Gasumlage: Immer diese Psychotricks | Gasometer: Endlich ein Nutzungskonzept | Kitas: Mit Gemüsekisten gegen den Fachkräftemangel

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

jetzt soll man also auch noch für die Gasunternehmen zahlen, die in Schwierigkeiten geraten sind, weil das Gas plötzlich so viel kostet. 2,419 Cent pro Kilowattstunde. So teuer wird die Gasumlage, und schon in dieser Zahl steckt eine psychologische Botschaft: Das ist kein willkürlich ausgedachter Wert, sondern eine bis auf die dritte Nachkommastelle genau berechnete Notwendigkeit.

Was die Zahl genau bedeutet, kann man sich nur schwer vorstellen. Man kauft ja eher selten einzelne Kilowattstunden. Daher muss man den Wert übersetzen. Ein Single-Haushalt mit einem durchschnittlichen Verbrauch (6.000 Kilowattstunden) zahlt im Jahr ungefähr 145 Euro mehr, eine vierköpfige Familie knapp 490 Euro (20.000 Kilowattstunden).

Die CDU-Fraktion hat wegen des ganzen Schlamassels gestern Experten in ihre ausnahmsweise öffentliche Fraktionssitzung geladen. Sie erzählten, wie sie die Situation einschätzen.

Wolfgang Heuer, der Leiter des städtischen Krisenstabs, sagte, das Wasser in den Schwimmbädern sei schon jetzt ein paar Grad kälter und man verzichte auf Beleuchtung. Aber wenn das Gas im Winter wirklich knapp werden sollte, reiche das wohl nicht mehr aus.

Fritz Jaeckel von der Industrie- und Handelskammer sagte, die Gasspeicher seien zwar voll, aber damit gewinne Deutschland auch nur ein paar Tage. Die Haushalte müssten fürs Energiesparen sensibilisiert sein. Doch was bislang passiere, sei lediglich: In jedem zehnten Haushalt stehe ein Heizlüfter.

Der Energieberater Thomas Weber sagte, die Leute sollten eher schauen, an welchen anderen Stellen sie Geld sparen können, damit etwas übrig bleibt für die hohe Gasrechnung.

In einem waren die Fachleute sich am Ende aber doch einig: Ein Grund zur Panik sei das alles nicht. Andererseits, das muss man ja doch mal sagen: So super ist das alles auch nicht. (rhe/ast)

Kurz und Klein

+++ Der Mann, der knapp drei Wochen lang auf einem Kran an der Hermannstraße saß, ist seit Sonntagabend wieder unten. Die Stadt schickte sogar eine Pressemitteilung raus, um das zu vermelden. Der Mann hat sich, wie mehrere Medien berichten, in psychiatrische Behandlung begeben. Als Nächstes kommt jetzt der juristische Ärger: eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung sowie Schadensersatzforderungen von den Firmen, die seit drei Wochen nicht bauen können. Ende September steht der Mann vor Gericht, weil er eine Nachbarin bedroht haben soll. Wird er verurteilt, kann es sein, dass aus seiner Bewährungsstrafe wegen einer anderen Sache (RUMS-Brief) eine Haftstrafe wird. Entscheiden würde darüber das Landgericht. Eine Prognose können wir schon geben: Den Gerichten wird die Arbeit nicht ausgehen. (rhe)

+++ Wer mit dem Auto aus dem Süden über die Hammer Straße in die Stadt fährt, steht hinter der Umgehungsstraße oft im Stau. Und das umgehen, biegen viele irgendwann rechts in den Münstermannweg ab. Das ist kein Tipp, um schneller in die Stadt zu kommen, sondern der Hinweis darauf, dass bald nicht mehr möglich sein soll – wenn der Verkehrsausschuss das Ende August so beschließt, wie die Stadtverwaltung es vorschlägt. Das würde bedeuten: Die Scheibenstraße würde zur Sackgasse. Und der Münstermannweg? Zu einem angenehm ruhigen Ort. (rhe)

