Fakten, Fakten, Fakten – aber mit Gefühl | Wetten aufs Preußen-Stadion | Unbezahlte Werbung: Fahrradliebe und Caféglück

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

wenn in Diskussionen mal wieder alles aus dem Ruder läuft, dann kommt garantiert irgendjemand daher, der darum bittet, zur Sachlichkeit zurückzukehren. Bei den Fakten bleiben, die Emotionen raushalten, dann kommt man zu vernünftigen Lösungen. Das ist eine gängige Überzeugung. Das Problem ist, Fakten und Emotionen lassen sich gar nicht trennen. 

Die Neurowissenschaftlerin Maren Urner, Professorin in Köln und Mitgründerin von „Perspective Daily“, mit denen wir uns ein Büro teilen, hat gerade ein Buch darüber geschrieben. Es trägt den Titel „Radikal emotional – wie Gefühle Politik machen“, und es erscheint morgen. Vorab hat sie mehrere Interviews gegeben, im „Spiegel“, in der „Zeit“ und im Deutschlandfunk. Über dem „Zeit“-Interview steht der Satz: „Fakten bringen niemanden dazu, sein Verhalten zu ändern“.

Das ist natürlich schlecht, denn was wir hier machen, beruht auf der Annahme, dass Menschen klügere Entscheidungen treffen, wenn sie besser informiert sind. Die gute Nachricht ist allerdings: Beides muss sich nicht widersprechen. Im „Spiegel“-Interview erklärt Maren Urner unter anderem, dass Emotionen es erst möglich machen, zwischen wichtig und weniger wichtig zu unterscheiden. 

„Menschen mit einer Schädigung in dem Hirnbereich, in dem emotionale und faktenbasierte Verarbeitung zusammenkommen, können sich nicht einmal mehr entscheiden, mit welcher Stiftfarbe sie einen Brief unterschreiben sollen“, sagt sie. Man könne nur sachlich argumentieren, wenn man bestimmte Werte und Überzeugungen habe. Aber warum steht das hier in einem Newsletter über Münster?  

In der Ratssitzung am vergangenen Mittwoch ging es fünf Stunden lang immer wieder um die gleichen vertrauten Gegensätze. Windräder. Verkehrspolitik. An einer Stelle diskutierte man über eine Resolution zum Ausbau der Autobahn. Die Argumente sind bekannt, trotzdem werden sie immerzu wiederholt, und das seit Jahren. Auf der einen Seite bewegt sich nichts, auf der anderen auch nicht. Im Prinzip ist es wie freitagnachmittags auf der A1. 

Maren Urner sagt sinngemäß: Wir reden zwar über Argumente, aber eigentlich geht es um etwas ganz anderes: um Überzeugungen, Werte und Gefühle. 

Und sie sagt: „Je lauter die Forderung nach Rationalität, desto emotional aufgeladener werden die Debatten.“ Das Gute aber ist, dass man in den Werten oft mehr Einigkeit findet als in den Dingen, die zu politischen Hassobjekten geworden sind: das Tempolimit, das Gendern, in Münster die autofreie Innenstadt. Über die Gefühle dahinter, den Wunsch nach Sicherheit, Beachtung oder mehr Lebensqualität dagegen könnte man sich vielleicht sogar einig werden.  

Vor allem positive Gefühle machen Menschen offen für die Perspektiven anderer. Das hat Han Langeslag vor einem Jahr sehr schön in einem Beitrag für „Perspective Daily“ erklärt. Es ist auch einer der Grundgedanken des Magazins. Das Gegenteil beschreibt Maren Urner im „Spiegel“. Dort sagt sie: „(Angst) macht uns dümmer, weil wir auf das unmittelbare Überleben zurückgeworfen werden und nicht mehr langfristig planen können.“

Es ist also ganz einfach: Wer Veränderungen verhindern möchte, muss Angst schüren. Dann schauen Menschen auf die kurzfristige Perspektive, das Heute, auf sich selbst. Schon dieser Gedanke reicht aus, um die aktuelle Europawahlkampagne der AfD zu verstehen. 

