G7-Treffen: Was diese Woche passiert | Gasometer: Stadtwerke wollen morgen den Schlüssel | Reportage: Der Send im Energiesparmodus

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

morgen kommen die G7-Außenministerinnen und Außenminister nach Münster; erst mal kommen zwei: Annalena Baerbock und ihr amerikanischer Kollege Antony Blinken. Der Rest trudelt am Donnerstag ein. Und dann geht es los. Aber was eigentlich?

Na klar, Gespräche. Die Agenturen haben schon am Freitag gemeldet: Auf der Tagesordnung stehen „unter anderem der russische Krieg sowie die Themen China, Iran, Zentralasien und Afrika“. Eine Frage liegt da natürlich nahe: Was machen sie in der übrigen Zeit?

Annalena Baerbock hat das im Interview mit den Westfälischen Nachrichten beantwortet: „Ob wir uns dann um den Kamin setzen oder uns gemeinsam die Stadt ansehen, wird am Ende vor allem vom Münsteraner Novemberwetter abhängen.“

In dem Gespräch, das eine ganze Zeitungsseite füllt, geht es auch noch um andere Fragen. Hier ein schneller Überblick, in Klammern die minimal gekürzten Antworten.

Was kann das G7-Treffen bewirken? (man kann deutlich machen, wo und wofür man steht). Braucht die Menschheit einen Westfälischen Frieden für das 21. Jahrhundert? (nein, es gibt ja Regeln – die müssen einfach eingehalten werden). Nehmen in Münster auch Gäste teil? (ja, aus Afrika). Schaden die Sanktionen gegen Russland nicht vor allem uns selbst? (nein, sie schaden Russland). Bringen nicht vor allem Zweier-Gespräche etwas? (ja, machen wir ja). Warum der Friedenssaal? (wegen der Atmosphäre). Ist überhaupt Zeit, um über etwas anderes als die Ukraine zu sprechen? (ja, muss ja). Bremst das nicht die ganze Runde aus, wenn aus neuen Regierungen ständig neue Leute dazukommen? (wär natürlich besser, wenn keine Faschisten aus Italien anreisen würden, aber das ist halt Demokratie). Was, wenn die Republikaner in den USA die Zwischenwahlen gewinnen? (das wär schon doof, aber da müssten wir durch).

Wie das aber immer so ist in der Politik: Wichtig sind vor allem Gesten, Symbole und Zwischentöne. Unser Kolumnist Ruprecht Polenz, den wir unter der Woche den Westfälischen Nachrichten geliehen haben, schreibt dort, wenn man sich Bilder von G7-Treffen ansehe, falle auf, dass die Außenministerinnen und Außenminister nicht formell und dunkel gekleidet seien, sondern eher leger. Auch das vermittle eine Botschaft: „Wir fassen hier keine Beschlüsse, aber wir tauschen uns vertrauensvoll über alle wichtigen Themen aus.“

Um das Ganze etwas einzuordnen. Im WN-Interview sagt Annalena Baerbock: „Während es früher im Jahr meist nur ein oder zwei Treffen der Außenminister gab, wird Münster in diesem Jahr schon Treffen Nummer zehn sein.“

Oder wie Oberbürgermeister und Tiefstaplerfahrer Markus Lewe es in einer Pressemitteilung formuliert, es handle sich um eines der „größten diplomatischen Ereignisse in Münster seit 1648, als hier die Friedensverträge für den Dreißigjährigen Krieg unterzeichnet wurden“.

Bleibt die Frage, was die Delegationen in Münster denn überhaupt erwartet.

„In der Prinzipalsuite und in den zehn Juniorsuiten des Atlantic werden die Gäste unter anderem frische Blumen vorfinden“, hat Hoteldirektor Sascha von Zabern den Westfälischen Nachrichten verraten, allerdings mit dem Hinweis, das sei eh Standard. Nicht, dass die Staatsgäste am Ende noch denken, sie wären etwas Besonderes.