+++ Die Preise auf dem Wohnungsmarkt in Münster sind im vergangenen Jahr gestiegen, aber nicht mehr so schnell wie in den Jahren zuvor. Und das ist ja immerhin etwas. Erfreulich sind die Zahlen aus dem gestern veröffentlichten Jahresabschluss der städtischen Wohnungsgesellschaft Wohn- und Stadtbau allerdings nur, wenn man Wohnungen verkaufen oder vermieten möchte. Mietwohnungen in Münster sind in den vergangenen fünf Jahren um 15 Prozent teurer geworden (durchschnittlicher Quadratmeterpreis jetzt: 11,83 Euro). Der Preis von Eigentumswohnungen hat im gleichen Zeitraum um 57 Prozent zugelegt (Quadratmeter: 4.792 Euro). Eigenheime sind gleichzeitig um 23 Prozent teurer geworden, Doppelhaushälften um 32 Prozent. Das waren jetzt viele Zahlen. Daher zum Abschluss eine Einschätzung, wenn auch eine wenig überraschende: „Der Münsteraner Wohnungsmarkt gilt weiterhin als angespannt.“ Es kommentiert die Redensartbeauftragte der Stadt: Entweder der Wohnungsmarkt ist angespannt oder es läuten die Glocken. (rhe)

Wie es weiterging – mit den Loop-Taxis

+++ Nach unserer Meldung über das Loop-Taxis im RUMS-Brief am Freitag kam Post. Jürgen Thor schrieb uns. Wir hätten ja sehr positiv über Loop berichtet. Er habe den Dienst dann am Freitag gleich ausprobieren wollen. „Es kam aber nur die Meldung: ausgebucht. Eine halbe Stunde später: das Gleiche. Am nächsten Morgen: das Gleiche“, schreibt er. Dann gab er irgendwann auf. Daraus könnte man jetzt verschiedene Meldungen machen. Loop-Taxi boomt. Oder: Loop-Taxi kommt hervorragend an. Oder natürlich, wie Jürgen Thor schreibt: „Entweder ist Loop schlecht organisiert oder die Nachfrage ist größer als das Angebot.“ (rhe)

Wie es weiterging – mit der Mauritzschule

+++ Im RUMS-Brief am Freitag schrieben wir: „Die Mauritzschule hat jetzt eine neue Mensa und neue Räume für die Offene Ganztagsbetreuung.“ In der Meldung der Stadt, aus der wir diese Information hatten, stand, die Kinder könnten sich nach den Ferien über die neuen Räume freuen. Wie eine Mutter uns nun schrieb, müsste es wohl heißen, sie könnten sich AUF die neuen Räume freuen. Am Freitag nach Schulbeginn sei der Neubau jedenfalls noch nicht fertig gewesen. Auch die Formulierung, die Umbauten im Altbau seien bis zum Ende der Ferien „in weiten Teilen“ abgeschlossen (die Meldung ist vom 9. August), sei „sehr optimistisch“. So habe man es in der Schule gesagt. Wie wir heute hörten, können die meisten Klassen die Ganztagsräume im Neubau inzwischen nutzen. Immerhin. Eigentlich sollte das Gebäude schon Ostern fertig sein. (rhe)

Wie es weiterging – mit dem Fachkräftemangel

In unserem Bericht über den Fachkräftemangel im RUMS-Brief vor einer Woche fehlten noch die Antworten auf unsere Fragen an die Stadt. Die sind nun angekommen. Das Ergebnis: Am stärksten spürt die Stadt den Engpass bei IT-Kräften, in der Technik, in Berufen, die mit den Bädern zu tun haben, und – darum wird es weiter unter noch gehen – in den Kitas. Insgesamt 26 von 183 Ausbildungsstellen seien in diesem Jahr offen geblieben, schreibt die Stadt. 16 davon in Erziehungsberufen. (rhe)

Einladung

Am Donnerstag, 25. August 2022, ab 18 Uhr laden wir Sie zur Diskussion zum Thema „Münster 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ ein. Unser Gesprächspartner ist der Journalist und Autor Nick Reimer (Foto: Joachim Gern). In seinem Buch Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird beschäftigt er sich mit der Frage, wie unser Leben Mitte des Jahrhunderts konkret aussehen wird, wenn es immer heißer, trockener und stürmischer wird. Moderieren wird RUMS-Redaktionsleiterin Constanze Busch.

Die Veranstaltung findet ab 18 Uhr im Localhost statt, dem Veranstaltungsraum neben dem RUMS-Büro an der Neubrückenstraße 8 – 11. Nach der Veranstaltung, ab etwa 19:30 Uhr, gibt es Kaltgetränke, drinnen und draußen an der Straßenecke.

