Bistum gibt drei Kirchen auf. Und weiter? | Interview mit Start-up-Chef: „Ich glaube an das Potenzial des Münsterlands“ | Unbezahlte Werbung: Do-it-yourself-Fahrradwerkstatt

Porträt von Sebastian Fobbe
Mit Sebastian Fobbe

Guten Tag,

jetzt hat es St. Bernhard getroffen. Am Samstag hat das Bistum Münster mitgeteilt, dass die Kirche in Angelmodde aufgegeben werden muss. Erst vor einer Woche gab das Bistum bekannt, dass es sich von den Kirchen St. Josef in Gelmer und St. Mariä Himmelfahrt in Dyckburg trennen wird.

In allen drei Fällen nannte das Bistum die gleichen Beweggründe: Die katholische Kirche hat schlicht zu wenig Mitglieder, um mit der Kirchensteuer den Bestand an Kirchen finanzieren zu können. Der Mitgliederschwund ist auch jeden Sonntagmorgen zu beobachten. Zuletzt besuchten nur noch dreißig bis vierzig Personen den Gottesdienst in St. Bernhard, obwohl in der Kirche Platz für 350 Besucher:innen wäre.

In den kommenden Jahren dürften die Probleme noch größer werden. Eine Prognose besagt, dass in den kommenden 15 Jahren die Zahl der Katholik:innen im gesamten Bistum von 1,6 auf 1,3 Millionen fallen wird. Spätestens 2040 wird auch knapp die Hälfte der Bistumsmitglieder älter sein als 67 Jahre. Zwanzig Jahre später, im Jahr 2060, werden sich die Einnahmen aus der Kirchensteuer halbiert haben.

Das, was übrig bleiben wird, sind jede Menge Immobilien: leere, ungenutzte Kirchen. Allein im gesamten Bistum sind heute schon 90 Kirchen profaniert, also einer neuen Nutzung zugeführt worden. Was könnte man mit den ganzen verwaisten Kirchen anstellen?

Ein Vorschlag kommt von Lisa Kötter, Mitbegründerin der Protestbewegung Maria 2.0: „Die Kirche sollte alle ihre Gebäude an Genossenschaften und Suppenküchen übergeben, damit sie den Menschen dienen können“, sagte sie vor zwei Jahren im RUMS-Interview.

So richtig gezündet hat diese Idee in Münster aber noch nicht. Bisher sind beispielsweise Sozialwohnungen in der alten Dreifaltigkeitskirche am Ring und ein Arbeiterwohnhaus für wohnungslose Männer im Borromaeum am Domplatz entstanden. (Das Borromaeum ist, gebe ich zu, keine Kirche, sondern das Priesterseminar. Dort wohnten früher 300 Priesteranwärter, heute sind es nur noch zehn. Inzwischen leben im Borromaeum Studierende und das Gebäude wird auch als Fortbildungsstätte genutzt.*)

Andere Städte haben da mehr Erfahrung: In Hannover zum Beispiel leben heute Studierende in einem Wohnheim, das in einer ehemaligen Kirche entstanden ist. In Mönchengladbach wurde ein Gotteshaus in eine Kletterhalle umgebaut. Die alte Dominikanerkirche von Maastricht ist heute eine der schönsten Buchhandlungen der Welt. Und in Amsterdam weiß fast niemand mehr, dass der bekannte Club und Konzertsaal Paradiso bis 1968 noch eine protestantische Kirche war.

Party im ehemaligen Gotteshaus? Vielleicht müssen Sie da schlucken, auch wenn Sie kein gläubiger Mensch sind. Kann man Kirchen für jeden Zweck umnutzen? Oder vielmehr: Darf man das?

Mit dieser Frage hat sich die evangelische Theologin Petra Bahr 2020 in der „Sternstunde Philosophie“ beschäftigt. Sie sagt: Nach der Profanierung ist jede Kirche ein Gebäude wie jedes andere auch. Einerseits. Auf der anderen Seite erinnere die Mauer an die alte Funktion der profanierten Kirche. Bahr fände es deshalb schwierig, wenn eine Bank oder ein Bordell in eine ehemalige Kirche einzöge.