Wir werden das alles verfolgen in dieser Woche. Am Freitag schicken wir einen RUMS-Brief, in dem alles steht, was Sie über das Treffen wissen müssen.

Und da hätten wir eine Bitte: Schicken Sie uns Ihre Eindrücke und Erlebnisse vom G7-Treffen, gern auch Fotos oder Whatsapp-Sprachnachrichten (0178 35 210 97). Per Mail geht natürlich auch: redaktion@rums.ms. Unseren anonymen Briefkasten für Hinweise rund um das G7-Hotel und die frischen Blumen im Atlantic-Hotel finden Sie hier.

Kurz und Klein

+++ Die Uni Münster hat beschlossen, am 3. und 4. November praktisch alles dicht zu machen. Eine Liste mit allen Standorten haben die Westfälischen Nachrichten zusammengestellt. Das gesamte Uni-Personal muss laut einer E-Mail, die RUMS vorliegt, „ihren Arbeitsplatz an beiden Tagen ins Homeoffice verlegen“. (sfo)

+++ Was hat sonst noch zu? Auch das Stadthaus 1 ist am Donnerstag und Freitag geschlossen, wie die Stadt mitteilt. Wenn Sie Ihre Post fristgerecht loswerden wollen, werfen Sie Ihre Briefe beim Stadthaus 2 ein. Und auch bei anderen Angelegenheiten „wie Ausweisverlängerung, Ummeldung, Einbürgerung, Ehe- oder Geburtsanmeldung“ muss es jetzt schnell gehen. Morgen ist die letzte Chance. Oder Sie warten eine Woche. (sfo)

+++ Falls Sie am Donnerstag an einer Kundgebung teilnehmen möchten, müssen Sie sich entscheiden.

– Die Klimademo Global Climate Justice – Diese Welt gehört nicht nur den G7! beginnt um 16 Uhr am Schlossplatz. Zu Gast: Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme und Gründungsmitglied der „Scientists for Future“.

– Die Kundgebung der Initiative sozial-ökologischer Wandel an der Stubengasse beginnt um 11:55 Uhr. Thema hier: feministische Außenpolitik.

– Die Friedenskundgebung Verhandeln statt schießen! Frieden schließen! beginnt am Donnerstag um 14 Uhr am Prinzipalmarkt. Hauptredner: der Theologe Eugen Drewermann und Willi van Ooyen, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag aus Frankfurt.

– Die Demo „Solidarität mit der Frauenrevolution im Iran“ startet um 17:30 Uhr vor dem Asta-Häuschen am Schlossplatz.

– An der Nordwest-Ecke des Domplatzes demonstrieren die Gesellschaft für bedrohte Völker und die Ukrainische Gemeinschaft Münster. Thema: „G7 – Menschenrechte vor Interessen! Solidarität mit der Ukraine“. Dauer: drei Stunden. Los geht es um 15 Uhr. (jgn)

+++ Ab morgen Mittag um 12 Uhr umfährt man am besten das Atlantic-Hotel, wenn man nicht unbedingt dorthin möchte, weil man zum Beispiel am Donnerstag und Freitag an einer Konferenz im Friedenssaal teilnimmt. Ab morgen um 20 Uhr umfährt man am besten auch den Bahnhof. Dann stehen überall Gitter, schreibt die Polizei. Drei Tage kann man sich jetzt ein bisschen fühlen, als wäre man in Berlin. Die Frage ist natürlich: Will man das? (rhe)

