aber immer noch eine E-Mail schreiben. Dann helfen wir Ihnen.

Kurz und Klein

Kurz und Klein

+++ Dem Sportamt steht das Wasser weiterhin bis mindestens zu den Schultern. Bei einer Untersuchung Mitte Dezember sind im Hallenbad Ost zwar immerhin keine römischen Soldaten entdeckt worden (Legionäre), aber dafür leider weiterhin Bakterien, die Grippeerkrankungen oder sogar Lungenentzündungen auslösen können (Legionellen). Das meldet die Stadt. Ähnlich in Hiltrup: Auch das Bad dort bleibt weiterhin geschlossen, weil die Legionellenwerte zu hoch sind. Im Stadtbad Ost will die Stadt jetzt neue Duscharmaturen einbauen und ein Sanierungskonzept erarbeiten. Das kann ja so lange nicht dauern. Mitte Januar will die Stadt erst mal die Ergebnisse der neuen Wassertests veröffentlichen. Also in jedem Fall: Fortsetzung folgt. (rhe)

+++ In Münster ist im vergangenen Jahr etwas Ungewöhnliches passiert: Eine neue Apotheke hat eröffnet, die EOS-Apotheke an der Bahnhofstraße. So etwas kam laut der Apothekerkammer in ganz Westfalen-Lippe nur viermal vor. Gewöhnlicher ist: Apotheken schließen. Das ist in der Region im vergangenen Jahr 53-mal passiert. In Münster sind zwei Apotheken verschwunden, die Regenbogen- und die Hubertus-Apotheke, beide an der Wolbecker Straße. Innerhalb von 15 Jahren ist Münsters Versorgungsnetz damit um 11 Apotheken geschrumpft. Übrig sind 85. Und woran liegt das? Laut der Kammer an Personalproblemen, der geringeren Bereitschaft junger Menschen, sich selbstständig zu machen, vor allem aber am wirtschaftlichen Rahmen. Die festgelegten Honorare pro Medikament seien in zehn Jahren nicht mal an die Inflation angepasst worden. Im vergangenen Jahr seien sie sogar gekürzt worden, schreibt die Kammer. (rhe)

+++ Für ungefähr die Hälfte der Handwerksbetriebe in der Region hat sich im vergangenen Jahr trotz Inflation und der vielen schlechten Nachrichten kaum etwas verändert. Für ein weiteres Viertel liefen die Geschäfte sogar besser als im Vorjahr, meldet die Handwerkskammer Münster, die 935 Betriebe im Münsterland und der Emscher-Lippe-Region befragt hat. Das bedeutet: Ungefähr ein Viertel sagt, 2023 war nicht so gut. Probleme sehen die Betriebe im Bürokratieaufwand (67 Prozent), den steigenden Einkaufs- und Energiepreisen (58 beziehungsweise 43 Prozent) sowie dem Fachkräftemangel (58 Prozent). Aber immerhin: Sechs von zehn Firmen schauen optimistisch ins neue Jahr. (rhe)

+++ Für Migrant:innen wird das Klima in Münster offenbar rauer. Im November ist ein langjähriges Mitglied aus dem Integrationsrat zurückgetreten. In dem Abschiedsschreiben, das RUMS in Auszügen vorliegt, nennt die Person den Aufstieg der AfD und die politischen Angriffe auf Migrant:innen als Gründe für den Rücktritt. „Leider fühle ich mich nach 24 Jahren in Deutschland erstmals verunsichert“, heißt es in dem Schreiben. Vor zwei Tagen postete der Linkspartei-Politiker Jules El-Khatib beim Kurznachrichtendienst „Twitter“ das Bild von einer Lieferando-Bestellung an die Pizzeria Torino. Die Pizzeria am Hohen Heckenweg gehört Menschen libanesischer Herkunft. Zu lesen sind auf der Bestellung Beschimpfungen gegen Palästinenser:innen. Eine Polizei-Sprecherin bestätigte uns, dass der Fall bekannt sei. Es sei Anzeige erstattet worden und es werde ermittelt. Die Staatsanwaltschaft prüfe außerdem, ob es sich bei der Straftat um Beleidigung oder Volksverhetzung handelt. Eine solche rassistische Attacke sei in Münster zum ersten Mal bei der Polizei angezeigt worden, sagte die Sprecherin. Landes- und bundesweit nehme der Hass gegen Migrant:innen aber zu. (sfo)