Eine Kirche wird verkauft

Wie es mit den drei Kirchen in Münster weitergeht, steht bisher nicht ganz fest. Für die Dyckburger St.-Mariä-Himmelfahrt-Kirche steht die Nachnutzung schon fest. Sie wird ein Gotteshaus bleiben und im Dezember an die rumänisch-orthodoxe Metropolie verkauft, die dort schon seit vielen Jahren regelmäßig ihren Gottesdienst feiert.

Anders in Gelmer. Das kaputte Dach der St.-Josef-Kirche müsste so aufwendig saniert werden, dass es sich für das Bistum finanziell nicht lohnt. Deshalb hat man entschieden, die Kirche abzureißen. In dem Neubau soll allerdings ein Raum für Gottesdienste entstehen, nur kleiner als bisher. Die genaue Nutzung des neuen Kirchengebäudes müsse noch entwickelt werden, heißt es vom Bistum.

Und in Angelmodde? St. Bernhard wird entwidmet, das steht fest. Ein Abriss ist aber nicht notwendig. Nach der Profanierung beginnt ein Architekten-Investoren-Verfahren, um nach einem neuen Konzept für das entweihte Kirchengebäude zu suchen. Ob Angelmodde eine Boulderhalle, einen Buchladen oder doch etwas anderes bekommt, werden wir erfahren, wenn es so weit ist. (sfo)

* Korrekturhinweis: Wir haben nach der Veröffentlichung eine Rückmeldung zum Borromaeum bekommen und anschließend die Formulierung konkretisiert.

Kurz und Klein

+++ Der Münsteraner CSD soll wie geplant am 30. August stattfinden. Das bestätigten Organisatoren gegenüber „Alles Münster“. Selbstverständlich ist das nicht, denn es werden immer mehr Großveranstaltungen, vor allem queere Demonstrationen, abgesagt. Gestern verkündete Regensburg, dass es dort in diesem Jahr keinen CSD geben wird. Die gleiche Nachricht aus Gelsenkirchen kam vor einem Monat. Auf dem CSD im ostfriesischen Emden am vergangenen Wochenende wurde ein Teilnehmer krankenhausreif geschlagen. Und in Münster selbst starb beim CSD 2022 der Transmann Malte, als er bei einer queerfeindlichen Auseinandersetzung helfen wollte. Bedenken zur Sicherheit der Veranstaltung scheinen also berechtigt. In Münster gibt es laut einer Sprecherin des CSD keine Bedrohung. Was dem Bündnis allerdings Sorgen bereite: Die Community werde immer öfter bei CSD von queerfeindlichen Personen am Rande gefilmt und in den sozialen Medien gepostet. Darauf wolle sich das Bündnis vorbereiten und im Zweifel eingreifen. (ani)

+++ Ende April kritisierten mehrere Wirtschaftsverbände bei einer Pressekonferenz im Bildungszentrum der IHK Nordwestfalen Münster als Wirtschaftsstandort. Der Tenor: zu hohe Abgaben an die Stadt, zu wenig Gewerbeflächen, zu viel Bürokratie (RUMS-Brief). Das gestern veröffentlichte „Kommunalranking NRW 2025“ ist etwas weniger streng, aber auch nicht euphorisch. Münster belegt unter 395 ausgewerteten Städte und Gemeinden den 98. Platz. Ein separates Datenprofil für die Stadt liegt nicht vor. Aber immerhin: Dem Regierungsbezirk bescheinigt die Rangliste des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft „besonders wettbewerbsfähige Standortbedingungen“. Gemessen wurde das an vier Bereichen: Wirtschaft, Arbeiten, Wohnen und Lebensqualität. (ani/sfo)

Korrekturhinweis: Ein Leser hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass unsere Einordnung in einer früheren Version etwas schief war. Vielen Dank, Oliver Teuteberg!