+++ Nächste Runde im Tauziehen um den Gasometer. Morgen um 14 Uhr ist Schlüsselübergabe. Das haben die Stadtwerke dem Verein Sozialpalast am Freitag in einer E-Mail noch einmal mitgeteilt. Eigentlich sollten die Stadtwerke Gespräche mit dem Verein darüber führen, ob und unter welchen Umständen er bleiben kann. Darum hatte der Rat das Unternehmen per Beschluss gebeten. Die Stadtwerke wollen das jetzt beim Übergabetermin in einem Abwasch erledigen. Das Ob stehe ohnehin nicht zur Frage, sagte Stadtwerke-Sprecher Florian Adler am Montag. Der Rat habe schließlich auch den Auftrag erteilt, ein Konzeptvergabe-Verfahren zu starten, mit dessen Hilfe man ein Unternehmen finden will, das aus dem Gasspeicher einen Büroturm macht. Das gehe aber nicht, wenn ein Bewerber einen Vorteil habe, sagt Adler. Die Stadtwerke kommen damit zwar dem Wunsch nach, den der Rat formuliert hatte. Doch eigentlich weiß man dort schon: Hinter dem als Bitte formulierten Auftrag steht die Erwartung, dass der Verein erst einmal bleiben kann, in welcher Form auch immer. Wie geht es jetzt weiter? Entweder mit einem Machtkampf, der für mindestens eine Seite nicht gut endet. Oder man findet doch noch eine Lösung, die für keine Seite so richtig blöd aussieht. Ach ja, genau. Das nennt man einen Kompromiss. (rhe)

+++ Gasometer, die Zweite: Der Verein Sozialpalast, der gerne bleiben würde, hat den Eindruck, dass es bei dem ganzen Hin und Her gar nicht mehr um das Gasometer-Gelände geht, sondern um die Frage, nach welchen Vorstellungen die Stadt gestaltet wird. Das stimmt, und die Antwort darauf lässt sich geben: Nach welchen Vorstellungen die Stadt gestaltet wird, entscheidet der Rat – es sei denn, er hat Aufgaben delegiert, zum Beispiel an eine Tochtergesellschaft. Dann entscheidet die Tochtergesellschaft. Es sei denn, die Politik funkt dazwischen, zum Beispiel über die Aufsichtsgremien. Dann entscheidet doch wieder die Politik. Es kann allerdings sein, dass im nächsten Schritt die Unternehmensleitung entscheidet – nämlich zu gehen. Und irgendwann entscheiden dann die Menschen in der Stadt, wie sie das alles so finden. Das wäre im Jahr 2025 bei der nächsten Kommunalwahl. (rhe)

+++ Heute ist Allerheiligen, aber was feiern wir da eigentlich? Die Antwort liefert die Bildzeitung: „An Allerheiligen, am 1. November, gedenken die Katholiken all ihrer Heiligen.“ Hätten wir das geklärt. Außerhalb der katholischen Welt feiert man steigende Umsätze, zum Beispiel in Osnabrück. Das Stadtmarketing veranstaltete dort heute den Westfalentag „zum Shoppen, Schlemmen und Kultur genießen“. Eine kleine Kirmes an der Halle Gartlage gab’s auch. Umgekehrt funktioniert das übrigens auch: Weil seit 2018 der Reformationstag am 31. Oktober gesetzlicher Feiertag in Niedersachsen ist, kamen gestern viele Menschen aus dem evangelischen Niedersachsen zum Einkaufen nach Münster. Das hat die Kaufleute laut WDR natürlich sehr gefreut. Allein schon, weil wegen G7 Freitag und Donnerstag nicht so viel los sein wird. (sfo)

+++ Wir bleiben beim Thema, aber mit einer weniger schönen Nachricht aus dem Einzelhandel: Zum zweiten Mal muss der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof vors Insolvenzgericht. Um den Konzern dauerhaft zu sanieren, wird ein Schutzschirmverfahren eingeleitet. Was das bedeutet, kündigte Galeria-Chef Miguel Müllenbach im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an: Ein Drittel der 131 Filialen in Deutschland sollen geschlossen werden. Auslöser für die Zahlungsunfähigkeit seien die Inflation, die gestiegenen Energiepreise, die schwindende Kundschaft in den Innenstädten sowie die miese Konsumstimmung in Deutschland. Bei der letzten Insolvenz 2020 wurden bereits 40 Kaufhäuser dichtgemacht. Damals brachte die Coronapandemie Galeria ins Straucheln. Wie sich all das auf den Standort Münster auswirkt, ist noch nicht sicher. Nach der ersten Pleite wurden rund einhundert Mitarbeitende entlassen, berichten die Westfälischen Nachrichten. In den beiden Warenhäusern sind heute noch 200 Menschen beschäftigt. Nach der Zusammenlegung von Galeria Kaufhof und Karstadt vor drei Jahren konnten beide Standorte in Münster erhalten werden, die in der City nur wenige Schritte voneinander entfernt sind. Die Gewerkschaft Verdi kündigte an, um jeden Arbeitsplatz kämpfen zu wollen. (sfo)