Wer es möglich machen möchte, langfristig zu denken und Probleme zu lösen, die weit in der Zukunft liegen, muss Menschen Angst nehmen. Das ist nicht ganz so leicht, denn auf negative Botschaften reagieren wir sehr viel stärker als auf gute. Aber wie kann das gelingen? Informationen und Wissen können helfen, Unsicherheit zu überwinden. Und mit der Unsicherheit verschwindet die Angst. Auch dafür gibt es Belege. Vielleicht sollten wir einerseits mehr über Gefühle reden. Und andererseits mehr lesen. Also hier sind Sie ganz richtig. (rhe)

Korrekturhinweis: In einer früheren Version hatten wir an einer Stelle des Textes das stumme „e“ in „Perspective Daily“ unterschlagen. Jetzt steht es aber an Ort und Stelle.

Kurz und Klein

+++ Die Diskussion darüber, Straßen umzubenennen, gibt’s ja in Münster schon eine ganze Weile (RUMS-Brief). Zum Beispiel den Kaiser-Wilhelm-Ring, da hieß es: Man wolle die Entscheidung der Uni Münster in puncto Namensänderung abwarten. Die hat sich vor gut einem Jahr entschieden (RUMS-Brief). Für eine Ring-Umbenennung bräuchte es allerdings einen Antrag der Bezirksvertretung, der liegt laut Stadt jedoch nicht vor. Nur eines von mehreren Beispielen, weitere Straßennamen, die diskutiert werden, finden Sie auf dieser Website. Bisher gibt es aber noch keine Regeln, wann die Stadt Straßen umbenennen darf und wie sie mit Denkmalen umgehen sollte. Die Verwaltung hat nun einen Vorschlag gemacht. Darin steht unter anderem: Die positiven und negativen Taten und Eigenschaften einer Person, die öffentlich geehrt werden soll, müssen gegenübergestellt werden. Und im Zweifel entscheidet man sich dafür, die Person nicht zu ehren. Wer sich also in irgendeiner Form menschenverachtend verhalten hat, ist raus. Falls so etwas bei einer bereits benannten Straße auffällt, ist’s Abwägungssache. Die CDU hatte im vergangenen Jahr gefordert, umstrittene Straßennamen als „begehbares Geschichtsbuch“ zu nutzen – sie also nicht zwangsläufig auszutauschen. Die Verwaltungsvorlage verweist eher auf digitale Bildungsangebote. (sst)

+++ Vor ein paar Tagen haben die Westfälischen Nachrichten eine Fotocollage veröffentlicht, die mich seitdem schon mehrfach in ihren Bann gezogen hat. Ach so, und dazu gab’s noch einen Text. Darin ging es um die Universität Münster und ihren Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Gerade ist sie zum Beispiel dabei, einen UniGPT-Dienst einzurichten. Und zwar mit einem Open-Source-Modell (wie zum Beispiel Llama oder Mixtral). Man passe das Angebot gerade „an unsere Nutzeranforderungen“ an, schreibt uns Sprecher Norbert Robers. Laut Westfälischen Nachrichten bedeutet das: behäbiger, aber sicherer als andere Modelle. In einigen Wochen sollen Beschäftigte der Uni es nutzen können.* Konkrete Richtlinien, wie man mit KI studieren kann, darf, soll, gibt es allerdings nicht an vielen Unis, kritisiert Tom Konjer in seiner FAZ-Kolumne „Uni live“. (sst)