+++ Weiter mit Wirtschaft: Die Stadtwerke Münster haben vergangenes Jahr einen Überschuss von 8,5 Millionen Euro erwirtschaftet – 6,5 Millionen Euro davon fließen direkt an die Stadt. So steht es in der Geschäftsbilanz für 2024. Die restlichen Einnahmen will das Unternehmen zurücklegen. Investiert wurde vor allem in klimaneutralen Strom, neue Elektrobusse und die digitale Infrastruktur in Münster. Ein Beispiel: Schon jetzt seien in Münster mehr E-Busse als Diesel-Busse unterwegs. Ab 2029 sollen nur noch elektrische Busse unterwegs sein. Auch die Ladestellen für E-Autos wollen die Stadtwerke in diesem Jahr weiter ausbauen. (ani)

+++ Stadtdirektor Thomas Paal will eine Abstimmung über die Finanzplanung zum Schulbau jetzt vorziehen (RUMS-Brief). Das verkündete er heute im Schulausschuss, wie die Stadt mitteilte. Eigentlich sollten sich die Zuständigen erst nach den Sommerferien mit dem Thema beschäftigen, jetzt wird es direkt angegangen. Einen Puffer für die kommenden Jahre könnten ungenutzte Budgets aus diesem Jahr bieten. „Auch im Jahr 2025 werden vom Schulbaubudget erhebliche Millionenbeträge nicht verbaut. Wir beschäftigen uns derzeit daher auch mit der Frage, ob wir nicht diese Mittel jetzt verplanen können, um mehr Schulbau möglich zu machen“, so Paal. Die Entscheidung über das, was jetzt überarbeitet werden soll, trifft dann der neue Rat in gut einem halben Jahr. (ani)

+++ Die CDU im Stadtrat will beim Schulbau lieber umsteuern – weg von den von der grünen Kämmerin eingeführten pauschalen Budgets für einzelne Dezernate, hin zu gezielten Investitionen dort, wo der Bedarf am größten ist: bei Sanierungsstau, Platzmangel oder besonderen pädagogischen Anforderungen. In einem Antrag schlägt die CDU-Fraktion vor, den Schulbau in Münster besser zu planen, alle verfügbaren Bundesgelder dafür zu nutzen und zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit mit privaten Firmen dabei helfen kann, große Bauprojekte schneller umzusetzen. Den Antrag stellte die Fraktion bereits vor der Reaktion Paals im Schulausschuss. Das Schulbauprogramm soll nach den Vorstellungen der Partei mittelfristig um mindestens 25 Millionen Euro pro Jahr wachsen. Entscheiden kann die CDU das aus der Opposition heraus nicht. Doch das könnte sich nach der Kommunalwahl im Herbst ändern. (rhe)

+++ Im kommenden Schuljahr muss keine Grundschullehrkraft aus Münster gegen ihren Willen an einer anderen Schule aushelfen. Man habe 124 Lehrerinnen und Lehrer vorübergehend versetzt, darunter 16 aus Münster, alle einvernehmlich, teilt die Bezirksregierung mit. Möglich geworden sei das auch durch die Bereitschaft vieler schon abgeordneter Lehrkräfte, ein weiteres Jahr an unterversorgten Schulen zu bleiben. Neue, unfreiwillige Abordnungen waren demnach im gesamten Regierungsbezirk nicht nötig. (rhe)

In eigener Sache
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Interview mit Frederik Neuhaus

„Ich glaube an das Potenzial des Münsterlands“

Der digitale Zeiterfasser Clockin ist rasant gewachsen und in Münster geblieben. Raphael Balke hat mit Geschäftsführer Frederik Neuhaus über die Vor- und Nachteile der Provinz gesprochen, über Karriere-Tipps aus dem Mittelstand – und über einen Hinweis beim Handballspiel, der Millionen wert war.

Clockin setzt Millionen Euro um. Viele Start-ups wandern spätestens dann ab. Warum seid ihr immer noch hier?

Neuhaus: Wir möchten zeigen, dass solche Unternehmen nicht immer nur aus San Francisco, Berlin oder München kommen müssen, sondern dass das auch aus Münster heraus funktioniert. Das Münsterland hat eigentlich alle Voraussetzungen dafür. Münster hat zwei Hochschulen mit knapp 60.000 Studierenden. Das sind richtig gut ausgebildete, junge und hungrige Leute, die etwas bewirken möchten. In Berlin müsstest du viel stärker um diese Menschen kämpfen. Wir sagen immer: Clockin wäre in Berlin so niemals entstanden.

Warum?