Melden Sie sich gern vorher unter kontakt@rund-um-muenster.ms an. Sie können aber auch spontan ohne Anmeldung kommen. Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

Diese Veranstaltung ist übrigens die erste des gemeinnützigen Vereins Rund um Münster – Forum für lokale Öffentlichkeit. Die drei RUMS-Mitgründer Marc-Stefan Andres, Götz Grommek und Christian Humborg haben den Verein mitgegründet, die Vorsitzenden sind Christian Humborg und Eva Windhausen. Mit dem Verein sollen Themen in der Stadt identifiziert, Impulse gesetzt, Gespräche, Kooperationen und Projekte initiiert werden. Er soll Menschen mit verschiedenen Hintergründen zusammenbringen, Wissen vermitteln, aufklären und moderieren. Mehr darüber erfahren Sie in unserem RUMS-Brief vom 12. August 2022 und auf der Website des Vereins.

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Gasometer: Ein Konzept, zwei offene Fragen

In der Mitte des Gasometer-Kessels hängt eine Lampe, die viel zu klein ist, um diesen großen Raum zu beleuchten. Aber hier könnte ein Tisch stehen, an dem zwei oder drei Menschen sitzen, drumherum wäre viel Platz für Publikum. Man könnte sich hier eine Lesung vorstellen oder eine Diskussionsrunde, ein Konzert oder eine Kunst-Installation.

Aus diesem Raum könnte man vieles machen. Die Frage, was genau, ist seit knapp 20 Jahren offen. Die Stadtwerke würden das Gelände gerne verkaufen und jemanden finden, der Büros in den denkmalgeschützten Kessel baut. Das Kollektiv Gazo und der Verein Sozialpalast, also die Gruppe, die das Gelände gemietet hat, stellen sich etwas anderes vor. Was? Das haben sie nun in einem fünfseitigen Nutzungskonzept und auf einem Flyer skizziert.

Eine Überschrift auf dem Flyer lautet: „Das Kesseldorf“. In Klammern dahinter steht: „gazopolis“. Der Kessel ist in dem Konzept der Mittelpunkt eines sozialen Zentrums, das die Gruppe hier plant. Für den Innenraum gäbe es zwei Varianten.

In der einen bliebe der Kessel so, wie er ist. Drinnen könnten Kulturveranstaltungen stattfinden, „sofern diese genehmigt werden“, so steht es in dem Konzeptpapier. Draußen, zwischen der Außenwand und dem Wäldchen, würden sich Gebäude aneinanderreihen, die in der anderen Variante im Innenraum stehen, als „kompakte Gebäudestruktur mit mehreren Gängen (…) und einem zentralen Platz“. Das wäre die Variante, die den Vorgaben im Bebauungsplan entspricht. Bauen darf man danach nur innerhalb des Gasometers.

Treffpunkt für Menschen

Die Pläne für den Kessel sind nur ein Teil dessen, was sich die Gruppe unter dem „Zukunftsort gazometer“ vorstellt. Sie wollen einen „Treffpunkt für Menschen mit unterschiedlichen Professionen, diversen Identitäten und verschiedenen Alters“ schaffen. Das Industriedenkmal, also den Kessel und das Reglerhaus, wollen sie sanieren, der Wald drumherum soll bleiben. Der Ort soll öffentlich zugänglich sein. Man soll ganz unterschiedliche Dinge machen und finden können, wie in einer kleinen Siedlung, einem Dorf, hier eben dem Kesseldorf.

Auf dem Flyer fasst die Gruppe all das zusammen, was hier möglich werden soll. Kunst, Kultur, Bildung, Soziales und Gastronomie. Ateliers und Ausstellungsräume, kleine und größere Konzerte, Proberäume, Spielflächen für die freie Theaterszene. An einer Stelle steht: „Das gazometer-Gelände bietet sich optimal als Ausstellungsort für die kommenden Skulptur-Projekte an.“ Einmal im Jahr soll ein Sommerfest stattfinden.