+++ Gestern haben sich AfD und Verfassungsschutz erneut vor dem Oberverwaltungsgericht getroffen (RUMS-Brief). Die AfD hatte wieder einen ganzen Haufen Anträge dabei (470), die allerdings abgelehnt worden sind. Einige der Begründungen, die das Gericht laut Redaktionsnetzwerk Deutschland anführte: Sie seien „unerheblich“, stellten falsche Tatsachenbehauptungen oder einen Nachteil für den Verfassungsschutz dar. Zu Beginn ging es um den AfD-Mitarbeiter, der unter Spionageverdacht steht. Die AfD-Anwälte machen dem Verfassungsschutz diesbezüglich Vorwürfe, ARD-Korrespondent Michael Heussen ordnet das als „Nebelkerze“ ein. Weiter geht’s am 6. Mai. (sst)

+++ Drei Anwohnende an der Geiststraße setzen sich seit fünf Jahren dafür ein, dass dort eine Tempo-30-Zone entsteht. Unter anderem, weil sie als Ausweichstrecke (auch von Lkws) genutzt wird und weil sich Kita-Eltern Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder machen. Eine Petition, eine Anregung an den Rat und neun Anträge unterschiedlicher Art später warten sie noch immer auf eine Reaktion der Stadt. Ihr Rechtsanwalt hat nun Untätigkeitsklagen gegen die Stadt am Verwaltungsgericht eingereicht. Und was sagt die dazu? Die beiden Anträge von September 2023, auf die sich die Klagen beziehen, seien der Verkehrsbehörde bisher nicht bekannt gewesen. Deswegen habe die Prüfung jetzt erst begonnen. (sst)

+++ Der erste Teil der Batterieforschungsfabrik wurde heute eröffnet, berichtet der WDR. In der Einrichtung mit dem schicken Spitznamen „FFB PreFab“ entwickeln etwa 200 Menschen Möglichkeiten, Batterien möglichst ressourcenschonend zu bauen. Die Fabrik selbst ist zwar nicht von den Sparplänen des Bundes betroffen, allerdings Einrichtungen, mit denen man zusammenarbeiten will. Vergangene Woche hat auch der Bundestag über die Batterieforschung diskutiert. Die CDU fordert, dass der Bund nicht noch mehr Einsparungen macht. Die deutsche Presseagentur (hier bei der Süddeutschen Zeitung) erinnert kurz an den Streit um den Standort. 2020 wurden Vermutungen laut, dass die damalige Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und ihr Wahlkreis Münsterland etwas damit zu tun hatten, dass die Fabrik in Münster gebaut wird. (sst)

+++ Das Streichkonzert von „Galeria“ ist doch früher zu Ende gegangen als erwartet: Schon am Wochenende teilte die Warenhauskette mit, welche Filialen sie schließen möchte. Eigentlich war der Termin für heute angesagt. Mehrere Medien haben dennoch schon kolportiert, dass zum 31. August 16 der 92 „Galeria“-Kaufhäuser dichtmachen. Münster steht nicht auf der Liste. Das entscheidende Kriterium bei der Auswahl soll die Wirtschaftlichkeit der Standorte gewesen sein, heißt es in der Pressemitteilung. Trotzdem besteht Kritik am Doppelstandort: Das Sortiment in den Kaufhäusern in Münster ist nahezu identisch – den Kund:innen fehlt somit ein Anreiz, beide Kaufhäuser zu besuchen. (sfo)

*Hier stand in einer früheren Version der Satz: „Sowas machen übrigens auch andere Unis, zum Beispiel Hamburg und Graz.“ Nur: Basis der Modelle dort ist ChatGPT, was man in Münster ja gerade nicht will. Ein Leser hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass der Vergleich irreführend ist.

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Wetten, dass…?

Das neue Preußen-Stadion hat die nächste Hürde genommen. Es könnte besser kaum laufen. Aber was ist eigentlich mit den Risiken?

