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Die Transparenz-Phobie der CDU | Heute: RUMS-Veranstaltung | Giverny
Guten Tag,
wenn man Hendrik Grau, dem Kreisvorsitzenden der CDU Münster, eine E-Mail schickt, kommt eine automatische Antwort zurück, in der er mitteilt, dass die Nachricht vielleicht ungelesen im Papierkorb landen wird. Er bekomme sehr viele E-Mails, er habe sich ein Zeitbudget gesetzt, um sie zu beantworten. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Ihre Email unter Umständen nicht lesen werde“, schreibt er. Ungewöhnlich für einen gewählten Politiker, aber so war es vielleicht auch in meinem Fall.
Ich hatte Hendrik Grau Anfang August geschrieben, weil ich wissen wollte, wie viele Parteispenden der CDU-Kreisverband in den vergangenen Jahren bekommen hat. Das ist deshalb interessant, weil die Vorschriften dazu auf kommunaler Ebene sehr löchrig sind. Die Parteien müssen zwar in ihren Rechenschaftsberichten veröffentlichen, wie viele Spenden sie bekommen haben – nicht aber, wie viel Geld an welche Unterorganisation gegangen ist.
Ich schrieb Hendrik Grau noch ein weiteres Mal. Es kann ja passieren, dass eine Nachricht im falschen Ordner landet. Ich probierte es auch über das Büro des Bundestagskandidaten Stefan Nacke. Eine freundliche Mitarbeiterin antwortete. Ich fragte, ob sie mir helfen könne. „Wird gemacht“, schrieb sie. Danach hörte ich nichts mehr von ihr. Das war am 12. August.
Am Dienstag schrieb ich eine E-Mail an die Geschäftsstelle der Partei in Münster. Um sicher zu sein, dass die Nachricht angekommen ist, rief ich danach an und bat darum, meine E-Mail an den Geschäftsführer weiterzuleiten. Eine Frau sagte, das werde sie tun. Doch dabei blieb es.
Das Problem mit der Transparenz
Das Recherchenetzwerk Correctiv.lokal hat in den vergangenen Monaten 850 Kreisverbände in ganz Deutschland angeschrieben, um die Zahlen für ganz Deutschland zusammenzutragen. Und so wie in Münster war es fast überall. Von den Grünen antwortete jeder einzelne Kreisverband, die Linkspartei schickte in acht von zehn Fällen eine Antwort. Etwa ein Drittel der SPD-Kreisverbände veröffentlichte die Spenden. Die Antwortquote bei der FDP lag bei 3,6 Prozent, die der CDU bei 1,4 Prozent.
Die CDU hat ein Problem mit der Transparenz, und das schon sehr lange. Und das ist in ihrem Fall interessanter als bei der FDP, denn die CDU stellt seit 16 Jahren die Bundesregierung. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, die Gesetze zu ändern, aber das passierte immer nur dann, wenn es gar nicht mehr anders ging – und auch dann nur so minimal wie unbedingt nötig.
Wenn man den Politikwissenschaftler Norbert Kersting der Uni Münster fragt, was er davon hält, dass der CDU-Kreisverband in Münster keine Informationen zu den eingegangenen Spenden gibt, sagt er: „Gerade die CDU hat hier viel Nachholbedarf. Sie müsste da eigentlich souveräner sein.“
Man muss etwas ausholen, um zu erklären, was Kersting mit Nachholbedarf meint.
Da war zum Beispiel die große Schwarzgeld-Affäre vor etwa 20 Jahren. Damals wurde öffentlich, dass die Partei Schattenkonten geführt hatte, um sich mit anonymen Spenden einen politischen Vorteil zu verschaffen – und das auch schon in den 80er-Jahren, als ein anderer Skandal, die Flick-Affäre, ans Licht brachte, dass deutsche Parteien sich vom Großkapital aushalten ließen. Beteiligt waren FDP, SPD, CSU und eben die CDU.
Die spätere Schwarzgeld-Affäre ist bis heute nicht aufgeklärt, weil der abgewählte Bundeskanzler Helmut Kohl sein Ehrenwort für wichtiger hielt als das Gesetz und die Herkunft der Spenden verschwieg.
