Bauernproteste: Woher kommt die Wut? | Das Paul-Gerhardt-Haus ist besetzt | Unbezahlte Werbung: Bildungsfernsehen für Kinder

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

wenn Menschen wütend werden, dann hat das oft damit zu tun, dass sie das Gefühl haben, einer Situation ausgeliefert zu sein. Man kennt das ja: Man sitzt vor einem Gerät, drückt immer wieder auf diesen Knopf, aber es will einfach nicht funktionieren. Irgendwann wird man wütend. 

Wenn nichts mehr geht, geht immer noch Wut. Bei den Protesten der Landwirtinnen und Landwirte in dieser Woche ist dieses Phänomen interessanterweise auf beiden Seiten zu beobachten.

Auf der einen Seite stehen Menschen im Stau, müssen zur Arbeit und ärgern sich über die Landwirte, die mit ihren dicken Treckern Straßen blockieren, um zu verhindern, dass ihnen Geld weggenommen wird. Eine Frau schrieb uns in einer E-Mail: „Beeindruckend, was da durch die engen Straßen der Städte fährt und so tut, als wären sie nichts anderes als die Ernährer der Nation.“ 

Auf den Treckern dagegen sitzen Menschen, die aus ganz anderen Gründen wütend sind. Der Schriftsteller und ausgebildete Landwirt Reinhard Kaiser-Mühlecker sagt in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, das heute erschienen ist: „(…) es geht bei den Protesten nicht in erster Linie ums Geld, es ist vielmehr ein psychologisches Thema.“

Wenn man sich dem Ganzen auf diese Weise nähert, wenn man versucht, die verschiedenen Perspektiven einzunehmen und sich fragt, warum dieses Thema Menschen aus unterschiedlichen Gründen so aufwühlt, dann kann etwas Interessantes entstehen: Verständnis für die jeweiligen Anliegen. 

Daher berichten wir heute nicht über den Protestzug durch die Innenstadt gestern. Wenn Sie sich dafür interessieren, finden Sie eine gute Reportage in der WDR-Lokalzeit Münsterland. Wir gehen heute der Wut auf den Grund. (rhe)

Kurz und Klein

+++ Gestern hat die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht auf der Bundespressekonferenz die Gründung ihrer eigenen Partei mitgeteilt. Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ möchte bei den Wähler:innen mit wirtschaftlich linken und gesellschaftlich konservativen Forderungen punkten: mehr Sozialstaat, weniger Migration, mäßiger Klimaschutz. Einen lokalen Ableger der Partei gibt es in Münster noch nicht. Für einige scheint das Wagenknecht-Bündnis aber ein interessantes Projekt zu sein. Zum Beispiel für Rüdiger Sagel: Er saß für die Linke im Stadtrat und Landtag, verließ die Partei aber 2019. Nun möchte er mit anderen parteilosen Linken eine neue Kraft in Münster etablieren. Ob es das Wagenknecht-Bündnis sein soll, ist offen. Für Ende 2023 hatte Sagel Amira Mohamed Ali, Ko-Vorsitzende der neuen Partei, nach Münster eingeladen (RUMS-Brief). Zu einem Treffen sei es vor der Gründung aber nicht mehr gekommen, schreibt er. Sagel stehe aber mit Vertreter:innen der Partei in Kontakt. Klar ist nur: Verschiedene Linke ohne Parteibuch wollen weiter über einen gemeinsamen Wahlantritt beraten. Erste Vernetzungen mit rund 40 Teilnehmenden habe es schon gegeben, teilt Rüdiger Sagel mit. Für diesen Monat sei eine weitere Veranstaltung geplant. (sfo)

+++ Bilanz I: Zum ersten Mal seit 2011 schreibt der Flughafen Münster-Osnabrück schwarze Zahlen: Im vergangenen Jahr stand unterm Strich ein Gewinn von 250.000 Euro. Auch die Zahl der Passagiere ist gestiegen: Rund 990.000 Menschen haben den FMO 2023 genutzt, was laut der Pressemitteilung dem Vor-Corona-Niveau entspricht. Ungefähr 150.000 Fluggäste kamen dabei aus den Niederlanden. Dem niederländischen Rundfunk sagte ein Flughafensprecher, der FMO würde gerne attraktiver für Reisende aus dem Nachbarland werden, vor allem in Sachen Anbindung. Dafür bräuchte es eine Zugstrecke bis zum Flughafen. Bloß: Voraussetzung für ein eigenes Gleis seien laut FMO-Sprecher 4 Millionen Passagiere pro Jahr – wird also erst mal nix. (sfo)