Am Freitagabend räumen vor dem Reglerhaus Männer Tische und Stühle hin und her. Am Tag darauf feiert eine Familie aus Eritrea hier eine Taufe. Auch so etwas soll möglich sein. Auf dem Mulchboden zwischen dem Haus und dem Kessel befindet sich eine Art Biergarten oder Café. Auch das soll den Plänen nach dauerhaft so bleiben, zumindest im Sommer. Mittags sollen Menschen, die in der Umgebung arbeiten, hier essen können.

Ein Kinder- und Jugendtreff ist ebenfalls Teil des Konzepts, wie auch ein Waldspielplatz und ein offenes Stadtteilbüro. Das Gasometer-Gelände soll ein „frei zugänglicher Ort mit offenen Angeboten, ein Ort des ständigen sozialen Austauschs und ein lebendiges Stadtteilzentrum werden“, so steht es am Ende des Flyers. Betreiben soll das alles eine gemeinwohlorientierte Organisation, also zum Beispiel eine Genossenschaft oder ein gemeinnütziger Verein.

Der Mietvertrag endet in sechs Wochen

Zwei entscheidende Fragen sind allerdings offen: Wie viel kostet das? Und wer soll das bezahlen? In dem fünfseitigen Dokument steht: „Betriebskonzept und Finanzierungsplan sind aktuell noch in der Entwicklung.“

Ein Problem ist: In sechs Wochen endet der Mietvertrag. Dann müssen Kollektiv und Verein das Gelände verlassen. Aber auf dieser Grundlage bewilligt niemand eine Förderung. Und Geld aus Förderprogrammen allein wird vermutlich nicht ausreichen, um all das zu bezahlen, was die Gruppe hier plant.

Laut den Stadtwerken würde es zwei Millionen Euro kosten, den Gasometer überhaupt erst einmal herzurichten. Das Kollektiv und der Verein sagen, das gehe auch für deutlich weniger Geld, vielleicht für 800.000 Euro. Aber auch dieses Geld müsste irgendwo herkommen. Und es wäre nur ein kleiner Teil.

Den Gasometer instand zu halten, kostet Monat für Monat Geld. Laut den Stadtwerken einen hohen fünfstelligen Betrag im Jahr, über 50.000 Euro. Kollektiv und Verein sagen, die Stadtwerke hätten bislang nicht verraten, wofür genau dieses Geld gebraucht werde. Bei den Stadtwerken heißt es, das könne man aus dem Stand nicht sagen, werde das aber herausfinden.

Aber auch wenn die Gruppe dieses Geld zusammen hätte, wäre das Problem nicht gelöst. Man müsste Personal bezahlen. Es würde Geld kosten, das Konzept umzusetzen. Wie viel genau, lässt sich nicht sagen.

Dass die Stadt diese Kosten übernehmen könnte, scheint im Moment nahezu ausgeschlossen. Das Geld ist ohnehin schon knapp, und die Kosten geraten gerade an vielen Stellen außer Kontrolle.

Alles kostet plötzlich mehr

Der Plan, ein viertes Stadthaus zu bauen, ist verschoben worden, weil der Bau im Moment nicht zu bezahlen wäre. Vor ein paar Tagen ist herausgekommen, dass eine Grundschule im York-Quartier über 20 Millionen Euro mehr kosten wird als ursprünglich gedacht. Sehr bald wird es um die Frage gehen, ob ein neues Preußen-Stadion unter den aktuellen Bedingungen noch möglich ist. Die Antwort ist absehbar: Nein. Wahrscheinlich wird man die Pläne zurechtstutzen müssen.

Beim Musik-Campus wird alles davon abhängen, wie viel dem Bund das Projekt wert ist. Das wird sich im November entscheiden. Falls der Musik-Campus tatsächlich kommen sollte, wird sich eine andere große Frage stellen: Leistet die Stadt sich dann dauerhaft eine Konzerthalle und ein Stadtheater, das alleine über 20 Millionen Euro im Jahr kostet?

Und falls ja: Ist es dann vertretbar, wenn man alternativen Kulturprojekten ein paar tausend Euro versagt, während man sich die Hochkultur viele Millionen kosten lässt?

Darüber wird man sprechen müssen. Dem Verein Sozialpalast und dem Kollektiv bleibt nicht viel Zeit. Die Stadtwerke planen im Oktober ein sogenanntes Vorkolloquium, eine Veranstaltung, bei der die Menschen zusammenkommen sollen, die das Gelände gerne kaufen und bebauen möchten.