Die Rent-a-Rüttgers-Affäre
Der heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble trat später im Zusammenhang mit der Affäre als CDU-Parteichef zurück. Er hatte mindestens eine illegale Parteispende entgegengenommen. Heute ist er im Bundestag dafür zuständig, große Parteispenden öffentlich zu machen. Erst im Juli sprach er sich dafür aus, Menschen, die Geld an Parteien spenden, besser zu schützen.
Auch nach der Schwarzgeld-Affäre kam immer mal wieder etwas ans Licht. Im Jahr 2010 fiel die nordrhein-westfälische CDU unangenehm auf, weil sie für viel Geld Einzelgespräche mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers anbot. Die Sache wurde bekannt als Rent-a-Rüttgers-Affäre. Der Mann, der damals verantwortlich war und als Generalsekretär der Landespartei zurücktrat, heißt Hendrik Wüst, ist heute NRW-Verkehrsminister und könnte in wenigen Wochen Ministerpräsident werden, wenn Armin Laschet nach Berlin gehen sollte, was er angekündigt hat.
Man könnte nun sagen: Das ist doch alles schon Jahre her. Doch da ist auch noch das, was in den vergangenen Monaten passiert ist. Da war zum Beispiel das Spendendinner von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Vor einem knappen Jahr war er bei einem Abendessen in Leipzig zu Gast, an dem in etwa ein Dutzend Menschen teilnahmen. Der Gastgeber, der Medienunternehmer Peter Zimmermann, soll die Gäste aufgefordert haben, dem CDU-Kreisverband Borken (Spahns Wahlkreis) Geld zu spenden. Und zwar jeweils genau 9.999 Euro. Bei Einzelspenden ab 10.000 Euro gilt die Veröffentlichungspflicht, auch dann, wenn in einem Jahr durch mehrere Spenden einer Person 10.000 Euro zusammenkommen. Dann muss die Partei die Namen der Menschen nennen, von denen das Geld kam. Doch genau das wollte man offenbar vermeiden. Spahn weigerte sich auch später, die Namen zu nennen.
Das alles gibt viel Aufschluss über die Transparenzkultur in der Partei. Eine Spende von 9.000 Euro hätte auch Fragen aufgeworfen, aber es wäre alles im Rahmen geblieben. Die Aussage einer Spende in Höhe von 9.999 Euro ist: Hier geht es darum, die Transparenzregeln auszuhebeln und das Gesetz bis aufs Äußerste zu strapazieren. „Die Union war immer vorne mit dabei, wenn es darum ging, die Regelungen und ihre strenge Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht zu umgehen“, hat der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker dem Berliner Tagesspiegel im März in einem Interview gesagt.
Mit dem Rücken zur Wand wich der Widerstand
In diesem Interview geht es auch um die Folgen der Masken-Affäre, die sich Anfang des Jahres gleich an das Spendendinner anschloss. Es waren ausschließlich Bundes- und Landtagsabgeordnete von CDU und CSU, die sich an Geschäften mit Corona-Masken bereichert hatten. Gleichzeitig wurde öffentlich, dass Mitglieder von CDU und CSU am Tropf der autoritären aserbaidschanischen Regierung hingen und sich auffällig bemüht für die Interessen der korrupten Regierung einsetzten.
Und plötzlich, in dieser Situation, als die CDU mit dem Rücken zur Wand stand, weil inmitten der größten Krise des Landes deutlich wurde, dass auch in so einer Situation viele Abgeordnete vor allem auf den eigenen Kontostand schauten, wurde etwas möglich, das die Union vorher über viele Jahre verhindert hatte.
16 Jahre lang hat die Union die Bundesregierung gestellt, und in den ersten 15 Jahren hat sich in Sachen Transparenz nicht sehr viel bewegt. Die CDU hatte sich geweigert, strengere Vorgaben zu Nebentätigkeiten von Abgeordneten festzulegen und ein sogenanntes Lobbyregister zu beschließen, das Aufschluss darüber gibt, welche Interessengruppen sich mit Abgeordneten treffen und Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Doch nun ging es.