+++ Obwohl die Bundesregierung Teile ihrer Sparpläne wieder zurückgenommen hat, gehen am Montag überall in Deutschland Landwirtinnen und Landwirte auf die Straße, beziehungsweise: Sie fahren – auch in Münster. Die Polizei hat einen Zeitplan veröffentlicht. Hier die Kurzform: Um 9:15 Uhr kommt aus Richtung Norden ein Konvoi aus etwa 300 Fahrzeugen in die Stadt. Der kurvt dann bis 12 Uhr durch Münster und schließlich im Norden wieder von dannen. Um 13 Uhr kommen 100 weitere Fahrzeuge, die bis Berg Fidel fahren, wo eine Mahnwache stattfindet. Um 16 Uhr rattern 240 Trecker sternförmig über die Zufahrtsstraßen in die Stadt und gegen 18 Uhr auf dem gleichen Weg wieder aus ihr heraus. Die Stadtwerke haben vorsorglich zwischen 9 und 18 Uhr auf allen Linien Verspätungen angekündigt. (rhe)

Der Rürup
Cartoon von Rürup zum Hochwasser

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Zwei Sparkassen und ein Problem: Was hilft gegen leere Geschäfte?

Wenn Sie neulich am Hafen spazieren waren, dann werden Sie vielleicht gesehen haben, dass es im Hansaviertel eine neue Kneipe gibt. Sie heißt „Siwa“ und befindet sich in der ehemaligen Sparkasse. Anfang Oktober meldeten die Westfälischen Nachrichten, dass die neue Bar in die alte Filiale einziehen wird. Knapp acht Wochen später öffnete „Siwa“.

Hoppla, sind wir im RUMS-Brief verrutscht?

Nein, keine Sorge. Das hier ist nicht die Unbezahlte Werbung. Die heutige Recherche behandelt ein Problem, das sich in Münster gerade wortwörtlich vergrößert: Immer mehr Cafés, Restaurants, Geschäfte oder Bankfilialen stehen in Münster leer, zum Teil über Jahre.

Diese Entwicklung könnte die Insolvenz der „Signa Holding“ noch weiter anheizen (RUMS-Brief). Zu dem österreichischen Konzern gehört auch die Warenhauskette „Galeria Karstadt Kaufhof“. Einige Wirtschaftsexpert:innen prophezeien den Kaufhäusern eine ungewisse Zukunft für 2024 (beispielsweise dieser und dieser). Dass sie dicht machen, kann niemand ausschließen.

Aber zurück ins Hansaviertel. Mit der Kneipe in der ehemaligen Sparkasse ging alles ganz schnell. Andernorts verharrt der Leerstand, zum Beispiel in Berg Fidel. Dort steht auch eine Sparkasse leer. 2016 wurde die Filiale geschlossen. Fast acht Jahre später brennt drinnen immer noch kein Licht. Eine Stadtteilinitiative hat deshalb einen Schriftzug auf die Fassade geklebt, der rhetorisch, aber berechtigt fragt: „Warum passiert hier nichts?“

Leer- und Stillstand in Berg Fidel

Was aus der alten Sparkasse in Berg Fidel werden soll, steht eigentlich schon fest: ein Quartierstreff für den Stadtteil. Schräg gegenüber hat der Verein „Alte Post“ seinen Sitz in der, nun ja, alten Post von Berg Fidel. Die ist aber zu klein für Angebote, die der Verein mit dem Quartiersbüro leisten möchte. Beratungen für Familien, Kaffeetische für Senior:innen oder Freizeitaktivitäten für Kinder. Ein Umzug in die leere Sparkasse würde das Platzproblem lösen.