Die „Sächsische Zeitung“ hat am Freitag in aller Gründlichkeit analysiert, wie das Saisonfinale in der Dritten Liga ausgehen wird, vor allem mit Blick auf Dynamo Dresden, den eigenen Verein. In der Überschrift steht mit dem Hinweis auf die Prognose: „Dynamo dank der besseren Tordifferenz in der Relegation.“ Die Sache ist nur: Vier Tage später ist Dresden Fünfter und hat fünf Punkte Rückstand auf den Tabellendritten Münster. Die Spiele am Wochenende sind anders ausgegangen, als man es sich in Sachsen gewünscht hätte. Dass es für Dresden am Ende der dritte Platz wird, ist möglich, aber unwahrscheinlich. 

So ist das mit den Prognosen. Es kann alles auch anders kommen. Manchmal ist es gar nicht so schlecht, optimistisch zu sein, aber wenn sich regelmäßig herausstellt, dass Prognosen zu optimistisch waren, muss man sich fragen, ob dahinter nicht ein Muster steckt, vielleicht sogar Absicht. 

Bei Bauprojekten, vor allem bei städtischen, ist es sehr selten so, dass man hinterher denkt: War doch alles gar nicht so teuer, wie wir dachten. 

Das hängt mit den Anreizstrukturen zusammen. Wenn es für ein großes Projekt eine politische Mehrheit braucht, dann ist es gut, den Preis erst mal möglichst gering zu halten. Und für die Refinanzierung nimmt man am besten an, dass alles so laufen wird, wie die „Sächsische Zeitung“ sich das am Freitag für Dynamo Dresden vorgestellt hatte. 

Beim Preußen-Stadion geht man davon aus, dass der Verein einen Teil der kommenden 60 Jahre mindestens in der Zweiten Bundesliga verbringen wird, was in den vergangenen 30 Jahren nicht eine einzige Saison lang geglückt ist (RUMS-Brief). Leitet man die Prognose aus der Vergangenheit ab, wäre es also wesentlich wahrscheinlicher, dass der Verein einen großen Teil der kommenden Jahre in der Regionalliga dümpeln wird, wo er zuletzt sehr viel Zeit verbracht hat. Andererseits sagen Menschen, die den Verein aus der Nähe beobachten: So richtig professionell wird Preußen Münster erst seit wenigen Jahren geführt. Als Beleg dafür könnte man die Tabelle nehmen. 

Allerdings kann auch ein großer professionell geführter Verein sportlichen Misserfolg haben. So ist das im Sport. So ist das mit den Prognosen. Rechnen kann man immer nur in Wahrscheinlichkeiten. Und auch die kann man nicht zuverlässig benennen. 

Der Wind steht gut

Aus der Perspektive der Stadt Münster ist vor allem die Frage interessant: Was passiert, wenn der Verein seine sportlichen Ziele nicht erreicht? Im Moment dreht sich alles eher um eine andere Frage: Schafft der Verein es in die Zweite Liga?

In der Stadtpolitik ergibt sich gerade etwas, das man im Sport ein Momentum nennt. Unter normalen Umständen käme in dieser finanziellen Lage niemand auf die Idee, noch einmal ein paar Millionen für ein neues Stadion draufzulegen. 

Aber man hat es versprochen, man fühlt sich verpflichtet, man will das Stadion auch haben. Und genau jetzt steht der Wind überaus günstig. Sportlich läuft es so, wie man es sich schon lange gewünscht hatte. Man sieht also: Das sind alles keine utopischen Träume von der Zweiten Bundesliga. Das könnte alles ganz real sein. Man könnte von einer Euphorie sprechen. 

Es ist zu verstehen, dass der Eindruck, in Münster schaffen sie es seit Jahrzehnten nicht, ein vernünftiges Fußballstadion zu bauen, im nächsten Jahr keine noch größere Öffentlichkeit bekommen soll. Passt ja auch nicht zum Selbstverständnis dieser Stadt, die sich generell eher über dem Durchschnitt sieht. 