Allerdings verhinderte die Union auch in dieser Situation noch das aus ihrer Perspektive offenbar Schlimmste – einen sogenannten legislativen Fußabdruck. Mit ihm könnte man nachvollziehen, wer in welcher Form Einfluss auf Gesetze genommen hat. Man könnte sehen, wenn Lobbygruppen gleich die Gesetzestexte geliefert haben. Dieser Fußabdruck kommt nun nicht.
Das ist die Vorgeschichte. Und hieraus ergibt sich der Nachholbedarf in Sachen Transparenz, von dem Norbert Kersting spricht, auch im Kleinen, auch bei den Spenden an die Kreisverbände.
Vier Säulen der Parteifinanzierung
Das klingt nach Kleckerbeträgen, aber das muss nicht so sein, wie ein Beispiel aus Hamburg zeigt. Dort hat die SPD innerhalb von vier Jahren 640.000 Euro erhalten. Die Frage ist: Welche Erwartungen hat jemand, der so viel Geld gibt?
Diese Frage stellt sich immer, wenn Menschen politische Arbeit finanziell unterstützen. Wobei Parteispenden im Grunde nichts Schlechtes sind. Im Gegenteil. Sie sind ein wichtiger Teil der Parteienfinanzierung. Sie machen politische Arbeit erst möglich.
Die Parteien in Deutschland finanzieren sich im Wesentlichen aus vier Quellen. Zum einen aus Mitgliedsbeiträgen. Doch diese Säule wird immer schmaler. Vor 30 Jahren hatten die im Bundestag vertretenen Parteien 2,3 Millionen Mitglieder, vor fünf Jahren waren es noch 1,2 Millionen. Und die Bevölkerung ist in diesen 30 Jahren nicht geschrumpft, sondern um über drei Millionen Menschen gewachsen.
Eine weitere Säule sind staatliche Zuwendungen. Sie sind unter anderem abhängig von den Wahlergebnissen. Dann führen Abgeordnete einen Teil ihrer Bezüge an die Parteien ab. Das ist die dritte Säule. Die vierte sind die Parteispenden.
Sie machten im Jahr 2017 laut dem mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichneten digitalen Nachschlagewerk Lobbypedia zwischen knapp 10 und knapp 40 Prozent der Parteifinanzen aus.
Das Problem ist: Spendet jemand Geld, entstehen Verpflichtungen, manchmal nur gefühlte. Aber sie entstehen. Dazu muss niemand eine Gegenleistung verlangen, das Gefühl kommt automatisch – und mit ihm auch das Verständnis für die Anliegen der Geldquellen. Deswegen ist bei politischen Entscheidungen besonders wichtig, zu wissen, wer wem Geld gegeben hat.
Das ist auch aus einem anderen Grund von Bedeutung: Eigentlich soll nicht Geld darüber entscheiden, für wen Gesetze gemacht werden. Aber reiche Firmen, Gruppen oder Menschen haben mehr Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Und in der Tendenz unterstützen sie eher die Parteien, deren Politik ihnen nützt. Das sind vor allem CDU und FDP. Für diese Parteien ergibt sich ein Vorteil. Es entsteht ein Ungleichgewicht.
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Bei den nächsten Meilensteinen (2.000, 2.250, 2.500) werden wir als Dankeschön weitere Workshops veranstalten. Genaueres dazu lesen Sie hier. Sie können uns dafür auch gern Organisationen vorschlagen, die Ihnen am Herzen liegen. Schreiben Sie uns dazu einfach an diese Adresse. Wie sich unsere Aktion entwickelt, teilen wir Ihnen ab jetzt regelmäßig in unserem Brief mit. Sobald Corona es zulässt und wir die ersten Workshops umsetzen können, werden wir diese auch dokumentieren.
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Die Politik der kurzen Wege
Und hier liegt ein Grund dafür, dass nicht alle Parteien Transparenz gleich gut finden. Transparenz nutzt vor allem der Öffentlichkeit. Einzelnen Parteien, vor allem einzelnen Abgeordneten kann sie im Weg stehen. Sie kann Spenden verhindern, denn viele Menschen wollen gar nicht, dass bekannt wird, welche Parteien sie unterstützen.