Ein Vorteil für den Verein und das Kollektiv könnte sein, dass es im Moment auch sehr teuer wäre, den Kessel zu einem Büroturm auszubauen. Es ist nicht klar, ob sich überhaupt jemand findet, der dieses Risiko zurzeit eingehen möchte. Findet sich niemand, könnte es sein, dass das Gelände wieder jahrelang brachliegt. Aber bevor das passiert, könnte man es vielleicht auch noch eine Weile vermieten. (rhe)

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Kitas: Was die Gemüsekiste mit dem Personalmangel zu tun hat

Zwei Tage nach dem RUMS-Brief über das knappe Personal in allen möglichen Zweigen und Branchen hat die Stadt einen Bericht veröffentlicht. Sein Titel lautet: „Fachkräftemangel in Münsters Kitas und Offenen Ganztagsschulen – aktuelle Situation und trägerübergreifende, stadtweite Handlungsoptionen“. In den Kitas wird der Engpass ganz besonders deutlich, denn dort lassen die Stellen sich auch jetzt schon kaum besetzen, aber der Bedarf steigt und steigt. Die Zahlen machen das deutlich.

Noch vor acht Jahren gab es in Münsters Kitas 1.311 Vollzeitstellen. Im vergangenen Jahr waren es laut dem Bericht 1.707. Wenn die Prognose stimmt, kommen in den nächsten acht Jahren noch einmal mehr als 500 hinzu. Dann werden es über 2.300 sein.

Hier ein paar Fakten:

  • Schon jetzt müssen im Vergleich zu 2014 in den Kitas in Münster ein Drittel mehr Arbeitsstunden gemacht werden.
  • In den Offenen Ganztagsschulen steigt die Zahl der Gruppen laut dem Bericht pro Jahr um zehn Prozent.
  • Sieben von zehn Kindern in einer Grund- oder Förderschule nutzen ein Offenes Ganztagsangebot.
  • Es gab so viele Anmeldungen, dass im neuen Schuljahr 30 neue Offene-Ganztagsgruppen gegründet worden sind.
  • Allein im neuen Schuljahr fehlen im Offenen Ganztag in Münster 60 Fachkräfte in Teilzeit.

Der Bericht nennt auch Gründe dafür, dass Personal schwer zu bekommen ist. Dabei bezieht er sich auf eine Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die vor allem zwei Ursachen ausmacht: „unzureichende Entlohnung sowie fehlende persönliche Wertschätzung“.

Ist das Problem neu?

Nein. Die Stadt hat schon vor sechs Jahren in einem Bericht festgestellt, dass man in den Kitas auf Dauer knapp 500 Fachkräfte brauchen wird – und das nicht, um die Qualität zu verbessern, sondern lediglich, um das Niveau zu halten.

Die Feststellung damals: Wir müssen mehr ausbilden. Aber wenn wir mehr ausbilden möchten, brauchen die Schulen mehr Platz.

Das war nicht die einzige Idee. Vor einem Jahr schlug die CDU eine Konferenz von Fachleuten vor, die sich Lösungen überlegen. SPD, Grüne und Volt haben im städtischen Haushalt 100.000 Euro zur Verfügung gestellt, um Fachkräfte aus der EU anzuwerben.

Die ernüchterte Feststellung im aktuellen Bericht der Stadtverwaltung: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in Münster bisher ein Patchwork an verschiedenen Ansätzen gegeben hat, die ohne zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen umgesetzt wurden.“ Die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen sei zum Beispiel nur dann sinnvoll, wenn es genügend Bewerbungen gibt.

Und was bedeutet das alles?

Die Stadt hat sich eine neue Strategie überlegt. Von einer Konferenz von Fachleuten hält die Stadtverwaltung nichts (zu großer Aufwand, zu geringer Erkenntnisgewinn). Aber sie schlägt Folgendes vor:

1. Eine überregionale Imagekampagne, die jungen Menschen Bock macht (warum nicht mal antike Jugendsprache), in Münster in einer Kita zu arbeiten.

Kosten: mindestens 100.000 Euro.

2. Anreize, die Menschen dazu bewegen, einen Job in Münster anzunehmen. Ingolstadt zum Beispiel zahlt Beschäftigten in Kitas eine Willkommensprämie von 4.000 Euro.