Neuhaus: Weil die Voraussetzungen ganz anders sind. In Berlin gibt es viele Großkonzerne, dazu ist die Start-up-Branche schnelllebig. Die Idee zu Clockin kommt aus dem klassischen Mittelstand. Zwei mittelständische Unternehmer haben mir persönlich nach einem Handballspiel bei einem Bier gesagt: „Freddy, komm mal her, du machst doch was mit Computern.“ Von denen habe ich die Idee. Diese Gespräche gibt es in Berlin in dieser Form nicht.

Ist das Münsterland ein guter Ort für Startups?

Neuhaus: Das Münsterland ist eine wohlhabende Region mit vielen Hidden Champions – also versteckten Marktführern. Das ist eine Stärke, die man nutzen kann. Wir müssen uns nur für die große Welt öffnen und das ist, glaube ich, etwas, das wir in dieser münsterländisch-westfälischen Art etwas verschlafen.

Ihr habt Clockin 2018 als System gegründet, um die Arbeitszeit von Mitarbeitenden zu erfassen. Heute bietet ihr deutlich mehr. Was gehört alles dazu?

Neuhaus: Eigentlich ist Clockin das SAP für kleine Unternehmen. SAP hat vor 20 bis 30 Jahren viele Großkonzerne digitalisiert. Wir digitalisieren hingegen kleine Unternehmen. Es gibt eine breite Zielgruppe von Unternehmen, die weniger als 100, als 50 oder manchmal auch weniger als fünf Mitarbeitende beschäftigen. Dazu zählen beispielsweise Handwerksbetriebe, Pflegedienste oder auch Landwirte. Das sind alles Unternehmen, die noch mit manuellen Prozessen organisiert sind. Um das zu ändern, haben wir eine App entwickelt.

Wie hilft die App dabei?

Neuhaus: Wir bieten ein Organisations-Tool, das Unternehmen ganz individuell gestalten können. Beispielsweise indem wir erfassen, wann und wie lang Mitarbeitende arbeiten. Dazu zählen aber auch das Personalwesen wie Urlaubsbuchung oder Lohnabrechnungen. Und dann geht’s noch einen Schritt weiter: Kunden können organisieren, wer an welchen Projekten arbeitet. Konkret sieht das so aus: Der Handwerker weiß über die App, zu welcher Baustelle er morgen muss, welche Maschinen er dafür braucht, wie er Baupläne erhält und kann beispielsweise noch Sicherheitshinweise dokumentieren.

Warum sind so viele kleine Unternehmen noch nicht digitalisiert?

Neuhaus: Kleine Unternehmen haben drei Hürden. Erstens: Sie haben keine Mitarbeitenden, die sich mit den bestehenden Programmen auskennen. Falls es dann doch jemanden gibt, stoßen sie auf die zweite Hürde. Andere Softwares sind zu kompliziert und umfangreich. Denn die sind für Großkonzerne gebaut. Großen Konzernen kann man auch große Rechnungen schreiben. Und drittens, es ist viel zu teuer und dauert Jahre für kleine Unternehmen, bestehende Systeme einzuführen.

Wie überzeugt man Menschen, die mit Technik wenig anfangen können?

Neuhaus: Clockin muss diese drei Hürden abbauen und Menschen überzeugen, die bisher keine Berührungspunkte mit der Digitalisierung hatten. Auch der 65-jährige Inhaber eines Handwerksbetriebes muss innerhalb von zwei Minuten verstehen, wie unsere App funktioniert. Unsere Kunden haben keine Lust auf lange Schulungen. Dazu möchten wir unsere Kunden finanziell nicht überlasten. Die App kostet je nach Modell monatlich drei bis zehn Euro pro Mitarbeiter. Wenn wir Digitalisierung ernst nehmen, müssen wir eine App so bauen, dass sie auf diese Unternehmen abgestimmt ist.

Der Schritt von Papier und Stift zur App ist eine Umstellung. Schreckt das Mitarbeitende ab?

Neuhaus: Absolut, deswegen starten wir die App auch nicht direkt mit dem kompletten Werkzeugkasten, sondern geben Mitarbeitenden nach und nach Tools an die Hand. Außerdem haben auch die Mitarbeitenden keine Lust darauf, Zettel auszufüllen. Wir haben die App in der Entwicklung immer mit klassischen Betrieben getestet – also gemeinsam mit unserer Zielgruppe. Das ist seit Beginn das Geheimrezept von Clockin. Bei uns funktionieren die Start-up-Welt und das mittelständische Anpacken zusammen. Nur deswegen ist Clockin erfolgreich geworden. Mittlerweile nutzen über 5.500 Kunden Clockin.