Und es wäre auch ein politischer Erfolg, ein großer sogar. Jahrzehntelang haben meist von der CDU geführte Ratsmehrheiten eine Stadionseifenblase nach der anderen aufsteigen lassen, um ihr beim Platzen zuzusehen. Dann kam die linke Ratsmehrheit, die relativ schnell nicht mal mehr eine Mehrheit war. Und da ging es plötzlich.

Das wäre doch eine tolle Geschichte, auch mit Blick auf die Kommunalwahl im nächsten Jahr, wo es mit vielen anderen politischen Projekten ja nicht so schnell vorangeht. 

Es wäre verständlich, wenn man in dieser Situation bereit wäre, ein etwas größeres Risiko einzugehen. Zumal die Alternative, die zuletzt gar nicht mehr im Gespräch war, für beide Seiten eine Katastrophe gewesen wäre – für den Verein, der dann in der Zweiten Liga womöglich 34 Auswärtsspiele hätte, weil das Heimstadion in Ostwestfalen stünde. Aber auch für die Politik und die ganze Stadt, die wieder mal nicht geschafft hätten, was Osnabrück oder Bielefeld schon vor Jahren gelungen ist: ein Rasenfeld mit vier überdachten Tribünen zu versehen. 

Keine Duschköpfe aus Gold

Auf dem Papier sind die Millionensummen für das Stadion immer größer geworden. Erst waren es 40 Millionen. Mehr sollten es auf keinen Fall werden. Was da noch drauf komme,  müsse dann der Verein zahlen, sagte man mir damals in voller Überzeugung. Doch die 40 Millionen waren einfach eine Zahl, die man festgelegt hatte, ohne Genaueres zu wissen. Später stellte sich heraus, mit dieser Summ wird es auf keinen Fall klappen. Man stockte den Betrag auf. Dann waren es 60 Millionen oder 65 Millionen – je nachdem, wie man rechnete. Inzwischen liegen die absehbaren Gesamtkosten bei knapp 90 Millionen. 

Hinter diesem Betrag stehen komplizierte Rechnungen, die man auf unterschiedliche Weise interpretieren kann. Man kann erklären, warum nicht einfach noch mal über 20 Millionen dazugekommen sind. Es ist also nicht so, dass die Duschköpfe plötzlich aus Gold sein sollen. 

Man muss verschiedene Dinge bedenken: Es kann sinnvoll sein, wenn die Stadt Geld vorstreckt, das eigentlich der Verein zahlen sollte, weil es dann steuerlich etwas günstiger wird. 

Es kann ohnehin sinnvoll sein, mehr Geld zu investieren, wenn es am Ende nicht einfach versickert, sondern durch die Investition später auch die Einnahmen steigen. Im allergünstigsten Fall könnte es sogar sein, dass die Stadt mit diesem Stadion Geld verdienen wird. 

Wie es kommen wird, liegt am Ausgang der Wette. Und der hängt vor allem davon ab, wie viele Bälle in den nächsten Jahren auf der richtigen Seite im Netz landen. 

Und was ist mit dem Fall, über den im Moment nicht so viel gesprochen wird? Er könnte so aussehen: Der Aufstieg scheitert, es folgt eine unglückliche Saison, vielleicht noch eine. Am Ende steigt man ab, muss eine neue Mannschaft aufbauen, und so leicht kommt man aus der Regionalliga nicht wieder hoch.

In dem Fall hätte die Stadt Münster noch ein weiteres Problem mehr. Wenn das Stadion steht, wird es nach unseren Informationen ungefähr eine Million Euro im Jahr kosten, im sportlich schlechtesten Fall, in dem der Verein nicht zahlen könnte, wären es etwa zwei Millionen.

Wie leicht die Stadt das verkraften würde, hängt davon ab, wie die Stadtfinanzen sich entwickeln. Zuletzt hat man, um noch Geld fürs Stadion zusammenzukratzen, unter anderem darauf vertraut, dass die Bevölkerungsprognose stimmt und man hier und da vielleicht nicht ganz so große Grundschulen brauchen wird.