Transparenz kann auch eine bestimmte Art von Politik verhindern. Das ist die Politik der kurzen Wege, bei der Abkürzungen an den offiziell vorgeschriebenen Routen vorbeiführen. Diese Politik läuft über persönliche Verbindungen, Seilschaften, über Vertrauen. Hier kann man offen reden, sich vielleicht auch mal einen Gefallen tun. Das kann Dinge vereinfachen und sie schnell und unbürokratisch erst möglich machen. So hat Armin Laschet argumentiert, als sein Sohn den Kontakt zum Modeunternehmen van Laack herstellte, das schnell Masken und Schutzkittel produzieren sollte. Und so hat auch Jens Spahn argumentiert, als er ohne Ausschreibung einen Großauftrag an den Logistiker Fiege gegeben hat, dessen Chef im Präsidium des Wirtschaftsrats der Partei sitzt.
Aber auf die gleiche Weise kann man auch die Konkurrenz ausschalten und die eigenen Leute begünstigen. Eine Spende kann den Anreiz erhöhen, im Sinne der Menschen zu entscheiden, die das Geld geben. Das Problem ist: Von diesen Deals profitieren alle beteiligten Seiten – nur eben die unbeteiligten nicht, die Konkurrenz oder die Öffentlichkeit.
Transparenz ist ein wirksames Mittel dagegen. Wenn alle sehen können, wer zahlt und wer Einfluss nimmt, wird deutlich, wo Geld oder Kontakte Entscheidungen möglicherweise begünstigt haben. Im schlechtesten Fall entsteht der Eindruck, dass Entscheidungen gekauft waren. Dann können die Menschen bei der nächsten Wahl entscheiden, ob sie diese Partei noch einmal wählen. So soll das System im Idealfall funktionieren. Und hier liegt ein Teil der Antwort darauf, warum der Widerstand gegen Transparenzregeln bei wirtschaftsnahen Parteien wie der CDU und der FDP größer ist als bei anderen.
Diese Parteien verfolgen in vielen Fällen ohnehin ähnliche Interessen wie Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Es gibt mehr Kontakte untereinander, auch persönliche Verbindungen. In der Tendenz steht in dieser Sphäre auch mehr Geld zur Verfügung als bei Gruppen, die eher linke Parteien unterstützen. Aber wenn eine Partei eine Entscheidung im Sinne eines Unternehmens trifft und gleichzeitig eine Spende geflossen ist oder man sich regelmäßig getroffen hat, kann es schnell so aussehen, als wäre die Entscheidung ein Gefallen gewesen – oder eine Gegenleistung.
So kann auch dann ein Verdacht entstehen, wenn die Partei ihren Grundsätzen treu geblieben ist. Und möglicherweise war das beim CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer der Fall, als er sich wieder und wieder mit Delegationen aus der Autoindustrie traf. Aber wenn ein Papier dann ans Licht bringt, dass 80 Treffen mit der Autolobby seit Scheuers Amtsantritt nur einem Treffen mit Umweltverbänden gegenüberstand, wie es passiert ist, ergibt sich ein Eindruck, ein seltsamer Eindruck.
Die Regeln sind umstritten
Dass die Union seit 1949 zusammengerechnet über 50 Jahre lang die Bundesregierung gestellt hat und auf kommunaler Ebene in Münster nur selten in der Opposition saß, spielt sicher auch eine Rolle.
Regierende Parteien haben immer ein geringeres Interesse an Transparenz, denn sie nimmt ihnen Freiräume, um ihre Arbeit besser kontrollierbar zu machen. Ändern kann diese Regeln der Bundestag. Doch für einzelne Abgeordnete bedeutet das: Sie müssen Entscheidungen treffen, die ihre Möglichkeiten beschränken. Das ist keine günstige Konstellation, doch genau solche Entscheidungen sind notwendig.
Die Regeln zur Finanzierung von Parteien sind nicht nur auf kommunaler Ebene umstritten. Problematisch sind sie aus mehreren Gründen. Zum einen ist die Grenze von 10.000 Euro recht hoch, bis zu der Parteien nichts über die Herkunft von Spenden preisgeben müssen. Und anders als in Frankreich gibt es in Deutschland keine Obergrenze.