Wie es weiterging – mit den Geldsorgen in Münster

Rekorde sind normalerweise etwas, worüber man sich freut. Nicht aber, wenn es um steigende Preise geht: Im Oktober 2022 ist im Vergleich zum Vorjahresmonat alles um 10,4 Prozent teurer geworden. So lautet die vorläufige Berechnung des Statistischen Bundesamtes. Vor allem Energie (43 Prozent) und Lebensmittel (20,3 Prozent) schlagen ordentlich zu Buche.

Was bedeutet das für die Menschen in Münster? Dazu ein Anruf bei Simone Weinke. Mit der Schuldnerberaterin der Verbraucherzentrale haben wir im Mai schon einmal über die Geldsorgen der Menschen in Münster gesprochen. Sie sagt, die Wartezeiten hätten sich seitdem nicht verändert. Menschen, die auf eine Entschuldung angewiesen sind, müssten drei bis vier Wochen auf einen Beratungstermin warten. Das sei normal, aber es habe zeitweise einen Aufnahmestopp für neue Fälle gegeben. „Das kann sich von Woche zu Woche ändern“, sagt Weinke.

Es meldeten sich auch immer mehr Menschen bei der Verbraucherzentrale, die keine Schulden haben, sondern einfach nur Angst vor den Energiepreisen. Auf diese Menschen will die Verbraucherzentrale zugehen. Gerade jetzt, wo die ersten Energiefirmen ihre Jahresrechnungen mit hohen Nachzahlungen verschickt hätten. Von den Stadtwerken habe die Verbraucherzentrale dazu Daten bekommen, sagt Weinke. Daneben spreche sie mit Sozialhilfeträgern und frage bei Leuten nach, die schon einmal in der Schuldnerberatung vorstellig geworden sind, ob sie mit den Nachzahlungen klarkommen.

Um die Jahresrechnung zu begleichen, könnten auch Arbeitnehmer:innen, die keine Sozialhilfe bekommen, Hilfe von Sozialamt und Jobcenter in Anspruch nehmen. Das sei aber viel zu wenig bekannt, kritisiert Simone Weinke. Und das, obwohl in der kommenden Zeit mehr Menschen von solchen Hilfen profitieren dürften. (sfo)

Der Send im Energiesparmodus

Noch nie waren im Herbst so viele Menschen auf dem Send wie in diesem Jahr. Gefühlt 300.000 Gäste meldeten die Westfälischen Nachrichten am Montag. Und das trotz Inflation und Energiekrise. Aber ist das richtig, wenn Menschen einerseits mit Winterjacken in ihren Büros sitzen, um Energie zu sparen, und sich auf dem Schlossplatz stundenlang das Riesenrad dreht? Anna Scheld von der Reportageschule Reutlingen hat für uns mit den Menschen gesprochen, die auf dem Send ihr Geld verdienen – und mit denen, die es auf dem Send ausgeben. Die Kirmesleute selbst haben sogar eine Erklärung dafür, dass Jahrmärkte im Prinzip Energie sparen. Aber ist sie überzeugend? Anna Scheld erklärt es. Hier geht es zu ihrem Beitrag.