+++ Bilanz II: Preußen Münster muss im vergangenen Geschäftsjahr hingegen ein Minus von 1,4 Millionen Euro hinnehmen. Hui, und jetzt? Das Fanmagazin „100 Prozent mein SCP“ schreibt, das Ergebnis sei in dieser Höhe zwar überraschend, aber nicht bedrohlich für die Profiabteilung. Die stehe wirtschaftlich nach wie vor gut da. Wichtiges Projekt, um die Vereinsfinanzen aufzupolieren, sei ein neues Stadion, wie Preußen Münster hier mitteilt. (sfo)

+++ Seit Sonntag ist das Paul-Gerhardt-Haus besetzt. Das Jugendzentrum der evangelischen Erlösergemeinde soll abgerissen werden, um für ein Bildungszentrum der St. Franziskus-Stiftung zu weichen. Im Neubau sind auch Räume für die Jugendarbeit vorgesehen, allerdings auf 170 statt den bisherigen 600 Quadratmetern (RUMS-Brief). Das ist der Punkt, der die Aktivist:innen zur Besetzung motiviert hat, wie wir bei einem Besuch am Montag erfahren. Immer mehr Räume für junge, queere und alternative Menschen gingen in Münster verloren, heißt es da. Das Ziel der Besetzung: Irgendwie sollen solche Räume im selben Umfang erhalten bleiben. Die Übergangslösung fürs Paul-Gerhardt-Haus, die im Bennohaus einziehen soll, sei deshalb zu wenig. Die Stimmung unter den Besetzer:innen ist insgesamt sehr gut. Bis auf einen Vorfall mit der Polizei in der ersten Nacht sei nichts Besonderes passiert. Dabei sollen Beamt:innen mit Tasern und Pfefferspray gedroht haben. Auf Anfrage äußert sich die Polizei dazu nicht. Was wir aber erfahren: Es wurde Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet. Wie lange die Besetzung andauern wird, ist schwer zu sagen. In der Zwischenzeit wollen die Aktivist:innen das Jugendzentrum noch einmal wiederbeleben: mit Kreativworkshops, offenen Bühnen zum Musizieren und einem täglichen Mittagessen ab 14 Uhr für alle, die vorbeikommen. (sfo)

+++ Heute Vormittag ist eingetreten, was viele Handelsexpert:innen prophezeit haben: „Galeria Karstadt Kaufhof“ hat beim Amtsgericht Essen einen Insolvenzantrag gestellt. Zum dritten Mal seit 2020. Die Warenhauskette gehört zur österreichischen „Signa Holding“, über deren Zahlungsunfähigkeit wir Anfang Dezember berichtet hatten (RUMS-Brief). Damit ist die Zukunft der beiden Kaufhäuser in Münsters Innenstadt mit ihren rund 200 Mitarbeiter:innen erneut ungewiss, womöglich so düster wie nie. Bei den letzten beiden Insolvenzen war der Bund immer wieder eingesprungen, um „Galeria Karstadt Kaufhof“ mit insgesamt 600 Millionen Euro zu retten. Nun sieht es Medienberichten zufolge so aus, als könnte die Kaufhauskette nicht mehr auf Staatshilfe hoffen. Sollte das das Aus für die Kaufhäuser bedeuten, hätte Münster über Jahre hinweg Leerstand in der Innenstadt (RUMS-Brief). Die Stadt steht schon seit dem vergangenen Jahr mit dem Warenhauskonzern in Kontakt. Es sei mit verschiedenen Szenarien zu rechnen, heißt es vage aus dem Presseamt. Allerdings dürfte die Stadt ein Interesse am Erhalt der Kaufhäuser haben. Schließlich gehört „Galeria Karstadt Kaufhof“ zu einem der wichtigsten Gewerbesteuerzahlern der Stadt. Die LVM-Versicherung, der das „Karstadt“-Gebäude gehört, äußert sich auf Anfrage verhalten. Zur Insolvenz wolle man sich nicht äußern, halte aber am Kaufhaus an der Salzstraße fest. Erste Medien haben schon Chronologien über den Untergang von „Galeria Karstadt Kaufhof“ veröffentlicht, darunter die „Süddeutsche“ und die Tagesschau. (sfo)

Bauernproteste: Woher kommt die Wut?