In Frankreich dürfen Privatpersonen nur bis zu 7.500 Euro pro Jahr spenden, Unternehmen gar nichts. Und wer gespendet hat, erfährt man in Deutschland auch bei Beträgen zwischen 10.000 Euro und 50.000 Euro oft erst mit großer Verzögerung, teilweise erst anderthalb Jahre später.
Das geht auch anders. In Großbritannien müssen Parteien Spenden während des Wahlkampfs wöchentlich öffentlich machen, jenseits des Wahlkampfs vierteljährlich, und das ab einer Grenze von 1.000 Pfund (aktuell etwa 1.165 Euro) wie der Politologe Michael Koß hier erklärt.
Beim Parteisponsoring gibt es in Deutschland so gut wie keine Regeln. Hier funktioniert der Deal so wie bei Trikotwerbung im Fußball. Jemand zahlt Geld und bekommt dafür eine Gegenleistung, zum Beispiel Sichtbarkeit über Werbeanzeigen in Parteizeitungen.
Bundestagsabgeordnete dürfen inzwischen gar keine Geldspenden mehr annehmen. Wer in der Lokalpolitik ein Amt hat, muss dagegen nicht mal Angaben dazu machen, wie viel Geld er bekommen hat. Aber hier wäre das genauso interessant wie auf Bundesebene, zumindest ab einer bestimmten Summe, denn die Lokalpolitik ist arbeitsaufwändig, aber schlecht bezahlt. Ratsmitglieder erhalten lediglich eine Aufwandsentschädigung. Das sind gute Voraussetzungen, um auch schon mit kleinen Summen Einfluss nehmen zu können – und damit schlechte Voraussetzungen.
Auf Bundesebene geht es um andere Beträge. Heute berichtet der Spiegel, dass die Parteien so viele Großspenden erhalten haben wie noch nie. Die meisten gingen an die FDP (3,2 Millionen Euro), dann folgte die CDU (2,8 Millionen Euro), danach die Grünen (1,9 Millionen Euro).
Spenden über 50.000 Euro müssen die Parteien umgehend öffentlich machen. Auch diese Grenze ist umstritten. Eigentlich hätte sie längst gesenkt werden sollen. Die Parteien hatten angekündigt, die Regeln im Parteiengesetz zu verschärfen. Laut dem Bericht versucht die CDU das zu verhindern, indem sie eine Entscheidung zur Bedingung macht, die für die SPD sehr unangenehm wäre. Die Union möchte, dass Unternehmensbeteiligungen eingeschränkt werden. Das würde die SPD hart treffen, sie ist an mehreren Medienhäusern beteiligt. Und damit wird es wohl vor der Wahl nichts mit den strengeren Regeln.
Nur zwei Parteien antworteten
Genau das aber halten viele für notwendig, und für sehr schnell notwendig. Erst in dieser Woche haben 50 zivilgesellschaftliche Organisationen in einem gemeinsamen Appell strengere Regeln für Lobbykontakte und Parteispenden gefordert. Und um selbst transparent zu sein: Darunter ist auch der Verein Wikimedia, der unter anderem die Online-Enzyklopädie Wikipedia betreibt und dessen Vorstandschef Christian Humborg einer der RUMS-Mitgründer ist.
Auf die Anfrage von Correctiv.lokal an die 850 Kreisverbände in Deutschland haben in Münster lediglich zwei Parteien geantwortet: die Grünen und die Linkspartei. Die Linkspartei hat seit 2016 jährlich Spenden in einer Höhe zwischen 200 und 950 Euro bekommen, die Grünen zwischen 5.300 und 8.300 Euro. Für das vergangene Jahr haben die Grünen bislang keine Zahl veröffentlicht. Auf eine Anfrage haben wir bisher noch keine Antwort erhalten.
Dass die SPD und die FDP in Münster auf die Correctiv-Anfrage nicht geantwortet haben, lag laut den Parteien daran, dass die E-Mails übersehen wurden oder nicht angekommen sind. Beide Parteien haben uns die Zahlen nachgeliefert. Correctiv.lokal hat sie inzwischen in die Datenbank eingetragen. Die FDP bekam zwischen 154 und 11.400 Euro. Im Falle der SPD lagen die Spenden zwischen 2.700 und knapp 27.500 Euro pro Jahr. Der Spitzenwert kam im Jahr 2017 zusammen – wie die SPD schreibt, im Zusammenhang mit der Bundestagswahl. Einzelspenden von über 10.000 Euro waren laut SPD und FDP nicht dabei. Die Geldquellen können also anonym bleiben.