Man hat Geld umgeschichtet und so Spielräume gewonnen. Nur hier sind wir wieder beim Problem vom Anfang: Auch Bevölkerungsprognosen können falsch sein. Es ist eine weitere Wette, Ausgang ungewiss. 

Es ginge anders

Man kann das natürlich auch anders bewerten und sagen: In der Vergangenheit hat man sich zu oft nicht getraut, etwas zu wagen. Das ist ja gerade der Grund dafür, dass an der Hammer Straße noch das alte Stadion steht. Und natürlich, gewisse Risiken muss man eingehen, wenn man etwas gewinnen möchte. Man sollte die Risiken nur kennen. 

Bleibt die Frage, warum jetzt wieder passiert ist, was man aus anderen städtischen Bauprojekten schon kannte, von der Mathilde-Anneke-Schule, vom Stadthaus 4, dem Musik-Campus. Es fing an mit einem überschaubaren Betrag, und obwohl die Planung begleitet wurde von der Frage, wo man sparen kann, wurde der Betrag doch immer größer. 

Ohne über den Einzelfall etwas zu wissen, kann man sagen: Wenn die Kosten Schritt für Schritt steigen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, die einzelnen Schritte vermitteln zu können und für sie eine Mehrheit zu finden. Hätte man zu Beginn gesagt: Das neue Stadion wird knapp 90 Millionen Euro kosten, wäre der Plan womöglich im Anlauf gescheitert. 

Und mit jeder weiteren Entscheidung verändern sich Anreize. Ist etwas erst beschlossen, denkt man schnell: Wir sind schon so weit gekommen, jetzt machen wir auch weiter. Und es soll ja auch gut werden. Daher ist man unter Umständen bereit, hier und da etwas mehr Geld auszugeben, vor allem in Münster. 

Michael Jung hat vor drei Jahren in seiner Kolumne fünf Gründe dafür genannt, warum öffentliche Bauvorhaben oft sehr viel teurer werden als geplant. Einer der fünf Punkte ist der „goldene Münster-Standard“. 

Die Ansprüche sind hoch, das Kostenbewusstsein – das ist ein weiterer Punkt – ist nicht so ausgeprägt wie das Geschmacksempfinden. Und noch ein Grund sind eben die Kostenschätzungen.  

Man schaut, was man braucht, oft peilt man das mit zugekniffenen Augen einfach über den Daumen. Das schreibt man in den Haushalt. Danach vergehen Jahre, in denen nichts passiert. Dann ist mit der Prognose schon deshalb nicht mehr viel anzufangen, weil die Preise gestiegen sind. Und man hatte ja ohnehin schon sparsam gerechnet. Ungefähr so war es auch beim Stadion. 

Kein Hexenwerk

Das müsste in vielen Fällen so nicht sein, man könnte vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe lernen, erklärt Michael Jung in seiner Kolumne. Dann würde man etwas anders vorgehen: Man würde ein Budget erstellen. Das schriebe man gekoppelt an den Baukostenindex jährlich fort. Und während des Baus setzte man Controlling-Instrumente ein, die dabei helfen würden, die Kosten im Blick zu behalten. Das sei alles kein Hexenwerk, schreibt Jung. Das LWL-Museum am Domplatz sei auf diese Weise gebaut worden. Es sei rechtzeitig fertig geworden, und man sei mit dem Budget ausgekommen. 

Ob das Preußen-Stadion am Ende für einen zweistelligen Millionenbetrag zu haben sein wird, ist noch nicht sicher. In der Politik geht man nicht davon aus, dass noch ein großer Sprung folgt. Dass man den Auftrag an ein einziges Unternehmen gebe, an einen sogenannten Totalübernehmer, bedeute auch, man könne die Kosten gut kontrollieren.