Wo der Zoo transparenter sein muss

Im RUMS-Brief vor einer Woche ging es um einen Gastarif der Stadtwerke Münster, der klimaneutrales Gas verspricht. Weil bei dem Verbrennen von Gas immer auch klimaschädliches CO2 entsteht, kann das Gas nur klimaneutral werden, indem man Emissionen an anderer Stelle einspart. Die Stadtwerke arbeiten dabei mit dem Allwetterzoo zusammen, der Artenschutzprojekte unterstützt. Aber ist das auch Klimaschutz? Das war die Frage, mit der sich Nils Dietrich für uns beschäftigt hat. Nachdem der Artikel erschienen war, meldete sich Philipp Wagner bei uns. Der promovierte Biologe ist Kurator für Forschung und Artenschutz im Allwetterzoo, und er sagt, er würde gern ein paar Punkte erklären.

Herr Wagner, die offene Frage war: Macht der Zoo Klimaschutz? Wie ist denn nun die Antwort?

Die Antwort ist ein deutliches Ja.

Wie kommt es denn, dass in den Prospekten nichts davon steht?

Das liegt möglicherweise an mir selbst. Ich schreibe diese Texte, und mein Anliegen ist vor allem der Artenschutz, denn wie ich auf Ihre Anfrage geantwortet habe: Artenschutz ist Klimaschutz. Dazu gibt es eine Studie, die belegt, dass 14 der 21 Artenschutzziele, die die Vereinten Nationen dieses Jahr beschließen wollen, gleichzeitig den Klimawandel stark verlangsamen. Das Problem dabei ist, dass wir immer über Klimaschutz reden, ja sogar Gemälde mit Tomatensuppe übergießen, um Aufmerksamkeit für den Klimaschutz zu bekommen, der Artenschutz aber immer noch nur als Nischenproblem zweiter Ordnung angesehen wird.

Können Sie uns den Zusammenhang erklären?

Nur über den Artenschutz können wir die Ökosysteme aufrechterhalten, die wir brauchen, um wirksamen Klimaschutz zu erreichen. Der Journalist Dirk Steffens hat das in meinen Augen hervorragend formuliert: „Der Klimawandel stellt infrage, wie wir leben. Das Artensterben stellt in Frage, ob wir leben.“ Auch hierzu gibt es Studien.

Worum geht es in diesen Studien?

Zum Beispiel können sich Pflanzen in den Systemen, in denen wir Großsäuger wie den Wisent ausgerottet haben, nicht mehr schnell genug ausbreiten, um mit dem sich wandelnden Klima Schritt zu halten. Daher ist das Artensterben die große gesellschaftliche Herausforderung – denn es wird auch durch uns verursacht. Wir sind mitten im sechsten großen Artensterben der Erdgeschichte. Schon jetzt sind 60 Prozent der Schildkröten bedroht, 40 Prozent der Amphibien und wir haben im großen Maße Süßwassersysteme überprägt und damit als Ökosystem verloren.

Und was macht der Zoo, um das aufzuhalten?

Wir haben zum Beispiel unser Artenschutzzentrum in Kambodscha, das Zentrum für Naturschutz und Biodiversität in der Region Angkor, kurz: ACCB. Über 90 Prozent der Arten, die wir dort halten und züchten, sind bedroht – viele von ihnen stehen kurz vor der Ausrottung. Allein für drei Schildkrötenarten planen wir Auswilderungen.

Früher stand hinter dem Gas, das die Stadtwerke als klimaneutral verkaufen, aber tatsächlich ein Kompensationsprojekt.

Genau, das war das Cat-Ba-Projekt in Vietnam. Da haben wir nachhaltig aufgeforstet, um zu kompensieren. Der Allwetterzoo ist hier immer noch Projektpartner, aber die Trägerschaft hat inzwischen der Leipziger Zoo als vertrauter Partner übernommen. Bevor das passierte, haben wir Gespräche mit den Stadtwerken geführt, ob und wenn ja, wie wir die Förderung weiterhin aufrechterhalten. Das passierte dann über unser Artenschutzzentrum, also das ACCB.

Warum machen Sie dort keinen zertifizierbaren Klimaschutz?

Das hat verschiedene Gründe. Ein entscheidender ist: Wir dürfen dort kein Land kaufen. Damit würden wir jede Aufforstung in die Verantwortung eines politisch nicht kalkulierbaren Systems geben.