Für Münster schlägt die Stadtverwaltung zwei Varianten vor: eine Geldprämie in Höhe von 1.000 Euro oder eine Sachprämie – zum Beispiel ein Jahresabo für ein Fahrrad (Swapfiets), eine Jahres-Busfahrkarte oder ein Jahresabo für eine Gemüsekiste („Tja, und nach Münster gekommen bin ich dann damals wegen dieser Gemüsekiste“).

Kosten: In den Kitas geht es um knapp 630 Stellen bis 2030, also etwa 1.250 Stellen in Teilzeit. Das bedeutet: Die Prämie würde allein für die Kitas knapp 1,3 Millionen Euro kosten (allerdings auf mehrere Jahre verteilt). Im Offenen Ganztag geht die Stadt von Kosten in Höhe von etwa 160.000 Euro aus.

3. Die Möglichkeit, mehr junge Menschen ausbilden zu können. In Münster bilden zwei Schulen junge Menschen in Erziehungsberufen aus, die Hildegardisschule und das Anne-Frank-Berufskolleg. An der Situation aus dem Bericht vor sieben Jahren hat sich wenig geändert. Im aktuellen Bericht heißt es, es gebe weiter keine Möglichkeit, mit den bestehenden Kapazitäten mehr Menschen auszubilden („Es fehlen nach wie vor Räume und Lehrkräfte“).

Hinzu kommt: In Münster fehlen auch junge Menschen, die ausgebildet werden wollen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Ausbildung nicht mehr nur in Münster, sondern inzwischen auch im Umland angeboten wird. Und ohne Bewerbungen sind mehr Kapazitäten – so steht es tatsächlich in dem Bericht – „sinnlos“.

Kosten: Können laut Stadt nicht beziffert werden.

4. Fachkräfte aus dem Ausland anwerben. Das kann laut Stadt aber nur eine flankierende Strategie sein. Die Stadtverwaltung schlägt allerdings vor, die Suche nicht nur auf die Europäische Union zu beschränken. Eine andere Möglichkeit wäre, sich zum Beispiel nach Fachkräften aus der Ukraine umzusehen.

Kosten: Die Ratskoalition aus Grünen, SPD und Volt haben 100.000 Euro im Haushalt bereitgestellt. Mit dem Geld soll die Stadt ein Konzept erstellen.

5. Eine Koordinierungsstelle, die alle „Fäden in der Hand“ hält und die Bemühungen koordiniert. In anderen Worten: eine hauptamtlich beschäftigte Person, die sich um alles kümmert.

Kosten: Je nachdem, wie man diese Person bezahlt: 84.310 Euro (Entgeltgruppe S17) oder 81.080 Euro (Entgeltgruppe S15), beides brutto.

Und wo wir jetzt über Geld sprechen, noch eine weitere Anregung, die nicht in der Vorlage steht – vielleicht, weil sie völlig abwegig ist, aber man kann ja mal fragen: Wenn die OECD festgestellt hat, dass eine der beiden Hauptursachen für den Personalmangel in den Kitas die schlechte Bezahlung ist, was wäre denn dann die naheliegendste Idee, um den Beruf attraktiver zu machen? (rhe)

Gruppenbild mit Slata, Thomas, Viktoria, Natalia und Uta

Hochschulprojekt von Evelyn Fade, Mar García Vinader, Raquel Alonso Teuler und Antoine Bouthors am 16.08.2022

„Du glaubst nicht, dass so etwas wirklich passieren kann.“

Gruppenbild mit Slata, Thomas, Viktoria, Natalia und Uta

Am Morgen des 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Die Auswirkungen sind nun unmittelbar auch im Münsterland zu spüren. Nach mehreren Monaten Krieg beherrschen steigende Energiekosten und die Sanktionen gegen Russland die Nachrichten. Aber wie geht es den Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind – und wie den Münsteraner:innen, die sie aufgenommen haben oder sie beruflich unterstützen? Wie gestaltet sich ihr Zusammenleben und mit welchen Herausforderungen haben beide Seiten zu kämpfen? Vier Student:innen der Hochschule Stuttgart haben für RUMS zwei ukrainische Familien und ihre neuen Mitbewohner:innen und Kolleg:innen in Münster besucht.