Da ist zum einen die Vorstellung von der konventionellen Landwirtschaft, die sich allen Veränderungen in den Weg stellt, die sich an ihre Vergünstigungen krallt und so weitermachen möchte wie bisher, möglichst ohne sich finanziell zu beteiligen. 

Und da ist auf der anderen Seite die Vorstellung von Menschen, vor allem in der grünen Partei, die in der konventionellen Landwirtschaft ein schlimmes Übel sehen, das als Ursache für so vieles herhalten muss. Den Personen in dieser Vorstellung sind das Klima und die Menschen morgen wichtig, die Wirtschaft und die Menschen heute eher weniger. 

Wie so oft im Schubladendenken sind beide Vorstellungen nicht vollkommen falsch, aber nur dann richtig, wenn man sehr vieles ausblendet. 

Vielleicht zuallererst zur Sachlage: Die Bundesregierung hatte den recht kurzfristigen Plan, der Landwirtschaft zwei Vergünstigungen zu streichen, weil sie Geld sparen musste. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte sich im Haushalt eine Lücke von 17 Milliarden Euro aufgetan. Schließen wollte man sie, indem man den Landwirten eine Vergünstigung beim Diesel (Agrardieselrückvergütung) sowie die Befreiung von der Kfz-Steuer nahm. Beides zusammen sollte eine knappe Milliarde Euro einbringen. Für die Landwirtschaft kam das relativ plötzlich.

Und jetzt zunächst der Blick von der einen Seite: In der Theorie lassen die Streichungen sich gut begründen. Beide Vergünstigungen stehen auf der Liste der klimaschädlichen Subventionen. Wenn man es mit der Klimapolitik ernst meint, sollten sie verschwinden. Zur Not auch gegen Widerstände, mit denen beim Abbau von Subventionen ja ohnehin immer zu rechnen ist. 

Von der anderen Seite sieht das etwas anders aus, denn oft gibt es eine Vorgeschichte und Faktoren, die auf einem Papier mit Streichvorschlägen nicht zu erkennen sind. 

Dieselprivileg streichen. Warum nicht für alle?

Man kann die Streichung von Dieselvergünstigungen zum Beispiel grundsätzlich befürworten, aber den Vorschlag der Bundesregierung ablehnen. Denn zum einen steht die Landwirtschaft nicht nur mit Betrieben in Deutschland in Konkurrenz, sondern auch mit denen im Ausland. Und in Frankreich zum Beispiel fahren Landwirte mit günstigem Heizöl. Das ist ein Wettbewerbsvorteil. 

Man könnte auch fragen: Wenn man die Dieselvergünstigung abschaffen möchte, warum dann nur für die Landwirte? Warum trennt man sich nicht auch vom Dieselprivileg, das den Kraftstoff für alle günstiger macht? 

Die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast antwortet auf diese Frage im Deutschlandfunk-Interview sinngemäß: Sie selbst wäre ja dafür, aber es gebe eben keine Mehrheit.

Bei den Landwirtinnen und Landwirten muss also der Eindruck entstehen: Man nimmt ihnen das Geld vor allem aus einem Grund: weil man es ihnen nehmen kann. Das erscheint unfair. Und wenn Menschen das Gefühl haben, dass man sie unfair behandelt, werden sie wütend. 

In diesem Fall spielen noch andere Dinge eine Rolle. Reinhard Kaiser-Mühlecker, der Schriftsteller und Landwirt, sagt im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ : „Die Gräben zwischen den Landwirten, der Gesellschaft und der Politik werden immer größer.“ Die Landwirte schienen an allem schuld zu sein – am Insektensterben, an der Trinkwasserqualität, am Klimawandel –, obwohl man sich doch an die Regeln halte. „Landwirte haben zunehmend das Gefühl, in den Augen der Gesellschaft nichts richtig machen zu können“, sagt Kaiser-Mühlecker. 