Und was sind die anderen Gründe?

Kompensation ist weder unser Kerngeschäft noch unsere Stärke. Es würde also für uns einen hohen Aufwand bedeuten, der primär erst einmal kein Artenschutz ist – und der ist ja unsere eigentliche Stärke. Daher haben wir uns entschieden, die Kompensation einzukaufen. Das bedeutet, dass die Stadtwerke bereits zertifiziertes, also CO2-neutrales Gas bei Partnern einkaufen. Das ist ja so auch ausgewiesen. Und damit kann man die Frage, ob es sich um klimaneutrales Gas handelt, in meinen Augen schon mit Ja beantworten. Darüber hinaus unterstützen uns die Stadtwerke im Artenschutz, der ja wie ausgeführt, auch Klimaschutz ist, nur eben nicht im Rahmen eines Zertifikats sichtbar gemacht werden kann. Dadurch ist zwar unsere Förderung kleiner geworden, aber für den Kunden sind wir der zusätzliche Gewinn.

Wieso haben Sie das in den Antworten auf unsere Fragen nicht einfach erwähnt?

Die Anfrage betraf ausschließlich das ACCB-Projekt. Hätte ich den Hintergrund gekannt, wäre ich auch auf das Cat-Ba-Projekt eingegangen – und auf das, was dort gemacht wird.

Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe bezweifelt, dass es sich beim ACCB um ein Kompensationsprojekt handelt.

Damit hat er auch Recht. Das ist es nicht, und das wollen wir auch nicht sein. Er hat auch damit Recht, dass wir an dieser Stelle transparenter sein müssen. Wir müssen mehr darüber reden, wie wichtig der Artenschutz ist, gerade weil er im Rahmen des Klimaschutzes oft klein geredet wird. In diesem Fall hat das für uns auch eigentlich nur Vorteile.

Wie meinen Sie das?

Man kompensiert damit ja nicht nur das verbrauchte CO2, sondern man unterstützt dadurch Arten- und Klimaschutz gleichzeitig. Und unterm Strich ist das besser als nur eine klimaneutrale Kompensation, zumal auch Klimaschutz nicht nur auf CO2-Verbrauch reduziert werden sollte. Klimaschutz ist viel, viel mehr, zum Beispiel der Schutz alter Wälder in Kambodscha.

Herr Resch und auch die Verbraucherzentrale raten trotzdem von diesem Gas ab.

Ich möchte beiden da deutlich widersprechen. Ich rate dazu, klimaneutrales Gas zu verwenden und gleichzeitig alles zu versuchen, den Verbrauch zu reduzieren. Wenn man das eine macht, muss man das andere nicht sein lassen.

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Corona-Update

+++ Ist die Coronapandemie vorbei oder nicht? Glaubt man Thomas Mertens, dem Präsident der Ständigen Impfkommission, ist Sars-CoV-2 mittlerweile ein Virus wie jedes andere auch. Laut Mertens habe Corona den Status einer Endemie erreicht: Die Krankheit trete demnach konstant und dauerhaft in Deutschland auf und gehöre zu den ganz normalen Virusinfektionen wie der Grippe. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministerium entgegnete der Tagesschau, dass nur die Weltgesundheitsorganisation den endemischen Status festlegen könne. Und das habe sie bisher nicht getan. Mertens hält es jedenfalls nicht für sinnvoll, die gesamte Bevölkerung permanent zu impfen. In diesem Winter sollten sich nur über 60-Jährige und Vorerkrankte noch einmal gegen Covid-19 impfen lassen. Auch sollten die Menschen wieder Masken in Innenräumen tragen, um Infektionen mit dem Coronavirus zu verhindern. (sfo)