Die Höhe der Spenden an die CDU in Münster bleibt im Dunkeln. Es kann sein, dass regelmäßig hohe Beträge aus bestimmten Branchen eingehen. Das könnte so manche Entscheidung in einem etwas anderen Licht erscheinen lassen. Die CDU könnte verhindern, dass sich solche Fragen überhaupt stellen, indem sie die Spenden veröffentlicht. Das ginge auch jetzt noch.
Wir haben Ihnen am Dienstag schon vom Wahlkompass erzählt, den wir zusammen mit dem Politik-Professor Norbert Kersting und seinem Team möglich gemacht haben. In unserer Gesprächsreihe „Wir müssen reden“ werde ich heute Abend ab 19 Uhr mit Norbert Kersting über das Projekt sprechen, über die Bundestagswahl und über die Parteispenden. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch dazu, via Zoom. Folgen Sie einfach diesem Link. Ich würde mich freuen.
+++ Am 18. Tag der Verlängerung des DFB-Pokalspiels von Preußen Münster gegen den VfL Wolfsburg ist gestern die Entscheidung gefallen. Das DFB-Bundesgericht hat die Entscheidung des DFB-Sportgerichts bestätigt und damit die Berufung von Wolfsburg abgewiesen. Kurz gesagt: Münster steht jetzt endgültig in der zweiten Runde.
+++ Zur Frage, wie viel das Musik-Campus-Projekt kosten würde, kursierte bislang nur eine ominöse Zahl, deren Quelle nicht ganz klar war. Die Rede war von bis zu 250 Millionen Euro, über die, so schrieben es die Westfälischen Nachrichten, „gemunkelt“ wurde – wie auch immer man sich das vorstellen muss. Jetzt kursiert endlich noch eine weitere Zahl. Baufachleute kalkulierten mit bis zu 300 Millionen Euro, schrieben die Westfälische Nachrichten am Mittwoch. Die Zahl sei am Dienstag bei einer nicht-öffentlichen Diskussionsveranstaltung genannt worden. Darin sei ein Puffer von 65 Millionen Euro enthalten. Die Stadt Münster könnte der Musik-Campus danach 110 Millionen Euro kosten, 30 Millionen mehr als gedacht. Damit ist im Grunde nur noch eine Frage offen. Und zwar die nach dem Hut, aus dem die Stadt das Geld zaubert.
+++ Die Stadt hat die Kanalstraße in Höhe der Promenade gestern mit sogenannten Rüttelstreifen ausgestattet. Das sind Markierungen auf der Oberfläche der Fahrbahn, die man beim Drüberfahren spürt, die einen also wachrütteln, um einen auf der Kreuzung drohenden Unfall zu verhindern. Ein solcher Unfall war in dieser Stelle Anfang der Woche passiert. Eine Autofahrerin hatte am Dienstag einem auf der Promenade fahrenden Inline-Skater die Vorfahrt genommen. Seit dem Beginn der Verkehrsversuche Anfang August hätte die Frau an dieser Stelle warten müssen. Die Stadt will eventuell noch zusätzliche Schilder aufstellen. Trotzdem wahrscheinlich weiterhin an dieser Stelle empfehlenswert, wenn man auf einem Fahrrad sitzt oder Inlineskates an den Füßen hat: kurz langsam an die Kreuzung heranfahren und im Zweifel warten.