Auch das ist vielleicht etwas zu einseitig, denn tatsächlich muss sich in der Landwirtschaft vieles ändern, und die Opferrolle kann auch ganz hilfreich sein, um Veränderungen aufzuhalten. Aber grundsätzlich wird hier deutlich: Es geht gar nicht so sehr um die Zahlen, mit denen die eine Seite jetzt belegt, dass sie zu stark belastet wird, und die andere, dass das ja wohl zumutbar sei. 

Man hätte es korrigieren können

Die Zahlen sind trotzdem wichtig: Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband schreibt in einem Flugblatt, man rechne beim Agrardiesel mit Mehrkosten in Höhe von 3.000 bis 5.000 Euro im Jahr. Der Wegfall der Kfz-Steuer könne je nach Fahrzeug eine Mehrbelastung von 1.000 Euro bedeuten. 

Aber auch dieses Flugblatt ist nicht ganz fair. Der Verband hat es am Montag zum Beginn der Aktionswoche verschickt. Doch die Zahlen sind gar nicht mehr aktuell. 

Die Bundesregierung hat ihre Vorschläge längst abgeschwächt. Die Kfz-Steuerbefreiung soll bleiben. Die Agrardiesel-Vergünstigung will man immer noch abbauen, allerdings langsamer. Zumindest in der digitalen Variante des Flugblattes hätte man das korrigieren können. Aber höhere Belastungen klingen hier natürlich besser. 

Ein weiteres Problem ist: Man kann die Zahlen schwer prüfen. Die Bundesregierung hat ein Interesse daran, die Belastungen kleinzureden; für die Landwirte ist es interessant, sie etwas gravierender darzustellen, als sie tatsächlich sind. Und auch hier lässt man gern die Informationen weg, die nicht zur eigenen These oder zum Anliegen passen. 

Das Magazin „Spiegel“ etwa schreibt in einem Kommentar (Titel: „Dreist, dreister, Bauernlobby“), das durchschnittliche Einkommen in der Landwirtschaft sei im Wirtschaftsjahr 2021/22 um 32 Prozent gestiegen, im Jahr darauf sogar um 45 Prozent. 

Die Abschaffung der Diesel-Steuererleichterung mache gerade mal 4 Prozent aus, bei Einkommenssteigerungen von 70 Prozent in den vergangenen Jahren. Und: Fast die Hälfte des Einkommens stamme aus öffentlichem Geld. 

Schaut man in das 60-seitige Papier des Landwirtschaftsministeriums, aus dem die Zahlen stammen, sieht man, dass die Realität doch sehr viel komplizierter ist. 

Eine Kurve, die nach unten zeigt

Die hohen Gewinne zuletzt erklären sich zu großen Teilen durch den Krieg in der Ukraine. In den Jahren davor fielen die Überschüsse lange nicht so üppig aus. Im europäischen Vergleich hat die deutsche Landwirtschaft zuletzt an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Dazu gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern, vermutlich auch zwischen den einzelnen Betrieben. Und schaut man sich die Durchschnittseinkommen der Betriebe an, erkennt man: Die prozentualen Werte klingen toll, die absoluten eher mittelmäßig. 

Kleine Haupterwerbsbetriebe machten im Schnitt einen Gewinn von knapp 34.000 Euro, so steht es in dem Papier, mittleren bleibe ein Überschuss von 59.000 Euro, größeren Betrieben einer von etwa 132.000 Euro. Sucht man eine Übersicht, die angibt, wie sich die Zahl der Bauernhöfe in Deutschland in den vergangenen Jahren entwickelt hat, findet man eine Kurve, die stetig nach unten zeigt. 

Reinhard Kaiser-Mühlecker erinnert im Interview an ein Detail, das man in diesem Zusammenhang schnell vergisst. Auf vielen Höfen bedeutet Landwirtschaft: sieben Tage arbeiten, kaum Urlaub. Auch das trägt dazu bei, dass viele junge Menschen diese Arbeit gar nicht machen wollen. 