+++ Corona im Winter, gutes Stichwort. Wie geht es weiter, wenn es wieder kälter wird? Die deutsche Presseagentur hat dazu ein Szenario entworfen (hier: Zeit online). Die schlechte Nachricht zuerst: Zwar ebbt das Infektionsgeschehen gerade ab, in den kommenden Wochen dürften sich aber wieder mehr Menschen mit Covid-19 anstecken. Die Herbst- und Winterwellen sind also noch nicht gebrochen. Jetzt die gute Nachricht: Wir werden Heiligabend wieder mit der Familie und Silvester mit Wildfremden auf irgendeiner Party feiern können. Denn dank Impfung und Infektion ist die Immunität in Deutschland relativ hoch. Und die Wahrscheinlichkeit, dass eine neue gefährliche Variante auftaucht, ist zwar da, aber laut Fachleuten nicht sehr groß. Was die kalte Jahreshälfte in Münster aussehen könnte, lesen Sie hier. (sfo)

+++ Zum Schluss wie immer der Blick auf die Infektionslage: Das Robert-Koch-Institut meldet heute für Münster eine Inzidenz von 503 positiven PCR-Tests in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner:innen. Neun Infizierte liegen auf der Intensivstation, zwei von ihnen müssen invasiv beatmet werden. Seit Beginn der Pandemie sind 237 Münsteraner:innen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. (sfo)

Nach der Flucht

Ende März hatte Johanne Burkhardt für RUMS mit dem Münsteraner Andre Groten gesprochen. Er hat zusammen mit seiner Frau in Ky­jiw gelebt und musste zu Beginn des Kriegs flüchten. Hier erzählen wir, wie es für die beiden nach ihrer Flucht weiterging.

Am Montag hatte Mariia Groten Deutschunterricht, bei der gleichen Lehrerin, die ihren Mann Andre unterrichtet, in Russisch. Die Frau lebt in Odessa, der Unterricht findet per Videokonferenz statt, zwischendurch heulen die Sirenen. Das ist fast normal geworden, so wie es auf der anderen Seite, in Münster, normal geworden ist, dass Mariia zur Fahrschule geht, Fragen auf Deutsch beantwortet, einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht hat, ebenfalls auf Deutsch. Von außen sieht es aus wie ein weitgehend „superbürgerliches Leben“, wie Andre sagt. Er und Mariia arbeiten, der neue Job nimmt Andre in Anspruch, er muss sich viel Neues aneignen. Zwischendurch erholt er sich mit seiner Frau, sie planen kleine Reisen. Kürzlich wollten sie ein Wochenende in Kopenhagen verbringen. Sie hatten schon alles gebucht, aber dann haben sie es abgesagt. „Es fühlte sich nicht richtig an“, sagt Andre. Den Plan, in die Ukraine zu fahren, haben sie weiterhin. Im Februar, wenn Mariias Vater 60 wird. In Kirowohrad, wo die Eltern leben, gab es schon Drohnenangriffe. In Kyjiw sowieso. Dort lebt die Schwester. Andre und Mariia haben ihr immer wieder angeboten, nach Deutschland kommen, aber sie will bleiben. „Sie sagt: Ich gehe erst, wenn der Krieg vor der Tür steht“, sagt Andre. Er sagt ihr: „Dann kommst du da auch nicht mehr weg.“ (rhe)

Und noch ein Tipp: Das ZDF-Wissenschaftsmagazin „Terra X“ hat im Oktober den sechsteiligen Podcast „Der Riss“ veröffentlicht. Johanne Burkhardt hat daran mitgearbeitet.

Ein-Satz-Zentrale

+++ Seit Beginn des Ukrainekriegs gehen mehr Menschen zu den Tafeln in Nordrhein-Westfalen, gleichzeitig werden weniger Geld und Lebensmittel gespendet. (Evangelischer Pressedienst, hier: Kirche und Leben)

+++ Sechs Kastanien müssen am Bremer Platz gefällt werden, weil sie wegen der extremen Trockenheit nicht überlebensfähig sind. (Stadt Münster)

+++ Der Tarifvertrag Entlastung, für den die Beschäftigten der sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen gestreikt haben, ist so gut wie fertig und soll ab 2023 gelten. (Stern)

+++ Keine Großstadt ist in Nordrhein-Westfalen seit 2000 so stark gewachsen wie Münster. (IT NRW)