Für dieses Projekt hat der Rat 2021 Geld locker gemacht: 150.000 Euro, verteilt über drei Jahre. Es gibt auch einen Sozialträger, der den Quartierstreff führen soll. Das ist die Arbeiterwohlfahrt. Die hat auch schon eine Sozialarbeiterin eingestellt, die allerdings noch warten muss, bis ihr eigentlicher Arbeitsort fertig ist. Wilfried Stein, grüner Bezirksbürgermeister von Berg Fidel und Vorsitzender der „Alten Post“, hofft, dass es im Laufe des Jahres so weit sein wird.

Woran hakt es? Die Antwort ist kompliziert. Die Sparkassenfiliale gehört der LEG und müsste ein bisschen umgebaut werden. Weil das aber ewig gedauert hat, besorgte die Arbeiterwohlfahrt kurzerhand selbst einen Handwerker. Aber auch sie hat offenbar ein paar Aufgaben schleifen lassen. So hat die Arbeiterwohlfahrt den Antrag auf Umnutzung der Sparkasse erst spät gestellt. Der liegt jetzt auf einem Schreibtisch in der Verwaltung. Und bis der abgearbeitet wird, verstreicht wohl auch noch ein wenig Zeit.

Ein Drittel Dauerleerstand

Thomas Klein von der Wirtschaftsförderung Münster sagt, die Sparkasse in Berg Fidel sei ein Extrembeispiel für Leerstand in Münster. Normalerweise gehe es schneller, eine Nachnutzung für eine freie Gewerbeimmobilie zu finden. Siehe die Sparkasse am Hansaring. Die Filiale schloss am 21. Dezember 2022. Weniger als ein Jahr später zog die „Siwa“-Bar dort ein.

Wie lange es im Schnitt dauert, bis Leerstand beseitigt ist, lasse sich nur schwer sagen, sagt Thomas Klein. Das liege an vielen Faktoren: die Lage, der Zustand der Immobilie, die Größe und natürlich auch der Mietpreis.

Knapp ein Drittel der Gewerbeflächen gehe laut Klein „am Markt vorbei“. Diese Gebäude erfüllten nicht die Ansprüche der Unternehmen, die gerne neue Räume beziehen würden. Dieser Dauerleerstand setzt aber eine Abwärtsspirale in Gang. Je länger eine Immobilie leer steht, desto schlechter wird ihr Zustand.

Dazu kommt ein anderer Nachfragetrend: Viele Unternehmen versuchten nach dem Ende der Pandemie wieder, ihr Personal zurück ins Büro zu holen, sagt Klein. Dafür brauchten sie Gebäude in attraktiven Lagen. Büros in der Innenstadt oder am Hafen sind aber nicht nur heiß begehrt, sondern auch chronisch knapp und kostspielig.

Neubau und steigende Mieten sind Vergangenheit

Um dem Leerstandsproblem auf den Grund zu gehen, erstellt die Wirtschaftsförderung jedes Jahr zwei Studien, die sich mit dem Leerstand in Münster beschäftigen. Die aktuellen Untersuchungen stammen aus dem vergangenen Jahr:

  1. Die Büromarktstudie. Sie untersucht, wie viele Büros, Praxen, Verwaltungs- und Schulungsgebäude oder auch Bankfilialen belegt oder frei sind. 2023 standen 21 von 1.000 dieser Flächen leer. Damit hat Münster eine niedrigere Leerstandsquote als vergleichbare Städte wie Dortmund, Essen, Bremen oder Hannover. Doch der Leerstand vergrößert sich. 2022 waren nur 17 von 1.000 Gebäude frei, die die Büromarktstudie untersucht hat.
  2. Der Handelsimmobilienreport. Diese Studie beschäftigt sich mit Cafés, Restaurants und Geschäften. Laut aktuellem Report liegt die Leerstandsquote bei 48 von 1.000 Ladenlokalen. Auch hier Tendenz steigend: In der Vorgängerausgabe lag die Quote noch bei rund 30 von 1.000 Ladenlokalen. Die Coronakrise und die letzte Pleite von „Galeria Karstadt Kaufhof“ haben trotzdem nicht dazu geführt, dass sich der Leerstand massiv vergrößert, heißt es im Report. Münster sei noch immer eine „gesunde Handelsstadt“: Freie Geschäfte würden in aller Regel nachvermietet, allerdings dauere es mittlerweile länger als in der Vergangenheit: „Die Zeiten der Neubauprojekte und der steigenden Mieten sind allerdings vorbei“, resümiert die Studie.

Der Leerstand wächst also in Münster. Dennoch sieht es momentan gut aus. Zumindest noch. Wie sich die Pleite der „Signa Holding“ auswirken könnte, wird sich zeigen. Der zahlungsunfähige Konzern versucht zwar, „Galeria Karstadt Kaufhof“ mit einer separaten Sanierung aus dem Insolvenzstrudel herauszuhalten. Nur: Geht dieser Plan auf?

Bewusste Konzeptlosigkeit

In anderen Städten hat sich gezeigt, dass leere Kaufhäuser meist noch andere Pleiten in der Nachbarschaft nach sich ziehen, weil dadurch die Kundschaft wegbricht. Solche Leerstandswellen sind eine große Gefahr für die Innenstädte. Das sagte mir Stefan Müller-Schleipen, Geschäftsführer der Initiative „Die Stadtretter“, Anfang 2023 (RUMS-Brief).

Im schlimmsten Fall sehen die Städte irgendwann aus wie ein Donut: In der Mitte verödet der Stadtkern, drumherum entsteht Neubau in den Außenbezirken. Dieser Effekt lässt sich zum Beispiel in Bottrop beobachten.

Von dem Donut-Szenario ist Münster weit entfernt. Ein vorausschauendes Leerstandskonzept hat die Stadt trotzdem nicht. Das wird sich auch so schnell nicht ändern. Im vergangenen Jahr sagte mir Bernadette Spinnen vom Stadtmarketing, die Geschäftsleute in der Innenstadt seien so gut vernetzt, dass Leerstand flexibel zwischen- oder nachgenutzt werde (RUMS-Brief).

Als Beispiel nannte Spinnen das Knipperdollinghaus am Prinzipalmarkt 42. Das Ladenlokal steht seit 2022 leer (RUMS-Brief). Seitdem wird das Geschäft immer wieder zwischengenutzt, vor allem für Wissenschaftskommunikation. Darin gastierte zuletzt ein Zentrum für Start-ups.

Also alles halb so wild? Für die Innenstadt mag die konzeptlose Vernetzung gut funktionieren. Außerhalb greift sie aber nicht. Ein augenscheinliches Beispiel ist der „Scharfe Zahn“ an der Wolbecker Straße, kurz vorm Kanal. Das Steakhouse musste in der Coronapandemie schließen. Seitdem tut sich dort wie in der Berg Fideler Sparkasse nichts. Schaut man durchs Fenster, sieht man im Restaurant noch immer die Tische, Stühle und Barhocker.

Leerstände beleben

Ginge es nach Gesa Hatesohl, würde die Stadt Münster mit mehr Pragmatismus auf Leerstand reagieren. Sie engagiert sich mit anderen Ehrenamtlichen bei „MS Quadrat“, einem Projekt der B-Side. Die Initiative vermittelt Leerstände, um freie Gebäude wieder mit Leben zu füllen.