Und dann sind da ja noch die Subventionen. Sie machen fast die Hälfte der Einkommen von Landwirten aus. Aber das hat Gründe. Rein finanziell könnte es sinnvoll sein, wenn ein Industrieland wie Deutschland landwirtschaftliche Produkte einfach da einkaufen würde, wo sie sich günstig produzieren lassen. Aber zum einen möchte Deutschland nicht abhängig sein von Importen, zum anderen ist es gerade im Sinne des Klimaschutzes, wenn man den Höfen etwas mehr Geld gibt, statt Obst und Gemüse aus der ganzen Welt ins Land zu fliegen. 

Subventionen wären zudem gar nicht nötig, wenn Landwirte Preise verlangen könnten, die ihren Kosten entsprechen. Aber weil der Weltmarkt die Preise festlegt und der Lebensmittelhandel sie dann den Betrieben diktiert, gibt es hier keinen Spielraum. Im „Spiegel“ schildert ein Landwirt, wie er den Preis für seine Milch erst erfährt, nachdem er sie geliefert hat. 

Es fehlt das Verständnis

Das alles lässt sich nicht vor Ort ändern. Auf den Milchpreis könnte die Bundesregierung Einfluss nehmen, indem sie zum Beispiel Lieferverträge verbindlich macht. Das EU-Recht dazu gibt es bereits, die Bundesregierung müsste es nur umsetzen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat das angekündigt. Nur wie er das machen will, ist noch nicht klar

Nicht ganz unbedeutend ist dabei auch die in Deutschland verbreitete Doppelmoral, Klimaschutz zu fordern, aber für Lebensmittel nicht viel bezahlen zu wollen. 

Als die Preise im vergangenen Jahr stiegen, kauften zum Beispiel deutlich weniger Menschen Bioprodukte, obwohl die von der Inflation gar nicht so sehr betroffen waren. Ann-Kathrin Büüsker hat unter anderem das in einem sehr lesenswerten Beitrag über die Wut der Landwirte erklärt. 

Die schlechte Kommunikation der Bundesregierung nach innen und außen hat die Probleme zuletzt noch verschlimmert. Als es um die Streichung der Subventionen ging, hatte man mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gar nicht gesprochen. Das Ergebnis war die Rolle rückwärts, die zwar ein inhaltliches Detail korrigierte, aber einen Eindruck verfestigte: Die Bundesregierung bricht neue Regeln übers Knie, macht sich über die Folgen aber erst später Gedanken. 

Deutlich wird vor allem eins: Eine gemeinsame Vision fehlt. Die Grünen wollen Klimaschutz, die SPD will die breite Bevölkerung vor großen Belastungen schützen, die FDP vor allem die Wirtschaft und Menschen, die mehr Leistung in Form von Geld beitragen. Aber wo ist die Schnittmenge?

Im Moment eint die Koalition vor allem die Gewissheit, dass die Zeit kurz vor Wahlen nicht die beste Gelegenheit ist, es sich mit größeren gesellschaftlichen Gruppen zu verscherzen. Den Ärger mit den Landwirten nimmt man möglicherweise auch deshalb hin, weil weder Grüne noch SPD oder FDP bei der Wahl von dieser Gruppe viel erwarten. 

Dieser Eindruck ist vielleicht auch das generelle Problem in der ganzen Sache. Die Ampel hat mit ihrem überstürzten und später in Teilen wieder korrigierten Versuch, Subventionen zu streichen, vor allem die Botschaft übermittelt: Wir sind mit der konkreten Situation der Landwirtinnen und Landwirten nicht so gut vertraut. In anderen Worten: Es fehlt das Verständnis. Und so etwas führt dann wiederum sehr schnell zu Wut. (rhe)

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Klima-Update

+++ In diesem Jahr fällt der Aschermittwoch auf den Valentinstag, den 14. Februar. Ein bisschen Zeit ist noch. Aber schon jetzt macht das Bistum Münster Werbung für das „Klimafasten“. Bis Karsamstag am 30. März laufen sieben Aktionswochen, alle zu einem anderen Thema wie Ernährung, Energie oder Mobilität. Ziel ist es, das eigene Handeln ein bisschen klimafreundlicher auszurichten. Wer bei der ökumenischen Aktion mitmachen möchte, kann hier den „Klimafasten“-Newsletter abonnieren. (sfo)