Würde das nicht auch in anderen Städten wie Berlin funktionieren?

Neuhaus: In Berlin ist der Markt groß und Unternehmer schauen ständig darauf, wo schnell viel Geld verdient werden kann. Das ist bei uns anders. Unser Plan war nicht, dass wir so schnell wie möglich wachsen. Stattdessen möchten wir sauber entwickeln und ein Problem lösen. Wir sind nie diesen Berliner Weg gefahren, sondern haben bewusst Aspekte aus beiden Welten zusammengebracht. Es steckt viel Potenzial im Münsterland. Es müssen nur ein paar Sachen geändert werden.

Was heißt das?

Neuhaus: Die Mentalität zwischen Münster und Regionen wie beispielsweise dem Silicon Valley unterscheidet sich stark. Dort gibt es ein sehr weltoffenes, positives Mindset, wenn es darum geht, Unternehmen aufzubauen. Beispielsweise trifft man sich mit einem Geschäftsführer in einem Café und der sitzt dort in kurzer Hose und Flipflops. Wenn der nicht weiterhelfen kann, stellt er einem fünf andere Ansprechpartner vor. Das will ich hier mal im Mittelstand erleben. Die Münsterländer Unternehmen bauen erstmal eine große Mauer um sich herum und schotten sich ab. Hier haben alle Angst, dass man sich etwas klaut, weil die Erfahrungen bisher nicht vorhanden sind. Das ist eine Hemmschwelle. Dazu investieren Unternehmen ihr Geld nicht in die nächste Generation von Unternehmen, sondern in Stein – in Immobilien.

Was macht das Denken hier anders?

Neuhaus: An anderen Standorten in Deutschland haben Gründer schnell Kontakt zu Unternehmensführern und in die Politik. Das ist in Münster anders, hier denken die Menschen immer noch sehr in den klassischen Bahnen. Die Gesellschaft muss grundsätzlich viel offener für das Thema Gründen sein, denn daraus entstehen Innovationen. Durch Kooperation und Zusammenarbeit liegt im Münsterland ein unfassbares Potenzial und Clockin ist ein Beispiel, wie das funktionieren kann.

Woran liegt das?

Neuhaus: Es mangelt an Erfahrungen. Viele Menschen haben in ihrem täglichen Leben nichts mit dieser Welt zu tun. Dann arbeiten die Start-ups noch im Bereich Digitalisierung, am besten noch KI – und reden in einer Sprache, die kein Mensch versteht. So ungefähr ist das Vorurteil. Wir brauchen mehr Berührungspunkte, damit sich das ändert.

Seit eurer Gründung vor sieben Jahren hat sich einiges getan in der Start-up-Förderung. In Münster sind mit dem Digital Hub und dem Reach Start-up Center zwei Anlaufstellen entstanden, die junge Gründer vernetzen und unterstützen. Wie siehst du die Zukunft?

Neuhaus: Die Entwicklung tut Münster richtig gut. Als wir damals anfingen, gab es nur das IHK-Mentorennetz. Dort saß ich vor zehn Geschäftsführern mittelständischer Unternehmen und habe als Antwort auf meine Idee gehört: „Herr Neuhaus, das ist ja interessant, aber Sie sind auch nicht mehr der Jüngste. Wenn Sie nochmal Karriere im Unternehmen machen wollen, dann müssen Sie jetzt auch langsam anfangen.“ Heute gibt es viel mehr Unterstützung für Start-ups, die frisch gegründet sind. Wir waren damals in dieser Frühphase Vorreiter. Jetzt fehlt uns in der aktuellen Phase allerdings wieder etwas.

Was ist das?

Neuhaus: Es fehlt alles, was nach der Frühphase kommt. Mit wem soll ich mich hier in Münster über internationale Skalierung unterhalten? Da treffen zwischen Start-ups und Mittelständlern Welten aufeinander. Es ist wenig Verständnis füreinander vorhanden. Allerdings glaube ich, dass der Austausch untereinander hilft. Wir sind mit das größte Start-up im Münsterland. Es gibt in Münster also niemanden, mit dem ich mal eben über unsere Herausforderungen reden kann.