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Corona-Update

+++ Die Corona-Zahlen sinken zwar wieder, allerdings lassen sich offenbar deutlich mehr Menschen krankschreiben. Das hat die Barmer-Ersatzkasse festgestellt, wie unter anderem die Tagesschau berichtet. Eine Erklärung könnte sein: Die Dunkelziffer der Corona-Infektionen ist sehr hoch, weil sich bei Symptomen so gut wie niemand mehr richtig testen lässt.

+++ Und wie sieht’s in Münster aus? Die Stadt meldet heute 270 Neuinfektionen und eine Inzidenz von 432 (Infektionen pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche). Zurzeit gelten 1.835 Menschen im Stadtgebiet als infiziert. Und obwohl die Pandemie ein bisschen in den Hintergrund gerückt ist, geht es hier nicht nur um milde Verläufe. Seit vergangenen Freitag sind laut Stadt vier Menschen mit oder an einer Corona-Infektion gestorben. (rhe)

Ein-Satz-Zentrale

+++ Die Stadt sperrt am Wochenende für das Stadtfest die Straßen um den Prinzipalmarkt und den Domplatz. (Stadt Münster)

+++ Der Frauennotruf startet eine Kampagne, die deutlich machen soll, dass Frauen niemals die Schuld trifft, wenn ihr K.o.-Tropfen verabreicht werden. (Westfälische Nachrichten)

+++ Lia Kirsch will die SPD-Fraktion im Rat führen, in der sie das jüngste Mitglied ist. (Westfälische Nachrichten)

+++ Im Prozess gegen den früheren Sparda-Chef Enrico Kahl haben am Freitag zwei frühere Aufsichtsräte ausgesagt, die Kahl als sehr großzügig beschreiben. (Westfälische Nachrichten)

+++ Das Landgericht hat am Montag zwei Männer verurteilt, die sich als falsche Polizisten ausgegeben und alte Menschen ausgenommen haben. (WDR)

+++ Material und Energie sind teurer, Personal ist knapper geworden, hat eine Umfrage bei knapp 800 Unternehmen ergeben. (HWK Münster)

+++ Das Land Nordrhein-Westfalen gibt grünes Licht für neue Ampeln in Münster, allerdings auch gelbes und rotes – also Geld für neue LED-Leuchten, die Strom sparen und länger halten. (Bezirksregierung Münster)

+++ Die Piusallee wird beidseitig wegen Straßenarbeiten am Bohlweg zur Sackgasse. (Stadt Münster)

+++ Das Konzept im Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner hat nach Einschätzung der Stadt funktioniert. (Antenne Münster)

+++ Nach fast 40 Jahren im Amt geht nun Stadtförster Hans-Ulrich Menke in den Ruhestand. (Stadt Münster)

+++ Familienministerin Josefine Paul (Grüne) und Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) haben die Pride Weeks in Münster eröffnet. (Stadt Münster)

+++ Vier Vereine aus Münster sind beim Deutschen Engagementpreis 2022 nominiert. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Caritas sieht in Nordrhein-Westfalen jeden sechsten Haushalt von Einkommensarmut bedroht. (Kirche + Leben)

+++ Die Westfälischen Nachrichten erklären, warum das Stadthaus 4 schon stehen könnte. (Westfälische Nachrichten)

+++ Ratsherr Lars Nowak löst Roland Scholle als Chef des Kreisvorstands der Partei Die Partei ab. (Die Partei, leider nicht online)

Unbezahlte Werbung

Im Café Tante August in der Augustastraße 20 fühlt sich ein Besuch fast an wie ein Abstecher zur eigenen Tante. Auf gemütlichen Sofas zwischen antikem Mobiliar kommt eine wahre Wohnzimmeratmosphäre auf. Hier gibt es am Wochenende ein kleines, aber feines Frühstücksmenü zu fairen Preisen und unter der Woche neben der hauseigenen Kaffeemischung auch Suppe oder Paninis für die Mittagspause. Das Angebot ist kreativ – wie zum Beispiel das „Flipper“-Panini mit Thunfischcreme – und teilweise vegan. Gelegentlich finden hier auch Wohnzimmerkonzerte oder Flohmärkte statt. Es lohnt sich also, die Augen nach Veranstaltungen offen zu halten. Allzu viel Zeit sollten Sie sich mit dem Besuch aber nicht lassen. Im nächsten Jahr schließt das Café oder zieht um. Das steht bislang noch nicht fest.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Was in den nächsten Tagen in Münster los ist, hat Viktoria Pehlke für Sie in Erfahrung gebracht. Hier sind ihre Tipps.