Vorbild von „MS Quadrat“ ist die Bremer „Zwischenzeitzentrale“, die vom Senat des Stadtstaats gefördert wird. Die Agentur vermittelt Leerstände, um darin „vergünstigten Raum gegen befristete Nutzung“ zu schaffen. Das können auch Kurzzeitprojekte sein: Selbst wenn feststeht, dass in ein paar Monaten ein Nachmieter in die freie Immobilie einzieht, können kleine Firmen, Initiativen und Vereine die Räume vorübergehend nutzen.

Das Prinzip der Zwischennutzungen lautet: wenig Miete, aber der volle Nutzen. Aber rentiert sich das überhaupt? Gesa Hatesohl sagt, dass auch die Eigentümer:innen etwas von den Zwischennutzungen hätten. Schließlich verkomme die Immobilie durch die Übergangsnutzung nicht, sondern werde im Gegenteil aufgewertet oder zumindest in Stand gehalten. Das beuge außerdem Vandalismus vor. Und die Vermieter:innen könnten mit den Kurzzeitlösungen auch ihr Image verbessern.

Gebäude für viele Zwecke nutzen

„MS Quadrat“ hat sich erst im Coronajahr 2021 gegründet. Dennoch melden sich viele Leute mit Platzmangel. „Obwohl wir kaum Öffentlichkeitsarbeit machen, haben wir eine Warteliste“, sagt Gesa Hatesohl. Man brauche Geduld, sagt sie. Einerseits hat die Stadt Münster wenige Brachen. Andererseits suchen viele Leute nach Räumen. Deshalb hat es mit der Vermittlung nicht immer geklappt.

Und wer steht alles so auf der Warteliste? Zum Beispiel Chöre, die Proberäume suchen. Oder Initiativen, Vereine oder politische Gruppen, die sich ein oder zwei Mal pro Woche treffen wollen. Oder junge Unternehmen, die ein provisorisches Geschäft aufmachen oder Material lagern möchten. Oder Kreative, die einen Ort für Ausstellungen, Ateliers oder Theaterstücke suchen.

Einen ersten größeren Vermittlungserfolg konnte „MS Quadrat“ vor Kurzem verbuchen. An der Königstraße entsteht eine Übergangsnutzung über drei Etagen in einem Gebäude, das im April abgerissen werden soll. Bis Ende März stehen die Räume vor allem für kreative und Kunstprojekte zur Verfügung, sagt Gesa Hatesohl.

Das Ziel von „MS Quadrat“: Irgendwann möchte die Initiative so bekannt werden, dass sich die Eigentümer:innen von alleine bei ihr melden, wenn sie Leerstand zu vergeben haben. Das Zauberwort lautet „Multicodierung“. So nennen Stadtplaner:innen Flächenkonzepte, die für verschiedene Zwecke genutzt werden. Ein Beispiel sind die „Yomaro“-Filialen. In der Winterpause werden die Eisdielen zu Pop-up-Stores umfunktioniert.

Es könnte aber noch einfacher gehen: Im Prinzip kann jedes Büro nach Feierabend zum Treffpunkt für Vereine, Initiativen oder Gruppen werden. Das zeigt: Mit ein bisschen mehr Kreativität könnte man viel gegen Leerstand leisten. (sfo)

Anonymer Briefkasten

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Klima-Update

+++ Wenn Sie darüber nachdenken, Ihr Haus energetisch zu sanieren und gerne wissen möchten, wie man so eine Sanierung finanziert, dann können Sie sich hier zu einer Videokonferenz am Dienstag anmelden, in der es genau darum geht. Thomas Weber, Energieberater der Verbraucherzentrale, erklärt das alles beim Online-Themenabend der städtischen Klima-Stabsstelle im Detail. Los geht es um 18 Uhr. (rhe)