+++ Das Theater-Parkhaus soll weiterhin erreichbar bleiben, wenn die Bergstraße zehn Monate gesperrt ist. (Westfälische Nachrichten)

+++ Der Essener Hauptbahnhof musste am Wochenende gesperrt werden, weil sich Fußballfans von Preußen Münster und Rot-Weiß Ahlen dort gekloppt haben. (Bundespolizei NRW)

Unbezahlte Werbung

Wer auf dem Wochenmarkt in Münster einkaufen geht, muss eine große Tasche mitnehmen, um die Einkäufe wieder mit nach Hause zu nehmen. Vielen ist diese Schlepperei zu anstrengend. Dafür hat sich der Marktverein eine Lösung überlegt und einen Taschenwagen organisiert. Eine Zeit lang mussten die Marktbesucher:innen darauf verzichten, aber jetzt übernimmt der Lieferdienst Pakethero diesen Service. Im Taschenwagen können Sie Ihre Einkäufe für eine kleine Gebühr in Höhe von 4,99 Euro abgeben, zwischenlagern und nach Hause schicken lassen. Das ist praktisch, wenn man nach dem Wocheneinkauf noch durch die Stadt bummeln oder einen Kaffee trinken möchte. Und es macht das Einkaufen mit dem Fahrrad um einiges leichter. (vpe)

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Für die kommenden Tage hat Viktoria Pehlke wieder einmal ein paar Tipps für Sie herausgesucht:

+++ Das Queerstreifen-Festival will schwule, lesbische und queere Geschichten auf die Leinwand bringen: Das Cinema zeigt von Donnerstag bis Sonntag achtzehn Filme aus aller Welt. Darunter die Doku Münster 1972 über die deutschweit erste Homosexuellendemo und eine Biografie über den Schlagersänger Rex Gildo. Der Eröffnungsfilm Into My Name handelt von vier trans Männern aus Italien und ist Malte C. gewidmet, der beim diesjährigen CSD in Münster tödlich angegriffen wurde. Bis morgen läuft der Vorverkauf.

Korrekturhinweis: Wir hatten geschrieben, es im Jahr 1972 habe in Münster der erste Christopher-Street-Day stattgefunden. Richtig ist: Es war die bundesweit erste Homosexuellen-Demo: Wir haben das korrigiert.

+++ Auch das Center for Literature an der Burg Hülshoff beschäftigt sich im November mit queeren Themen. Am Sonntag geben Drag Queens von House of Blaenk eine Stadtführung zur queeren Geschichte Münsters. Treffpunkt ist um 14 Uhr das Annette von Droste-Hülshoff Denkmal an der Kreuzschanze. Eine Anmeldung ist per E-Mail erforderlich.

+++ Die studentische Initiative Talking Economics Münster organisiert regelmäßig Veranstaltungen, die sich kritisch mit Wirtschaft auseinandersetzen. Am Donnerstag geht es um eine Frage, die gerade viele umtreibt: Wen trifft die Inflation? Um das zu klären, ist der Volkswirt Daniel Stempel von der Uni Düsseldorf zu Gast. Die Diskussionsveranstaltung beginnt um 18:15 Uhr im Hörsaal SCH 110.2 am Institut für Politikwissenschaft.

Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Lassen Sie sich nicht von den schwarzen Limousinen ärgern. Und kommen Sie gut durch die Woche.

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Viktoria Pehlke (vpe)
Lektorat: Antonia Strotmann

PS

Und noch etwas in eigener Sache: Am übernächsten Montag, dem 14. November, darf ich beim Filmclub im Schloßtheater ein kleines Plädoyer für den südkoreanischen Film „Burning“ von Lee Chang-dong halten, den ich ganz fantastisch finde. Danach wird der Film gezeigt. Im Anschluss können Sie mir sagen, was Sie von meiner Empfehlung halten. Dann muss ich mich verteidigen, beziehungsweise den Film. Aber vertrauen Sie mir, das wird kein großes Problem sein. Karten bekommen Sie hier.

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