Gibt es trotzdem Unterstützung?

Neuhaus: Das Scale-up-Programm vom Land fördert unser Unternehmen und adressiert genau dieses Problem. Das unterstützt uns und neun andere Start-ups aus Nordrhein-Westfalen, die das Potenzial haben, international sehr groß zu wachsen. Aktuell sind wir also wieder in der gleichen Position wie vor ein paar Jahren und müssen Wegbereiter sein.

Aber muss nicht irgendein Unternehmen den Anfang machen und sich durchbeißen?

Neuhaus: Wir brauchen Blaupausen, damit Menschen sehen, dass es funktioniert. Das ist ein Grund, weshalb Unternehmer in andere Regionen abwandern, in denen es diese Vorbilder gibt. Wir wollen beweisen, dass das auch in Münster gelingt.

Sucht auch Clockin diese Vorbilder?

Neuhaus: Ja, in Berlin gibt es täglich Events, bei denen man solche Menschen trifft. Das sind Unternehmen, die den eigenen Weg schon fünf bis zehn Mal gegangen sind. Ich kann mich hier mit Mittelständlern unterhalten und gute unternehmerische Weisheiten erhalten. Aber die meisten Mittelständler haben noch nie ein Wachstum von 200 Prozent pro Jahr hingelegt und kennen die Herausforderungen, die damit verbunden sind, nicht. Wir reisen viel, auch damit uns andere Unternehmer wahrnehmen. Münster fliegt aktuell noch völlig unter dem Radar für das Potenzial, das hier vorhanden ist.

Bleibt Clockin auch in Zukunft in Münster?

Neuhaus: Es kann sein, dass Münster irgendwann nicht mehr die richtige Umgebung für uns ist. Etwa, weil hier Erfahrungen mit Start-ups fehlen, beispielsweise bei Behörden. Oder wenn Investoren verdeutlichen, dass der nächste Schritt für globales Wachstum nicht aus Münster heraus funktioniert. Aber damit beschäftigen wir uns momentan nicht. Unser Ziel ist, Clockin weiterhin von hier zu betreiben. Ich habe gelernt, geduldig zu sein und ich glaube an das Potenzial des Münsterlandes. (rba)

Frederik Neuhaus (37) ist Geschäftsführer des Start-ups Clockin aus Münster. Das Start-up hilft tausenden mittelständischen Unternehmen, ihre Organisation zu digitalisieren. Am Montag spricht er bei der Messe „Startup Contacts“ in der Halle Münsterland. Die Veranstaltung richtet sich an alle, die sich fürs Gründen, Start-ups und Innovation interessieren – vor allem an Studierende. Dort gibt’s unter anderem Workshops, Fragerunden und Live-Podcasts. Tickets gibt es hier.

Klima-Update

+++ Mehr als die Hälfte der Kreise und Städte in Nordrhein-Westfalen leidet unter „Grundwasserstress“. Was ist das jetzt schon wieder? „Grundwasserstress“ bedeutet, dass mehr Grundwasser verbraucht wird als vor Ort produziert werden kann. Eine neue Studie des BUND hat untersucht, wie es in NRW grundwasserstressmäßig so aussieht. Die gute Nachricht zuerst: In Münster ist das kein Problem, zumindest noch nicht. Einige Kilometer weiter im Norden allerdings schon. Sowohl in Kreis Steinfurt als auch im Osnabrücker Stadtgebiet kann der Grundwasserbedarf nicht gedeckt werden. Generell zeigt sich: Besonders betroffen sind Regionen mit intensiver Landwirtschaft, Industrie oder hoher Bevölkerungsdichte. Der BUND fordert deshalb mehr Transparenz. Es müsse besser nachvollziehbar sein, wer wo wie viel Wasser entnimmt. Folglich brauche es eine stärkere Regulierung – auch in Gebieten, die wie Münster momentan noch ganz gut dastehen. (ani)