+++ An diesem und am nächsten Samstag öffnet der Zoo nachts. Dazu gibt es ein Programm. Karten gibt es im Ticketshop.

+++ Am Kanonengraben 4 findet am Samstag von 10 bis 15 Uhr ein privater Hofflohmarkt statt. Und was gibt es da? Krimskrams und Klamotten für Erwachsene und Kinder.

+++ Das Hansaforum bietet jeden Dienstag von 17 bis 18 Uhr kostenlosen Deutschunterricht an. Es sind alle Altersklassen und alle Sprachniveaus in der Gruppe willkommen. Das Klassenzimmer ist die Hansabude in der Dortmunderstraße 25. Anmelden können Sie sich per E-Mail.

+++ Während der Tage der Nachhaltigkeit findet am Samstag am Hafenplatz der Markt der Möglichkeiten statt. Von 12 bis 18 Uhr stellen sich verschiedene Vereine und Initiativen vor. Ein Bühnenprogramm gibt es ebenfalls. Und wir von RUMS sind auch mit einem Stand dabei.

+++ Die deutsch-libanesische Jazzsängerin Marie Séférian hat den Film „The Song of the Valley“ produziert, der am Samstag um 18:30 Uhr im Cinema gezeigt wird. Er handelt von Libanes:innen und geflüchteten Sryrer:innen, die ihre Erfahrungen und Erlebnisse im Libanon teilen – in gesungener und gesprochener Form.

+++ Der Autor Max Lobe stellt am Donnerstag in der Studiobühne am Domplatz seinen Roman „Vertraulichkeiten“ vor. In dem Buch geht es um die koloniale Vergangenheit von Lobes Heimat Kamerun und um die Unabhängigkeitsbewegung in den 1950er- und 1960er-Jahren. Die Lesung beginnt um 19.30 Uhr.

+++ In ihrem Podcast „Feuer & Brot“ sprechen die Freundinnen Alice Hasters und Maxi Häcke einmal im Monat über Popkultur, Politik und persönliche Themen. Am 6. September kommen sie fürs 1Live-Podcast-Festival in die Pension Schmidt. Tickets gibt es online im Ticketshop.

+++ Das Luftruinen-Festival am Freitag soll ein Zeichen für kulturelle Vielfalt setzen – und gegen Rassismus. Was es zu sehen gibt: unter anderem Musik. Wo? Am Gebäude der B-Side am Hawerkamp. Wann? Von 17 bis 22 Uhr. Sonst noch was? Ja, der Eintritt ist frei.

+++ Für 25 Euro bekommt man am Freitagabend im Café Teilchen und Beschleuniger an der Wolbecker Straße ein leeres Weinglas. Das klingt noch nicht so gut, aber mit dem Glas kann man danach in acht Läden acht Weine testen („Wein & Gehen”). Dabei lernt man auch einige der Menschen kennen, die diese Weine herstellen. Los geht’s um 17 Uhr. Tickets für den Abend gibt es im Teilchen & Beschleuniger und im Ex-Café am Hansaring.

Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Kommen Sie gut durch die Woche.

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Antonia Strotmann, Viktoria Pehlke, Jan Große Nobis

Lektorat: Melanie Kelter

PS

Die Feuerwehr kämpft weiter gegen einen Waldbrand bei Münster, melden gleich mehrere Nachrichten-Portale, unter anderem Echo-Online. Seit Samstag sind 2.400 Feuerwehrleute aus drei Bundesländern im Einsatz. Und jetzt wundern Sie sich wahrscheinlich, dass Sie davon noch nichts gehört haben. Schauen wir auf die Karte. Das Feuer muss sich irgendwo in der Nähe der Alten Kaserne verbreitet haben. Da, wo die Pizzeria Milano ist – wenn man vom Apart-Hotel am Wald aus immer die Straße runterfährt. Können Sie noch folgen? Vielleicht hilft Ihnen der Stadtteil weiter. Breitefeld. Immer noch nicht? Wir googeln kurz: „Breitefeld ist ein Ortsteil der Gemeinde Münster im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg.“

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