+++ Und dann noch eine schlechte Nachricht für den Journalismus in der Stadt. Nils Dietrich hat seinem Online-Magazin „Die Wiedertäufer“ nach über vier Jahren den Stecker gezogen. Über die Gründe schreibt er in einem Beitrag: „Private und berufliche Veränderungen lassen mir schlicht nicht mehr die Zeit, um dieses professionelle Non-Profit-Hobby-Projekt weiter mit dem angemessenen oder viel mehr notwendigen Einsatz verfolgen zu können.“ Das finden wir sehr schade, denn mit den Wiedertäufern verschwindet ein Medium, das immer wieder kritisch über Themen berichtet hat, die anderswo nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Das Problem, das Nils beschreibt, ist allerdings eines, vor dem viele lokaljournalistische Medien stehen. Nebenbei lässt sich so etwas auf Dauer nur betreiben, wenn man auf sehr viel Privatleben verzichtet. Daher haben wir uns entschieden, RUMS kostenpflichtig zu machen. Das gibt uns die Möglichkeit, während der Arbeitszeit zu recherchieren, nicht in unserer Freizeit. Aber gerade, weil Nils so viel Freizeit in dieses wertvolle Projekt gesteckt hat, noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön. Ich werde die Wiedertäufer vermissen.
Wir haben zwei Fehler gemacht, den einen habe ich selbst produziert, und zwar im RUMS-Brief am Dienstag. Im Zusammenhang mit der Lastenrad-Förderung schrieb ich, es gebe zu wenige Stellen im Planungsamt, um die Förderanträge zu bearbeiten. Tatsächlich ging es um das Amt für Mobilität und Tiefbau. Und eine Korrektur zu einem RUMS-Brief, der schon ein paar Tage zurückliegt. Es geht um den Brief vom 13. Juli zum Thema Hilfe bei ungewollten Schwangerschaften. Darin hatten wir geschrieben, Donum Vitae sei ein katholischer Verein. Das stimmt nicht. Der Verein wurde zwar von katholischen Menschen gegründet, ist aber von der katholischen Kirche unabhängig. Wir haben das korrigiert.
Zum Glück spielt die Inzidenz als Kennzahl in der Pandemie keine ganz so große Rolle mehr. Denn dann müssten wir uns schon wieder Sorgen machen. Die Zahl der Neuinfektionen innerhalb einer Woche pro 100.000 Menschen, also eben die Wocheninzidenz, ist schon wieder gewachsen. Im Vergleich zu gestern von 74,9 auf 81,2, wie die Stadt Münster meldet. Und ganz interessant ist diese von dem Software-Entwickler Andreas Buhr aus Zahlen des Robert-Koch-Instituts erstellte Übersicht. Genau genommen ist es eine Heatmap, also eine Wärmebildkarte, die zeigt, wo die Situation gerade besonders kritisch ist. Und da lässt sich auf den ersten Blick sagen: bei den jungen Menschen, die ja zu großen Teilen noch nicht geimpft sind. Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat heute Nachmittag bei Twitter ebenfalls eine Übersicht veröffentlicht, die das Problem bei jungen Menschen zeigt. Lauterbach schreibt: „Die Lage in NRW ist ohne Beispiel. Kinder sollten nicht dem Risiko von #LongCovid ausgesetzt werden.“
Für seine Fischsuppe, also die Bouillabaisse Marseillaise, kauft das französische Restaurant Giverny am Spiekerhof 25 den Fisch auf dem Pariser Großmarkt Rungis. Das steht auf einer Karte, die man lesen kann, wenn man von draußen durchs Fenster schaut. Mittwochs ist im Giverny Bouillabaisse-Tag. Ich selbst habe die Suppe noch nicht probiert, aber meine Kollegin Edina Hojas schwärmt davon. Und was auch noch sehr schön ist: Es gibt regelmäßig Themenabende mit besonderen Gerichten. In den kommenden Wochen zum Beispiel ein Trüffelmenü (10. September), ein Hummermenü (7. und 8. Oktober) und eine elegante Champagner Soirée (4. und 5. November). Für das Zwei-Gänge-Menü mit der Bouillabaisse müssten Sie 37,50 Euro pro Person einplanen. Und am besten reservieren Sie vorher unter 0251 511435.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Was in den nächsten Tagen in der Stadt los ist, hat Eva Strehlke sich heute angesehen. Das sind ihre Empfehlungen:
+++ Ist die Welt vielleicht gar nicht so schlecht, wie wir denken? Und vor allem: Haben wir es etwa selbst in der Hand? Um diese Fragen und eine neue Perspektive darauf geht es bei der Vamos-Filmreihe Klappe auf für #Menschenrechtebewegen im Cinema Münster. Ab dem 30. August und bis Anfang Dezember werden fast ein Dutzend Filme gezeigt, danach gibt es jeweils eine Diskussion über praktische Möglichkeiten, sich lokal zu engagieren. Die Veranstalter:innen orientieren sich dabei am Prinzip des praktischen Possibilismus. Das klingt etwas sperrig, ist aber eigentlich ganz einfach: Anhänger:innen dieser Bewegung möchten anderen Menschen die Augen für das Gute auf der Welt öffnen. Und dafür, dass alle dazu beitragen können, die Welt Schritt für Schritt noch besser zu machen. Eine Empfehlung zur Einstimmung auf die Filmreihe: Auf dieser Website können Sie sich einen Eindruck davon verschaffen, ob Sie die Welt, ihre Probleme und Fortschritte bisher richtig einschätzen.