+++ Am 5. Juli veranstaltet die Stadt zum dritten Mal das Klima-Barcamp – also eine Mitmach-Konferenz rund um Klima, Gesundheit und Klimafolgen, bei der alle Interessierten aktiv teilnehmen oder einfach nur zuhören können. Im Fokus stehen Fragen wie: Wie wirkt sich der Klimawandel auf unsere Gesundheit aus oder welche Lösungen gibt es für Einzelne und Unternehmen? Die Veranstaltung ist Teil des Wissenschaftsfestivals „Schlauraum“. Los geht’s um 14:30 Uhr in der Mathilde-Anneke-Gesamtschule. Anmelden müssen Sie sich hier. (ani)

+++ Seit heute steht auf dem Harsewinkelplatz ein „mobiles grünes Zimmer“, das am 2. Juli noch auf den Stubengassenplatz ziehen soll. Das „mobile grüne Zimmer“ besteht aus bepflanzten Wänden und soll auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam machen. Nebenbei spenden die Wände auch Schatten und kühlen die Umgebung ab – sprich: ein super Ort für ein Päuschen in der City. Info-Stände mit Klimaschutz-Expert:innen, Vereinen und anderen Projektpartner:innen sind ebenfalls Teil der Aktion. (sfo)

+++ Münster konnte sich beim Fahrradklimatest des ADFC um sensationelle 0,07 Punkte verbessern – Chapeau! Alle zwei Jahre fragt der ADFC per Online-Umfrage, wie zufrieden die Menschen mit dem Radfahren in ihrer Stadt sind. Jetzt ist die Rangliste für 2024 erschienen. Ergebnis: Unter den Städten bis zu einer halben Million Einwohner:innen ist Münster wieder auf Platz 1 gelandet – obwohl sich zumindest punktemäßig so gut wie gar nichts getan hat. Aber wir wollen nicht so streng sein: In der städtischen Pressemitteilung hebt Stadtbaurat Robin Densdorff hervor, dass es immerhin schon 16 Kilometer Fahrradstraße in Münster gibt. Weiter so, auf die nächsten 0,07 Punkte! (sfo)

Der Rürup
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Anonymer Briefkasten

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Korrekturen

Im RUMS-Brief am Freitag schrieben wir, die Stadt wolle feste Badezeiten für Frauen, intergeschlechtliche, nicht-binäre und trans Personen abschaffen. Das ist so nicht korrekt – solche Zeiten gab es bisher nicht dauerhaft. Es ging um befristete Modellversuche, die nun nicht weitergeführt werden sollen.

Ein-Satz-Zentrale

+++ Das Hallenbad Ost öffnet an Fronleichnam (richtig gelesen: „öffnet“, nicht „schließt“), die drei städtischen Freibäder auch. (Stadt Münster)

+++ Nach Fronleichnam verschiebt sich wieder die Müllabfuhr, die Straße wird Donnerstag nicht gereinigt und die Recyclinghöfe sind geschlossen. (Stadt Münster)

+++ Preußen hat den Vertrag von Geschäftsführer Ole Kittner um weitere vier Jahre verlängert. (Preußen Münster)

+++ Am Samstag hat ein 40-jähriger Wohnungsloser im Hauptbahnhof mehrere Personen rassistisch beleidigt, vor der Polizei den Hitlergruß gezeigt und „Sieg Heil“ gerufen. (Bundespolizei NRW)

+++ Die Heideggerstraße behält ihren Namen. (Westfälische Nachrichten, RUMS-Brief)

+++ Die Brauerei Finne wird an ihrem neuen Standort am Hafen ab Juli das erste Testbier brauen und dort nach eigenen Angaben 20 neue Arbeitsplätze schaffen. (Pressemitteilung)

+++ Ab Donnerstag sitzen wieder geschulte Ehrenamtliche auf einer gelben Bank an der Aegidiikirche und hören Menschen zu, die sich einsam fühlen. (Stadt Münster)

+++ Das stillgelegte Evangelische Krankenhaus spendet medizinisches Inventar an das kriegsgeplagte Hospital in der ukrainischen Stadt Malyn. (WDR)

+++ Das neue Feuerwehrhaus in Nienberge wurde nach zwei Jahren Bauzeit und 4,8 Millionen investierten Euro eröffnet. (Stadt Münster)

+++ Nach dem Chaos rund um den Kita-Navigator im Jahr 2023 empfiehlt die Stadt nun, das System weiter zu nutzen, denn es sei mittlerweile stabiler. (Westfälische Nachrichten)