Münster ist nicht die einzige Stadt im Profifußball, in der die Mannschaft besser ist als das Stadion. In der Zweiten Liga steht Holstein Kiel auf dem zweiten Tabellenplatz. Es wäre eine Überraschung, wenn die fünf Punkte Vorsprung zum Dritten auf den letzten Metern verloren gingen. Erstligatauglich sei in Kiel im Moment allerdings lediglich der Rasen, heißt es in einem NDR-Bericht aus der vergangenen Woche zu Kiels Plänen, ein neues Stadion zu bauen.

Im Moment finden im Holstein-Stadion 15.000 Menschen Platz, nach dem Ausbau sollen 25.000 hinein passen. Alles in allem soll das sogar günstiger werden als in Münster. Die Stadt spricht von 70 Millionen Euro. Noch gibt es allerdings nicht mal einen Entwurf. Der und etwaige Überraschungen kommen Ende des Jahres. (rhe)

Klima-Update

+++ Wie schön so ein Waldspaziergang doch an einem warmen Frühlingstag … damit das auch noch Ihre Kinder, deren Kinder und so weiter erleben können, wäre es ja ganz gut, wenn die Wälder, die es noch gibt, auch noch lange stehenbleiben. Gestern haben Forscher:innen eine Studie veröffentlicht, die untersucht hat, wie Bäume in Europa in Zukunft mit der Erderhitzung klarkommen. Ergebnis: Schlecht. Wenn man einen Wald erhalten möchte, muss man die Arten pflanzen, die mit den jeweiligen Standortbedingungen zurechtkommen. Das trifft laut Studie, je nach Szenario, auf ein Drittel bis die Hälfte der aktuell wachsenden Arten zu. Naturschutzprofessor Pierre Ibisch schreibt in einer Einordnung des Science Media Center dazu, dass die Studie nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Erderhitzung noch schneller voranschreitet als modelliert. Pflanzenökologe Christoph Leuscher bringt in seinem Kommentar noch den negativen Effekt von Schädlingen ein, die durch Hitze begünstigt werden. (sst)

+++ Die Klima-Allianz Deutschland, der NABU, Protect the Planet und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring haben sich die Wahlprogramme der größten deutschen Parteien genauer angeschaut und daraus den sogenannten Klimawahlcheck für die Europawahlen am 9. Juni gebastelt. Falls Sie sich noch unsicher sind, wen Sie wählen möchten, oder einfach einen etwas genaueren Eindruck der Positionen erhalten möchten, schauen Sie doch mal rein. (sst)

Ein-Satz-Zentrale

+++ Weil morgen ein Feiertag ist, verschiebt sich die Abfallabfuhr um einen Tag nach hinten. (Stadt Münster)

+++ Die Stadt Münster stellt neue öffentliche Toiletten im Südpark, im Wienburgpark und am Breul auf, zumindest von Mai bis September. (Stadt Münster)

+++ In Münster gibt es bisher eher provisorische Lösungsansätze für ein ausreichendes Ganztagsangebot, auf das Grundschulkinder ab 2026 einen Rechtsanspruch haben. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die LVM-Versicherung hat ein gutes Geschäftsjahr hinter sich und wächst stärker als die Branche. (Antenne Münster)

+++ Der Neubau der Erweiterung für das Wilhelm-Hittorf-Gymnasium hat begonnen. (Stadt Münster)

+++ Obwohl die Arbeit in den Büros erst im Juni und das Kulturprogramm im September starten, haben einige Leute (darunter hoher Besuch) am Freitag die B-Side-Eröffnung gefeiert. (Westfälische Nachrichten)

+++ Gestern vor 52 Jahren fand die erste Demo von homosexuellen Menschen in Westdeutschland statt, und zwar in Münster. (Münster 1972; The Wall Museum auf X)

Unbezahlte Werbung

Der großformatige Bildband „Fahrradliebe & Caféglück“ präsentiert zwölf verschiedene Radtouren durchs Münsterland. Alle starten und enden in Münster, und alle kommen an mindestens einem ausgewählten Café vorbei, das die Autorin Birgit Kallerhoff ausführlich porträtiert. Dazu gibt es Informationen zu Sehenswürdigkeiten am Wegesrand. Das Buch ist im Handel oder direkt bei der Autorin für 24.95 € erhältlich. Reinlesen können Sie hier.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Heute hat Katja Angenent Termine für Sie herausgesucht. Das sind ihre Empfehlungen. 