+++ Ein Geheimtipp: Es gibt noch ein paar freie Plätze beim Picknick-Konzert von Joris am Sonntag. Weil die Abendvorstellung des deutschen Liedermachers (den Sie vielleicht vom Radiohit Herz über Kopf kennen) so schnell ausverkauft war, wurde zusätzlich ein Nachmittagstermin anberaumt – und da haben Sie noch Chancen. Los geht’s um 15 Uhr und Tickets gibt es hier. Man bucht immer eine „Picknickdecke“ für vier Personen. Essen und Getränke dürfen Sie mitbringen. Wie so eine Veranstaltung aussieht, können Sie sich hier anschauen.
+++ Morgen wird es in der Stadt bunt und bestimmt auch laut. Um 14 Uhr beginnt der Christopher Street Day mit einer gemeinsamen Demo. Die Veranstaltung ist der Abschluss der diesjährigen Pride Weeks und erinnert an einen Aufstand von Homosexuellen und Transsexuellen gegen die Polizeiwillkür im New York der 1960er-Jahre. Wenn Sie gemeinsam mit dem Verein CSD Münster gegen Diskriminierung durch die Stadt laufen möchten, gehen Sie einfach um 14 Uhr zur Bismarckallee, Sie müssen sich nicht anmelden. Ziel der Demo ist der Schlossplatz, wo es eine Abschlusskundgebung, etwas Musik und ein kleines Ständefest gibt. Die ganze Strecke ist barrierefrei und kann hier eingesehen werden. Es gilt Maskenpflicht, und Sie müssen die üblichen Sicherheitsabstände einhalten.
Am Dienstag kommt wieder Post von mir. Vielleicht sehen wir uns ja gleich noch bei Zoom. Ansonsten wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Eva Strehlke, Constanze Busch
PS
Ganz interessant an einer Universitätsstadt wie Münster ist ja, dass viele Menschen hier irgendwann landen, zumindest für eine Weile, und auf diese Weise mit der Stadt später verbunden bleiben. Leon Windscheid zum Beispiel, der „Wer wird Millionär?“-Gewinner, stammt eigentlich aus Bergisch Gladbach und kam fürs Psychologie-Studium nach Münster. Er hat der Stadt unter anderem das Eventschiff MS Günther hinterlassen, wohnt aber mittlerweile in Berlin. Carla Reemtsma, unsere Kolumnistin, kommt eigentlich aus Berlin, wo sie mittlerweile auch wieder wohnt. Sie kam ebenfalls zum Studieren nach Münster. Und sie ist in dieser Woche in Leon Windscheids neuer ZDF-Show „Auf der Couch“ zu Gast, eine halbstündige Paartherapie für zwei Menschen, die eigentlich das Gegenteil eines Paares sind. In diesem Fall sitzt Carla Reemtsma, die Klima-Aktivistin, auf der Couch mit Jan Fleischhauer, dem konservativen Publizisten, den Sie vielleicht vom Spiegel kennen, wo er eine bekannte Kolumne hatte, mittlerweile arbeitet er für den Focus. Fleischhauer hat keine nennenswerte Verbindung zu Münster, passt aber aus einem anderen Grund ganz gut in dieses aus Gegensätzen konstruierte Setting. Geboren ist er in Osnabrück.
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