Unbezahlte Werbung

Unkomplizierte Hilfe zur Selbsthilfe: Wenn das Fahrrad nicht mehr fährt, bietet die Fahrradwerkstatt im Keller des JIB Ersatzteile und fachkundigen Rat. Schrauben müssen Sie zwar selbst, aber es sind nette Leute vor Ort, die Ihnen helfen und die wichtigsten Handgriffe gerne zeigen. Die Werkstatt hat montags bis donnerstags geöffnet, entweder zwischen 15:30 Uhr und 19 Uhr (montags und dienstags) oder von 16:30 Uhr bis 20 Uhr (mittwochs und donnerstags). Für Menschen ab 27 Jahren kostet der Besuch 7 Euro, alle jüngeren zahlen nur 4 Euro. Die jeweiligen Ersatzteile kosten extra.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Katja Angenent hat heute wieder in den Kalender geschaut. Das hier kann sie Ihnen für die nächsten Tage empfehlen:

+++ Falls Sie am heutigen Abend noch auf der Suche nach einem interessanten Film sind, kommen Sie doch ins Foyer des LWL-Museums für Kunst und Kultur am Domplatz. Um 19 Uhr beginnt dort die Reihe „Zugang und Rückgabe: Restitution im Film“ mit gleich zwei Beiträgen: In „You hide me“ werden Anfang der 1970er-Jahre in den Depots des British Museum afrikanische Kulturgüter entdeckt, die dort seit ihrer Entwendung unausgepackt lagern. Im Film „Dahomey“ geht es darum, wie rund fünfzig Jahre später Schätze in das gleichnamige Königreich zurückgebracht werden. An den Folgeterminen, 24. Juni und 1. Juli, sind sechs weitere Filme zu sehen. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 19 Uhr mit einer kurzen Einführung. Der Eintritt kostet 5 Euro.

+++ Traditionell findet am Tag vor Fronleichnam das „Erhaltet den Hawerkamp“-Festival statt. Morgen ist es also wieder soweit. Auf dem Programm stehen Kunstausstellungen, offene Ateliers, Live-Musik und natürlich auch eine große Party auf dem gesamten Gelände und in allen Clubs. Mehr Infos finden Sie hier. Eine Karte im Vorverkauf kostet 13 Euro.

+++ An der Promenade vom Schloss bis zum Aasee ist am Freitag ganz schön viel los. Zum einen findet der Sommernachtsflohmarkt statt, der beginnt am Freitagabend um 20 Uhr und geht bis Samstagnachmittag. Zum anderen wird es laut vor dem Schloss, denn das Schloss rockt. Los geht das kostenlose Rock- und Metal-Festival um 17 Uhr.

+++ Am Freitag können Sie sich alternativ beim stadthistorischen Abendbummel um 18 Uhr in die Zeit der Täufer zurückversetzen lassen. Die Täuferherrschaft hat bis heute Spuren in der Stadt hinterlassen und kann vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen als Lehrstück in Sachen religiöser Radikalisierung und Diktatur gesehen werden. Restkarten sind zu je 12 Euro erhältlich.

Weil alle guten Dinge drei sind, schreibe ich Ihnen am Freitag ein drittes Mal. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine gute Woche und einen schönen Feiertag!

Herzliche Grüße
Sebastian Fobbe

Mitarbeit: Raphael Bahlke (rba), Anna Niere (ani), Ralf Heimann (rhe), Jan Große Nobis (jgn), Katja Angenent (kat) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Maria Schubarth

PS

Vergangenen Freitag hat das Netzwerk Klimajournalismus den deutschen Preis für Klimajournalismus verliehen. Auch RUMS war nominiert oder besser gesagt: Bjarne Overkott, der sich für uns auf die Suche nach den Risiken von Münsters Tiefengeothermie-Plänen gemacht hat. Sie wissen schon: der Rütteltest mit den schweren Vibrotrucks und die Angst vor Rissen im Haus. Am Ende hat in der Kategorie „Lokales“ ein toller Klima-Podcast des „Mannheimer Morgens“ gewonnen. Wir freuen uns aber sehr, dass Bjarne es mit seiner Geschichte auf die Shortlist der besten Geschichten geschafft hat!

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