+++ Unternehmerische Verantwortung oder schamloses Greenwashing – wie finden Sie es eigentlich, wenn Unternehmen ihren CO2-Ausstoß kompensieren? Firmen können ihr klimaschädliches Verhalten wettmachen, indem sie Geld an Klimaschutzprojekte spenden, zumindest in der Theorie. Nur: Ist das fair? Reicht das? Was Sie darüber denken, möchte die Uni Münster in einer Umfrage wissen. Für jede Teilnahme gehen 25 Cent als Spende an die DLRG. (sfo)

+++ Großflächige Waldbrände in Kanada und Griechenland, gigantische Fluten in Libyen, Hitzewellen in Südeuropa – 2023 war das heißeste Jahr, das jemals gemessen wurde. Die 1,5-Grad-Grenze ist schon fast überschritten. Für einen genaueren Überblick, wo die Klimakrise im vergangenen Jahr besonders spürbar war, hat „Die Zeit“ einen interaktiven Jahresrückblick auf einem Klima-Globus erstellt. (sfo)

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Ein-Satz-Zentrale

+++ Ratsfrau Anne Herbermann und Kreisvorstandsmitglied Fabian Müller wollen 2025 bei der Bundestagswahl für die Grünen kandidieren. (Grüne Münster, hier: Münstertube)

+++ Die Kita, die im ehemaligen Zollamt an der Sonnenallee entstehen soll, beschäftigt schon Erzieher:innen, obwohl der Bau noch gar nicht fertig ist. (Westfälische Nachrichten)

+++ Das Familienamt möchte mehr kostenlose Deutschkurse für Kinder und Jugendliche mit Migrationsgeschichte anbieten. (Stadt Münster)

+++ Von einem mutmaßlichen Hackerangriff auf die nordrhein-westfälischen Handwerkskammern sind offenbar alle Standorte betroffen – außer Münster. (TagesschauKorrekturhinweis: Vorher stand hier, betroffen seien die Industrie- und Handelskammern. Wir haben das korrigiert. 

+++ Mehr als 230.000 Menschen haben 2023 das Pferdemuseum im Allwetterzoo besucht. (Westfälisches Pferdemuseum)

+++ Morgen soll die umgebaute Szenefläche am Bremer Platz freigegeben werden, vorausgesetzt, die Toilette mit minimalem Sichtschutz besteht heute ihren Testlauf. (Westfälische Nachrichten)

+++ Zum zweiten Mal seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat das Bistum Münster Besuch von einer ukrainischen Gemeinde bekommen. (Bistum Münster)

+++ Das Landgericht Münster hat heute ein Ehepaar aus Greven zu langen Haftstrafen verurteilt, das in den Betrugsfall um die fiktive Kryptowährung „One Coin“ verwickelt war. („Der Spiegel“)

+++ Der Mann, der am Silvesternachmittag im Haus der Wohnungslosenhilfe mit einem Messerstich in den Hals verletzt wurde, ist am Samstag in der Uniklinik gestorben. (Polizei Münster)

Unbezahlte Werbung

Als Kind habe ich Sendungen wie „Logo“ oder „Die Sendung mit der Maus“ geliebt. Was gibt es auch Schöneres, als beim Fernsehen ein bisschen schlauer zu werden? Vielleicht ging es Gianna Stifft und Simon Mayr ähnlich. Sie haben im August 2022 die Videoplattform „Yooleo“ gegründet, die allerlei Wissenswertes aus und über Münster zeigt, in kindgerechter Sprache, in angemessenem Tempo und mit wenigen Schnitten. Das Ziel: Mit „Yooleo“ sollen Kinder einen sicheren Umgang mit Medien erlernen und sich nebenbei auch noch etwas über Nachhaltigkeit erfahren. In einer Folge spielt auch Gesa Hatesohl von „MS Quadrat“ mit, mit der wir vergangene Woche über die Wiederbelebung von Leerständen in Münster gesprochen haben (RUMS-Brief). Ein Abo kostet pro Monat 9 Euro, pro Jahr nur 89 Euro. (sfo)