+++ Wenn es um die Neujahrsvorsätze geht, dann spielen Umwelt und Klima in Münster nur eine Nebenrolle. Das hat eine Umfrage der privaten Hochschule FOM ergeben, die rund 720 Menschen aus Münster befragt hat. Nur 14 Prozent geben an, ihr Verhalten 2024 nachhaltiger auszurichten. 11 Prozent wollen weniger oder gar kein Fleisch mehr essen. Beliebtere Vorsätze sind: mehr Zeit für Familie und Freunde haben (39 Prozent), häufiger Sport treiben (36 Prozent) und sich gesünder ernähren (30 Prozent). Ein anderer beliebter Vorsatz ist, einfach keinen guten Vorsatz für dieses Jahr zu haben. Das haben zumindest ein Viertel der befragten Münsteraner:innen angegeben – ein bundesweiter Spitzenwert. In diesem Sinne: auch von mir ein frohes neues Jahr! (sfo)

Ein-Satz-Zentrale

+++ Die Stadt hat gestern angefangen, die 675 Bushaltestellen gegen modernere Exemplare auszutauschen. (Stadt Münster)

+++ Ab nächster Woche wird die „Spinne“ saniert, also der Verkehrsknoten an der Weseler Straße, weil die Brücken marode sind. (Antenne Münster)

+++ Weil das Fahrradparkhaus am Hansator kaum genutzt wird, will der Fahrradkontrolldienst ab nächster Woche wild geparkte Räder dorthin verfrachten. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Arbeitslosenquote lag im Dezember bei 5,2 Prozent und damit ähnlich hoch wie im Vorjahresmonat, aber leicht höher als vor einem Jahr. (Arbeitsagentur Ahlen-Münster)

+++ Die Polizei Münster sucht eine 35-jährige Frau aus Gescher mit Bild und hat zusammen mit der Staatsanwaltschaft inzwischen eine Mordkommission eingerichtet. (Polizei Münster)

+++ Am Freitag, Samstag und Mittwoch brannten insgesamt fünf Autos am Düesbergweg, was dort auffällig oft vorkommt. (Polizei Münster, Westfälische Nachrichten)

+++ Das „Netzwerk Münster nachhaltig“ ist für den Engagementpreis NRW 2024 nominiert. (Grüne Münster)

+++ Die Stadt möchte Projekte für die Gesundheit und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Münster finanziell fördern. (Stadt Münster)

+++ Das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ ruft zu Protesten gegen den Neujahrsempfang der AfD am 16. Februar auf. (Keinen Meter den Nazis)

Unbezahlte Werbung

Die Biobäckerei „Zeit für Brot“ gibt es bisher nur in wenigen deutschen Großstädten (und in Tel Aviv). Im Advent hat auch eine Filiale in Münster eröffnet. Das Schöne: „Zeit für Brot“ hat eine gläserne Manufaktur. Sie können also den Bäcker:innen bei der Arbeit zusehen. Was wir empfehlen können, sind die sehr leckeren Zimtschnecken, der Kaffee und – was sonst? – die Brote. Montags bis samstags hat die Filiale am Prinzipalmarkt von 8:30 bis 20 Uhr geöffnet. Am Sonntag schließt die Bäckerei eine Stunde früher.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Heute hat Fabian Cohrs für Sie in den Kalender geschaut. Das sind seine Empfehlungen:

+++ Morgen Abend bestreiten die Uni Baskets Münster ihr erstes Spiel dieses Jahr. Das Match gegen die Karlsruher Lions beginnt um 19:30 Uhr in der Sporthalle in Berg Fidel. Hier bekommen Sie noch Tickets. Und wenn Sie sich vorab warmlesen möchten, empfehlen wir Ihnen den RUMS-Beitrag über die Uni Baskets, den Lisa Plank von der Reportageschule Reutlingen Ende November bei uns veröffentlicht hat.