+++ Am 1. Mai findet auf Haus Coerde ein Hoffest statt. An der Coermühle 50 gibt es von 11 bis 18 Uhr Live-Musik, offene Ateliers und Führungen über den Acker der Biogärtnerei. Außerdem stellt Fotograf Thomas Mohn Bilder seiner Spitzbergen-Tour aus. Kaffee, Kuchen, Bier und Herzhaftes sind ebenfalls im Angebot. Mehr Infos finden Sie an dieser Stelle.

+++ Ebenfalls am 1. Mai feiert der Film „Der kleine Major Tom: Aufbruch ins Ungewisse“ um 15 Uhr im Planetarium Premiere. Mitarbeitende erklären, wie es wirklich ist, auf einer Raumstation zu arbeiten, und was der aktuelle Blick in den Sternenhimmel zeigt. Der Film ist für alle ab sechs Jahren. Karten bekommen Sie hier.

+++ Am Donnerstag, 2. Mai, feiert der Freundeskreis Paul Wulf am Servatiiplatz ab 17:30 Uhr den 103. Geburtstag des Antifaschisten. An der Skulptur lesen Marion und Markus von Hagen Texte von Erich Mühsam. Musik macht das Trio Caotina, in dem auch die Türmerin Martje Thalmann spielt. Redebeiträge kommen unter anderem vom Integrationsrat, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und vom Soziologen Andreas Kemper. Seine Recherchen führten zur Einstufung des AfD-Politikers Björn Höcke als „gesichert rechtsextrem“.

+++ Wenn Sie gerne lesen und lachen und am liebsten beides verbinden, dann gehen Sie doch am Freitag, 3. Mai, in die Stadtteilbücherei am Aasee. Dort lesen der Münsteraner Krimiautor Christoph Güsken und der ebenfalls hier ansässige Satiriker Patrick Gurries aus ihren neuesten Werken. Die kostenfreie Veranstaltung mit dem vielsagenden Titel „Hauen und Stechen am Aasee“ beginnt um 19 Uhr.

Am Dienstag schreibt Ihnen Sebastian Fobbe. Ich wünsche eine gute Woche! 

Herzliche Grüße
Ralf Heimann

Mitarbeit: Katja Angenent (kan), Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Svenja Stühmeier (sst) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Maria Schubarth

PS

Der Jenaer Philosoph Matthias Warkus schreibt schon länger den Newsletter „Der Hingucker“, den ein Freund mir empfahl. Ich abonnierte ihn, die erste Ausgabe kam, in der Betreffzeile stand:„Geh mit anderen Augen durch die Stadt.“ Damit ist der Inhalt schon gut beschrieben. Warkus erklärt Architektur. Für die Ausgabe am 10. April ist er bei Regen ins Gewerbegebiet an der Loddenheide gefahren, um sich einen Klinkerbau anzusehen, der für Laien auf den ersten Blick einfach aussieht wie ein Klinkerbau. Auf den zweiten erkennt man ein Muster, das, so erklärt Warkus es in dem Video, den Faltenwurf eines Tuchs nachahmt, das der Bildhauer Ludwig Klinger für ein Denkmal Ludwig van Beethovens gemeißelt hat. Klinker und Klinger, das ist auch der Titel der Folge. Hier finden Sie gleich zum Video. (rhe)

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