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Sebastian Fobbe hat sich umgehört, was diese Woche los ist. Diese Veranstaltungen kann er Ihnen empfehlen (diesmal sind alle Tipps gratis, aber bestimmt nicht umsonst!):

+++ Es sind schockierende Bilder, die uns aus Italien erreichen: Vorgestern versammelten sich mehrere hundert Menschen in Rom zu einem neofaschistischen Aufmarsch. Für die Politik-Professorin Paula Diehl von der Uni Kiel ist das nur der Ausdruck eines Rechtsrucks in ganz Europa. Morgen Abend hält sich bei der VHS einen Onlinevortrag über die Normalisierung der extremen Rechten. Die Veranstaltung ist kostenfrei und beginnt um 19:30 Uhr.

+++ Jeden zweiten Mittwoch im Monat veranstaltet die „Rote Lola“ eine Karaoke-Party. Über 31.000 Songs stehen zur Auswahl, darunter auch aktuelle Titel. Wenn Sie auch ein Ständchen singen wollen, kommen Sie um 19 Uhr zum Albersloher Weg 12. Der Eintritt ist frei.

+++ Morgen findet außerdem der Neujahrsempfang der CDU Münster im LWL-Museum für Kunst und Kultur statt. Gast in diesem Jahr ist der Außenpolitiker Norbert Röttgen. Wenn Sie dabei sein wollen, müssen Sie sich per E-Mail anmelden. Die Veranstaltung beginnt um 18:30 Uhr.

+++ Im vergangenen Jahr hat sich der Putsch des chilenischen Diktators Pinochet zum 50. Mal gejährt. Die Uni Münster erinnert an die Ereignisse gerade mit einer Veranstaltungswoche. Programmpunkt am Donnerstag ist ein Gespräch mit Menschen aus Münster, die sich solidarisch mit der unterdrückten Bevölkerung in Chile gezeigt haben. Beginn ist um 18 Uhr, Veranstaltungsort ist das Unigebäude an der Schlaunstraße 2. Für mehr Hintergründe empfehle ich einen Blick in die Arte-Mediathek. Der Fernsehsender hat 2023 viele interessante Dokus über den chilenischen Putsch produziert.

+++ Fast alle Männer tun es. Vier von fünf Frauen auch. Und sechs von zehn Jugendlichen. Sie schauen Pornos. Die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming hat 2023 ein Buch über Pornografiegeschrieben, das sie diese Woche beim Langen Freitag im LWL-Museum am Domplatz vorstellt. Die Rezension in der „Zeit“ ist voll des Lobes, die Kritik im Deutschlandfunk fällt gemischt aus. Los geht’s um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.

Am Freitag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche. 

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis
Lektorat: Chris Vielhaus

PS

Gestern Morgen auf der Steinfurter Straße: Ein Trecker im Konvoi hupt einen Rhythmus – oder eine Melodie? Das Hupen ist am Telefon im Hintergrund zu hören. Kennt man das nicht irgendwoher? Mein Kollege sagt: „Das ist Baby Shark.“ Und so erlebte ich einen Moment, in dem man ein Gefühl dafür bekommen kann, warum Menschen in der gleichen Welt leben können, aber doch in ganz unterschiedlichen Realitäten. Ich habe eine dreijährige Tochter, höre regelmäßig Kinderlieder, sehe auch sonst viel im Netz, in Zeitungen oder Magazinen. Aber dieses Lied ist mir bis gestern noch nie im Leben begegnet. Und das ist ganz erstaunlich: Es ist das am häufigsten gesehene Video bei Youtube. Und nur um eine Vorstellung von der Dimension zu geben: Das zweithäufigste ist mit über 8 Milliarden Klicks „Despacito“. „Baby Shark Dance“ kommt mittlerweile auf knapp 14 Milliarden. Gegencheck dann gestern Abend. Frage an eine 10-Jährige und eine 15-Jährige: „Kennt ihr ‚Baby Shark‘“? Antwort: „Hä? Natürlich. JEDER kennt ‚Baby Shark‘.“ So ist das mit den unterschiedlichen Realitäten. Zur Sicherheit habe ich noch gefragt: „Kennt ihr eigentlich Franz Beckenbauer?“ Antwort war allerdings nur: „Wen?“ (rhe)

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