+++ Oder doch lieber ins Theater? Morgen Abend tritt die Gruppe „Götterspeise“ im Kulturbahnhof Hiltrup auf. In dem Stück „Panter, Tiger, Petronella“ geht es um Kurt Tucholsky, der laut Ankündigung „als Mann, der die Frauen liebte, als politischer Mensch, als radikaler Pazifist“ gezeigt wird. Beginn ist um 19:00 Uhr. Eine Karte kostet 12 Euro.

+++ Falls Ihnen nach Silvester die Kraft zum Tanzen fehlt, Sie aber gerne zugucken würden, schauen Sie am Wochenende doch mal am Wewerka-Pavillon am Aasee vorbei. Die Kunststudentin Aduni Ogunsan stellt dort bis Sonntag noch tanzenden Samttexitlien aus. Titel: „Why Is There Always Energy For Dancing?“.

+++ Am Dienstagabend geht es im Geomuseum in einem Vortrag um die Zeit nach dem Urknall, die Entstehung der Elemente und verglühende Sterne. Daher auch der Titel: „Der Stoff, aus dem wir gemacht sind – Sternenstaub in Meteoriten“. Der Referent ist Christian Vollmer, Wissenschaftler am Institut für Mineralogie in Münster. Los geht es um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

+++ Das Wolfgang-Borchert-Theater führt am Dienstagabend das Stück „Die Steilwand“ auf. Die Komödie handelt von einer Gruppe Bergsteigerinnen, von der eine auf einer schwierigen Route erkrankt. Die Vorstellung beginnt um 20 Uhr. Karten gibt es ab 24 Euro.

Am Dienstag schreibt Ihnen Ralf Heimann. Haben Sie ein schönes erstes Wochenende des Jahres.

Herzliche Grüße
Sebastian Fobbe

Mitarbeit: Fabian Cohrs (fco), Jan Große Nobis (jgn), Ralf Heimann (rhe)
Lektorat: Maria Schubarth


PS

Am Dienstag hatten wir hier über den Versuch geschrieben, herauszufinden, warum ein Scheinwerfer die Aegidiikirche rund um die Uhr anstrahlt. Am Mittwoch dann antwortete auf die zweite E-Mail das Pfarrbüro der St.-Lamberti-Gemeinde: Der Scheinwerfer stehe nicht auf Kirchengrund. Man wisse nicht, wer ihn betreibt – möglicherweise die Stadt. Anruf dort. Antwort: Nein, der gehöre wohl den Stadtwerken. Das alles erinnerte langsam an eine Geschichte, die Michael Müller, der frühere regierende Bürgermeister von Berlin, vor einem Jahr bei einer Autofahrt dem „Spiegel“ erzählt hatte. Als der Wagen das rote Rathaus passierte, schaute Müller aus dem Fenster auf eine Laterne und sagte dem Reporter: „Diese Laterne, die brennt Tag und Nacht. Wir haben alles versucht, die auszuschalten, hat alles nix genützt. Auf allen Ebenen angerufen, alles probiert. Diese Laterne ist ein ewiges Thema. Die wird noch brennen, wenn wir beiden längst Geschichte sind.“ In Münster rief gegen Mittag Stadtwerke-Sprecher Florian Adler an. Er sei in seiner Mittagspause zur Aegidiikirche gelaufen, um sich den Strahler mal anzusehen. Dort stehe er jetzt. Und er könne sicher sagen: Den Stadtwerken gehöre er nicht. Wahrscheinlich doch eher der Stadt. Netterweise schickte er ein Foto. Neuer Versuch damit in der städtischen Pressestelle. Antwort: Man werde sich noch mal umhören. Kurz darauf dann der Rückruf. Man habe jetzt die Person gefunden, die zuständig sei. Und ja, rund um die Uhr solle der Scheinwerfer tatsächlich nicht leuchten. Das sei vermutlich ein Fehler. Den werde man korrigieren. Heute also ausnahmsweise ein Happyend. Am Donnerstag kam dann eine weitere E-Mail. Ein Modul sei kaputt gewesen. Der Fehler sei jetzt behoben. (rhe)

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